DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

02-11-2023 12:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 02.11.2023 um 10.30 UTC



Weiterhin anhaltende, zu stürmischem Wetter neigende zyklonale West- oder
Südwestlagen. Dauerregen nicht ausgeschlossen, im Laufe der kommenden Woche dazu
leicht zurückgehende Temperaturen.
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Synoptische Entwicklung bis zum Donnerstag, den 09.11.2023


Der Einstieg in den Vorhersagezeitraum der Mittelfrist erfolgt auch heute mit
einer durch und durch zyklonal geprägten Wetterlage. Dabei liegt am Sonntag das
bereits aus Kurz- und vorherigen Mittelfristvorhersagen bekannte steuernde
Zentraltief mit doppeltem Kern und Kerndrücken von ungefähr 970 hPa über dem
Nordmeer. Die zugehörige Trogachse erstreckt sich dabei von dort ausgehend über
Deutschland hinweg bis in den Mittelmeerraum. Die Höhenkonfiguration in 500 hPa
ist dabei kongruent zum Bodendruckfeld, wie es für alternde Tiefdruckgebiete
klassischerweise der Fall ist. Dementsprechend ist das zugehörige Frontensystem
auch schon fortgeschritten okkludiert und liegt synchron zur Trogachse genau
über Deutschland. Dementsprechend ist dadurch am Sonntag mit einigen
Niederschlägen zu rechnen. Der Jet liegt bereits südlich der Alpen und ist mit
bis zu 155 kt noch immer sehr kräftig ausgeprägt. Das bedeutet im selben Atemzug
aber auch, dass der Durchgang der Okklusionsfront in deutlich scherungsärmerer
Umgebung abläuft, wenngleich diese auch nicht Null ist. Gleichzeitig ist aber
immer noch der Bodendruckgradient recht ausgeprägt, sodass in Summe vor allem im
Süden Deutschlands sowie in den Mittelgebirgen und an der Nordsee mit
stürmischen, bzw. Sturmböen zu rechnen ist. Vor allem im Süden ist dabei nicht
auszuschließen, dass im Zuge einer durch Alpenüberströmung hydraulisch
verursachten Entwicklung eines kleinräumigen Leetiefs und damit einhergehender
Druckwelle Sturmböen auftreten können.

Bis zum Montag zieht der Bodentrog nebst Frontensystem rasch ostwärts ab und
liegt dann bereits mit zonal ausgerichteter Achse über dem Baltikum. Über
Mitteleuropa zonalisiert, einhergehend mit frontrückseitig einfließender
kühlerer und bereits gealterter Meerespolarluft, die Strömung zusehends. Das
steuernde Tief liegt auch weiterhin über dem Nordmeer zwischen Schottland und
Norwegen und füllt sich dabei zusehends auf. In der kräftigen westlichen
Strömung sind über Mitteleuropa kurzwellige Anteile eingelagert, die für
Hebungsantrieb in der labilisierten und höhenkalten Luft (T850 um +1°C, T500 um
-27°C) sorgen. In der Folge bilden sich wiederholt Schauer, die weiterhin für
einen unbeständigen Wettercharakter sorgen, vor allem an der Nordsee könnte es
sogar vereinzelt für einen Blitz reichen. Daran gekoppelt sind wiederholt Wind-
oder Sturmböen, die im Zuge der kräftigen Höhenströmung heruntergemischt werden
können. Gleichzeitig sind dabei auch mit weiterhin anhaltendem nennenswerten
Bodendruckgradienten Windböen abseits von Schauern und Gewittern mit von der
Partie.

Am Dienstag wird mit einem neuerlichen Vorstoß arktischer Polarluft über dem
Atlantik erneut hohe Baroklinität generiert, die stromabwärts für weiteren
Nachschub an Tiefdruckentwicklung sorgt. Dementsprechend werden in den Modellen
mitunter gleich mehrere schnelllaufende, sich rasch verstärkende Randtiefs
simuliert, die aber zu diesem Zeitpunkt noch über dem Atlantik verweilen, bzw.
die irische Küste erreichen. Gleichzeitig beginnt aufgrund des immer mächtiger
werdenden Kaltluftkörpers über dem europäischen Kontinent eine erneute
Austrogung, deren Achse sich ausgehend von Mitteleuropa zunehmend schief geneigt
Richtung Iberische Halbinsel und Marokko erstreckt. Die Trogachse überläuft
dabei nebst Okklusionsfront Deutschland und sorgt damit auch weiterhin für
anhaltend unbeständiges Wetter mit zeitweisem Regen und Wind sowie ganz sachter,
aber allmählich weiter voranschreitender Abkühlung. Das macht sich z.B. in 850
hPa bemerkbar, wo die Temperaturen auf unter 0°C absinken.

Am Mittwoch setzen sich die zyklogenetischen Prozesse auf dem Atlantik weiter
fort. Dabei erreicht ein neues steuerndes Tief das Seegebiet südlich von Island.
An dessen Südflanke wandern die bereits am Vortag entstandenen Schnellläufer
rasch ostwärts. Eines dieser beiden Randtiefs zieht rasch von den Britischen
Inseln Richtung Norwegen und sorgt vor allem im Nordwesten für eine
Gradientzunahme bei südwestlicher bis südlicher Windrichtung auf der
Vorderseite, während die Höhenströmung nach Trogdurchgang am Vortag erneut eher
zonal ausgeprägt ist. Damit ist auch weiterhin vor allem in den westlichen und
nordwestlichen Landesteilen mit stürmischen Verhältnissen zu rechnen, das Ganze
in Verbindung mit entsprechend viel Regen, der an die zugehörigen frontalen
Systeme gekoppelt ist. Diese liegen zeitweise strömungsparallel in der Süd- bis
Südwestströmung, sodass Niederschläge vor allem im Nordseeumfeld auch länger
anhalten können und mit geringer Wahrscheinlichkeit Warnschwellen erreichen.
Das zweite erwähnte Randtief liegt deutlich weiter südlich vor der
portugiesischen Küste und zieht im Anschluss weiter Richtung Mittelmeer. Dies
ist insofern relevant, als das auf dessen Rückseite rasch Kaltluft bis in
niedrigere Breiten vorstoßen kann.

Zum Donnerstag regeneriert sich daraufhin der Langwellentrog über Europa erneut
und wird dabei von einem kräftigen und ausgeprägtem Hochdruckrücken gestützt,
der sich nachfolgend auf dem Atlantik entwickelt. Gleichzeitig wird auch über
Osteuropa im Zuge kräftiger Warmluftadvektion durch die dort zunehmend südliche
bzw. südwestliche Strömung ein weiterer Rücken generiert. Dem dazwischen
befindlichen Langwellentrog bleibt daraufhin nichts weiter übrig, als ebenfalls
rasch zu amplifizieren und sich dabei zunächst noch weiter zu vertiefen. In
diesem Zuge werden vor allem im Mittelmeerraum weitere Zyklogenesen in Gang
gesetzt, die im weiteren Verlauf zu Vb- oder Vc-artigen Entwicklungen führen
können.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


IFS zeigt in den letzten Läufen nur am Anfang des Mittelfristzeitraums
signifikante Homogenität. Dabei werden die Abläufe bis zum Trog- bzw.
Frontdurchgang am Dienstag ähnlich gezeigt. Danach laufen die verschiedenen
Varianten rasch auseinander. Erwähnenswert ist dabei vor allem die Entwicklung
eines kräftigen Sturmtiefs ab Mittwoch mit Zugbahn von der Biskaya zu den
Britischen Inseln und anschließend bis Freitag südostwärts über Benelux hinweg
bis in den Südwesten Deutschlands. Andere Läufe zeigen diese Variante höchstens
im Ansatz, teilweise sind zum gleichen Zeitpunkt auch kurzwellige Rücken
gerechnet. Damit einhergehend steht auch grundsätzlich die Frage im Raum, wie
sich die Austrogung zum Ende des Mittelfristzeitraums gestaltet, und ob sie
überhaupt in dieser Form stattfindet. Die Vorhersage ist ab Mittwoch also noch
lange nicht in trockenen Tüchern.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Bis Dienstag sind sich die verschiedenen Globalmodelle bezüglich der Ausprägung
der grundlegenden synoptischen Muster weitgehend einig. Größere Unterschiede
treten anschließend etwa ab Mittwoch zu Tage, beginnend mit der Amplifizierung
des Langwellentroges, die in ICON und GFS - anders als in IFS - zum Abtropfen
eines Höhentiefs bei der Iberischen Halbinsel führt. Das beeinflusst im
Anschluss die Entwicklung möglicher Randtiefs im je nach Modell unterschiedlich
stark ausgeprägten Jets über dem Atlantik. Zwar zeigen alle Modelle einen damit
verbundenen Kaltluftvorstoß, aber die Tiefentwicklungen unterscheiden sich teils
deutlich, wobei zumindest noch sicher scheint, dass sich zum Ende der kommenden
Woche eine Südwestlage einstellt. Je nach Ausprägung könnte es dabei auch zur
Ausbildung einer Luftmassengrenze quer über Deutschland kommen. ICON und GFS
fahren hier aber eher auf der progressiven Schiene mit raschen Frontdurchgängen
und entsprechend stürmischen Lagen, während IFS dem Wind zum Ende der
Mittelfrist etwas weniger Bedeutung zukommen lässt. Wie es darüber hinaus
weitergeht, ist völlig offen. Während GFS zonalisiert, lässt IFS den Trog immer
weiter amplifizieren, so dass sich ein meridional betontes Strömungsmuster
ergäbe, welches vielleicht bei dem ein oder anderen Winterfan ein Fünkchen
Hoffnung wecken lässt.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die IFS-Rauchfahnen spiegeln die bereits geschilderten Erkenntnisse genauso
wieder. Bis zum Dienstag bzw. die Nacht zum Mittwoch herrscht große Einigkeit
bei den einzelnen ENS-Membern mit zwischenzeitlich ansteigendem Geopotential und
allmählich zurückgehenden T850. Danach steigen ab Mittwoch mit Trogdurchgang die
Unsicherheiten deutlich, wobei sich eine gewisse Tendenz zu deutlich
zurückgehenden T850 bis in den negativen Bereich und sinkendem Geopotential
abzeichnet. Die Niederschlagsneigung bleibt überall erhalten.

IFS-ENS zeigt bis zum Donnerstag (T+168h) jeweils drei Cluster, die mehrheitlich
das anhaltende Szenario "NAO negativ" weiterführen. Einzelne Member zeigen aber
zum Ende des Vorhersagezeitraumes eine +NAO-Variante, die sogar zum Zeitschritt
T+168 eine vorübergehende Mehrheit findet. Darüber hinaus verwischen die
verschiedenen Szenarien zunehmend, wobei -NAO mit zwei mehrheitlich besetzten
Cluster von insgesamt fünf noch immer eine gewisse Mehrheit findet.

Die ENS des GFS zeigen grundsätzlich ähnliche Szenarien, wobei hier die
Amplituden im Verlauf von T850 deutlich ausgeprägter sind. Die Unsicherheiten
nehmen dabei ab Donnerstag deutlich zu, wobei hier der prognostizierte
Temperaturrückgang etwas schneller ablaufen soll als bei IFS. Die Streubreite
ist aber insgesamt noch höher als bei IFS.

Fazit:
Die (sturm-)tief geprägte West- bzw. Südwestwetterlage hält bis mindestens Ende
der kommenden Woche an. Dabei ist eine kräftige, auch Deutschland betreffende,
Sturmlage um den Donnerstag herum nicht ausgeschlossen. Gleichzeitig bleibt es
bis dahin auch grundsätzlich recht windig und nass bei zwar immer noch milden,
aber mittlerweile doch leicht zurückgehenden Temperaturen. In der erweiterten
Mittelfrist zeigen sich zwar erste winterlich anmutende Optionen, deren
Eintreffen aber mit dem Wort "unsicher" noch euphemistisch beschrieben werden.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Sturmböen vor allem im Bergland wahrscheinlich, in den Alpen und in höheren
Lagen des Schwarzwaldes zunächst auch schwere Sturmböen wahrscheinlich. Auf
exponierten Gipfeln auch orkanartige, am Sonntag Orkanböen wahrscheinlich. In
der neuen Woche abnehmende Wahrscheinlichkeiten für stürmische oder Sturmböen in
tiefen Lagen, aber in Mittelgebirgen sind auch weiterhin oft noch Sturmböen
wahrscheinlich, auf exponierten Gipfeln auch schwere oder orkanartige Böen. Ab
der Nacht zum Donnerstag auch in tiefen Lagen wieder zunehmende
Wahrscheinlichkeiten für Sturmböen.

Bis in die Mitte der kommenden Woche geringe Wahrscheinlichkeiten für 48- bis
72-stündigen Dauerregen. Bis Dienstag auch geringe Wahrscheinlichkeiten für
48-stündigen Dauerregen im Südschwarzwald.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-ENS, ICON, GFS, MOSMIX
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VBZ Offenbach / M.Sc. Felix Dietzsch