DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

18-10-2023 09:30
SXEU31 DWAV 180800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 18.10.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Wahrscheinlich passt am besten: Südost zyklonal (SEz)

Unbeständig mit wiederholten Regenfällen, vor allem im Westen und Norden recht
ergiebig. Im Norden zunehmender Oststurm mit Gefahr orkanartiger Böen am
Freitag. In den Alpen dann Föhnsturm.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Am heutigen Mittwoch... bestimmt ein Höhenrücken, der sich von Italien über
Deutschland hinweg bis zum Nordmeer aufwölbt, unser Wettergeschehen. Dieser wird
flankiert von zwei Langwellentrögen über dem Osten Europas und dem nahen
Atlantik. In Bodennähe wird durch den Rücken ein Hoch über Skandinavien
gestützt, an dessen Ostflanke weiterhin kalte Luft in den Nordosten und Osten
Europas gelangt. Gleichzeitig befindet sich ein Tiefdruckkomplex mit mehreren
Kernen über dem Westen Europas und dem nahen Atlantik. Dessen stärkster Kern,
Tief Viktor (international: Babet), zieht heute von der Biskaya über die
Bretagne nach Südengland. Auf dessen Vorderseite gelangt sehr milde Luft in den
Westen Europas.

Für Deutschland hat diese Konstellation östlichen bis südöstlichen Wind zur
Folge, wobei der Gradient und damit die Windstärke allmählich zunimmt, da von
Westen der Druck fällt, das Hoch aber nicht so schnell weicht. Während die Nacht
noch in Teilen gering bewölkt oder klar verlief, macht sich heute tagsüber
zunehmend die Warmluftadvektion auf der Vorderseite des Tiefs Viktor mit
mittelhohen Wolken bemerkbar, die die gesamte Südwesthälfte überziehen. Im
weiteren Tagesverlauf breitet sich dann auch im Südwesten gebietsweise leichter
Regen aus, der in etwa bis zu einer Linie östlicher Alpenrand - Eifel
vorankommt. Im übrigen Land ziehen bisweilen zwar auch viele hohe Wolkenfelder
über den Himmel, die Sonnenanteile sind aber noch hoch.

Wie schon erwähnt, nimmt der Wind im Tagesverlauf zu und weht dann vor allem in
der gesamten Nordwesthälfte mäßig. Über höheren Bergen kommt es dabei zunehmend
zu einzelnen steifen bis stürmischen Böen. Vor allem legt der Wind aber über der
Nordsee zu, wo auch der Gradient am stärksten ist. Über der offenen Nordsee (und
auch Helgoland) gibt es dann zunehmend Sturmböen aus Südost. Die deutschen
Küstengebiete haben nur mit ablandigem Wind zu tun, wodurch meist in Böen nur
Stärke 7 erreicht wird, vielleicht an ein paar exponierten Punkten auch Stärke
8.

Die Temperatur erreicht meist Höchstwerte zwischen 10 und 16°C mit den höchsten
Werten am Niederrhein.

In der Nacht zum Donnerstag zieht Tief Viktor über England nordwärts, schwächt
sich aber ab. Ein neuer Tiefkern südwestlich Irlands vertieft sich dagegen und
übernimmt zunehmend die Steuerung. Die erste Warmfront des Tiefkomplexes wird in
der Nacht nordostwärts gesteuert. Damit kommen teils mäßige Regenfälle bis zum
Morgen in etwa zur Elbe voran. Nur das Alpenvorland bleibt weitgehend
ausgenommen. Dort wird es zunehmend föhnig. Insgesamt sollen vielerorts 5 bis 10
l/qm Regen fallen, im Nordwesten und im westlichen Bergland teils auch 10 bis 20
l/qm. Insbesondere Arome wartet in Ostwestfalen/Weserbergland sogar mit noch
höheren Summen auf. Eine Warnung erscheint aber nicht gerechtfertigt.

Ganz im Nordosten Deutschlands ist es durchaus noch länger klar, später wird
aber auch dort die mittelhohe Bewölkung dichter, ebenso wie auch in den
regenfreien Gebieten im Süden. Von Südwesten lassen die Regenfälle in der
zweiten Nachthälfte nach, zu Auflockerungen kommt es aber kaum. Dort, hinter der
Kaltfront dreht der Wind vor allem ganz im Westen von Südost auf Süd. Insgesamt
bleibt der bodennahe Gradient im Süden weiter schwach, im Norden verschärft er
sich dagegen weiter. Während über der offenen Nordsee der Ostsüdostwind jetzt in
Böen schwere Sturmstärke erreicht (was auch Helgoland abbekommt), gibt es über
der Ostsee zunehmend stürmische Böen oder Sturmböen, die dort auch an den
entsprechend ostexponierten Küstenabschnitten auftreten. Auch an den Küsten der
Nordsee gibt es stürmische Böen bis Sturmböen. Zudem könnte es in der Nacht auch
im Binnenland Schleswig-Holsteins einzelne steife oder sogar stürmische Böen
geben.

Die Temperaturen gehen in der kommenden Nacht bei Weitem nicht mehr so weit
zurück wie in der vergangenen Nacht. In der kühlen Luftmasse im Osten kann es
bei teilweise noch recht gering bewölktem Himmel immerhin teils auf 5 bis 2°C
runtergehen, weiteres Absinken verhindert dort trotz der kühlen Luftmasse der
Wind. Ansonsten werden die Tiefstwerte eher zwischen 12 und 5°C erwartet, mit
den höchsten Werten im Westen. Im Süden, wo der Wind schwach ist und der Regen
nicht hinkommt bzw. in der zweiten Nachthälfte abgezogen ist, sind eventuell
auch ein paar Nebelfelder drin.

Am Donnerstag... bleibt über Deutschland weiterhin der Höhenrücken bestehen, von
ihm trennt sich aber immer mehr ein Höhenhoch über dem Nordmeer ab, das
weiterhin das Skandinavienhoch stützt. Gleichzeitig dehnt sich der Trog über
Westeuropa weiter nach Süden aus. Für uns interessant ist vor allem ein
Kurzwellentrog, der am Spätnachmittag von Frankreich her Richtung
Südwestdeutschland zieht. Zunächst kommen wir aber zu den Regenfällen an der
Warmfront, deren Progression sich im Tagesverlauf immer mehr verlangsamt, bevor
sie am Nachmittag auf einer Linie Schleswig-Holstein-Mecklenburg-Vorpommern zum
Stillstand kommen, weil das Hoch das weitere Vorankommen blockiert. Auf der
Vorderseite der Warmfront wird weiterhin mit straffem Ostwind recht kalte Luft
herangeweht, die in 850 hPa nur 0°C aufweist. Dagegen breitet sich im übrigen
Land die milde Luftmasse aus, die in den meisten Regionen in 850 hPa etwa 8 bis
12°C warm ist. Am Alpenrand treibt der Föhn die Temperatur sogar auf 16°C.

Die Regenfälle an der Warmfront schwächen sich zwar ab, allerdings kommen
aufgrund der langsamen Verlagerung ganz im Norden und Nordwesten durchaus
weitere 5 bis 10 l/qm zusammen. Insbesondere rund um die Nordsee können es auch
regional wieder 10 bis 20 l/qm sein. Doch auch im Warmsektor kommt es in der
feuchtmilden Luftmasse zu weiteren Regenfällen, allerdings meist nicht allzu
stark und nicht flächendeckend. Im Südwesten ist die Luftmasse auch labil und
sehr feucht, so dass mit dem herannahenden Trog schauerartige Regenfälle und
auch einzelne Gewitter ausgelöst werden können. Die Modelle reagieren darauf
recht übereinstimmend mit recht hohen Niederschlagssummen, deren Schwerpunkt
aber noch über Frankreich verbleiben soll. Auch ICON-D2-EPS zeigt dort recht
hohe Wahrscheinlichkeiten für mehr als 20 l/qm in 6 Stunden. Über Deutschland,
also am Oberrhein, im Schwarzwald und im südlichen Rheinland-Pfalz erscheinen
eher 5 bis 10 l/qm als wahrscheinlich.
Kommen wir zum Wind: Dieser weht im Norden, auf der Vorderseite der Warmfront,
immer noch stramm um Ost. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Bodenwarmfront
selbst bei weitem nicht so weit nach Norden vorankommt wie die Regenfälle und
wahrscheinlich auf einer Linie Münsterland-Sächsische Schweiz hängen bleibt.
Während der Wind im Binnenland nur unangenehm böig weht, kommt es über Nord- und
Ostsee zu Sturmböen und schweren Sturmböen, auch an der Ostküste
Schleswig-Holsteins und auf Helgoland. Ansonsten reicht es bei meist ablandigem
Wind eher zu stürmischen Böen, maximal Sturmböen. Im Binnenland
Schleswig-Holsteins sind es meist steife bis stürmische Böen. Auch im höheren
Bergland ist es nicht viel mehr, dort nimmt der Wind im Warmsektor sogar eher
wieder etwas ab. Nur in den Alpen kann der Föhn zu Sturmböen auf den Gipfeln und
vielleicht einzelnen steifen Böen in Föhntälern sorgen.

Das Temperaturniveau ist zweigeteilt: Nördlich der Warmfront liegen die
Höchstwerte unter dichten Wolken und bei Regen vielfach nur bei 7 bis 13°C.
Deutlich milder ist es im übrigen Land, wo die Temperatur wieder auf 15 bis 20°C
ansteigt mit den höchsten Werten ganz im Westen und im Alpenvorland.

In der Nacht zum Freitag stößt der Langwellentrog westlich unseres Land weiter
nach Süden vor und ein kurzwelliger Anteil schwenkt von Westen her nach
Südfrankreich. Das hat mehrere Konsequenzen. Die Strömung steilt auf und der
Föhn verstärkt sich deutlich, der Druckunterschied zwischen Süd und Nord
erreicht über 8 hPa. Zudem bildet sich über Frankreich ein neuer Tiefdruckkern,
der zunehmend den tiefsten Kern des Systems bildet.

Bei uns ziehen die schauerartigen Regenfälle mit einzelnen Gewittern, die durch
den vorherigen Kurzwellentrog nordostwärts gesteuert werden, weiter über das
Land, gelangen aber in ein weniger labile Umgebung und schwächen sich ab. In der
zweiten Nachthälfte vereinigen sie sich schon mit den Regenfällen an der
Warmfront im Norden Deutschlands. Diese verstärken sich vor allem im Westteil
vorübergehend. In der zweiten Nachthälfte greifen dann von Frankreich mit
kräftiger WLA weitere Regenfälle auf den Südwesten über. Insgesamt fallen in der
Nacht zum Samstag im Westen und Norden wieder gebietsweise 5 bis 10 l/qm Regen,
im Nordwesten teils auch um 15 l/qm.

Nächstes Thema ist der Wind: Mit dem sich verstärkenden Föhn muss auf den
Alpengipfeln zunehmend mit schweren Sturmböen bis orkanartigen Böen gerechnet
werden, ggf. gibt es in den Föhntälern auch schon erste Sturmböen. Auch der
Gradient im Norden verschärft sich weiter. Auf den offenen Nordsee simuliert
ICON jetzt orkanartige Böen, an den Küsten muss weiterhin mit Sturmböen, ggf.
exponiert auch schweren Sturmböen gerechnet werden. Auch im nördlichen
Binnenland legt der Wind zu und greift mit steifen Böen aus Nordost bis Ost bis
ins nördliche Binnenland aus, in Schleswig-Holstein gibt es stürmische Böen.

Die Tiefstwerte liegen in der Nacht zwischen 13°C im Südwesten und 4°C im
Nordosten.

Am Freitag... weitet sich der Langwellentrog über die gesamte Iberische
Halbinsel und den westlichen Mittelmeerraum aus. Die Strömung dreht damit über
Deutschland auf Süd, knickt aber über dem Norden in östliche Richtung ab. Über
Frankreich entwickelt sich ein Höhentiefkern, so dass sich das kräftige und
hochreichende Zentraltief über Nordfrankreich einnistet. Dieses soll nach ICON
einen Kerndruck von 970 hPa aufweisen und lässt westlich des Rheins den Druck
auf unter 980 hPa fallen, so dass die heimischen Barometer auf "Regen" und
"Sturm" stehen, wenn sie denn richtig eingestellt sind. Im Westen ist in erster
Linie "Regen" ein Thema, denn mit kräftiger Warmluftadvektion bzw. einer neuen
Warmfront ziehen mäßige Regenfälle über den Westen Deutschlands. Später zieht im
Süden aus Westen die Kaltfront mit Regenfällen auf. In Summe treten gebietsweise
5 bis 10 l/qm Regen auf, im Nordwesten teilweise 10 bis 25 l/qm, so dass wir
insbesondere in NRW einer Dauerregenwarnung nahe sind.

Der Sturm ist unter anderem im Norden ein Thema: Mit dem weiteren Druckfall von
Südwesten her verschärft sich der Gradient noch mehr, so dass über der offenen
Ostsee nach ICON orkanartige Böen erwartet werden, über der offenen Nordsee
sogar Orkanböen. An einigen Küstenabschnitten könnten es schwere Sturmböen oder
orkanartige Böen werden. Ansonsten werden es im Norddeutschen Binnenland steife
bis stürmische Böen, in Schleswig-Holstein auch Sturmböen. Des Weiteren muss
über den Föhn gesprochen werden: Die kräftige Südanströmung lässt die
Druckdifferenz zwischen der Alpensüdseite und dem Norden in der Spitze auf über
10 hPa steigen, auf den höheren Bergen sind dann Orkanböen zu erwarten. In
einigen Föhntälern kann es Sturmböen geben, in Mittenwald sollte auch eine
schwere Sturmbö nicht überraschen. Derzeit bietet MOS immerhin schon eine Bft 9.
Am Nachmittag soll dann von Westen mit der Kaltfront der Föhn zusammenbrechen,
dann könnte eine Druckanstiegswelle am Alpenrand von West nach Ost durchziehen,
an der es auch zu Sturmböen kommen kann. Ansonsten kann es auch in den höheren
Lagen der Mittelgebirge einzelne stürmische Böen oder Sturmböen geben.

Bei den Temperaturen bleibt es bei der Zweiteilung. Nördlich der immer noch
vorhandenen Luftmassengrenze werden die Höchstwerte wieder zwischen 6 und 10°C
erwartet. Dagegen sind es sonst vielfach zwischen 13 und 20°C. Auch wenn es das
MOS noch nicht zeigt, könnte der Föhn am Alpenrand auch noch für etwas höhere
Werte sorgen.

In der Nacht zum Samstag zieht das Bodentief von Nordfrankreich bis in die
Niederlande. Es soll sich allerdings etwas auffüllen auf etwa 975 hPa. Der
stärkste Gradient an der Nordflanke verschiebt sich damit etwas nach Norden, so
dass im gesamten deutschen Küstenbereich und im nördlichen Binnenland der
Ostwind im Verlauf der Nacht etwas abnimmt. Es bleibt aber stürmisch an den
Küsten und insbesondere rund um Sylt, die Flensburger Förde und Rügen kann es
bis zum Morgen noch schwere Sturmböen oder orkanartige Böen geben. An der
Südflanke des Tiefs lebt der Wind dagegen um Süd auf, so dass es im Westen
steife, im Bergland stürmische Böen geben kann. In den Kammlagen des
Schwarzwaldes gibt es zunehmend Sturm. Im übrigen Land spielt der Wind keine
große Rolle.

Ganz im Norden kommt es weiterhin zu den anhaltenden Regenfällen an der
Luftmassengrenze, bzw. nördlich davon. Diese werden von Süden her immer wieder
mit hineinziehenden Regengebieten "gefüttert", wobei sich die Luftmassengrenze
insgesamt etwas nach Norden verschiebt. Dabei werden im Norden Deutschlands
recht großflächig 10 bis 20 l/qm Regen erwartet, ggf. an den ostexponierten
Küstenabschnitten Schleswig-Holsteins noch mehr. Auch in den anderen
Landesteilen regnet es etwas. Auflockerungen gibt es nur wenige. Die Temperatur
geht auf 11°C im Südwesten und 4°C in Vorpommern zurück.

Modellvergleich und -einschätzung
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Im Großen und Ganzen simulieren die vorliegenden Modelle die Lage ähnlich.
Insbesondere bei den Niederschlagsprognosen sind die Übereinstimmungen recht
gut. Diese sorgen dennoch für etwas Schwierigkeiten, da wir bezüglich sämtlicher
Akkumulationszeiträume recht nahe an Warnschwellen geraten, diese aber wohl
nicht überschreiten. Am ehesten ist dies noch mehr als 48-stündig (bis
Samstagfrüh) der Fall, allerdings gibt es auch immer wieder lange Regenpausen,
so dass auch für den langfristigen Zeitraum eine Dauerregenwarnung nicht 100%ig
passend erscheint. In der Konferenz wurde erst mal vereinbart, noch nichts zu
machen und die Lage weiter zu beobachten.
Was den Wind angeht, ist die Lage noch etwas unsicherer, da auch die
Tiefposition am Freitag noch uneinheitlich simuliert wird. ICON hat dabei eine
der südlichsten Positionen. Nach anderen Modellen läge dann auch das stärkste
Windfeld weiter nördlich und die deutschen Küstenabschnitte wären weniger vom
Sturm betroffen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl.-Met. Peter Hartmann