DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

28-10-2023 11:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 28.10.2023 um 10.30 UTC



Durchgehend unbeständig und wiederholt verbreitet Niederschläge. Ab Mitte der
kommenden Woche erhöhtes Potential für Sturmlagen mit Schwerpunkt im Nordwesten
Deutschlands.
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Synoptische Entwicklung bis zum Samstag, den 04.11.2023


Der Start in die Mittelfristübersicht - der wohlgemerkt letzten sommerzeitlich
verfassten in diesem Jahr - erfolgt durchaus turbulent. Die Wetterlage ist dabei
über den gesamten Mittelfristbereich stark zyklonal geprägt. Entsprechend
dominant zeigt sich dabei auch die Westwinddrift mit deutlich ausgeprägtem Jet
über dem Atlantik.

Der Dienstag wird sogleich von einem nächtlichen Kaltfrontdurchgang geprägt.
Hauptverantwortlich ist dabei ein recht breiter Langwellentrog mit Achse von den
Britischen Inseln nach Nordafrika. Das dazu korrespondierende Bodentief liegt
mit steuerndem Zentrum ebenfalls über den Britischen Inseln. Dabei ist eine
vorlaufende bodennahe Tiefdruckrinne ausgebildet, die von der Vorderseite des
Höhentroges überlagert wird und sich somit zunächst weiter intensiviert. Darin
eingelagert sind die Zentren mehrerer kleiner Randtiefs. Dieses System soll
dabei bis zum Vormittag von Oberitalien Richtung Polen und Ostsee ziehen. Dabei
überquert uns das dazugehörige Frontensystem und führt zu einem
Luftmassenwechsel von vormals milden Luftmassen hin zu maritimer Subpolarluft
aus Richtung Atlantik (T850 um +3°C). Dieser Frontdurchgang kennzeichnet
zunächst das Ende länger anhaltender Niederschläge im Zuge eines schleifenden
Frontbereichs über Deutschland, dessen Ursprünge noch im Bereich der
Kurzfristvorhersage zu finden sind. Die eingeflossene Luftmasse ist dabei latent
labil geschichtet, was im Nachgang noch zum Auftreten einzelner Schauer führt.
Eventuell reicht es sogar für das ein oder andere kurze Gewitter, sonderlich
wahrscheinlich erscheint das allerdings nicht.

Nachfolgend rückt am Mittwoch ein kurzwelliger Höhentrog nach, der zu einer
kurzzeitigen Wetterberuhigung führt. Im Bodendruckfeld zeichnet sich dieser
Rücken so gut wie gar nicht ab. Hier hat man es eher mit einem Sattelpunkt
zwischen zwei ausgeprägten Tiefdruckgebieten zu tun. Während das östlich
gelegene Tief mit Zentrum über dem Baltikum für das hiesige Wettergeschehen
keine Rolle mehr spielt, greift im Nordwesten bereits die Warmfront des nächsten
Tiefdrucksystems über dem Atlantik über. Bei diesem Tiefdrucksystem handelt es
sich genauer gesagt um einen ganzen Komplex, dessen Ursprünge in einem mächtigen
Kaltluftvorstoß über dem amerikanischen Kontinent liegen. Dabei greifen die
klassischen zyklogenetischen Prozesse zwischen Neufundland und Grönland und
resultieren anschließend in der Entstehung eines Sturm- bzw. sogar
Orkantiefkomplexes. Besonderes Augenmerk gilt hier aber einer Randtiefbildung,
die am linken Jetausgang induziert wird. Der Jet selbst dabei ist bei markanter
Frontalzonenausprägung sehr kräftig mit bis zu 160 kt. Dementsprechend markant
fällt auch die Randtiefentwicklung aus. Sie resultiert in rapider Zyklogenese
mit Druckfall von ca. 40 hPa innerhalb 24 Stunden (Mi 00 UTC - Do 00 UTC), wobei
das dabei entstehende Orkantief schließlich mit etwa 950 hPa Kerndruck vor der
irischen Küste liegen soll. Das anfangs erwähnte Frontensystem nebst zugehörigem
kurzwelligen Höhentrog befindet sich zu diesem Zeitpunkt genau über Deutschland
und bringt am Abend bis in die Nacht zum Donnerstag im Verlauf von West- nach
Nordostdeutschland etwas Regen.

Am Donnerstag folgt rasch das nächste Frontensystem nach. Dieses gehört bereits
zum eben erwähnten Orkantief bei Irland und bringt im Tagesverlauf von Westen
erneut verbreitet Niederschläge. Je nach Ausprägung dieses Tiefs muss man auch
davon ausgehen, dass es vor allem im Nordwesten mit zunehmendem Gradienten
zeitweise stürmisch wird. Dabei wird mit durchgreifender südwestlicher Strömung
vor allem im Warmsektor des Tiefs erneut recht milde Luft herangeführt, die die
Temperaturen erneut ansteigen lässt, bevor von Westen die Kaltfront des Tiefs
mit weiteren Niederschlägen auf Deutschland übergreift.

Auch am Freitag bleibt der Tiefdruckkomplex wetterbestimmend, wobei sich das
Zentraltief bei Irland zunehmend eingenistet hat und sich langsam auffüllt. Der
zugehörige Höhentrog ist, ebenso wie das Bodentief, mittlerweile umfangreich
amplifiziert und erstreckt sich vom zentralen Atlantik bis nach Nordosteuropa,
sowie von den Britischen Inseln und Südskandinavien bis weit in den
Mittelmeerraum. Während dabei über Osteuropa Warmluft bis in hohe Breiten
advehiert wird, ist in Deutschland rückseitig der abgezogenen Kaltfront bereits
gealterte Meeresluft eingeflossen. Dabei zieht das Zentraltief langsam weiter
Richtung Nordsee und sorgt weiter für Gradientverschärfung vor allem im
Nordwesten Deutschlands, wo weiter mit windigen bis stürmischen Verhältnissen zu
rechnen ist. Daran ändert sich auch bis zum Samstag nicht viel, wobei der
Langwellentrog aber nun zunehmend in Fahrt kommt. Dabei schwenkt die Hauptachse
ostwärts durch und verliert an Amplitude, während sich rückseitig mit einem
neuen großskaligen Kaltluftvorstoß über dem Atlantik die Regeneration des Troges
sowie erneute Zyklogenese andeutet. Es sieht also so aus, als müsste man auch
über den Mittelfristzeitraum hinaus mit deutlich zyklonal geprägten Wetterlagen
rechnen. Das heißt: Milde Temperaturen, windig/stürmisch und nass "open end",
von möglichen Winterszenarien ist keine Spur zu sehen.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


IFS zeigt eine durchgehend hohe Konsistenz zwischen den Läufen. Insbesonders die
beschriebene atlantische Orkantiefentwicklung im Zuge rapider Zyklogenese wird
in den letzten Läufen einheitlich gezeigt. Dies erstaunt, sind doch solche Lagen
üblicherweise mit hohen Unsicherheiten behaftet. Größere Diskrepanzen treten
erst am Ende des Mittelfristzeitraumes auf. Dies betrifft zuerst die Frage, wie
schnell der Kaltfrontdurchgang am Freitag erfolgt. Hier zeichnet sich kein
einheitlicher Trend ab, die einzelnen Läufe lassen die Kaltfront mal mehr, mal
weniger schnell vorankommen, wobei sich die räumlichen Unterschiede insgesamt
betrachtet in Grenzen halten. Unklarer scheint, wie es danach weitergeht. Die
Trogmodifizierung mit sich auffüllendem Tief wird von Lauf zu Lauf recht
inkosistent gezeigt, und hängt sicherlich mit der nachfolgenden neuen
atlantischen Tiefdruckentwicklung zusammen. Nicht völlig ausgeschlossen scheint
auch, dass es am Rande des Zentraltiefs bei Irland am Freitag zur Entwicklung
eines Schnellläufers kommt. Der gestrige 12 UTC-Lauf macht diesbezüglich
zumindest Andeutungen, ohne dass sich daraus konkrete Aussagen ableiten lassen.
Dass eine Sturmlage am Donnerstag oder Freitag nicht unwahrscheinlich scheint,
zeigen sämtliche Läufe aber auch unabhängig von dieser Entwicklung.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Auch die anderen Globalmodelle stoßen in das selbe (potentiell stürmische) Horn.
Bis zum Dienstag herrscht große Einigkeit, was den bevorstehenden Ablauf angeht.
Der Fokus soll aber auch hier auf der zu erwartenden rapiden Zyklognese auf dem
Atlantik liegen. Diese wird auch von ICON, GFS und UK10 so gezeigt, allerdings
in unterschiedlicher Ausprägung. Bezüglich Intensivierung und Kerndruck fährt
IFS hier tatsächlich das schärfste Programm. Gleichzeitig zeigt IFS auch die
nördlichste Zugbahn dieses Tiefs, während es die anderen Modelle eher aus
Richtung Biskaya heranziehen lassen. Das würde im Übrigen an der französischen
Atlantikküste großräumig zu schwerem Sturm bis hin zum Orkan führen. Während
ICON und IFS das Tief anschließend weiterhin über den Britischen Inseln führen,
zeigt GFS eine deutlich weiter amplifizierte Trog-Variante mit Tiefzentrum
weiter südlich über dem Ärmelkanal bzw. Benelux sowie neuer Zyklognese im
Mittelmeerraum, die so von keinem anderen Modell angeboten wird. Die
GFS-Variante würde in der Folge zu Abtropfen des Troges führen und damit am
kommenden Wochenende vorübergehend für antizyklonalen Einfluss sorgen, während
alle anderen Modelle (ICON, IFS, UK10) es weiter beim Langwellentrog belassen.
Hierbei stünde dann nur die weitere Zugbahn des Zentraltiefs zur Debatte, die in
den verschiedenen Varianten um einige hunderte Kilometer zwischen dem Norden und
dem Süden der Britischen Inseln divergiert.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Bezüglich Temperatur- und Potentialverteilung zeigen die Rauchfahnen relative
Einigkeit. Vor allem bezüglich des Verlaufes bewegt sich die große Mehrheit der
Member auf einer einheitlichen Schiene, das alles im Rahmen der einfachen
Standardabweichung. Nur wenige Member zeigen Ausreißerlösungen. Das alles
spricht für eine für diese Wetterlage relativ große Vorhersagesicherheit.
Insbesondere die Sturmtiefentwicklung zum Ende der kommenden Woche wird in Form
fallenden Geopotentials recht homogen dargestellt. Nennenswerte Unterschiede
zeigen sich erst ab dem Freitag in zunehmender Art und Weise und entspricht
damit auch der Konsistenzbetrachtung der deterministischen Läufe. Im Süden
Deutschlands (repräsentativ München) ist auch die Niederschlagsentwicklung als
relativ sicher zu betrachten, während es in der Mitte (Offenbach) und im Norden
(Hamburg) zu größeren Unsicherheiten bezüglich der zu erwartenden Mengen kommt.


Die Cluster zeigen allesamt und ohne Ausnahme -NAO bis zum Zeitraum +240 h.
Dabei werden bis 96h zunächst 5 Cluster gebildet, wobei die Population der
ersten drei Clustermember mit ca. 12-13 etwa doppelt so hoch ist, wie die der
letzten beiden mit etwa 6-7 Membern. Im Zeitraum 120 bis 240 Stunden werden
jeweils drei Cluster gebildet, bei denen zunächst das erste Cluster besonders
betont wird (24 Member, 120-196 h), später die ersten beiden Cluster gleich
betont werden (21/18 Member, 192-240 h). Dass die Unsicherheiten sich hierbei in
Grenzen halten, bestätigt auch die Erfahrungen auf EMCWF-Seite, wo es heißt,
dass das -NAO-Regime den besten Vorhersage-Skill aller klimatologischen
Szenarien besitzt.

Das GFS-Ensemble streut im Vergleich zu IFS deutlich mehr. Somit ist davon
auszugehen, dass die gezeigten und beschriebenen Szenarien mit deutlich größeren
Unsicherheiten behaftet sind als bei anderen Modellen. Das spiegelt sich auch in
den kurz diskutierten deterministischen Ausreißerlösungen wieder. Aus diesen
Gründen sollte GFS für die weiteren Vorhersagen eher nur am Rande betrachtet
werden.

Fazit:
In der kommenden Woche bleibt die zyklonale Wetterlage erhalten und gipfelt in
einer rapiden Zyklogenese auf dem Atlantik, deren finale Form zwar noch mit
Unsicherheiten behaftet ist, aber Stand heute mit hoher Sicherheit stattfinden
wird. Der Einfluss des resultierenden Sturm- bzw. Orkantiefs reicht mit hoher
Wahrscheinlichkeit mindestens bis in den Westen und Nordwesten Deutschlands, wo
das Potenzial für eine Sturmlage am Ende der kommenden Woche wieder deutlich
zunimmt. Insgesamt bleibt es bei unbeständiger, nasser und windiger Witterung
mit nur wenig Sonnenanteilen, aber milden Temperaturen und weiterhin frostfreien
Nächten.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Am Dienstag sind einzelne starke Gewitter in der Südwesthälfte gering
wahrscheinlich.
Ab Donnerstag nimmt die Wahrscheinlichkeit für Sturm vor allem an der
Nordseeküste und im westlichen und zentralen Bergland, aber auch im Nordwesten
insgesamt deutlich zu.
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Basis für Mittelfristvorhersage
ECMWF-IFS, ICON, UK10, GFS, MOSMIX, EZMOS, sowie entsprechend zugehörige ENS.
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VBZ Offenbach / M.Sc. Felix Dietzsch