DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

02-11-2023 09:01
SXEU31 DWAV 020800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 02.11.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: TB (Tief Britische Inseln)

Heute der EMIR, am Samstag der FRED - weiterhin hochgradig zyklonales Setup mit
Sturm- bzw. Orkantiefs über Westeuropa. Bei uns nur Randlage, trotzdem zeitweise
windig bis stürmisch und sehr wechselhaft. An den Alpen Dauerregen und auf unter
1500 m sinkende Schneefallgrenze.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... befindet sich Deutschland auf der Vorderseite eines veritabel
aufgestellten Höhentrogs über Westeuropa und dem nahen Atlantik. Ausgestattet
ist der Trog mit mehreren Drehzentren, die wiederum mit Bodentiefs, mit wahrhaft
schlagzeilenträchtigen Bodentiefs korrelieren. Während das eine - die Rede ist
von DIETER - dicht bei Irland am Ende seiner Karriere steht, steht das andere
dicht vor seinem Höhepunkt. EMIR (int. Ciaran) heißt das gute Stück, das am
frühen Morgen mit einem QFF von knapp unter 955 hPa an der südenglischen Küste
gesichtet wurde, um von dort große Teile Nordfrankreichs mit vollen Orkanböen zu
versorgen. Bei uns sind die Auswirkungen glücklicherweise deutlich gedämpfter,
weil der gute EMIR nicht etwa einen Ostkurs einschlägt, sondern sich zur Nordsee
orientiert, wo er sich bis morgen merklich auffüllt. Bis es soweit ist, wird er
sich heute Morgen/Vormittag vielleicht noch minimal vertiefen, auch wenn die
Vertikalachse bereits quasisenkrecht in die Höhe ragt, was ein untrügerisches
Zeichen für nur noch wenig Entwicklungspotenzial darstellt.

Fakt ist, dass die teilokkludierte Kaltfront des Tiefs auf dem Weg zu uns ist,
um hier eine ordentliche Portion Regen abzuladen. Wobei man das Ganze
differenziert betrachten muss, denn nicht überall ist das Paket so fett
geschnürt wie im Süden und Südosten, wo bis Freitag die größten Mengen
zusammenkommen. Grund ist der schleifende Charakter der Front, der sich wegen
des nur zögernd nachrückenden Höhentrogs sowie einer einsetzenden Zyklogenese
südlich der Alpen einstellt. Aufsummiert über 12 Stunden können vom
Südschwarzwald bis hinüber nach bayerisch Schwaben 5 bis 10, gebietsweise bis
15, lokal um 20 l/m² zusammenkommen. In den übrigen Regionen liegen die Mengen
teils deutlich darunter, in den Leelagen der Mittelgebirge sowie im Osten und
Nordosten kommt z.T. gar nichts oder nur ein paar marginale Tropfen an. Zwar
harmoniert die Front mit einem sehr solide aufgestellten PVA-Maximum in der
Höhe, jedoch macht weit nach Osten ausgreifende KLA den Spielverderber in Form
(über)kompensatorischer Prozesse. Postfrontal strömt im Tagesverlauf zwar ein
Schwall leicht labil geschichteter Meeresluft subpolaren Ursprungs mit etwas
Höhenkaltluft ein (T850 um +3°C, T500 um -24°C), was in erster Näherung auf
potenziell reges konvektives Geschehen hindeutet. Dass das in der Realität
wahrscheinlich aber nicht der Fall sein wird, hängt mit der Trockenheit der
Luftmasse zusammen, die sich aus absinkender Luftbewegung speist. So lässt sich
bereits heute Morgen sehr schön die um den Tiefkern herumgewickelte Dry
Intrusion erkennen, die auch heute Nachmittag noch Wirkung zeigt. Kurzum,
einzelne Schauer ja, Gewitter eher nein. Allerdings, und jetzt kommt´s, auf und
an der Nordsee sind die Rahmenbedingungen für Überentwicklungen nicht ganz so
schlecht, wobei neben schweren Sturmböen sogar Tornados nicht gänzlich
auszuschließen sind. Hohe LLS (teils um 20 m/s) mit gecurvten Hodographen im
unteren Bereich, dazu ein auf unter 1000 m sinkendes HKN bieten die notwenigen
Bedingungen, um Rotation auszulösen. Ob sie auch hinreichend sind, bleibt
abzuwarten.

Ansonsten gilt es selbstverständlich noch den Wind zu erwähnen, der heute aus
Südost bis Südwest kommend durchaus Akzente zu setzen vermag. Insbesondere in
der Westhälfte sowie allgemein in höheren Lagen sowie im Lee einiger
Mittelgebirge werden Warnschwellen überschritten, weshalb die entsprechende
Karte auch schon erklecklich mit Farbe versehen wurde. Steife bis stürmische
Böen 7-8 Bft sind im west- und nordwestdeutschen Tiefland inkl. der Nordseeküste
obligatorisch. In freien Lagen sowie im Lee der dortigen Mittelgebirge sind auch
einzelne Sturmböen 9 Bft alles andere als eine Überraschung. Am Nordrand der
Eifel ist sogar eine schwere Sturmböe 10 Bft denkbar. Je nach Exposition und
geografischer Lage (je weiter im Westen, desto mehr Steam) reicht die Spanne in
den Kamm- und Gipfellagen des Berglands von 9 bis 12 Bft, wobei der Blocksberg -
welch Überraschung - einmal mehr die Pol-Position einnimmt. In und an den Alpen
herrscht Südföhn (Bozen-Innsbruck 8 hPa) mit Böen bis 11 Bft auf einigen Gipfeln
und Böen 7-8 Bft bei Durchbruch in die dafür anfälligen Täler.

Bei guter Durchmischung und einigen Auflockerungen (am meisten im äußersten
Osten sowie postfrontal im Westen) werden Tageshöchstwerte zwischen 10 und 16°C
erreicht. Einzig ganz im Süden, wo es stärker regnet, bleibt es der einen oder
anderen Stelle einstellig.

In der Nacht zum Freitag erreicht das Orkantief EMIR das Seegebiet Dogger, wo es
sich bis zum Morgen auf etwas unter 965 hPa auffüllt. Derweil baut sich über
Süddeutschland der KLA folgend ein flacher Zwischenhochkeil auf. Dazwischen hält
sich im Westen und Nordwesten ein leidlicher Gradient, so dass dort der
Süd-Südwestwind flott unterwegs bleibt mit Böen 7, vereinzelt 8 Bft, an und auf
der Nordsee 8-9 Bft. Windig bis stürmisch bleibt es auch in den meisten
Hochlagen (der Osten und Südosten ausgenommen), auch wenn die Spitzen nicht mehr
so hoch ausfallen wie tagsüber und der Föhn in den Alpen mit dem wenn auch
langsamen Durchgang der Kaltfront zusammenbricht.

Apropos langsame Kaltfront, die beschert dem Osten und Südosten (Alpenrand bis
Oberfranken sowie von Sachsen bis nach Vorpommern) teils schauerartig
verstärkten Regen (Durchgang eines KW-Troges in der Höhe) mit 5 bis 15 l/m²
innert 12 h. Am östlichen Alpenrand sind sogar bis zu 25 oder 30 l/m² drin, so
dass das gesamte, bis in den Freitag andauernde Regenereignis am Alpenrand sowie
im östlichen Alpenvorland durchaus warnwürdige 30 bis 40, lokal vielleicht 50
l/m² zusammenbringt. Ob es in der Nacht auch in der Oberlausitz für 25 bis 30
l/m² reicht, wie von den ICONen apostrophiert, ist mangels Unterstützung anderer
Modelle sowie schwacher Signale in den EPS-Simulationen fraglich. Weniger
fraglich ist die Tatsache, dass die Schneefallgrenze in den Alpen auf unter 1500
m, gegen Morgen bei entsprechender Niederschlagsintensität gegen 1200 bis 1000 m
sinkt. Aufsummiert bis Freitagabend sind in Lagen oberhalb 1300 bis 1500 m 10
bis 20, exponiert bis zu 40 cm Neuschnee möglich.

Darüber hinaus muss in der Nacht vornehmlich im äußersten Nordwesten mit
schauerartigen Regenfällen gerechnet werden, die der Annäherung des (Höhen)Tiefs
und einem damit verbundenen Sekundärtrog geschuldet ist. In den übrigen Regionen
bleibt es bei teils aufgelockerter Bewölkung überwiegend trocken bei
Tiefstwerten zwischen 9 und 3°C, direkt an der See etwas darüber.


Freitag... erfasst der Höhentrog mit erwärmter maritimer Polarluft den gesamten
Vorhersageraum. Die Luftmasse ist durchaus labil geschichtet (um 12 UTC T500 -24
bis -28°C über T850 -1 bis +3°C), auf der anderen Seite aber auch recht trocken.
Das scheint der entscheidende Faktor zu sein, warum konvektive Prozesse
modellübergreifend nur sehr zurückhaltend angeboten werden. Am prädestinierten
ist nach wie vor der Nordwesten, der am dichtesten am quasistationären, sich
weiter auffüllenden Nordseetief liegt. Erst gehen die schauerartigen Regenfälle
aus der Nacht durch, die dann später durch einige Schauerneubildungen abgelöst
werden. Ansonsten gilt es im Osten und Südosten die frontalen Niederschläge zu
verabschieden, was mit Ausnahme Südostbayerns recht zügig vonstattengehen
dürfte. Zum Nachmittag sind dann im äußersten Südwesten (Südbaden), wo die
Labilität am ausgeprägtesten ist und zudem ein KW-Trog im Anmarsch ist, einzelne
Schauer möglich.

Der Wind nimmt sich gegenüber heute ein wenig zurück, bleibt aber im Norden und
Nordwesten aus Südwesten kommend flüssig unterwegs mit Böen 7-8 Bft, an der
Nordsee exponiert 9 Bft, freie See vereinzelt 10 Bft. Darüber hinaus braucht nur
noch erwähnt werden, dass die Wolkendecke hin und wieder mal Lücken aufweist und
die Tageshöchsttemperatur mit 7 bis 13°C etwas niedriger ausfällt als heute.

In der Nacht zum Samstag bringt sich westlich von Irland die nächste Wuchtbrumme
in Positur - Gott zum Gruße FRED. Das Sturmtief weist eine Kernisobare von 965
hPa auf, Kurs Richtung Keltische See. Die Achse steht weitgehend senkrecht nach
oben, heißt, viel weiter runter als die prognostizierten 965 hPa dürfte es nicht
mehr gehen, vielleicht reicht es noch für 960 hPa. 965 oder 960 hPa, die
Franzosen bewahrt das so oder so nicht vor weiterem Ungemach. Der nächste
schwere Sturm ist gewiss, wenn auch wahrscheinlich nicht ganz so massiv wie bei
EMIR und wohl auch etwas weiter südlich. Wie auch immer, Fakt ist, dass über dem
nahen Atlantik eine neuerliche Austrogung ansetzt, die stromab einen flachen
Rücken aufwölben lässt und den Vorläufertrog auf seinem Weg nach Osten mehr und
mehr kaputtmacht.

Wettertechnisch bringt die Nacht wechselnde Bewölkung, aber nur wenige Schauer.
Dazu vor allem an und auf der Nordsee sowie im höheren Bergland einen
stürmischen Süd-Südwestwind.

Samstag... setzt sich die Austrogung über dem nahen Atlantik fort, was stromab
bei uns den flachen Rücken aufschlagen lässt. Dieser wird wie üblich von WLA
überlaufen. Diese kündigt nicht nur die Annäherung einer Okklusion mit
Warmfrontcharakter an, sondern induziert zudem stratiforme Regenfälle, die sich
ab den Mittagsstunden auf weite Teile der Westhälfte ausbreiten. Gebietsweise
sind 5 bis 10 l/m² Niederschlag, in Staulagen lokal etwas mehr innert weniger
Stunden drin. Nach Osten und Südosten hin bleibt es dagegen bis zum Abend
trocken mit größeren, teils durch den erneut aufflammenden Föhn getriggerten
Sonnenfenstern.

Womit wir einmal mehr beim Thema "Wind/Sturm" wären, das auch am Samstag ein
prominente Rolle einnimmt. Neben dem Föhnsturm gilt es landesweit von einem
merklich auffrischenden südlichen Wind zu berichten - im ost- und süddeutschen
Tiefland eher mäßig, sonst frisch bis stark mit Böen 7-8 Bft, an der Nordsee 9
Bft, in exponierten Hochlagen bis zu 10 Bft, Brocken und Feldberg volle 12 Bft.
Die Temperatur erreicht in der weit nach Süden ausholenden polaren Meeresluft
Höchstwerte von 8 bis 14°C, im Süden mit Föhnunterstützung lokal etwas darüber.


In der Nacht zum Sonntag bleibt es windig bis stürmisch, auch wenn sich das gen
Nordsee ziehende Sturmtief beginnt aufzufüllen (möglicherweise auch ein 2.
Kern). Die frontalen Regenfälle weiten sich unter Abschwächung nach Osten aus,
es folgen aber teils kräftige Schauer nach.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren die Entwicklung sehr ähnlich.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann