DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

24-11-2023 09:01
SXEU31 DWAV 240800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 24.11.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Nz (Nord zyklonal)

Erwärmte maritime Polarluft arktischen Ursprungs - sehr wechselhaft und
besonders im Bergland zunehmend winterlich, im Tiefland teils nasskalt. Anfangs
noch windig bis stürmisch.


Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... 24. November, es kann losgehen. Genau eine Woche vor Beginn des
meteorologischen Winters hat sich die Atmosphäre entschieden, eine erste
substanzielle Duftmarke zu setzen, auch wenn jetzt nicht gleich der
Brachialwinter über uns hereinbricht. Maritime Polarluft arktischen Ursprungs
(mA) heißt das Zauberwort, die, um das gleich mal etwas abzudämpfen, auf ihrem
langen Weg über die vorgelagerten, noch nicht wirklich abgekühlten Meeresgebiete
(vor allem die Nordsee ist noch relativ warm) modifiziert und erwärmt bei uns
ankommt. Immerhin, für einen Wintereinbruch im Bergland reicht es dicke und auch
im Tiefland kann es für die eine oder andere "Überraschung" reichen, wie es
medial immer so schön heißt, aber längst nicht immer berechtigt ist.

Die Kaltfront, die den markanten Luftmassenwechsel einleitet respektive schon
eingeleitet hat, ist mittlerweile in Süddeutschland angekommen, wo sie straight
foreward die Alpen ansteuert. Gegen Mittag sollte das Hochgebirge erreicht sein,
so dass der Weg im ganzen Land frei wird für die hochreichende Kaltluft aus
nordischen Gefilden. In Zahlen ausgedrückt erwartet uns eine Luftmasse, die am
Abend auf 850 hPa -3 bis -6°C und auf 500 hPa -33 bis -38°C aufbietet. Lediglich
der äußerste Südwesten bleibt zunächst noch von der höhenkältesten Luft
verschont. Als antreibende Kräfte für den Luftmassenwechsel fungieren das vom
Baltikum bis nach Westrussland reichende Doppeltief NIKLAS III und IV (rund 975
hPa in den Kernen; man befindet sich tatsächlich schon in 3. und 4. Generation)
auf der einen sowie das den gesamten nahen Ostatlantik abdeckende Doppelhoch
BIONDA/CHRISTINA, dessen Zentrum heute Mittag mit etwas über 1030 hPa knapp
südlich von Island verortet ist. Korrespondierend zu diesen illustren
Herrschaften hat sich westlich von uns ein veritabler, bis hoch zur Grönlandsee
reichender Höhenrücken etabliert, dem ein massiger Trog über Nord- und
Nordosteuropa gegenübersteht. Permanenter, durch kräftige KLA initiierter
Potenzialverlust sorgt in den nächsten Stunden für eine gewaltige Ausweitung des
Troges nach Süden, von der auch Mitteleuropa betroffen ist. Eingelagerte, nach
Süden durchrutschende KW-Tröge sorgen für einen wechselhaften Wetterablauf, der
in Verbindung mit der labil geschichteten Kaltluft ein Stück weit an den April
erinnert.

So stellt sich nach Abzug der Kaltfront deutschlandweit wechselhaftes
Schauerwetter ein, bei dem alle Register gezogen werden: Regen-, Schnee-,
Graupelschauer, dazu kurze Gewitter, aber auch etwas Sonne und trockene Phasen -
langweilig wird´s nicht, zumal auch der Wind in der Lage ist, einige kernige
Akzente zu setzen. Die Schneefallgrenze sinkt in und an den Alpen von anfangs
1500 bis 1000 m bis in Tallagen ab und es stellt sich eine bis in den Sonntag
andauernde Staulage ein, bei der es mit kurzen Unterbrechungen und
Intensitätsschwankungen immer wieder schneit. Akkumuliert bis Sonntagabend sind
20 bis 40 cm, in Staulagen etwa oberhalb 800 m bis 50 cm oder etwas mehr
Neuschnee zu erwarten. In höheren Lagen kommen noch Schneeverwehungen und
-verfrachtungen dazu, was die Lawinengefahr erhöht. Im großen Rest der Republik
pendelt sich die Schneefallgrenze im stark maritim geprägten Westen etwa
zwischen 400 und 600 m, sonst zwischen 200 und 400 m, bei kräftigen Schauern
auch darunter ein. Die sogenannte Schneegrenze, also die Höhe, ab der ernsthaft
was liegen bleibt, ist aufgrund der guten Durchmischung bei etwa 500-600 m
anzusetzen. Oberhalb davon darf tagsüber mit ein paar Zentimeter Neuschnee
gerechnet werden, in West- und Nordweststaulagen können es gerne auch mal bis zu
10 cm werden. Darunter kann es freilich auch kurzzeitig mal glatt werden,
vornehmlich durch Schneematsch. Nicht zu vergessen, dass insbesondere im Norden
und in der Mitte zudem einzelne Graupelgewitter an den Start gehen (heute Morgen
schon der Fall), die mit stürmischen Böen oder Sturmböen 8-9 Bft, im äußersten
Nordwesten später gar mit schweren Sturmböen 10 Kt (Höhenwinde 850 und 925 hPa
um 50 Kt) einhergehen können.

Womit wir beim Wind bzw. Sturm wären, der zweiten Warnbaustelle neben dem
Schnee. Angefacht durch Tagesgang und einen üppigen Gradienten entwickelt sich
verbreitet ein lebhafter und ruppiger West- bis Nordwestwind mit steifen Böen 7
Bft. Bei kräftigen Schauern sowie in einem von Nordwesten den nördlichen
Mittelgebirgsrand entlang bis nach Mitteldeutschland reichenden Streifen treten
durch Impulstransport oder Leitplankeneffekte öfters auch mal stürmische Böen 8
Bft auf. Im höheren Bergland stehen Sturmböen 9 Bft, in exponierten Kamm-,
Gipfel- und Kuppenlagen schwere Sturmböen oder orkanartige Böen 10-11 Bft auf
der Karte. Gleiches gilt übrigens für die Nordsee, wo der Fetch am besten
ausgeprägt ist, zudem die stärksten Höhenwinde auftreten und zusätzlich am
Nachmittag von Südskandinavien her noch ein markanter Bodentrog aufschlägt
(hinter dem der Wind übrigens auf glatt Nord dreht).

Blieben abschließend nur noch die Temperaturen, die in der Spitze 4 bis 8°C, im
Südwesten punktuell noch mal bis 10°C, im höheren Bergland rund 0°C erreichen.

In der Nacht zum Samstag setzt sich die Ausweitung des Höhentrogs nach Süden
weiter fort, wobei die Achse deutlich östlich von uns positioniert ist. Im
Bereich Italien wird eine Zyklogenese in Gang gesetzt, aus der ein unheilvolles
Tief hervorgeht. Es wird sich im Laufe des Wochenendes merklich vertiefen und
dabei via Griechenland gen Schwarzes Meer und später zur Ukraine ziehen und
dabei durch Starkwind/Sturm sowie Starkniederschläge für Schlagzeilen sorgen.
Bei uns läuft die Sache glimpflicher ab, wobei der o.e. Bodentrog im Fokus
steht. Er zieht in den Abend- und ersten Nachtstunden unter Konturverlust über
den Norden und Osten südostwärts durch. Dabei kommt es vorübergehend zu einer
leichten Verstärkung der schauerartigen, vereinzelt auch gewittrigen
Niederschläge, bevor nachfolgend eine Pause einsetzt. In den Mittelgebirgen
kommt noch etwas Neuschnee drauf, in Staulagen der östlichen und südlichen
Mittelgebirge durchaus 5 bis 10 cm. Im Osten und Süden kann es aber auch in
tiefen Lagen mal weiß oder zumindest matschig werden. Und an den Alpen schneit
es ohnehin munter weiter.

Darüber hinaus verlagert sich das an den Trog gekoppelte Starkwindfeld (Böen 7-8
Bft) unter Abschwächung von Norddeutschland in den Südosten. Dahinter fächert
der Gradient etwas auf, so dass der Wind im Tief- und Binnenland unter die
untere Warnschwelle rückt. Windig bis stürmisch bleibt es an der See sowie in
den Hochlagen des Berglands, bevor der Wind an der Ostsee mit Anrücken eines
zweiten Bodentrogs (übrigens ein Relikt von NIKLAS aus der 1. und 2. Generation,
von der FU Berlin/BWK richtigerweise NIKLAS II genannt) von Dänemark her
deutlich in die Knie geht.

Die Temperatur geht in weiten Landesteilen bis auf Gefrierpunktnähe oder in den
leichten Frostbereich zurück, was streckenweise und je nach Vorgeschichte
gefrierende Nässe zur Folge hat. Frostfrei bleibt es abgesehen vom Bergland in
weiten Teilen West- und Nordwestdeutschlands, den Flusstälern im Südwesten sowie
unmittelbar an der See bzw. bei auflandigem Wind auch ein Stück landeinwärts.


Samstag... verbleiben wir unter der gefühlt vom Pol bis zum Äquator reichenden
nördlichen Höhenströmung. Dadurch, dass sich der Höhentrog geringfügig nach
Osten verschiebt und gleichzeitig der Rücken etwas dichter an den Kontinent
heranrückt, ist die Höhenkaltluft nicht mehr ganz so kalt wie vorher bzw. wird
die kälteste Luft nach Südosten abgeschoben (T500 am Abend zwischen -25°C im
äußersten Westen und -35°C in Südostbayern). Ansonsten schwenkt auch der zweite
Bodentrog über den Norden und die Osthälfte hinweg südwärts. Er ist deutlich
besser definiert als sein nächtlicher Vorgänger und da im Westen kurzzeitig
etwas mildere Luft (T850 -3°C) eingeschoben wird und rückseitig einer neuer
Schwall (niedertroposphärischer) Kaltluft (T850 im Nordosten bis zu -10°C)
angezapft wird, wurde der Trog sogar mit einem Frontensystem in der
Vorhersagekarte T+36h ausgestattet.

Fronten hin, Tröge her, auch am morgigen Samstag steht eine rege
Schaueraktivität bevor, die erst in der zweiten Tageshälfte mit Einströmen etwas
trockenerer Luft von Norden her abebbt. Während im west-nordwestlichen Tiefland
aufgrund des stark maritimen Einschlags die flüssige Phase überwiegt, fällt in
den übrigen Regionen überwiegend Schnee. In den Mittelgebirgen kommen einige
Zentimeter, in Staulagen teils 5 bis 10 cm Neuschnee dazu. Aber auch weiter
unten kann es vor allem nach Osten hin sowie im Süden vorübergehend mal weiß
werden. Ganz im Norden tut sich ein kleines trockenes Fenster auf, durch das
zudem die Sonne scheint. Grund ist die Zufuhr besonders trockener Luft, der bei
der Überströmung der norwegischen Gebirge Wasserdampf entzogen wurde (Stichwort
"Skandenföhn").

Zwar kommt der Wind (im Norden um Nord, im Süden um West) nicht mehr an die
Dynamik des Vortags heran, trotzdem erreicht er in Böen stellenweise Stärke 7
Bft, was freilich nicht ganz einfach abzuwarnen ist. Im höheren Bergland stehen
noch Böen 8 Bft, vereinzelt 9 Bft auf dem Zettel, während an der Küste -
insbesondere an der Nordsee - der Dampf bis Mittag doch gehörig rausgeht (Ostsee
weiterhin einige 7er-Böen).

Die Temperatur erreicht Höchstwerte zwischen 1 und 5°C, im Westen und Nordwesten
bis zu 7 oder 8°C. Oberhalb 500 bis 700 m stellt sich Dauerfrost ein.

In der Nacht zum Sonntag fächert der Gradient auf und von Westen steigt der
Luftdruck etwas an. Gleichzeitig trocknet es von Norden her ab und die
schauerartigen Schneefälle verlagern sich mehr und mehr in den Süden, wobei sie
sich an den Alpen vorübergehend noch mal intensivieren (in Staulagen 10-20 cm,
lokal etwas darüber innert 12 h). Es kühlt verbreitet in den leichten, im
östlichen Bergland auch mäßigen Frostbereich ab, mögliche Glätte (Schnee,
gefrierende Nässe) inklusive. Frostfrei bleibt es in Teilen West- und
Südwestdeutschlands.

Sonntag... steigt der Luftdruck weiter und von Frankreich her schiebt sich ein
Keil nach Osten vor. Auf der Nordflanke streicht eine schwache Warmfront nach
Osten, die das Sonnenfenster vom Vortag schließt bzw. nach Osten verschiebt.
Ansonsten kommt es im Westen und Süden noch zu leichten Regen- und Schneefällen,
die am Alpenrand allerdings nachlassen. Windtechnisch sind keine großen Sprünge
zu erwarten. Temperaturen 0 bis 7°C (höchste Werte an Rhein und Ems), im
Bergland Dauerfrost.

In der Nacht zum Montag wird es spannend, wenn sich von Westen her ein Tief
nähert. Es bringt stratiforme Niederschläge, die bis weit in den Montag
andauern. Von Regen über Schnee bis Glatteis kann alles dabei sein, auch wenn es
für Details noch zu früh ist.

Modellvergleich und -einschätzung
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Genug geschrieben, passt alles.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann