DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

01-12-2023 09:30
SXEU31 DWAV 010800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 01.12.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Ws (südliche Westlage), die kurzzeitig von TrM (Trog Mitteleuropa)
unterbrochen wird.

ROBIN der Schneeyeti - Gegenstrom und fetter Schneefall im Süden und Südosten.
Auch sonst zu Beginn des meteorologischen Winters durchaus winterlich (Frost,
Glätte, Schneeschauer).

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... befindet sich Deutschland unter einer lebhaften west-südwestlichen
Höhenströmung, die so gerade noch als südliche Westlage (Ws) durchgeht, bevor am
Wochenende der Trend zu Trog Mitteleuropa (TrM) geht. Über der Biskaya und der
Iberischen Halbinsel wird aber heute mächtig "gebaggert" und Potenzial
ausgeschachtet, was dort eine weitere Austrogung und bei uns ein leichtes
Aufsteilen respektive Rückdrehen der Höhenwinde zur Folge hat. Dass das
Geopotenzial dabei eine leicht antizyklonale Kontur annimmt, ist der
trogvorderseitigen WLA geschuldet, die von Südwesteuropa bis in unsere Gefilde
wirksam ist. Daraus aber einen nennenswerten antizyklonalen Einschlag
abzuleiten, wäre grundverkehrt, weist die Bodenwetterkarte doch ein
großräumiges, mit mehreren Drehzentren gespicktes Tiefdrucksystem auf, welches
vom westlichen Mittelmeer bzw. der Iberischen Halbinsel bis hoch in den
fennoskandischen Raum reicht. Lediglich über Norddeutschland lässt sich heute
ein schmaler Zwischenhochkeil ausmachen, der sich zwischen das Drehzentrum über
den baltischen Staaten (OLIVER, der Schneebringer vom Wochenanfang) und dem
elliptisch konfigurierten Tief ROBIN (heute Mittag von Katalonien bis zur
nördlichen Adria reichend) schiebt. Immerhin reicht das, um in Teilen Nord- und
Nordwestdeutschlands der Wolken- bzw. Hochnebeldecke zeitweise an den Kragen zu
gehen, um der Sonne ein paar Einheiten zu gönnen. Außerdem wird die Versorgung
der küstennahen Gebiete mit maritimen Schneeschauern vorübergehend gehemmt, wenn
auch nicht gänzlich eingeschläfert.

Die Musik spielt von heute bis in den Samstag ohnehin woanders, nämlich im Süden
und Südosten des Landes. So hat sich auf der Nordflanke des elliptischen, fast
schon rinnenartig anmutenden Tiefs ROBIN eine mehr als solide Gegenstromlage
etabliert (nördliche Winde unten vs. Südwest oben), die sich in den Abendstunden
sogar noch verschärft. Gründe sind das bereits erwähnte Aufsteilen der
Höhenströmung sowie Druckfall südlich der Alpen und die daraus resultierende
Intensivierung des Bodentiefs. Das führt dazu, dass die andauernden
Aufgleitniederschläge in der kommenden Nacht ihren Höhepunkt erleben, worauf
hier später noch näher eingegangen wird. Zunächst gilt es die Schneefälle des
Tages abzuarbeiten, die zunächst noch gar keine reinen Schneefälle sind. Während
nämlich der größte Teil des Vorhersageraums von inzwischen etwas gealterter
Polarluft (xP) geflutet ist (T850 -5 bis -10°C), hat sich ganz im Süden ein
Schluck milderer Luft (Mischung aus mPs und mS) reingemogelt, die die
Schneefallgrenze zunächst noch hoch hält (an den Alpen bei 1000 m) und es in
einem schmalen Streifen regnen lässt. Vorübergehend gab es auch mal gefrierenden
Regen mit Glatteis, was sich inzwischen aufgrund der positiven
Belagstemperaturen aber erledigt hat. Im Laufe des Tages schiebt sich die
Kaltluft bis an die Alpen heran (T850 am Abend -2°C), so dass dort die
Schneefallgrenze wieder bis in die Täler sinkt. Weiter nördlich schneit es
teilweise bis an den Main heran und das gebietsweise ganz ordentlich, zumindest
wenn man die Intensität betrachtet (Schneedeckenzuwachs pro Zeiteinheit). 4 bis
8 cm innert weniger Stunden können da schon mal zusammenkommen. Insgesamt kommen
in bis zum Abend in weiten Teilen Bayerns und BaWüs mit Ausnahme des zunächst
noch zu warmen äußersten Südens 2 bis 8 cm Neuschnee zusammen. 10 bis 15 cm sind
es in den Hochlagen der westlich gelegenen Alpenregionen, etwa vom Allgäu bis
zum Mangfall.

Mit Ausnahme einiger Alpengipfel, wo der Südwestwind mitunter stürmisch
aufbrist, spielt der Wind heute keine tragende Rolle. Im Norden und Osten
(Ausnahme direkter Küstenstreifen mit auflandigem Wind) sowie allgemein im
Bergland hält sich leichter Dauerfrost, in den Mittelgebirgen lokal mäßiger
Dauerfrost.

In der Nacht zum Samstag intensiviert sich das Tief ROBIN südlich des
Alpenhauptkamms auf etwas unter 995 hPa. Gleichzeitig nähert sich von Westen her
der o.e. Höhentrog. Wir bereits erwähnt verbessern sich dadurch die
Hebungsbedingungen im Süden und Südosten, was freilich auch auf die
Niederschläge durchschlägt. Die intensivieren sich nämlich und fallen durchweg
als Schnee. 12-stündig muss direkt am Alpenrand mit 15 bis 20, nach Osten hin
lokal um 25 cm Neuschnee gerechnet werden. Im südlichen Alpenvorland sind es
immerhin noch 10 bis 15 cm, bevor dann weiter nördlich eine kontinuierliche
Abstufung erfolgt. Berücksichtigt man, dass sich die Schneefälle im Laufe des
Samstags zwar allmählich abschwächen, aber noch lange nicht zum Erliegen kommen
(zwischen Allgäu und Bayerischer Wald noch mal 5 bis 15 cm mit dem Maximum im
Berchtesgadener Land), sind im gesamten Ereignis etwa 20 bis 40 cm zwischen
Allgäuer Alpen und dem unteren Inn und 10 bis 20 cm nordwestlich daran
anschließend zu erwarten (teils Unwetter). Etwa ab der Donau nord-nordwestwärts
wird es dann rasch weniger mit dem Neuschnee.

Ansonsten gilt es zu konstatieren, dass die Wahrscheinlichkeit für Schneeschauer
an den Küsten sowie im küstennahen Binnenland, evtl. bis nach Bremen oder sogar
noch etwas darüber hinaus wieder zunimmt. Grund ist die Aktivierung eines
kleinen Höhentiefs, das sich am Abend etwa über dem Hamburger Raum (pünktlich
zum Lokalderby) aus einem schmalen Trog abspaltet und nachfolgend für eine
Labilisierung der Kaltluft sorgt. Meist bleiben die Neuschneemengen unterhalb
von 5 cm. Der Rest ist schnell erzählt. Zwischen dem Schneefallgebiet im Süden
und den Schauern im Norden liegt ein breiter Korridor, in dem es trocken bleibt
und die Wolkendecke teilweise aufreißt. Lokal bildet sich Nebel. Die Temperatur
geht verbreitet in den leichten bis mäßigen, selten aber in den strengen
Frostbereich zurück, potenzielle Glätte durch Schnee oder Eis inklusive. Ganz
vereinzelt kämpfen ganz im Süden einige Niederungen gegen das Abgleiten ins
Minus, was wahrscheinlich sogar gelingen wird.

Samstag... schwenkt der Höhentrog zu uns rein, wobei am Mittag zwei Drehzentren
zu finden sind: eines über Norddeutschland (das aus der Nacht) und eines knapp
südlich der Alpen. Letzteres korrespondiert mit dem kräftigen Bodentief ROBIN
(am Mittag etwas unter 995 hPa), das über Oberitalien ost-nordostwärts zieht,
wobei es sich beginnt aufzufüllen. Stromab bildet sich über Ungarn bereits das
nächste Tief, das im weiteren Verlauf die Hauptrolle übernimmt, für uns aber
keine direkte Relevanz hat. Hier steigt der Luftdruck morgen von Westen her
sogar leicht an, was sich in einem zaghaften Anklopfen eines Hochkeils
widerspiegelt (das Hoch selbst liegt mit seinem Zentrum knapp westlich der
Iberischen Halbinsel. Kein Herkules seiner Zunft, trotzdem reicht es, um vom
Saarland und der Südpfalz bis hoch zum Niederrhein ein paar Lücken in die
Wolkendecke zu pressen. Außerdem bleibt es in diesen Regionen niederschlagsfrei.


Darüber hinaus gilt es seinen Blick weiter in den Süden, zunehmend aber auch
wieder in den Norden zu richten. Zwar geht die Gegenstromlage in Süd- und
Südostdeutschland langsam zu Ende, trotzdem schneit es zunächst noch weiter, am
Alpenrand sowie von Ostbayern bis hoch zum Erzgebirge mindestens bis zum Abend.
Vom Alpenrand über das Alpenvorland bis hinüber zum Bayerischen Wald sind
weitere 5 bis 15 cm Neuschnee zu erwarten, während weiter nordwestlich nicht
mehr allzu viel zusammenkommt. Im Norden nimmt rund um das kleine Höhentief die
Schaueraktivität von der See her zu, wobei die Schauer auf der Westflanke weit
nach Süden bis nach Ostwestfalen, Nordhessen und Thüringen ausgreifen. Im
Binnenland sind es meist nur wenige Zentimeter, die das fallen, während direkt
an der Küste mit Hilfe des Lake-Effekts regional eng begrenzt durchaus mal 5 bis
10 cm möglich sind (auch wenn die Numerik darauf so gut wie keine Hinweise
liefert).

Kaltluftadvektion gepaart mit permanenter Hebungsabkühlung lassen die Temperatur
auf 850 hPa auf -7 bis -13°C zurückgehen. Folglich wird es für die 2m-Temperatur
auch immer schwerer, noch ins Plus zu rutschen. Verbreitet stellt sich leichter,
im Bergland auch mäßiger Dauerfrost ein. Leichte Plusgrade nur noch in einigen
Flusstälern Südwestdeutschlands, in Rhein- und Emsland sowie direkt an der See
(vor allem bei auflandigem Wind).

In der Nacht zum Sonntag verabschiedet sich der Höhentrog in Richtung Polen und
Tschechien. Dahinter schiebt sich ein ganz flacher Rücken rein, was ganz im
Sinne des Bodenkeils ist. Der kräftigt sich und weitet sich noch etwas nach
Osten aus. Allerdings reicht seine Macht nicht aus, das Niederschlagsgeschehen
gänzlich zum Erliegen zu bringen. Zwar werden die Schneefälle vor allem im Süden
deutlich schwächer, trotzdem bleibt ein von Nordwest nach Südost gerichteter
Korridor übrig, in dem es leicht meist schauerartig schneit. Auch im Osten sind
einzelne Schneeschauer möglich, insgesamt bleiben die Mengen aber unter der
5cm-Schwelle.

Je nach Bewölkung wird´s kalt oder sogar knackig kalt - leichter bis mäßiger, im
Süden bei Aufklaren über frischem Schnee sogar strenger Frost.

Sonntag... schreiben wir den 1. Advent, an dem sich der leichte
Zwischenhocheinfluss hält. Heißt im Klartext, die Schneeschauer werden weniger
bzw. verdünnisieren sich nach Osten und die Wolkendecke bekommt mehr oder
weniger große Lücken. Die meisten Sonnenstunden dürften am Alpenrand sowie im
Bereich Schwarzwald/Schwäbische Alb registriert werden. Ansonsten gibt es nicht
viel zu berücksichtigen, wenn man mal davon absieht, dass es in weiten Teilen
der Osthälfte sowie im Bergland dauerfrostig bleibt. In der Westhälfte hingegen
werden in den tiefen Lagen häufig leichte Plusgrade erreicht.

In der Nacht zum Montag, vielleicht auch schon in den Abendstunden, wird´s im
Westen schon wieder spannend. Verantwortlich dafür zeichnet ein neues Tief, das
vom Seegebiet westlich der Biskaya auf die Bretagne zusteuert. Weit nach Osten
ausgreifende WLA sorgt nicht nur für eine Zunahme mehrschichtiger Bewölkung,
sondern lässt zudem stratiforme Niederschläge von Westen her übergreifen. Es
zeichnet sich ab, dass diese Niederschläge überwiegend als Schnee fallen, weil
die Luft trotz niedertroposphärischer Milderung noch kalt genug sein dürfte. Ob
der Schneefall mehr im Westen und Nordwesten fällt (IFS) oder doch weiter
südlich (ICON), ist noch unsicher. Sicher scheint aber, dass uns die nächste
veritable Schneelage mit teils markanten Niederschlagsraten bevorsteht. Na dann
mal los...

Modellvergleich und -einschätzung
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Die beschriebene Entwicklung wird modellübergreifend sehr ähnlich simuliert. Die
größten Unsicherheiten ergeben sich eigentlich erst zum Ende hin
(Schneefallintensität und genaue räumliche Verteilung.
In Bezug auf die aktuelle Schneefallsituation bzw. auf das, was da im Süden bis
Samstag noch kommt, wurde eine progressive Warnstrategie auf Basis der
Niederschlagsgesamtmengen verfolgt. Die Änderung der Gesamtschneehöhe fällt
deutlich geringer aus, was angesichts des zunehmend trockenen Schnees nicht ganz
nachvollziehbar ist.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann