DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

06-11-2023 09:01
SXEU31 DWAV 060800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 06.11.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Wz (West zyklonal)

Fortdauer der sehr wechselhaften, teils windigen und recht milden Witterung.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 24 UTC
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Montag... zeigt die großräumige Potenzialverteilung einen kastenförmig
anmutenden Höhentrog, der vom nahen Atlantik über Mitteleuropa bis zum nahen
Osteuropa reicht. Deutschland befindet sich dabei auf der kalten Seite der
südlich der Alpen verlaufenden Frontalzone unter einer relativ glatt gebügelten
West-Südwestströmung, in der aber immer wieder kurzwellige Anteile - mal mehr,
mal weniger im Isohypsenfeld erkennbar - ostwärts durchgeschleust werden. Auch
bodennah zeigt sich eine krümmungsarme, zonal exponierte Isobarenverteilung, die
sich aus einer flachen Hochdruckzone über dem Mittelmeerraum und einer aus
mehreren "Altinternationalen" bestehenden Tiefdruckzone knapp nördlich von uns
rekrutiert. Die Rede ist von den Herren Ciaran und Domingos, in Deutschland auch
unter den Namen EMIR und FRED bekannt, die sich mittlerweile aufs Altenteil
gesetzt, z.T. geteilt haben und nun zwischen Schottland und den baltischen
Staaten besagte Tiefdruckzone bestücken. Mit der aus dieser Konstellation
resultierenden flotten, von wenigen Ausnahmen abgesehen aber nicht mehr
stürmischen südwestlichen Grundströmung wird maritim erwärmte Subpolarluft (mPs)
herangespült, die leicht labil geschichtet ist (um 12 UTC T500 um -26°C, T850
mit Ausnahme des etwas wärmeren Südens um +1°C), insgesamt aber nur wenig
(skinny) CAPE bietet - logisch, wir haben ja November und nicht Juli.

Wie auch immer, es ist alles angerichtet für einen insgesamt wechselhaften,
vielfach windigen und aufgrund der guten Durchmischung - kalte Seite der
Frontalzone hin oder her - milden Wochenstart. Bereits heute früh ziehen erste
Schauer über das Land hinweg, was sich auch tagsüber fortsetzen wird. Dabei
lassen sich ein paar Schwerpunkte herausarbeiten, während in anderen Regionen
wenig bis nichts passiert. Da wären zum einen der Nordwesten, insbesondere die
nordseenahen Areale zu nennen, wo die diabatische Komponente (Stichwort "warmes"
Oberflächenwasser) mithilft, Schauer, vereinzelt auch kurze Gewitter (mit Böen
7-8 Bft, worst case 9 Bft) zu generieren. Vor allem die hochauflösenden Modelle
wie ICON-D2, AROME und auch SuperHD lassen auch weiter südlich (Westfalen, Teile
Niedersachsens) ein regionales Maximum zu, was aus dem nächtlichen Schauerband
über dem Ärmelkanal gespeist wird. Später gesellt sich dann auch der Südwesten
dazu. Bereits heute Morgen ist über Frankreich eine erhöhte Schaueraktivität zu
beobachten, die an einen flachen kurzwelligen Troganteil gekoppelt ist, welcher
später auch zu uns gelangt. Auch in diesem Fall ist ein kurzes Gewitter
ähnlicher Qualität wie im Nordwesten nicht auszuschließen. Im großen Rest der
Nation treten Schauer eher sporadisch auf oder es bleibt gänzlich trocken,
insbesondere von Oberbayern über den Bayerischen Wald und das Erzgebirge bis
nach BB. In weiten Teilen Oberbayerns tut sich sogar ein größeres und längeres
Sonnenfenster auf, während sonst mehr oder weniger andauernde Auflockerungen das
Geschehen bestimmen.

Aus warntechnischer Perspektive steht heute einmal mehr der Südwestwind auf der
Karte, der mit Hilfe des Tagesgangs ein solides Level mit Böen 7, vereinzelt 8
Bft (exponiert, Küste, Schauernähe) erreicht. In höheren Lagen sind stürmische
Böen 8 Bft öfters anzutreffen, auf einigen Kuppen und Kämmen wird es sogar noch
zugiger (9-10 Bft). Am Nachmittag und Abend nimmt der Wind vor allem in tiefen
Lagen tagesgangbedingt ab, aber auch weiter oben sollte es weniger werden, da
die Höhenwinde ebenfalls nachlassen.

Die Temperatur erreicht Höchstwerte zwischen 9 und 15°C, im östlichen
Alpenvorland lokal vielleicht sogar noch etwas mehr.

In der Nacht zum Dienstag ändert sich an der beschriebenen Potenzial- und
Druckverteilung nicht viel. Die Zonalströmung bleibt erhalten, so dass der o.e.,
in den numerischen Feldern mit bloßem Auge kaum noch zu erkennende KW-Trog mit
den zugehörigen Schauern über die Mitte und den Süden nach Osten durchgereicht
wird. Dahinter bleibt es wechselnd wolkig mit nur einzelnen, im Anstau der
west-südwestlichen und der zentralen Mittelgebirge etwas häufigeren Schauern.
Auch über der Nordsee wird von der Numerik weiterhin eine rege konvektive
Aktivität angeboten. Ursache sind sowohl diabatische Effekte als auch die
Tatsache, dass sich der westliche Teil des "Kastentroges" mit Höhenkaltluft
(T500 -28°C) nähert. Zwar werden die meisten Schauer und kurzen Gewitter im
wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser fallen, vor allem das nördliche SH bekommt
aufgrund der südwestlichen Anströmung aber einiges davon ab.

Darüber hinaus muss noch gesagt werden, dass der Südwestwind nur direkt an den
Küsten und in exponierten Hochlagen einigermaßen flüssig unterwegs bleibt mit
Böen 7-8 Bft, Kammlagen vereinzelt 9 Bft, anfangs auch noch 10 Bft (z.B.
Brocken). Die Temperatur geht auf 9 bis 2°C zurück, leichter Frost ist nur in
den höheren Lagen der süddeutschen Mittelgebirge sowie in den Alpen ein Thema.


Dienstag... dreht die Höhenströmung etwas zurück, weil der Trog seine breite
Kastenform verliert und der Westteil als "normales" Gebilde auf Mitteleuropa
zusteuert. Dabei bleibt Deutschland zunächst noch auf der Vorderseite, bevor die
Hauptachse (auf 300 hPa deutlich besser ausgeprägt als auf 500 hPa) am
Spätnachmittag bzw. Abend den Westen des Landes erreicht. Bodennah tut sich gar
nicht mal so viel gegenüber heute, sprich, auch den morgigen Dienstag verbringen
wir auf der Südflanke der weitgehend zonal ausgerichteten, etwas nach Norden
verschobenen Tiefdruckzone. Diese reicht am Mittag von der Nordsee über
Skandinavien bis zum Weißen Meer respektive Nordwestrussland. Der Gradient
präsentiert sich etwas aufgelockerter als heute, weshalb auch der Südwestwind
schmallippiger daherkommt. Böen 7-8 Bft, Brocken und Feldberg 9 Bft dürften in
regelmäßiger Häufigkeit nur noch an der See (an der Ostsee aufgrund der
ablandigen Windkomponente seltener) sowie im höheren Bergland auftreten,
ansonsten nur sporadisch (Schauernähe, exponiert).

Ansonsten gilt es zu konstatieren, dass die nach wie vor einfließende maritime
Subpolarluft einen Tick kälter ist als heute (T850 um 0°C, T500 um -28°C). Die
Labilität ist weiter ausreichend, um mit Hilfe in der Höhe durchlaufender kurzer
Wellen sowie des Tagesgangs (auch wenn der Anfang November naturgemäß zusehends
lahmt) in wechselnder bis starker Bewölkung Schauer, vereinzelt auch kurze
Gewitter zu initiieren. Die Wahrscheinlichkeit, dass was Elektrisches auftritt,
ist über und an der Nordsee am größten, kann aber auch sonst nicht gänzlich
verneint werden. An den Alpen, wo sich zum Nachmittag eine erhöhte
Schauerfrequenz abzeichnet, sinkt die Schneefallgrenze auf unter 1500 m, aber
nicht bis auf 1000 m. Wie so oft bei vergleichbaren Lagen wird nicht jeder Ort
von einem Schauer getroffen, wobei sich morgen über der Norddeutschen Tiefebene
ein relatives Minimum abzeichnet.

Thermisch geht´s zwar geringfügig nach unten, mit maximal 8 bis 14°C sind wir
für die erste Novemberdekade aber immer noch mild aufgestellt.

In der Nacht zum Mittwoch schwenkt der Trog über den Vorhersageraum ostwärts
hinweg, so dass die Höhenströmung bis zum Morgen auf Nordwest dreht. Am Boden
hingegen bleibt die südwestliche Strömung erhalten. Über die Kimbrische
Halbinsel zieht ein Bodentrog hinweg, der den Gradienten im Norden wieder etwas
anziehen lässt. Warnwürdige Böen 7, vereinzelt 8 Bft dürften neben der
obligatorischen Hochlagen aber weitgehend auf den unmittelbaren Küstensaum sowie
die vorgelagerten Inseln beschränkt bleiben.

Das Maximum konvektiver Umlagerungen bis hin zu Gewittern befindet sich
weiterhin über der Nordsee, was freilich auch an den unmittelbar angrenzenden
Küstenstreifen nebst vorgelagerter Inseln abfärbt, vor allem in
Schleswig-Holstein. Am meisten Regen dürfte aber auf Helgoland runterkommen, wo
bis Mittwoch einschließlich 40 bis 60, vielleicht 70 l/m² zusammenkommen können.
Noch verwegenere Zahlen schmeißt IFS auf den Markt, das über der Deutschen Bucht
ein "100-160-l/m²-Ei" in die Deutsche Bucht legt (akkumuliert von jetzt bis
Mittwochabend). Im großen Rest der Nation trocknet es zwar nicht gänzlich ab,
insgesamt hält sich die Schauerei aber in Grenzen. Dort, wo es für längere Zeit
aufklart, kühlt die Luft auf unter 5°C, im Süden stellenweise nahe 0°C, in
einigen Mittelgebirgen auf etwas unter 0°C ab.

Mittwoch... überquert uns ein flacher Rücken von West nach Ost. Es handelt sich
dabei um das Ergebnis weit nach Osten ausholender WLA vorderseitig eines neuen
Sturmtiefs (wahrscheinlich HELMOE), das am Dienstag dicht bei Kap Farvel
(Südgrönland) bereits seinen Höhepunkt erreicht (wahrscheinlich knapp unter 960
hPa). Von dort zieht das Tief mit Tendenz zur Teiltiefbildung weiter in das
Seegebiet west-nordwestlich von Irland und Schottland, wo es sich bis Mittwoch
24 UTC auf rund 980 hPa aufgefüllt haben soll. Für uns springt dabei am Mittwoch
leichter Zwischenhocheinfluss raus, was neben dem Rücken an der leicht
antizyklonalen Konturierung der Isobaren erkennbar ist. Die Schaueraktivität
wird außer in Küstennähe mit zunehmender Stabilisierung von Westen her gedämpft
und besonders im Süden, schwerpunktmäßig südlich der Donau, lässt sich häufiger
die Sonne blicken.

Dass das Zwischenhoch kein Adonis ist und wohl auch keinen Namen bekommt, wird
daran deutlich, dass es nicht ansatzweise in der Lage ist, der von Westen auf
uns zulaufenden Okklusion des Sturmtiefs in irgendeiner Form Paroli zu bieten.
Infolgedessen zieht von der Nordsee, von Benelux und von Frankreich her rasch
mehrschichtige und immer dichtere Bewölkung auf, aus der es am Nachmittag
zwischen Deutscher Bucht und Eifel anfängt zu regnen. Mit Annäherung der Front
verschärft sich der Gradient insbesondere im Westen und Nordwesten, was dort am
Nachmittag einen auffrischenden, auf südliche Richtungen rückdrehenden Wind zur
Folge hat. Böen 7 Bft sind Standard, in einigen Leelagen sowie im höheren
Bergland muss mit 8 Bft, an der Nordsee 8-9 Bft, auf offener See sowie dem
Brocken gar 10 Bft gerechnet werden. Aber auch sonst gibt sich der Südwest- bis
Südwind umtriebig mit einigen Böen 7 Bft an der Ostsee sowie den zentralen und
nördlichen Mittelgebirgen.

Zwar steigt T850 mit der WLA von Westen her etwas an, auf 2 m macht sich das
aufgrund der starken Bewölkung und des aufkommenden Regens nicht bemerkbar.
Heißt, auch am Mittwoch liegen die Taqeshöchstwerte zwischen 8 und 14°C.

In der Nacht zum Donnerstag schwenkt die Okklusion über Norddeutschland rasch
ostwärts hinweg, während sie zur Mitte und nach Südwesten hin durch Austrogung
über Westeuropa (und damit zunehmend höhenströmungsparalleler Exposition)
ausgebremst wird und dadurch ins Schleifen kommt. Dabei können von Hessen bis
ins Saarland sowie in Süden NRWs 5 bis 15, in Staulagen lokal um 20 l/m² innert
12 Stunden zusammenkommen. Im Norden und Osten ist es weniger und südlich der
Donau sowie in Ostbayern kommt wahrscheinlich gar nichts an. Dort lockert es
sogar auf, was die Temperatur stellenweise in den leichten Frostbereich
zurückgehen lässt.

Das Wind- bzw. Sturmmaximum von der Nordsee überquert unter Abschwächung zügig
den äußersten Norden ostwärts. Genau so zügig beruhigt sich die Windlage im
Westen und Nordwesten. Übrig bleibt am Ende ein vor allem in den einschlägigen
Hochlagen flotter, teils stürmischer Süd-Südwestwind.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren die beschriebene Entwicklung sehr ähnlich. Der fette
Regenklecks von IFS in der Deutschen Bucht sollte nicht überinterpretiert
werden.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann