DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

27-10-2023 07:01
SXEU31 DWAV 270800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 27.10.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
W z. Wechselhaft und teils mild, in den Nächten frostfrei.

WIND:
Auf Alpengipfeln und im südwestdeutschen, ab dem Mittag auch im ostbayerischen
Mittelgebirgsraum auflebender Südwestwind mit Sturmböen Bft 8 bis 9 in höheren
Berglagen und exponiert einzelnen schweren Sturmböen (Bft 10). Zudem im höheren
Alpenvorland vorübergehend stürmische Böen nicht ausgeschlossen. In der Nacht
zum Samstag in Süddeutschland generell nachlassender Wind. Nur in den Kammlagen
des Bayerischen Waldes bis in die zweite Nachthälfte hinein noch Sturmböen (Bft
8 bis 9) aus Südwest.
Am Samstag auf höheren Gipfeln der westlichen, zentralen und nördlichen
Mittelgebirge Sturmböen Bft 8/9, in der ersten Nachthälfte der Nacht zum Sonntag
vorübergehend abflauend, danach erneut auflebend, auf exponierten Gipfeln
(Brocken, Feldberg im Schwarzwald) Gefahr schwerer Sturmböen. Zudem über der
offenen Nordsee stürmische Böen Bft 8 aus Südost, den Sonntag über andauernd,
dann über der offenen Nordsee ebenfalls Sturmböen Bft 8/9 aus Südwest. Wind erst
in der Nacht zum Montag abflauend. An einigen Küstenabschnitten und auf
exponierten Gipfeln dann aber weiterhin stürmische Böen.

DAUERREGEN:
Im Schwarzwald teils kräftiger Regen. Mit den bisher gefallenen Mengen bis heute
Mittag 30 bis 50 l/qm, in Staulagen bis 70 l/qm. Auch im Oberallgäu zumindest in
Staulagen bis heute Mittag Dauerregen mit Mengen um 50 l/qm.

GEWITTER:
Heute im Tagesverlauf im Westen und Süden einzelne Gewitter mit stürmischen Böen
bzw. Sturmböen nicht ganz ausgeschlossen.
In der Nacht zum Sonntag in Nordseenähe, am Sonntag auch im gesamten Norden
sowie im Nordwesten sowie im Tagesverlauf auch von Südwesten her aufkommend
kurze Gewitter, dabei schwere Sturmböen nicht ganz ausgeschlossen. Auch in der
Nacht zum Montag im Küstenbereich sowie von Südwesten her noch kurze Gewitter.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... liegt Deutschland an der Vorderseite eines breiten Troges und somit
unter einer südwestlichen, zyklonal geprägten Strömung. Dieser Trog wird durch
Kaltluftvorstöße aus dem Raum Neufundland wiederholt regeneriert. Die relativ
zonal gerichtete Frontalzone erstreckt sich vom mittleren Nordatlantik über die
Pyrenäen, Oberitalien und die Ukraine hinweg zum südlichen Ural.
Kurzwellentröge, die nach Nordosten ablaufen, gestalten den Wettercharakter bis
auf weiteres sehr wechselhaft und in weiten Teilen Deutschlands noch relativ
mild. In den Nächten bleibt es daher durchweg frostfrei.
Einer dieser Kurzwellentröge überquert heute das Vorhersagegebiet, gefolgt von
einem flachen Rücken und einem weiteren kurzwelligen Trog, der bis zum Abend
bereits über Ostfrankreich zu finden ist. Hebung, die im Wesentlichen aus
positiver Vorticityadvektion resultiert, lässt die Niederschläge nordostwärts
ausgreifen. Lediglich zwischen Warnow und unterer Oder bleibt es, abgesehen von
ein paar Schauern in Ostseenähe, noch weitgehend niederschlagsfrei.
Bedingt durch den nachfolgenden flachen Rücken lassen die Niederschläge im Süden
vorübergehend nach. Im Westen und im Süden sind vor allem in den Leegebieten der
Mittelgebirge ein paar Auflockerungen vorstellbar, aber es bleibt im
Tagesverlauf auch in diesen Gebieten nicht ganz niederschlagsfrei. In den Westen
und Süden gelangt labil geschichtete Luft, die einen Gehalt an niederschlagbarem
Wasser bis 20 mm aufweist. Niedertroposphärisch erreicht die Scherung bis 15
m/s. Der Kurzwellentrog und weitere nachlaufende kurzwellige Anteile spendieren
Hebung, so dass sich im Tagesverlauf einzelne kurze Gewitter entwickeln können.
Stürmische Böen sind dabei wenig wahrscheinlich, aber nicht ganz auszuschließen.
Zudem frischt der Wind im Süden erneut auf. In höheren Lagen der südwest- und
süddeutschen Mittelgebirge sowie der Alpen sind Sturmböen Bft 8/9 zu erwarten;
exponiert können einzelne schwere Sturmböen nicht ganz ausgeschlossen werden.
Bedingt durch den Leitplankeneffekt kommen im Alpenvorland auch in tieferen
Lagen Windböen Bft 7 auf. Mit Böen Bft 7 muss aber auch in einigen freien Lagen
Süddeutschlands gerechnet werden.
Die Tageshöchsttemperaturen erreichen 9 bis 14, in tieferen Lagen
Südwestdeutschlands bis 16 Grad.

In der Nacht zum Samstag überquert ein weiterer Kurzwellentrog das
Vorhersagegebiet. Mit diesem erfasst das nächste Niederschlagsgebiet den
Südwesten und greift bis auf den zentralen und östlichen Mittelgebirgsraum über.
Das vorherige Niederschlagsband erfasst dann komplett die nördlichen und
nordöstlichen Landesteile. Dabei bleibt der Gradient nahezu unverändert, so dass
in den Hochlagen der südwest- und süddeutschen Mittelgebirge sowie im Allgäu
weiterhin mit Sturmböen Bft 8/9 zu rechnen ist. Ansonsten ist der Wind
wahrscheinlich nicht warnrelevant. Bedingt durch den Gradienten und weitgehend
geschlossene Bewölkung ist Nebel eher unwahrscheinlich.

Samstag... gelangt Mitteleuropa unter einen breiten, aber flachen Höhenrücken.
Vielmehr handelt es sich hierbei um ein stärkeres Auffächern der Frontalzone,
wobei sich weitere, nach Nordosten ablaufende kurzwellige Anteile abzeichnen.
Daher werden die Niederschläge nach Norden abgedrängt. Wenngleich es nicht für
ein Zwischenhoch reicht, so zeichnen sich neben dem Süden Deutschlands auch in
den Leegebieten der Mittelgebirge, d.h. an deren Nordostseiten, Auflockerungen
ab. Aber es bleibt nicht niederschlagsfrei. Da mit einer südwestlichen Strömung
weiterhin leicht labile Luft herangeführt wird, muss wie am Vortag, wenn auch
mit geringerer Wahrscheinlichkeit, mit einzelnen kurzen Gewittern gerechnet
werden. Lediglich im Südosten sind längere sonnige Abschnitte möglich.
Allerdings bereitet im Tagesverlauf von Westen her einsetzende und sich
verstärkende Warmluftadvektion den Auflockerungen ein baldiges Ende. Im späteren
Tagesverlauf setzt von Westen her wahrscheinlich neuer Regen ein.
Die Warmluftadvektion steht in Verbindung mit der Warmfront eines sich in die
Irische See verlagernden Randtiefs. Dieses liegt zunächst entwicklungsgünstig zu
einem nachfolgenden Trog und intensiviert sich bis zu einem Kerndruck von etwa
975 hPa. Vorderseitiger Druckfall bewirkt im Nordwesten und Westen Deutschlands
sowie auch in Teilen der Mitte eine erneute leichte Gradientzunahme, wobei der
Wind eher auf Südwest rückdreht. In exponierten Gipfellagen der südwestdeutschen
und nördlichen Mittelgebirge muss dann mit Sturmböen Bft 8/9 und in den
Leegebieten dieser Mittelgebirge mit Windböen Bft 7 gerechnet werden. Durch
einsetzenden leichten Föhn kommen auch auf Alpengipfeln Sturmböen auf. Mit der
Winddrehung auf Südwest wird oberhalb der Grundschicht wärmere Luft
herangeführt. In Bodennähe macht sich dies noch kaum bemerkbar, so dass sich
gegenüber den Vortagen keine wesentliche Temperaturänderung ergibt.

In der Nacht zum Sonntag wird ein Trog von Irland kommend in die Nordsee
gesteuert und streift dabei den Nordwesten Deutschlands. Vorderseitig wird ein
Schwall feuchtlabiler Luft nach Deutschland geführt. Der Gehalt an
niederschlagbarem Wasser erreicht 20 bis 25 mm, die Schichtung ist vor allem im
Nordwesten leicht labil. Zwar wird kaum CAPE generiert, aber die Hebung, die
durch den nach Nordosten ablaufenden Kurzwellentrog induziert wird, kann
durchaus für konvektive Umlagerungen hinreichend sein. Die Scherung liegt sowohl
hochreichend als auch niedertroposphärisch (dort mit 20 bis über 25 m/s) in
einem mehr als signifikanten Bereich. Zudem ist das Hebungskondensationsniveau
mit 400 bis 800 m relativ niedrig. Darüber hinaus gelangen diese Gebiete unter
den linken Ausgang des Jets. Demzufolge können an der schleifend auf den
Nordwesten und Westen Deutschlands übergreifenden Kaltfront organisiertere
konvektive Umlagerungen auftreten. Staffelartige, möglicherweise sogar
rotierende Strukturen können nicht ausgeschlossen werden.
Ein Oberwind, der im 850 hPa-Niveau 50 bis 55 kt erreicht, deutet in Verbindung
mit kräftigeren Schauern und kurzen Gewittern auf Sturm- und schwere Sturmböen
hin. Aber auch bedingt durch die Gradientzunahme in weiten Teilen Deutschlands
frischt der Wind im Nordwesten, Westen und in den mittleren Regionen erneut auf.
Im Bergland und in den Leegebieten der dortigen Mittelgebirge setzen Windböen
ein, in höheren Berglagen muss mit Sturmböen Bft 8/9 gerechnet werden, auf dem
Brocken können dann wieder schwere Sturmböen auftreten. Aber auch an der Nordsee
erfolgt eine Windzunahme. An der Küste sind Windböen Bft 7, auf den
Nordfriesischen Inseln stürmische Böen und über der offenen Nordsee Sturmböen
Bft 8/9 um Süd zu erwarten. An den Alpen dauert die Föhnsituation mit Sturmböen
Bft 8/9 in höheren Berglagen an.
Lediglich im Südosten bleibt die Gradientzunahme aus. Deutlich abseits der Alpen
ist es windschwach. Sollte es zuvor dort aufklaren, können sich Nebelfelder
bilden.

Sonntag... folgt dem herausschwenkenden Trog ein weiterer, aber relativ breiter
Kurzwellentrog, so dass die südwestliche Strömung bestehen bleibt. Insgesamt
gesehen flattert diese Strömung leicht, die hochfrequenten Strukturen sind im
Nordwesten und Norden Deutschlands am ausgeprägtesten. Auch an der
Beschaffenheit der Luftmasse ändert sich nicht allzu viel. Die Kaltfront
arbeitet sich daher schleifend über die mittleren Regionen Deutschlands hinweg
bis in den Süden vor. In deren Bereich sind weitere schauerartige Niederschläge
zu erwarten. Aufgrund der leicht labilen Schichtung im Frontbereich muss an
deren warmen Rand mit weiteren Gewittern gerechnet werden, die auch in den
Niederschlag eingelagert sein können. In Verbindung mit diesen Gewittern sind
erneut teils schwere Sturmböen vorstellbar. Die Scherung ist gegenüber der
vorherigen Nacht unverändert hoch, so dass von organisierteren Strukturen
hochreichender Konvektion auszugehen ist. Aufgrund der kompakten Bewölkung wird
nur wenig CAPE generiert. Die Lage des frontalen Niederschlagsbandes variiert
leicht und erstreckt sich vom Schwarzwald (nach ICON und UK10 von der Pfalz) bis
nach Südthüringen und Oberfranken.
Präfrontal, d.h. im Süden und vor allem im Südosten Deutschlands, ist die
Schichtung labiler. Dank Sonneneinstrahlung wird dort etwas CAPE generiert, das
aber gedeckelt ist. Bedingt durch leichten Föhn erfolgt von den Alpen her eine
Austrocknung der Luftmasse, so dass sich ein Hebungskondensationsniveau zwischen
1500 und 2500 m Höhe ergibt. Zudem ist in diesen Gebieten kaum Hebung erkennbar,
so dass Gewitter eher unwahrscheinlich sind.
Als weitere Region sind der Westen und Norden sowie Teile der Mitte zu
betrachten, was den postfrontalen Bereich darstellt. Hebung ist dort am
ausgeprägtesten, genauso auch Scherung, die vor allem bis in die mittlere
Troposphäre in diesen Gebieten am größten ist. Labilität ist ohnehin vorhanden.
Daher können sich in diesen Gebieten wiederholt kurze Gewitter entwickeln, die
mit Böen bis Sturmstärke einhergehen.
Aber auch abseits von Schauern oder Gewittern frischt der Wind im tagsüber
erneut auf. Bis ins nördliche Binnenland hinein, an der Ostseeküste sowie in den
Leegebieten der Mittelgebirge sind Windböen Bft 7, an und über der Nordsee, in
den Hochlagen der westlichen, zentralen und nördlichen Mittelgebirge sowie auf
Alpengipfeln Sturmböen Bft 8/9 und auf exponierten Gipfeln (Brocken) schwere
Sturmböen Bft 10 zu erwarten.
Mit Tageshöchsttemperaturen zwischen 13 und 18 Grad bleibt es mild. Ein echter
Luftmassenwechsel kommt durch die Kaltfront nicht zustande.

In der Nacht zum Montag stößt ein etwas kräftigerer Kurzwellentrog in die
Biskaya vor. Stromabwärts, d.h. über Mitteleuropa, wird die etwas aufsteilende
Strömung leicht antizyklonal, für einen Höhenrücken reicht es nicht. Dies lässt
die Kaltfront etwa über der Mitte Deutschlands rückläufig werden. Nach wie vor
können, wenn auch mit geringer werdender Wahrscheinlichkeit, am warmen Rand des
frontalen Niederschlagsbandes einzelne Gewitter auftreten. Am Charakter der
beteiligten Luftmasse ändert sich nur wenig. Da jedoch der Oberwind schwächer
wird, sollten in Verbindung mit diesen Gewittern kaum noch stürmische Böen
auftreten.
Die labilste Luft hält sich nach wie vor über dem Nordwesten und ganz im Norden,
so dass zumindest in der ersten Nachthälfte die Gewittertätigkeit in Nordseenähe
noch nicht so recht abklingen dürfte. Danach lässt aufgrund etwas sich
verstärkender Antizyklonalität die Hebung nach.
Der Wind wird schwächer, warnrelevante Böen sind dann auf exponierte Gipfellagen
der Mittelgebirge und der Alpen (dort Sturmböen Bft 8/9) und auf einige
Küstenabschnitte (mit Wind- und stürmischen Böen Bft 7/8) beschränkt.

Modellvergleich und -einschätzung
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Bis einschließlich Sonntag stützen die verfügbaren Modelle die oben beschriebene
Entwicklung. Anhand der synoptischen Basisfelder lassen sich keine
prognoserelevanten Unterschiede ableiten.
In der Nacht zum Montag simuliert UK10 einen scharfen Höhen- und Bodentrog, der
gegen Mitternacht den Westen Deutschlands erfasst und bis Montagfrüh zu den
dänischen Inseln schwenkt, wo eine markante Zyklogenese mit Entwicklung eines
kleinräumigen Sturmtiefs mit einem Kerndruck bis unter 985 hPa erwartet wird.
Neben schweren Sturm- und an der ostholsteinischen Küste orkanartigen Böen
dürfte diese Entwicklung mit Starkregen und einer Intensivierung der
Gewittertätigkeit einhergehen. Auch wenn dieses Szenario von UK10
Alleinstellungsmerkmal aufweist, so ist doch diese Entwicklung weiterhin zu
monitoren.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann