DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

01-11-2023 08:01
SXEU31 DWAV 010800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 01.11.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
T B. Wechselhaft, oft windig und mild. In den Nächten weitgehend frostfrei.

WIND/STURM:
Im Tagesverlauf auffrischender Wind. Über der offenen Nordsee (Helgoland)
aufkommend stürmische Böen (Bft 8) aus Süd bis Südost. Dann in den Kamm- und
Gipfellagen Sturmböen Bft 8/9, auf dem Brocken zum Abend hin schwere Sturmböen
(Bft 10). In der Nacht zum Donnerstag über der Nordsee weiterhin stürmische Böen
Bft 8 um Süd. In den Gipfellagen der westlichen, zentralen und südwestdeutschen
Mittelgebirge, später auch der Alpen Sturmböen Bft 8/9, auf dem Brocken schwere
Sturmböen. Ausgangs der Nacht in einigen Leelagen stürmische Böen aus Süd bis
Südost.
Am Donnerstag weiter zunehmender Wind, in den Hochlagen der westlichen,
südwestdeutschen, zentralen und nördlichen Mittelgebirge Sturmböen Bft 8/9,
stürmische Böen auch in deren Leegebieten sowie im Westen in freien Lagen.
Exponiert sowie über der offenen Nordsee teils schwere Sturmböen bis Bft 10. In
und an den Alpen einsetzender Föhn mit Sturmböen Bft 8/9 in höheren Gipfellagen.
Wind ab dem Abend und in der Nacht zum Freitag abflauend. Dann nur noch auf
höheren Berggipfeln sowie über der offenen Nordsee Sturmböen Bft 8/9.
Am Freitag an und über der Nordsee, in den Hochlagen der Mittelgebirge westlich
des Rheins sowie im Oberharz Sturmböen Bft 8/9. In der Nacht zum Samstag
andauernd, dann auch in den Kamm- und Gipfellagen nahezu sämtlicher
Mittelgebirge Sturmböen Bft 8/9.

DAUEREGEN:
Am Donnerstag in den Staulagen des Schwarzwaldes, in der Nacht zum Freitag am
östlichen Alpenrand Dauerregen mit Niederschlagssummen um 30 mm innerhalb von 12
Stunden.


Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... liegt Deutschland an der Vorderseite eines breiten Troges über den
Britischen Inseln, der durch Kaltluftvorstöße aus dem Raum Neufundland
wiederholt regeneriert wird. In der hieraus über Mitteleuropa resultierenden
südwestlichen Strömung laufen Kurzwellentröge nach Nordosten ab, die einen
wechselhaften Wettercharakter mit sich bringen. Einer dieser Kurzwellentröge
zieht über Polen hinweg ostwärts ab, ein weiterer folgt und erreicht heute Abend
Ostfrankreich. Der dazwischen und somit über Deutschland liegende flache
Höhenkeil wird von Warmluftadvektion überlaufen. Diese steht in Verbindung mit
der Warmfront eines westlich von Schottland liegenden Tiefs. Im Bereich des
Keils, durch welchen ein schwacher Bodenhochkeil gestützt wird, konnte der
Gradient vorerst auseinanderfächern, so dass warnrelevante Böen auf einige
Abschnitte der Nordseeküste (bis Bft 7) und auf den Brocken (bis Sturmstärke)
beschränkt sind. Mit schleifender Passage der nicht allzu wetterwirksamen
Warmfront zieht im Tagesverlauf im Bereich eines breiten Warmsektors der
Gradient wieder an. Hierdurch frischt der Wind auf, an der Nordsee und im
westlichen Bergland sowie in dessen Lee kommen Windböen Bft 7 auf, in den Kamm-
und Gipfellagen der nördlichen, zentralen und westlichen Mittelgebirge muss mit
Sturmböen Bft 8/9, auf dem Brockenplateau mit schweren Sturmböen gerechnet
werden. Auch über der offenen Nordsee setzen stürmische Böen ein.
Die dem sich nähernden Kurzwellentrog vorgelagerte Kaltfront erreicht am späten
Nachmittag den Westen Deutschlands. Da die Luftmasse im Bereich des Warmsektors
leicht labil ist, sind im Frontbereich einzelne kurze Gewitter nicht ganz
auszuschließen. CAPE wird kaum generiert, der Flüssigwassergehalt ist mit Werten
um 20 mm nicht allzu hoch. Die Scherung ist sowohl niedertroposphärisch wie auch
hochreichend signifikant. Da aber Kaltluftadvektion auf den präfrontalen Bereich
übergreift, wird der Hebungsantrieb, der durch den sich nähernden Trog induziert
wird, unterdrückt. Die Wetterwirksamkeit dieser Front wird demzufolge gedämpft;
für kräftigere Schauer, die mit stürmischen Böen einhergehen können, sollte es
dennoch reichen.
Auflockerungen sind im Bereich des abziehenden Hochkeils und somit im Süden und
Osten am wahrscheinlichsten. Ansonsten dominiert meist mehrschichtige Bewölkung.
Die Tageshöchsttemperaturen erreichen 11 bis 16, in tieferen Lagen
Süddeutschlands bis 18 Grad.

In der Nacht zum Donnerstag verlagert sich ein Orkantief nach Südengland, das
aus einer rapiden Zyklogenese über dem nahen Ostatlantik hervorging. Dieses Tief
bewegt sich entlang der englischen Südküste und erreicht dort mit einem
Kerndruck unter 955 hPa den Höhepunkt seiner Entwicklung. Damit beginnt die
Umwandlung dieses Tiefs in ein Zentraltief. Kompensierendes Absinken lässt den
von Frankreich übergreifenden Kurzwellentrog weitgehend verschwinden.
Nachfolgend steilt die Strömung auf und dreht auf Südwest zurück. Dies geht
einher mit einer im Nordwesten und Westen Deutschlands erfolgenden
Gradientzunahme. Folglich frischt in diesen Gebieten der Wind aus Süd bis Südost
auf, in freien Lagen und im Lee der westlichen Mittelgebirge kommen Windböen Bft
7, in den dortigen und zentralen Mittelgebirgen Sturmböen Bft 8/9 auf. An und
über der Nordsee setzen Wind- und stürmische Böen Bft 7/8 ein. Auf dem
Brockenplateau sowie in der Nordeifel sind schwere Sturmböen nicht
auszuschließen.
Relativ windschwach bleibt es nach Osten hin, aber der auch dort etwas
zunehmende Gradient dürfte die Bildung von Nebel unterbinden.

Donnerstag... verlagert sich das Sturmtief, nunmehr ein Aktionszentrum, über
Südostengland hinweg in die westliche Nordsee und beginnt sich dabei nur sehr
zögernd aufzufüllen. Der hiervon ausgehende Trog weitet sich bis zur Iberischen
Halbinsel aus, was die Strömung auf Süd-Südwest rückdrehen lässt. Hierdurch
kommt an und in den Alpen vorübergehend eine Föhnsituation zustande, was in den
Gipfellagen Sturmböen und schwere Sturmböen bis Bft 10 und in hierfür anfälligen
Tälern Windböen bis Bft 7 zur Folge hat.
Da dieses Orkantief von Südengland nach Norden eindreht, bleibt es
Vorhersagegebiet vom Sturmfeld dieses Tiefs weitgehend verschont. Dennoch
verschärft sich der Gradient noch etwas, so dass im Nordwesten, Westen und bis
in die Mitte hinein verbreitet Windböen Bft 7 auftreten. In freien Lagen sowie
in den Leegebieten der dortigen wie auch der nördlichen und zentralen
Mittelgebirge muss mit stürmischen Böen gerechnet werden, in den Hochlagen sowie
im Schwarzwald besteht die Gefahr schwerer Sturm- und auf dem Brocken und
Feldberg orkanartiger Böen. Erst zum Abend hin flaut der Wind merklich ab, so
dass dann Sturmböen Bft 8/9 auf die Kamm- und Gipfellagen der meisten
Mittelgebirge beschränkt sind.
Die Kaltfront des Zentraltiefs greift von Nordwesten und Westen her schleifend
auf Deutschland über. Wie bereits die Vorgängerfront ist auch diese Front von
Kaltluftadvektion überlaufen und daher nur wenig wetterwirksam. Lediglich im
Südwesten kann die Kaltluftadvektion den trogvorderseitigen Hebungsantrieb nicht
kompensieren, was dort kräftigere schauerartige Niederschläge zur Folge hat.
Einzelne eingelagerte Gewitter sind zwar wenig wahrscheinlich, können aber nicht
ganz ausgeschlossen werden. Allerdings erfolgt nach Südosten hin ein
ausgeprägteres Schleifen; auch ist dort durch einen nach Nordosten ablaufenden
Kurzwellentrog etwas Hebung in Gang, so dass sich, ausgehend von Oberschwaben
bis zum Bayerischen Wald, die Niederschläge verstärken. Dieser Prozess setzt
bereits am Vormittag über dem Schwarzwald ein, so dass dort länger andauernde
Niederschläge bis 30 mm innerhalb von 12 Stunden, die dann durchaus warnrelevant
wären, zustande kommen können. Mit der Passage der Kaltfront bricht der Föhn an
den Alpen rasch in sich zusammen.
Auflockerungen sind am ehesten im Nordosten vorstellbar, im späteren
Tagesverlauf lockert die Bewölkung auch im Nordwesten und Westen Deutschlands
auf. Die Tageshöchsttemperaturen erreichen 11 bis 16, im höheren Bergland kaum 8
Grad.

In der Nacht zum Freitag überquert die Kaltfront des östlich von Nordengland
liegenden Zentraltiefs auch die östlichen Landesteile. Diese Front wird durch
eine Wellenbildung über Oberitalien zurückgehalten, was von Vorpommern bis zum
östlichen Alpenrand länger andauernde und kräftigere Niederschläge zur Folge
hat. Während im Nordosten 10 bis 15 und in der Lausitz um 20 mm Niederschlag
innerhalb von 12 Stunden fallen und somit wahrscheinlich keine Warnschwellen
erreicht werden, zeichnen sich am Alpenrand und dort vor allem nach Osten hin
höhere Regenmengen bis über 30 mm ab, so dass sich dort eher unter Ansatz der
12-std. Kriterien eine Dauerregenwarnung anbieten würde. Allerdings sinkt dort
die Schneefallgrenze auf 1200 bis 1500 m ab.
Postfrontal erfolgt schwacher Zwischenhocheinfluss. Der Gradient wird hierdurch
weiter auseinandergezogen; Sturmböen Bft 8/9 sind daher auf exponierte
Gipfellagen (Feldberg im Schwarzwald, brocken) und die offene Nordsee
beschränkt. Im Nordwesten, im westlichen Bergland und an der gesamten
Nordseeküste muss jedoch mit Windböen Bft 7 gerechnet werden.

Freitag... gelangt Deutschland in den Bereich des Troges, der von dem über der
mittleren Nordsee liegenden und sich nur zögernd weiter auffüllenden Zentraltief
ausgeht. Allerdings ist die postfrontal eingeflossene Luft sehr trocken; zudem
hält sich der Einfluss eines Zwischenhochkeils, der durch Kaltluftadvektion
gestützt wird. Auch wenn die Schichtung im Trogbereich labil ist, so wird die
Schauertätigkeit, abgesehen vom Nordwesten und Westen Deutschlands, durch
großräumiges Absinken weitgehend unterbunden. Im Tagesverlauf verlagert sich
zwar der Zwischenhochkeil ostwärts, was im Nordwesten und Westen Deutschlands
eine erneute leichte Gradientzunahme mit sich bringt. Daher wird in diesen
Gebieten in freien Lagen der Wind mit Böen Bft 7 wieder warnrelevant; Windböen
sind auch in den Leegebieten der westlichen und nördlichen Mittelgebirge
vorstellbar. In den Hochlagen dieser Mittelgebirge sowie an und über der Nordsee
muss mit stürmischen Böen Bft 8 gerechnet werden.
In weiten Teilen Deutschlands zeichnen sich größere Auflockerungen ab. Nur im
Osten hält sich noch mehrschichtige Bewölkung einer weiter nach Osten
abziehenden Front, wodurch anfangs am östlichen Alpenrand noch zeitweise
Niederschläge zustande kommen. Mit Tageshöchsttemperaturen zwischen 7 und 12
Grad wird es jedoch nicht mehr so mild wie bisher.

In der Nacht zum Samstag erfolgt über dem nahen Ostatlantik eine weitere
markante Zyklogenese. Das bisherige Zentraltief wird nordwärts gesteuert und
verliert für unser Wettergeschehen an Bedeutung. Der von diesem Zentraltief
ausgehende Trog schwenkt nach Osten, gefolgt von einem weiteren Kurzwellentrog.
Durch diesen kommen im Südwesten schauerartige Niederschläge auf.
Mit dem Abzug des Zwischenhochkeils erfolgt auch im Osten eine leichte
Gradientzunahme, was die Entstehung von Nebel und eine Abkühlung in den Bereich
leichten Frostes unterbindet. Warnrelevante Böen sind auf die Kamm- und
Gipfellagen der nördlichen, zentralen und südwestdeutschen Mittelgebirge
(Sturmböen, Bft 8/9) und auf die Nordseeküste (Wind- und stürmische Böen bis Bft
8) beschränkt.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle stützen weitgehend die oben beschriebene Entwicklung.
Anhand der synoptischen Basisfelder lassen sich keine prognoserelevanten
Unterschiede ableiten. Unsicher ist, ob von den Dauerniederschlägen in der Nacht
zum Freitag neben dem östlichen Alpenrand auch die Lausitz erfasst wird. Neben
UK 10 zeigen COSMO-LEPS und in abgeschwächter Form auch ICON-EU EPS hierfür
Signale.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann