DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

29-10-2023 09:01
SXEU31 DWAV 290800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 29.10.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL TB
Markante Dauerniederschläge im Südwesten bis Nacht auf Dienstag anhaltend. Heute
einzelne kräftige Gewitter im Nordwesten. Föhnsturm an den Alpen. Zum Dienstag
postfrontal (KF) Wetterberuhigung mit Kaltluftkonvektion.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 24 UTC
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Sonntag... befinden sich große Teile von West- und Mitteleuropa in einer
strammen südwestlichen Höhenströmung mit einem gut ausgeprägten Jet in 300 hPa,
der um 12 UTC von der Biskaya über Nordfrankreich bis nach Norddeutschland
verläuft. Diese Grundkonstellation in der Höhe bleibt auch bis zum Montag
bestehen, sodass sich eine für längere Zeit persistente Wetterlage einstellt.

Eingelagert in die südwestliche Strömung ist eine mehrere tausend Kilometer
lange Luftmassengrenze, die sich als Warm-/Kaltfront von der Iberischen
Halbinsel über Frankreich und Deutschland bis nach Polen erstreckt. Eingelagert
in die südwestliche Grundströmung verläuft die Luftmassengrenze mehr oder
weniger strömungsparallel, sodass diese ebenfalls bis zum Montag recht ortsfest
bleibt und durch kurzwellige Anteile des westeuropäischen Troges mal etwas nach
Norden, mal etwas nach Süden gedrückt wird.
Daraus ergeben sich länger andauernde Regenfälle, die sich von Ostfrankreich bis
nach Südwestdeutschland erstrecken und bereits mit markanten Dauerregenwarnungen
versehen wurden. Wie immer mit kurzwelligen Anteilen auf der Trogvorderseite ist
es immer etwas schwierig die genaue Positionierung zu bestimmen und so ergeben
sich am Ende auch Modellunterschiede bezüglich der Lage der Schwerpunkte des
Dauerregens. Während die deutsche Modellkette (00UTC) auf recht südlicher
Zugbahn verläuft und auch Teile von NW BaWü mit einbezieht, ist das GFS eher
nördlich orientiert, ECMWF verläuft dazwischen. Es gilt die genauen
Niederschlagssummen zu monitoren und ggf. im Verlauf der nächsten 24h noch
Anpassungen vorzunehmen. Für Unwetter sollte es nach Durchsicht der
verschiedenen Modelle und Ensemble eher nicht reichen, zumal die markanten
Warnungen gut ausgereizt wurden. Der neueste ECMWF Lauf (00 UTC) hat allerdings
deutlich mehr Niederschlag mit Mengen zwischen 50 und 70 l/qm im südlichen
Saarland und RLP drin. Ganz ausschließen kann man Unwetter also nicht.

Neben dem Regen ist der Wind ein weiters Warnkriterium. Dieser hat bereits aus
der Nacht heraus aufgelebt und bleibt auch bis in die Nachmittagsstunden in der
gut durchmischten Troposphäre nördlich der Luftmassengrenze aktiv. Dabei muss
vor allem im Westen und Nordwesten mit Windböen gerechnet werden. Durch die
südliche Windkomponente in den unteren Schichten kommt es auch an den Nordhängen
der zentralen und östlichen Mittelgebirge (Thüringer Wald, Erzgebirge, ...)
zeitweise zu Windböen. Gerade im Westen sind in prädestinierten Lagen auch
einzelne stürmische Böen zu erwarten. Nordsee und Berge Bft 8, exponiert Bft 9.
Zum Nachmittag lässt der skalige Wind tendenziell etwas nach, was auch daran
liegt, dass die LMG ein wenig nach Norden verschoben wird.

Gleichzeitig rückt in den Nachmittagsstunden ein weiteres Warnkriterium in den
Fokus und das sind die Gewitter. Da gibt es zum einen die warme Seite der
Frontalzone. Der deterministische ID2 Lauf zeigt zwar kein CAPE, was vor allem
an der WLA liegt, die in den Prognosesoundings einen gewissen Warmluftbuckel in
der mittleren Troposphäre zeigt. Anders schaut es bei der Betrachtung des
Ensembles aus. Das LPI zeigt klare Signale von mehreren Membern, dass
Warmlufteinschubgewitter durchaus im Bereich des Möglichen sind. Dies wird auch
gestützt von der automatisierten Guidance vom ESSL (stormforescast.eu), die auf
Basis von ICON, ECMWF und GFS erstellt wird. Mit den Gewittern kann es
stürmische Böen (Höhenwind) und Starkregen (hohes PPW, wiederholte Konvektion)
geben.

Ein weiterer Fokus in Sachen Gewitter liegt auf dem Nordwesten. Ein Jetmaximum
in 500 hPa erreicht den dortigen Vorhersageraum am Nachmittag, wobei auf der
linken Ausgangsseite verstärkt Hebung vorhergesagt wird. Dazu ist die Labilität
erhöht und etwas (MU)CAPE findet sich in den Prognosen. Darauf springt dann auch
das LPI von ID2(EPS) an. Gewitter sind dort also durchaus wahrscheinlich und
diese können auch recht kräftig ausfallen. So ist der Wind in 925 (bis 45 kn)
und 850 hPa (bis 55 kn) deutlich erhöht, was allein schon für das Potential für
Sturmböen und einzelne schwere Sturmböen spricht. Zum anderen ist die gesamte
untere Troposphäre gut geschert.
Mit den bodennahen Südwinden, zeigen die Hodographen in der unteren Troposphäre
zudem eine Rechtsdrehung, sodass bei niedrigem HKN auch das Tornadopotential
leicht erhöht ist. In der Aufwindhelizität gibt es vom ID2 und SuperHD auch
leichte Signale, wenngleich diese hauptsächlich über Belgien und den
Niederlanden zu finden sind.

Bleibt zu guter Letzt noch der Föhn, der in den Alpen aktiv ist und dort mit nur
kurzen Schwächephasen bis in die Nacht auf Dienstag anhält, ehe die dann
folgende Kaltfront ihm den Gar ausmacht. Auf den Gipfeln der Alpen sind Sturm-
und schwere Sturmböen zu erwarten, in den Tälern Windböen, vielleicht auch mal
eine stürmische Böe. Dafür reicht es dann in den Voralpengebieten auch für etwas
mehr als 20 Grad. Aber auch sonst ist es für Ende Oktober mit 14 bis 18 Grad
sehr mild.

In der Nacht auf Montag ändert sich an der Grundkonstellation nur wenig. Die
Luftmassengrenze schiebt sich wieder etwas weiter nach Süden und die Schauer und
Gewitter ziehen über dem Norden allmählich in Richtung Ostsee ab. Der Wind lässt
in tiefen Lagen tagesgangbedingt etwas nach und ist im Allgemeinen nicht mehr
warnwürdig. Im Bergland und an der See gibt es aber weiterhin Windböen, in
höheren Lagen und auf der Nordsee auch stürmische Böen.

Einstellige Tiefstwerte gibt es vornehmlich im Süden und Südosten sowie im
Bergland. Sonst gibt es abermals eine milde Oktobernacht mit häufig
zweistelligen Tiefstwerten.

Montag... beginnt sich über der Iberischen Halbinsel ein Trog stärker zu
amplifizieren, sodass vorderseitig die Strömung eine stärkere Südkomponente
bekommt. Diese macht sich ab dem Abend auch über Teilen Deutschlands bemerkbar.
So bekommt das Föhnereignis an den Alpen ein zweites Maximum. Zudem verschiebt
sich die Luftmassengrenze wieder etwas nach Norden.

Letzteres geht mit der Entwicklung eines Randtiefs einher. Auf der Vorderseite
des sich amplifizierenden Troges ist ein markanter kurzwelliger Anteil zu sehen,
der letztlich zur Randtiefentwicklung führt. Dieses liegt am Nachmittag über
Ostfrankreich und zieht bis zum Abend nach Belgien.

Der Schwerpunkt der Niederschläge konzentriert sich dabei erneut auf den breiten
Südwesten des Landes. Im Südosten bleibt es föhnbedingt trocken und auch
vorderseitig der Warmfront im Norden und Nordwesten gibt es kaum Niederschlag
und hin und wieder etwas Sonne.

Mit der Randtiefentwicklung wird auch der Gradient etwas auseinandergezogen,
sodass es im Allgemeinen keinen warnwürdigen Wind mehr gibt. Warnungen sind nur
noch im Bereich der Nordsee (Bft 7, freie See Bft 8) sowie auf exponierten
Berggipfeln zu erwarten.

Der Tag wird wieder ausgesprochen mild mit Maxima um 20 Grad in den Föhngebieten
und sonst allgemein 14 bis 18 Grad.

In der Nacht auf Dienstag verlagert sich das durch den kurzwelligen Anteil
gestützte Randtief über NRW weiter in Richtung Ost- und Nordostdeutschland.
Damit zieht auch eine Kaltfront von West nach Ost über Deutschland hinweg und
sorgt für ein Zusammenbrechen des Föhns an den Alpen. Der Druckanstieg ist ganz
ordentlich, sodass es durchaus auch Windböen mit den Druckanstiegswelle geben
kann.
Auch sonst lebt der Wind mit Frontenpassage vorübergehend auf und weht vor allem
im höheren Bergland stark, exponiert auch stürmisch. Im Norden, wo das
Tiefzentrum durchzieht, ist es hingegen nur windschwach.

Dienstag... sind Randtief und Kaltfront ostwärts aus Deutschland abgezogen und
der Haupttrog erreicht Deutschland. Dieser ist aufgrund stromaufwärtiger
Entwicklungen nicht mehr so stark amplifiziert und auch seine Wellenlänge hat
sich verkürzt.

Mit dem Trog kommt es im Tagesverlauf wiederholt zu Schauern und auch einzelnen
Gewittern. Diese konzentrieren sich vor allem auf die Südhälfte des Landes, wo
die Trogachse am besten ausgeprägt ist. Da die Gewitter eine ordentliche
Zugkomponente haben und die Scherung auch nicht sonderlich stark ausgeprägt ist,
dürften sich die Gewitter zumeist im gelben Bereich abspielen und von Windböen
und Graupel begleitet sein.

Auch nach Norden sind Schauer und vereinzelt Gewitter möglich, aber lange nicht
so hochfrequent. Im äußersten Norden sickert zudem eine trockene und stabile
geschichtete Luftmasse ein.

Lebhaft ist der Wind vor allem im Süden. Dort sind im Bergland auch stürmische
Böen und Sturmböen möglich.

In der Nacht auf Mittwoch zieht der Trog ab und von Westen her schiebt ein
kurzwelliger flacher Rücken rein, der von WLA überlaufen ist. Die konvektive
Aktivität kommt also rasch zum Erliegen. Während nach Süden in der Folge die
Wolkendecke stärker auflockert, zieht über die Mitte und dem Norden
mehrschichtige Bewölkung und zum Morgen fällt im Westen und Nordwesten etwas
Regen. Der Wind weht vor allem auf den Berggipfeln noch stark bis stürmisch.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die grundlegende Entwicklung im Kurzfristzeitraum wird von den verschiedenen
Modellen gleich prognostiziert. Unterschiede ergeben sich im Detail. Das
betrifft besonders den genauen Verlauf der LMG, wie Haupttext diskutiert wurde.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Marcus Beyer