DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

22-11-2023 08:30
SXEU31 DWAV 220800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 22.11.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
BM; Umstellung auf Nz

Heute vorübergehend Hochdruckeinfluss, ab Donnerstag sehr unbeständig, stürmisch
und zunächst mild. Ab Freitag Wintereinbruch mit viel Schnee in den Alpen.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... erfreuen wir uns einer kurzen antizyklonalen Verschnaufpause, bevor
es in den kommenden Tagen wieder sehr unbeständig wird. Nach einer kurzen,
deutlichen Milderung steht zum Ende der Woche dann der erste Wintereinbruch
bevor.

Die Wetterberuhigung haben wir einem breit angelegten Rücken zu verdanken, der
ausgehend von dem hochreichenden blockierenden Hoch über dem Ostatlantik über
die Britischen Inseln und die Nordsee nach Skandinavien gerichtet ist. Flankiert
wird er von einem zum zentralen Mittelmeer abtropfenden Trog und einem weiteren
Trog mit Drehzentrum über der Grönlandsee. Letzterer erweist sich als recht
mobil und weitet sich im Tagesverlauf über das Nordmeer südostwärts bis nach
Skandinavien aus. Dadurch wird der Rücken nach Süden gedrückt und liegt am Abend
quer über Deutschland. Die damit korrespondierende, zonale Hochdruckbrücke
verlagert sich ebenfalls südwärts und findet sich abends mit ihrer
Divergenzachse etwa zwischen Main und Donau. Die eingeflossene, maritim erwärmte
Polarluft kommt damit vorübergehend zur Ruhe. Die Temperaturen auf 850 hPa
steigen aufgrund der rückseitig des Rückens einsetzenden WLA von Nordwesten
allerdings bereits wieder an und liegen abends zwischen -6 Grad im Südosten und
+3 Grad im Nordwesten.

Die windschwachen Bedingungen erschweren das Auflösen der nächtlichen Status-
und Stratocumulusfelder in der Südosthälfte, die Sonne zeigt sich wahrscheinlich
nur selten. An den Alpen wird die tiefe Bewölkung orographisch soweit gehoben,
dass sogar noch etwas Niederschlag fällt. Die Schneefallgrenze sinkt noch etwas
ab auf Lagen um oder knapp unter 800 m. Die Neuschneemengen liegen aber meist
unter 5 cm.
Im nordwestlich daran anschließenden Streifen vom Rheinland und der Saar über
die Mitte nach Osten, sorgt starkes Absinken und eine niedertroposphärisch
abgetrocknete Luftmasse für recht sonnige Verhältnisse, zumindest, nachdem sich
örtliche Nebel- und Hochnebelfelder aufgelöst haben.
Im Nordwesten und Norden dagegen sorgt die sich verstärkende WLA zeitig für den
Aufzug dichterer hoher und mittelhoher Bewölkung. Gegen Abend nähert sich zudem
die Warmfront des nordeuropäischen Tiefdruckkomplexes von der Nordsee her,
sodass sich die Bewölkung auch im unteren Stockwerk verdichten und im
Nordseeumfeld bereits leichter Regen einsetzt.
Damit einher geht eine rasche Gradientverschärfung, sodass der Südwestwind im
Küstenumfeld auffrischt mit steifen, exponiert stürmischen Böen. Auf
Nordfriesland sind abends erste Sturmböen möglich.
Unter der hochnebelartigen Bewölkung im Südosten und östlichen Mittelgebirgsraum
liegen die Höchsttemperaturen nur knapp über 0 Grad, teilweise reicht es für
leichten Dauerfrost. Ansonsten werden Maxima zwischen 3 und 7 Grad erreicht, mit
den höchsten Werten am Rhein und an der Nordsee.

In der Nacht zum Donnerstag schwenkt der Rücken weiter nach Süden und erreicht
mit seiner Achse Süddeutschland, die Hochdruckbrücke, die sich zunehmend zu
einem Hochkeil umwandelt, wandert zum Alpenvorland. Während sich im Süden und
Südosten die windschwache Hochdrucklage fortsetzt, gelangt der große Rest des
Landes hinter der ostwärts durchziehenden Warmfront in eine westliche bis
südwestliche Strömung. Mit dieser gelangt zumindest oberhalb der Grenzschicht
wieder deutlich mildere Luft (T850 auf Werte bis knapp 5 Grad ansteigend). Im
Nordwesten und Norden setzt sich diese auch bodennah durch, sodass es frostfrei
bleibt. Ansonsten bleibt zumindest anfangs noch eine kalte Grenzschicht
erhalten, in der die Luft nochmal auf frostige -1 bis -5 Grad, im Bergland
örtlich bis auf -7 Grad absinkt.
Im Süden ziehen sich Stratocumulusfelder tendenziell nach Südosten zurück,
sodass es gebietsweise aufklart, allerdings bilden sich in der immer noch eher
feuchten Luft wieder gebietsweise Nebel oder Hochnebel. Örtlich ist mit Glätte
durch Reif oder gefrierende Nebelnässe zu rechnen.
Ansonsten breiten sich mit der Warmfront dichte Wolken süd- und ostwärts aus und
überdecken bis zum Morgen die Gebiete nördlich des Mains. Vor allem über der
Nordhälfte ziehen leichte Niederschläge ostwärts. Zu Beginn kann nach Osten zu
die ein oder andere nasse Flocke mit dabei sein, meist ist es aber Regen.
Unkritisch ist das im frostfreien Nordwesten, in den östlichen Bereichen der
norddeutschen Tiefebene dagegen beharrt vor allem die deutsche Modellkette auf
eine kurze Phase mit gefrierendem Regen. Dies scheint in dieser flächenmäßigen
Ausprägung aber übertrieben, es ist eher davon auszugehen, dass trotz mitunter
leicht negativen Temperaturen die Belagstemperaturen mit Einsetzen der
Niederschläge recht zügig in den positiven Bereich wechseln. Kleinräumiges
Glatteis ist aber natürlich nicht ausgeschlossen, insbesondere, wenn es Richtung
östlichen Mittelgebirgsraum geht, wo tagsüber Dauerfrost herrschte.
Gegen überregionales Glatteis spricht im Übrigen auch der Wind, der weiter
auffrischt. Dieser weht in der gesamten Nordhälfte zunehmend mäßig aus Südwest.
An den Küsten gibt es Sturmböen, morgens exponiert eventuell sogar schwere
Sturmböen. Im küstennahen Binnenland sind steife Böen zu erwarten,
möglicherweise sind vereinzelte Windböen auch weiter südlich im Osten und in
einigen Mittelgebirgsleelagen drin, was aber nicht unbedingt eine Warnung nach
sich ziehen muss. Die nördlichen und östlichen Berggipfel (Brocken/Fichtelberg)
bekommen (schwere) Sturmböen.



Donnerstag... greift der Trog über Nordeuropa mit seinem Zentrum zunehmend auf
die Norwegische See und Skandinavien über und weitet sich gleichzeitig bis zu
den Britischen Inseln und zur Nordsee aus. Der Rücken zieht über die Alpen nach
Süden ab, sodass sich landesweit eine nordwestliche, vor allem nach Norden zu
leicht zyklonale Höhenströmung einstellt. Am Alpenrand bleibt ein
Hochkeilstummel erhalten, sodass es dort windschwach bleibt und sich zumindest
anfangs nach Nebelauflösung die Sonne zeigt. Im Tagesverlauf driften die
dichten, tiefen Wolkenfelder allerdings von Norden zunehmend gegen die Alpen,
Der Sonnenstreifen zieht sich in die inneralpinen Bereiche zurück.
Ansonsten gelangen wir in den Warmsektor des Tiefs über Skandinavien, in der mit
strammer Westströmung eine sehr feuchte, milde Meeresluft herangeführt wird. Die
Bewölkung bleibt zumeist dicht, im oberen Bergland ist es teils trüb.
Wolkenlücken gibt es am ehesten an den Osträndern der Mittelgebirge. Die
deutschen Modelle belassen es zunächst weitestgehend trocken, was aber wohl zu
optimistisch ist. Vielmehr dürfte es aus dem Status zeitweise Nieseln,
insbesondere im Luv des Berglandes.
"Richtiger", teils schauerartig verstärkter Regen kommt nachmittags und abends
mit Übergreifen der Kaltfront im Norden und Nordosten auf.
Präfrontal verschärft sich der Gradient nochmal etwas, sodass im Norden und in
der Mitte verbreitet steife bis stürmische Böen, im Bergland und im küstennahen
Binnenland Sturmböen aus Südwest bis West zu erwarten sind. Unmittelbar an der
See ist mit Winddrehung auf West bis Nordwest häufiger mit schweren Sturmböen zu
rechnen, insbesondere in Nordfriesland und generell über der Nordsee mit
einzelnen orkanartigen Böen. Die Gipfel der Mittelgebirge (Brocken, Fichtelberg)
bekommen Orkanböen.
Die Höchsttemperaturen liegen zwischen 2 Grad in tiefen Lagen des windschwachen
Südens und 13 Grad im Nordwesten.

In der Nacht zum Freitag schwenkt der Trog mit Zentrum über Skandinavien
ostwärts und erreicht Finnland und Nordwestrussland. Da sich über dem
Nordatlantik ein stark Rücken weit nach Norden aufwölbt, bricht der Trog nebst
höhenkalter Luft rasch nach Süden aus und beeinflusst zunehmend das nördliche
Mitteleuropa. Die Kaltfront wird südwärts etwa bis zum Main gedrückt. Sie neigt
aufgrund der geringen Schubkomponente zu leichter Wellenbildung, sodass es auch
mal länger und kräftiger regnen kann. Über der nördlichen Mitte werden von ICON
beispielsweile regional 10 bis 20 mm simuliert, Dauerregen ist aber
unwahrscheinlich. An den Alpen bleibt es noch länger trocken, dort setzt der
Regen erst in den Frühstunden ein. In der postfrontal einsickernden
Meereskaltluft (T850 -1 bis -5 Grad) sinkt die Schneefallgrenze im
Mittelgebirgsraum auf rund 600 m ab, allerdings lässt der frontale Niederschlag
kurz nach Ankunft der Kaltluft schon bald nach. In gut durchmischter Luft liegt
die 0-Grad-Grenze noch deutlich höher, sodass allenfalls auf den Gipfeln
geringer Neuschnee zu erwarten ist.
Im Norden folgen in der durch Höhenkaltluft (T500 -35 Grad) labilisierten Luft
Regen- und Schneeregenschauer, auch einzelne Graupelgewitter sind
wahrscheinlich.
Vor allem unmittelbar präfrontal ist auch in der Nacht mit steifen bis
stürmischen Böen bis ins Tiefland zu rechnen, aber auch in den höheren Lagen
Süddeutschlands treten zunehmend steife Böen auf. Auf exponierten Bergen
herrscht schwerer Sturm, respektive Orkan. Postfrontal fächert der Gradient zwar
auf, insbesondere in Schauern kommt es aber weiterhin zu Böen 7-8 Bft, bei
Gewittern sind Sturmböen möglich. An der See werden unvermindert Sturm- und
schwere Sturmböen erwartet. Der gewaltige Nordwestfetch, der Wasser vom Nordmeer
über die Nordsee in die Deutsche Bucht drückt, lässt zudem eine Sturmflut
vermuten.



Freitag... schwenkt die Hauptachse des Troges von Nordwesten nach Deutschland,
sodass das ganze Land von der Höhenkaltluft geflutet wird. Hinter der über den
Süden südwärts abziehenden Kaltfront verstärkt sich niedertroposphärisch der
Zustrom von Meereskaltluft, sodass die Temperaturen auf 850 hPa teils unter 5
Grad sinken.
Zuvor regnet es im Süden an der Kaltfront noch zeitweise bei recht hoher
Schneefallgrenze (800-1000 m). Ansonsten stellt sich das für eine Troglage
typische wechselhafte Schauerwetter ein. Teilweise gibt es Schneeregen- und
Graupelschauer bis in tiefe Lagen, auch einzelne Gewitter sind mit von der
Partie. Oberhalb von 400-600 m fällt durchweg Schnee, die nachhaltige
"Liegenbleibgrenze" befindet sich in der gut durchmischten Luft aber deutlich
höher, sodass sich nennenswerte Neuschneeakkumulation von teils 5 bis 10 cm auf
exponierte Nordweststaulagen beschränkt.
An den Alpen beginnt hinter der Kaltfront dagegen eine markante Staulage, die
bis in den Sonntag hinein anhält. Markante eventuell unwetterartige
Neuschneemengen von 50 bis 100 cm sind definitiv im Bereich des Möglichen, auch
starke Schneeverwehungen müssen ins Kalkül gezogen werden.
Der Wind frischt tagesgangbedingt wieder verbreiteter auf mit steifen bis
stürmischen Böen, bei Schauern und Gewittern sowie an der See mit Sturmböen, auf
Gipfeln orkanartigen Böen. Später schwenkt ein markanter Bodentrog, der sich im
Lee des Skandinavischen Gebirges ausgebildet hat, in den Nordwesten, sodass dann
an der Nordsee wieder mit schweren Sturmböen oder orkanartigen Böen gerechnet
werden muss.
Die Höchsttemperaturen liegen zwischen 3 und 8 Grad, im oberen Bergland um 0
Grad.

In der Nacht zum Samstag schwenkt die Haupttrogachse unter starker
Amplifizierung südostwärts durch, sodass sich zwischen dem Trog und dem Rücken
über dem Ostatlantik eine Nordströmung einstellt.
Im Norden und Nordosten geht die Schauerneigung durch eine Abtrocknung der
Luftmasse im Lee des Skandinavischen Gebirges zurück, ansonsten bleibt es
unbeständig mit vielen Schauern und einzelnen Gewittern. Im Umfeld weiterer,
durch die Überströmung des Skandi-Gebirges induzierte Bodentröge sind
gebietsweise auch flächigere, skalige Niederschläge möglich. Mit Ausnahme des
nordwestdeutschen Binnenlandes schneit es bis in tiefe Lagen. Oberhalb von 300
bis 400 m sind bis 5, in Nordstaulagen auch bis 10 cm Neuschnee möglich, an den
Alpen schneit es ergiebig. Aber selbst im Flachland kann sich eine dünne
Nasschneedecke ausbilden - Hallo, Winter! So oder so wird es bei Temperaturen um
oder knapp unter 0 Grad verbreitet glatt.

Modellvergleich und -einschätzung
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Im Hinblick auf die synoptischen Basisfelder rechnen die Modelle sehr ähnlich.
Unterschiede in Bezug auf die gefrierende Niederschlagsphase bestehen in der
Nacht zum Donnerstag im Osten. Im Gegensatz zu ICON sind die externen Modelle
deutlich defensiver. Die synoptische Ausgangssituation spricht eher für eine
räumlich sehr eng begrenzte Glatteislage.
Gewisse Unschärfen lassen sich auch bei der Windentwicklung insbesondere im
Norden feststellen. Das betrifft vor allem die Frage, wie verbreitet die
orkanartigen Böen am Donnerstag mit Kaltfrontpassage auftreten. MOS-MIX rechnet
über der Nordsee verbreitet 11er Böen, die sogar bis ins Binnenland nach
Schleswig-Holstein übergreifen. Demnach wäre sogar eine vorübergehende
Unwetterwarnung angebracht. Die anderen deterministischen und probabilistischen
Vorhersagesystem sind noch zurückhaltender.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Adrian Leyser