DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

20-10-2023 08:01
SXEU31 DWAV 200800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 20.10.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Übergang zu TB (Tennis Borussia; nee, Quatsch, Tief Britische Inseln)

Heute an den nationalen Rändern Bambule, dazwischen viel Leerlauf - schwerer
Oststurm an der Küste, Föhnsturm in den Alpen. Höhepunkt jeweils am
Nachmittag/frühen Abend. Am Wochenende Beruhigung, zunächst aber noch
wechselhaft.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... läuft sowohl die schwere Sturmlage an den Küsten als auch der
Föhnsturm in den Alpen auf seinen Höhepunkt zu. Die Protagonisten dieses
Szenarios sind schnell gefunden. In der Höhe ein veritabler Trog über West- und
Südwesteuropa, auf dessen diffluenter Vorderseite kurzwellige Anteile über den
Vorhersageraum hinwegziehen. Ihm gegenüber steht eine abgeschlossene
Höhenantizyklone über dem Europäischen Nordmeer, die das kräftige Hoch WIBKE
über dem nordskandinavischen Festland stützt. In der Nacht konnte eine
geschlossene 1030-hPa-Isobare analysiert werden, die im Tagesverlauf sehr
wahrscheinlich getilgt wird. Gleichwohl bleibt die gute WIBKE mit über 1025 hPa
kräftig aufgestellt, wobei sie ihre Position und damit ihre Blockadehaltung
nicht verändert. Komplettiert wird das illustre Quartett durch ein mehrkerniges
Tiefdrucksystem über Westeuropa unter der Ägide von WOLFGANG (int. Aline), in
dem aber auch noch etwas VIKTOR (int. Babet) steckt. Das System verfügt über ein
Frontensystem, das aus einer wellenden Kaltfront - heute Morgen über Frankreich
zu finden - und einer Warmfront besteht, die zonal über Norddeutschland
verläuft. Sie, also die Warmfront, mimt die Rolle einer scharfen, mit hoher
Baroklinität (T850 heute früh -2°C zwischen Niebüll und Putbus, um +5°C im
Hamburger Raum) ausgestatteten Luftmassengrenze, die arktische Polarluft in
Skandinavien (in der Nacht teils strenger Frost, im Süden Schneeschauer) von
feuchter Subtropikluft weiter südlich trennt (verbreitet zweistellige
Nachttemperaturen in der Mitte und im Süden Deutschlands). Ausgehend vom
Tiefdrucksystem erstreckt sich eine zonal exponierte Rinne ost-südostwärts über
den Vorhersageraum hinweg bis hinüber zur Ukraine. Soviel zur Ausgangslage,
kommen wir zur Entwicklung.

Aktuell (früher Morgen) fällt der Luftdruck landesweit, was zwei Konsequenzen
hat. Zum einen verlagert sich die Rinne, aktuell noch über Süddeutschland zu
finden, langsam gen Norden. Zum anderen wird mit Unterstützung des aktiven Föhns
über dem Alpenvorland ein kleines Leetief generiert, das am Nachmittag und Abend
zügig via Tschechien gen Polen zieht. Mit Verlagerung der Rinne breitet sich
auch die Warmluft nach Norden, so dass dort die Baroklinität abgebaut und die
Kaltluft nordwärts abgedrängt wird, was aber sehr langsam vonstattengeht. Die im
Wesentlichen WLA-getriggerten Regenfälle aus dem Süden und der Mitte verlagern
sich in den nächsten Stunden nach Norddeutschland, wo sie sich mit dem an die WF
gekoppelten, z.Zt. nur schwach aktiven Regenband vereinigen. Nach Westen und
Nordwesten hin können gebietsweise durchaus 5 bis 10, lokal um 15 l/m² innert 6
Stunden zusammenkommen. Erweitert man den Beobachtungsraum auf 12 Stunden, liegt
das Maximum über Norddeutschen Tiefebene mit 10 bis 20, lokal 25 l/m². ICON
setzt im Emsland und bei den Ostfriesen noch einen drauf mit rund 30 l/m², was
andere Modelle inkl. ICON-D2 (EPS) aber nicht so offensiv sehen.

Die zweite, größere Baustelle ist der Wind oder besser gesagt der Sturm. Der
beschäftigt heute, wie eingangs schon erwähnt, die äußeren Ränder der Nation,
während dazwischen strömungstechnisch ein großes Vakuum herrscht. Richten wir
den Blick zunächst in den Norden, wo heute Morgen direkt an der See sowie auf
den Inseln stürmische Böen oder Sturmböen 8-9 Bft, exponiert schwere Sturmböen
10 Bft beobachtet werden, während im küstennahen Binnenland meist steife,
vereinzelt stürmische Böen 7-8 Bft auf dem Registrierbogen stehen. Mit
Annäherung der Rinne von Süden bei gleichzeitig stoischer Blockadewirkung des
Hochs werden die Isobaren in den nächsten Stunden noch etwas stärker komprimiert
und der Ostwind legt noch etwa eine Windstärke drauf. Heißt, exponiert (bei
auflandigem Wind sowie auf See) sind dann orkanartige Böen 11 Bft zu erwarten
und auf Helgoland gibt´s vielleicht direkt einen "auf die Zwölf" (glatte
Orkanböe 12 Bft). Damit dauern die schwere Sturmflut an Teilen der Ostseeküste
und das chronische Niedrigwasser in küstennahen Nordseegewässer (die Wattwürmer
wird´s freuen, die Fährreedereien weniger) an. Der Höhepunkt der
Sturmentwicklung dürfte am Nachmittag/frühen Abend erfolgen, bevor es von Süden
her zu einer allmählichen Gradientaufweichung kommt (stärkerer Druckfall im
äußersten Norden als weiter südlich).

Bewegen wir uns rund 700 km weiter nach Süden, wo die Alpen beginnen, womit wir
beim Thema "Föhn" wären. Bedingt durch alpines Auspumpen und die Bildung des
Leetiefs vergrößert sich der Druckunterschied zwischen Nord und Süd noch um
wenige Hektopascal (Bozen-Innsbruck auf bis zu 12 hPa), was den Föhnsturm noch
etwas befeuert. Auf den Gipfeln muss dann mit Böen bis Orkanstärke 12 Bft
gerechnet werden, in anfälligen Tälern und Schneisen stehen Böen 7-8 Bft auf dem
Zettel. Am Nachmittag, wenn das Leetief verduftet und von westen her die
Kaltfront anmarschiert, bricht der Föhn von Westen her zusammen. Mit der
Druckanstiegswelle und der Drehung auf West frischt der Wind im Alpenvorland
kurzzeitig stark böig auf mit Spitzen 7-8 Bft. Im großen Rest des Landes spielt
der Wind zumindest warntechnisch keine bedeutsame Rolle, wenn man mal von
einigen exponierten Hochlagen absieht, die größtenteils unter
"Einzelfallentscheidung" abgehandelt werden können.

Bliebe am Ende nur noch zu erwähnen, dass die Chancen auf Sonnenschein heute
denkbar ungünstig stehen. Im Südosten Bayerns vielleicht ein paar föhnige
Auflockerungen, das sollte es dann aber auch schon gewesen sein. Immerhin reicht
das, um die Temperatur (T850 steigt föhnbedingt vorübergehend auf 18/19°C) dort
auf über 20°C hochzuprügeln und lokal ist sogar ein später Sommertag mit 25°C
nicht ganz ausgeschlossen. Mild gestaltet sich der Tag auch im Rest
Süddeutschlands sowie von der Mitte bis in den Westen, wo die Höchstwerte
zwischen 12 und 18°C verortet sind. Nur im Norden und Nordosten, wo die
Morgentemperaturen z.T. den Tageshöchstwerten entsprechen, bleibt es vielfach
einstellig 9 bis knapp an die 10°C.

In der Nacht zum Samstag entspannt sich die Lage in den "Brennpunkten"
zunehmend. Der Föhn ist ohnehin schon Geschichte und auch der schwere Oststurm
an und auf der See schwächt sich zusehend ab bzw. verlagert seinen Schwerpunkt
nach Norden. Grund ist die Annäherung der Rinne und die damit einhergehende
Auffächerung des Gradienten. Am Morgen dürften nur noch im äußersten Norden die
letzten Böen 7-8 Bft aus Osten auftreten. Mit der Rinne bzw. der Passage eines
KW-Troges in der Höhe wird auch der Regen mehr und mehr nach Norden
rausgedrückt. Zwar können zwischen SH und Vorpommern noch mal 10 bis 20, lokal
vielleicht 25 l/m² binnen 12 h zusammenkommen, so dass am Ende über 24 h
gebietsweise 30 bis 40, lokal nahe 50 l/m² bilanziert werden dürften
(Dauerregenwarnung läuft). Bis zum Morgen wird es dann aber immer weniger mit
dem Regen, zumindest in Norddeutschland. Dafür zieht mit einem weiteren
Randtrog, welcher mit der süd-südwestlichen Höhenströmung nordwärts gesteuert
wird, neuer, schauerartig verstärkter Regen über den Westen hinweg, bei dem
gebietsweise durchaus 5 bis 10, lokal um 15 l/m² innerhalb weniger Stunden
zusammenkommen können.

Während der Wind im Norden also auf dem absteigenden Aste ist, zieht er aus Süd
bis Südwest im Westen und Südwesten sowie in der Mitte vornehmlich auf den Höhen
an. Grund ist der zunehmende Gradient auf der Süd-Südwestflanke der Rinne. In
höheren Lagen muss dann von Böen 7-8 Bft, exponiert 9 Bft, auf dem Feldberg im
Schwarzwald gar von 10er- oder 11er-Böen ausgegangen werden. Dass es in der sich
im ganzen Land ausbreitenden Atlantikluft (T850 bis zum Morgen 5 bis 10°C)
frostfrei bleibt, ja vielfach sogar zweistellige Tiefstwerte aufs Parkett
gezaubert werden, ist fast evident. Nicht unerwähnt bleiben soll ein mögliches
subskaliges Phänomen, das u.a. von Warn-MOS aufgegriffen wird. Sollte es in der
feucht-milden Luftmasse mal aufklaren bei gleichzeitiger Windschwäche, kann sich
recht zügig Nebel bilden. Favorisiert dafür sind die östliche Mitte und Teile
Ostdeutschlands.

Samstag... weitet sich der o.e. Höhentrog immer weiter bis zum westlichen
Mitteleuropa und somit auch zu uns aus. Er ist mittlerweile ein breiter Klotz,
dessen Hauptachse von Westgrönland via UK bis zum westlichen Mittelmeer reicht.
Damit hat das Potenzialsetup einen stark zyklonal gefärbten Anstrich, was aber
auch für das Bodendruckfeld gilt. Das steuernde Tief liegt mit Doppelkern über
UK, von wo aus sich noch immer eine Rinne etwa entlang der deutschen Nord- und
Ostseeküsten nach Osten erstreckt. Eingelagert ist eine Okklusion, während sich
die Kaltfront bereits deutlich östlich von uns befindet. Gemeinsam mit dem o.e.
Randtrog, der sich im Tagesverlauf aber aus dem Norden verabschiedet, erzeugt
die Okklusion im Norden und Nordwesten einige Schauer bzw. schauerartigen Regen.


Regnen tut es auch in Teilen Süddeutschlands, wo aus der Schweiz heraus ein
kleines mesoskaliges auf BaWü übergreift, um von dort nach Osten und somit in
den nachbarlichen Freistaat zu wandern. Die Genese ist nicht offensichtlich und
überfordert den Verfasser zugegebenermaßen am frühen Morgen etwas. Erkennbar ist
auf alle Fälle ein kleiner Randtrog in den unteren Troposphärenschichten (z.B.
auf 700 hPa) sowie eine leicht konfluente Struktur im bodennahen Strömungsfeld.
Egal, unter dem Strich sollen je nach Modell 1 bis 10, durch konvektive
Einlagerungen vielleicht sogar noch etwas mehr fallen. Apropos Konvektion, die
deutsche Modellkette ist gar so verwegen, am Abend in Ost-Südostbayern - quasi
vorderseitig des Mesoregens - einzelne Gewitter feilzubieten, was mit zwei
dicken Fragezeichen versehen werden sollte. Beim Blick auf die Prognosesoundings
braucht´s schon viel Fantasie, um daraus Gewitter abzuleiten.

Mehr Fakten bietet der Wind, der aus Südwesten kommend vor allem im Westen sowie
in den Hochlagen der Mitte anzieht. In den Höhenlagen stehen Böen 7 bis 8 Bft,
exponiert 9 Bft an. In tiefen Lagen dürften 6er-Böen in der Mehrheit sein, was
einzelne steife Böen 7 Bft aber nicht ausschließt, vor allem in freien Lagen
oder im Lee der Mittelgebirge. Sicher ist, dass wir am morgigen 8. Spieltag der
Fußballbundesliga nicht frieren werden. In der gut durchmischten erwärmten
maritimen Subpolarluft (T850 4 bis 9°C) steigt die 2m-Temperatur auf 13 bis
19°C, ganz oben im Norden um 12°C, in Sachsen und der Lausitz mit
Sonnenunterstützung gar auf 20°C oder etwas darüber.

In der Nacht zum Sonntag schwenkt von Westen her ein weiterer KW-Trog heran, der
es im Westen und Nordwesten etwas regnen lässt. Regen auch im Südosten Bayerns,
wo das Meso-Gebiet durchzieht. Ob auch Sachsen etwas Regen abbekommt - ausgehend
von einem flachen Tief über Tschechien - ist noch nicht sicher. Zwischen den
Niederschlagsarealen lockert die Wolkendecke teilweise auf, was das eine oder
andere Nebelfeld auf den Plan ruft. Nach Westen bleibt der südliche Wind noch
längere Zeit flott unterwegs, auch auf und an der Nordsee frischt es wieder auf.
Tiefstwerte: 12 bis 6°C.

Sonntag... steigen Luftdruck und Geopotenzial von Südosten her an, was das Setup
bei uns deutlich antizyklonaler werden lässt. Profitieren tun vor allem der
Süden und Osten des Landes, wo sich trotz Wolken zeitweise die Sonne blicken
lässt. Der Norden und Westen hingegen stehen zunächst noch unter der
Regentschaft des o.e. Höhentrogs, der in seinem Ostteil nun aber mehr und mehr
zugeschüttet wird. Trotzdem reicht es in der Peripherie des zu den Hebriden
ziehenden Bodentiefs zu vielen Wolken und gelegentlichen leichten Regen bzw.
Nieselregen. Wind ist nur an der Nordsee und in Hochlagen, vielleicht noch im
Bereich der westlichen Ostsee ein Thema mit Böen 6-7 Bft, auf exponierten Kämmen
und Kuppen 8 Bft. Mit 12 bis 18°C bleibt es mild.

In der Nacht zum Montag weiterer Druckanstieg und allmähliche Aufwölbung eines
Rückens. Vor allem im Süden und in der Mitte viel Nebel. Sonst viele Wolken,
aber nur wenig Regen. 10 bis 4°C, im Süden bis 2°C mit lokaler Bodenfrostgefahr.


Modellvergleich und -einschätzung
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Es ist alles gesagt. Die Modelle befinden sich erfreulicherweise im
Konsensmodus.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann