DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

03-11-2023 09:01
SXEU31 DWAV 030800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 03.11.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Noch TB (Tief Britische Inseln), Anfang nächster Woche wahrscheinlich
Übergang zu Wz (West zyklonal)

Weiterhin sehr tiefdrucklastig, entsprechend wechselhaft und zeitweise windig
bis stürmisch, dabei ziemlich mild

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... hat ein sehr solider, recht weit nach Süden ausgreifender Höhentrog
Mitteleuropa erreicht, das er am heutigen Freitag im Bummelzugtempo ostwärts
überquert. Das Hauptdrehzentrum - es handelt sich um das ehemalige Orkantief
EMIR (int. Ciaran) - liegt nahezu ortsfest über dem Seegebiet Dogger, wobei der
EMIR noch immer erstaunliche 965 hPa oder sogar etwas weniger aufs Barometer
bringt. Erst später am Tage wird er den Weg in Richtung nördliche Nordsee
(Viking, Utsira) antreten, wobei er sich auf etwas unter 975 hPa auffüllt (24
UTC). Die teilokkludierte Kaltfront des Tiefs hat den Vorhersageraum ostwärts
passiert, ob sie durch eine Zyklogenese südliche der Alpen (GORDIAN) ausgebremst
wurde. Folglich kommt es mit Unterstützung eines in der Höhe durchschwenkenden
Sekundärtrogs anfangs im äußersten Süden und Südosten zu weiteren Niederschlägen
(Schneefallgrenze unter 1500 m, teils nahe 1000 m), die sich erst am Nachmittag
langsam nach Ost-Südost zurückziehen. Vor allem am östlichen Alpenrand sowie
ausgreifend bis ins Vorland können 12-stündig noch mal 10 bis 20 l/m², in
Staulagen auch mehr zusammenkommen.

Ansonsten gilt es zu konstatieren, dass sich zwischen den beiden genannten Tiefs
ein flacher Zwischenhochkeil nach Süddeutschland geschoben hat, der immerhin
dazu taugt, dass Niederschlagsgeschehen in weiten Teilen des Landes in Schach zu
halten. Dabei profitiert er freilich von der Wasserdampfarmut der einfließenden
subpolaren Luftmasse (mP), die zwar maritimer Herkunft, trotzdem aber
vergleichsweise trocken ist. So hält sich die Schaueraktivität trotz vorhandener
Labilität (T500 am Nachmittag -22°C im NO und -28°C im äußersten SW bei T850
zwischen 0 und +3°C) in Grenzen, vielerorts bleibt es sogar ganztägig trocken in
Verbindung mit einigen Auflockerungen respektive Sonnenfenstern - geht doch,
auch im November.

Nicht so allerdings im Nordwesten, wo sich die Nähe zum EMIR durch erhöhte
Zyklonalität bemerkbar macht und zudem etwas feuchtere Luft eingesteuert wird.
So erkennt man bereits heute früh, wie von den Niederlanden und der Nordsee
schauerartige Regenfälle übergreifen, die aber nicht sonderlich weit nach Osten
ausgreifen werden. Auch hält sich die Intensität sehr zurück (meist unter 5 l/m²
bis zum Abend) und potenzielle Gewitter dürften sich auf die offene See
beschränken. Bliebe noch der Süd-Südwestwind, der ebenfalls im Nordwesten und
Westen mit Hilfe des Tagesgangs auffrischt mit Böen 7 Bft, in freien Lagen sowie
an der Nordsee 8 Bft, über der offenen See 9 Bft. Ansonsten beschränken sich
warnwürdige Böen auf exponierte Kamm- und Kuppenlagen einiger Mittelgebirge, die
aber nicht überall gewarnt werden.

Die Temperatur erreicht heute Spitzen zwischen 8 und 13°C, wobei der Norden
durchweg zweistellig agiert, während im Süden und Südosten nicht zuletzt wegen
des höheren Wolkenanteils nicht die 10°C-Marke überschreitet. Dort, wo länger
Niederschlag fällt, wird es sogar schwer, auf 8°C zu kommen.

In der Nacht zum Samstag heißt es - spätestens - den Blick wieder in Richtung
naher Atlantik zu schärfen, wo bereits das nächste Sturm- respektive Orkantief
im Anmarsch ist. Vor allem den Franzosen dürfte angst und bange werden, haben
sie doch gerade einen der fettesten Novemberstürme ever hinter sich (EMIR). Der
Nachfolger heißt FRED, der mit Highspeed aus dem Seegebiet vor Labrador kommend
in Richtung Irland zieht, das er am Samstag wahrscheinlich aber knapp Backbord
liegen lässt. Bis morgen früh jedenfalls schafft er es "nur" bis zum Seegebiet
knapp westlich der Keltischen See, wobei sein Kerndruck auf knapp über 960 hPa
taxiert wird.

Mit Durchgang des Tiefs kommt es über dem nahen Atlantik zu einer neuerlichen
Austrogung, der zufolge stromab ein flacher Rücken entsteht (WLA), der sich von
Westen her dem Vorhersageraum nähert. Entsprechend verkürzt der "alte" Trog auf
seinem Weg nach Osten seine Wellenlänge, bevor er im Laufe des morgigen Samstags
immer weiter zugeschüttet wird. Wettertechnisch ist die kommende Nacht schnell
erledigt. Während die Wolken im Osten und Süden vielfach auflockern (=> leichter
Frost am Alpenrand sowie in den Mittelgebirgen), werden sie nach Westen hin
allmählich dichter. Allerdings fallen bis zum Morgen nur vereinzelt ein paar
Tropfen. Da der Gradient vorübergehend etwas auffächert und auch der Tagesgang
seinen Beitrag leistet, macht der Wind zumindest aus warntechnischer Perspektive
mit Ausnahme der Nordsee und einiger Hochlagen (7-8 Bft, Brocken/Feldberg später
9-10 Bft) eine Pause.

Samstag... zieht FRED über die Keltische See hinweg in Richtung Landsend
(SW-Spitze Englands), wobei der Kerndruck zwischen 965 und 960 hPa liegt. Dabei
bohrt er sich zunehmend mit senkrechter Achse in die obere Troposphäre, wodurch
eine weitere Vertiefung unwahrscheinlich wird. Er kommt somit nicht ganz an
seinen Vorgänger heran, für die Geschichtsbücher wird es aber trotzdem reichen,
insbesondere den französischen, aber auch den spanischen. Bei uns stellt sich
für kure Zeit der o.e. Rücken ein, der aber traditionell von WLA überlaufen und
relativ zügig durchgewunken wird. Dahinter gelangen wir auf die Vorderseite des
sich weiter verstärkenden "neuen" Höhentrogs, der Kurs auf den europäischen
Kontinent nimmt.

Stromab nähert sich zunächst aber die Okklusion des Bodentiefs, die der
Westhälfte etwa ab Mittag erst stratiformen, später dann konvektiven Regen
bringt. Aufsummiert über 6 bis 9 Stunden kommen gebietsweise 5 bis 10 l/m², in
einigen Staulagen auch etwas mehr zusammen. Für den Abend gibt im äußersten
Südwesten schwache Signale für vereinzelte kurze Gewitter, allerdings ist die
Labilität nur schwach ausgeprägt und es steht kaum CAPE zur Verfügung. Im Osten
und Südosten bleibt es bis zum Abend trocken und insbesondere in Ostbayern sowie
nördlich des Erzgebirges bis ins Brandenburgische hinein scheint sogar für
längere Zeit die Sonne.

Der Wind rückt nach der eher flauen Nacht wieder deutlich stärker in den
Blickpunkt des Geschehens, weil der Gradient mit Annäherung des Tiefs
kontinuierlich anzieht und auch der Tagesgang seinen Beitrag leistet. Aus Südost
bis Süd kommend frischt er vor allem im Westen inkl. der Nordsee sowie in Teilen
der Mitte böig auf. Betroffen ist gar nicht mal so sehr das Tiefland (Stichwort
"stabile Schichtung"), auch wenn dort für einige steife Böen 7 Bft reicht.
Betroffen sind freie und höhere Lagen im Allgemeinen und Leelagen (also
Nordseiten) der Mittelgebirge im Besonderen. Böen 7-8 Bft, exponiert 9 Bft, im
Lee der Eifel mit geringer Wahrscheinlichkeit sogar bis zu 10 Bft stehen auf der
Karte, auf dem Brocken sowie dem Feldberg im Schwarzwald sogar noch mehr. In den
Alpen wird es zunehmend föhnig, auf den Bergen später stürmisch.

In der erwärmten Meereskaltluft (T850 0 bis 5°C, im Süden und Südosten etwas
darüber) sind bei guter Durchmischung Tageshöchstwerte zwischen 8 und 14°C zu
erwarten.

In der Nacht zum Sonntag zieht das Sturmtief FRED mit leicht auffüllender
Tendenz die südenglische Küste entlang zur südwestlichen Nordsee (Thames,
Humber). Aufgrund der zunehmenden Kernnähe fächert der Gradient im Nordwesten
mehr und mehr auf, was mit einer Abnahme des Windes auch auf der Nordsee
einhergeht. Die stärkste Isobarendrängung verlagert sich in den Südwesten, wo
die Weichenstellung für einen sehr windigen bis stürmischen Sonntag im gesamten
Süden erfolgt. Des Nachts konzentriert sich der Starkwind aber vornehmlich auf
freie und höhere Lagen, z.T. bis in den zentralen Mittelgebirgsraum ausgreifend.
Je nach Exposition stehen in den Hochlagen Böen 8-10 Bft, auf dem Brocken, dem
Feldberg sowie einigen Alpengipfeln auch mehr auf dem Zettel.

Ansonsten schwenkt die Okklusion des Sturmtiefs ostwärts durch, wobei der
frontale skalige Regen mehr und mehr in schauerartigen Niederschlag übergeht.
Den gibt es auch in der postfrontal einfließenden feuchten und leidlich labil
geschichteten subpolaren Meeresluft, die von Südwesten einströmt. Ob da mit
Annäherung der Höhentrogachse im Westen und Südwesten auch schon ein Gewitter an
den Start geht, ist derzeit noch fraglich. Fakt ist, dass es im Westen und
Südwesten mit rund 10°C Minimum ziemlich mild bleibt, während nach Südosten hin
teilweise die 5°C-Marke unterschritten wird (was nun auch nicht wirklich kalt
ist).

Sonntag... erreicht das Sturmtief die zentrale Nordsee, wo es sich im
Tagesverlauf deutlich auffüllt (rund 980 hPa Kerndruck zum Datumswechsel).
Trotzdem reicht der Gradient dicke aus, insbesondere dem Süden (hier gesellt
sich noch ein niedertroposphärisches Starkwindband mit Böen bis zu 55 Kt auf 850
hPa dazu), etwas abgeschwächt aber auch der Mitte und Teile des Westens einen
windigen bis stürmischen Tag zu kredenzen. EPS-Verfahren signalisieren, dass es
in BaWü und im bayerischen Teil Oberschwabens glatte Sturmböen 9 Bft aus Südwest
bis ganz runter geben kann. Ansonsten stehen verbreitet Böen 7-8 Bft, in den
Hochlagen je nach Exposition 9 bis 12 Bft (auf die Zwölf gibt´s am ehesten auf
dem Schwarzwälder Feldberg) auf der Tagesordnung.

Darüber hinaus darf mit Übergreifen des Höhentroges und weiterer Zufuhr
erwärmter und leidlich labil geschichteter maritimer Polarluft (T500 um -23°C,
T850 meist um +3°C) eine für November rege konvektive Aktivität erwartet werden,
die sich in zahlreichen Schauern und einzelnen kurzen Gewittern (markant wegen
Böen 8-9 Bft) widerspiegelt. Konvektiv etwas vernachlässigt werden der äußerste
Osten, die östliche Mitte sowie der Alpenrand nebst Vorland, wo zudem mit ein
paar Auflockerungen gerechnet werden darf. Die Temperatur erreicht Höchstwerte
zwischen 9 und 14°C, im Lee des Erzgebirges lokal vielleicht 15°C.

In der Nacht zum Montag glättet sich die Höhenströmung zunehmend, was im Verbund
mit dem Tagesgang ein nachlassendes, aber nicht gänzlich endendes konvektives
Geschehen zur Folge hat. Obwohl sich das Tief über Nordsee weiter auffüllt,
bleibt ein veritabler Gradient vorhanden. Grund ist Druckanstieg im Süden, wo
der Gradient auffächert, während er sich nach Norden hin verschärft. Kurzum, das
Maximum des Starkwindes verlagert sich von Süd nach Nord mit Böen 7-8 Bft. Auf
den Bergen sind grundsätzlich und überall mit Böen 8 bis 11 Bft zu erwarten.
Tiefsttemperatur 9 bis 3°C.

Modellvergleich und -einschätzung
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Nach wie vor haben die Modelle die sehr tiefdrucklastige Großwetterlage mit den
verschiedenen Tiefs sowohl in Bezug auf Zugbahn und Position als auch auf
Intensität erfreulich gut im Griff. Von daher besitzt die beschriebene
Entwicklung einen hohen Vertrauensgrad. Dass es im Detail ein paar Unschärfen
gibt, liegt in der Natur auch der modernen Wettervorhersage mit ihren allen noch
so erdenklichen Hilfsmitteln.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann