DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

15-10-2023 08:01
SXEU31 DWAV 150800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 15.10.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Anfangs NWa (Nordwest antizyklonal), ab Dienstag Übergang zu SEa/z (Südost
antizyklonal bis zyklonal)

Heute Trogpassage mit Kaltluftkonvektion bis hin zu vereinzelten Gewittern,
dabei im Norden und Osten windig. Zu Wochenbeginn Hochdruckeinfluss (VERENA) mit
herbstlicher Grenzschichtproblematik.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 24 UTC
--------------------------------------------------------------
Sonntag... hat es sich im ganzen Land eine polare Luftmasse gemütlich gemacht,
die von Freitag auf Samstag bei uns eingeflossen ist und zu Wochenbeginn
weitestgehend zur Ruhe kommt. Bis es soweit ist, gilt es heute erst noch die
Passage eines sehr solide geschnittenen Höhentrogs zu akzeptieren, der im Norden
und Osten mit bis zu -33°C temperierter Höhenkaltluft auf 500 hPa gefüllt ist.
Berücksichtigt man, dass auf 850 hPa gleichzeitig nur -2°C auf der Anzeige
erscheint, braucht es keiner substanzieller arithmetischer und meteorologischer
Kenntnisse um zu erkennen, dass die Luftmasse ziemlich labil ist. Die
Absinkinversion, die sich gestern mühsam zwischen 700 und 650 hPa aufgebaut hat,
wird problemlos weggehoben, so dass sich ein z.T. über 500 hPa hochreichende
Labilitätsfläche aufbauen kann. Mit dem Aufbau von CAPE hapert es freilich, weil
die Luftmasse ziemlich trocken ist und der zur Verfügung stehende Wasserdampf
das Äquivalent von 10 mm PPW nur wenig überschreitet, wenn überhaupt. Am meisten
Wasserdampf steht noch über den küstennahen Gewässern zur Verfügung, weil dort
typisch für den Frühherbst das Oberflächenwasser noch recht hoch temperiert ist
und mit Hilfe diabatischer Transporte ausreichend Feuchte der Luft zugeführt
werden kann. Mit anderen Worten, neben zahlreichen Schauern, die von Nordwesten
über die Mitte hinweg bis in den Süden ausgreifen können, entwickeln sich im
Tagesverlauf zusätzlich einzelne, an der See etwas häufiger kurze Gewitter, die
mit Graupel und/oder stürmischen Böen oder Sturmböen 8-9 Bft einhergehen
(925-hPa-Winde im Küstenbereich bis zu 40 Kt). Diese Überentwicklungen
einigermaßen akzeptabel prognostisch abzuwarnen, dürfte nicht selten der
Quadratur des Kreises nahekommen, weil es sich um klassische Kaltluftgewitter,
teils auch nur um gewittrige Schauer der Marke "kaum gewarnt, war´s das auch
schon wieder" handelt. Fakt ist, und das zeigen eigentlich fast alle Modelle,
dass im nordostdeutschen Binnenland ein Niederschlagsminimum angeboten wird, das
offensichtlich der durch Überströmung der skandinavischen Gebirge zusätzlich
noch abgetrockneten Luftmasse geschuldet ist.

Womit wir beim Wind respektive der Strömung und somit auch der Druckverteilung
wären. Letztere ist relativ eindeutig mit dem inzwischen in Lappland
angekommenen Doppeltief "TINO/SIMON" (heute Mittag noch stolze 975 hPa oder
etwas weniger Kerndruck), dem eine starke VERENA (etwas über 1025 hPa), ihres
Zeichens Hochdruckgebiet mit Zentrum über Irland gegenübersteht. Solch veritable
Luftdruckgegensätze erzeugen natürlich ein gewisses Maß an Wind, der heute auch
bei uns, speziell im Norden und Osten zu spüren sein wird. Aus West bis Nordwest
kommend erreicht er in Böen Stärke 7 Bft, an den Küsten sowie auf dem Brocken
8-9 Bft. Bei ordentlicher Konvektion kann auch im Binnenland die eine oder
andere stürmische Böe nicht ausgeschlossen werden. Im Süden und Westen, wo der
verlängerte Arm von VERENA in Form eines Keils durchläuft, ist der Gradient
deutlich aufgeweichter und der Wind entsprechend zahmer, sprich, unterhalb der
Warnschwellen. Apropos Süden, zwar ist die Kaltfront, die uns gestern passiert
hat, im wahrsten Sinne des Wortes über alle Berge. Trotzdem halten sich noch
Feuchtereste, die für ein paar schwache Schauer, im Stau der Alpen auch für
zeitweiligen Niederschlag gut ist. Die Schneefallgrenze, in der Nacht lokal auf
1500 m, meist aber auf 1700 bis 1600 m gesunken, steigt tagsüber wieder etwas
an, verbleibt aber unterhalb 2000 m. Viel Schnee fällt nicht, so dass auf eine
Verlängerung der Warnung verzichtet wird.

Ansonsten gilt es nur noch zu konstatieren, dass der Wolkencharakter insgesamt
ein wechselhafter ist, wobei die höchsten Sonnenanteile im Südwesten (Oberrhein,
Kraichgau, Pfalz, Saarland) vorgesehen sind. Nach z.T. kalter Nacht (vor allem
in der gering bewölkten oder klaren Mitte ging die Temperatur auf unter 5°C,
lokaler Bodenfrost inklusive, zurück) stehen tagsüber Maxima zwischen 9 und
13°C, am im Bergland teilweise nur um 7°C, am Oberrhein lokal bis zu 15°C auf
dem Zettel.

In der Nacht zum Montag setzt eine merkliche Wetterberuhigung ein. Nicht nur der
Tagesgang spielt dabei eine tragende Rolle. Auch die Tatsache, dass sich der
Trog ins östliche Mitteleuropa verabschiedet und nachfolgend Druck- und
Potenzialanstieg zu vermelden sind, zeigt Wirkung. Die Luftmasse stabilisiert
und das konvektive Geschehen geht weitgehend in die Knie. Lediglich im äußersten
Norden, insbesondere über See, wo weiterhin diabatische Prozesse wirksam sind
("warmes Wasser"), muss die ganze Nacht über mit Schauern gerechnet werden. Die
Küste sowie die vorgelagerten Inseln sind auch die wenigen Regionen, wo der
West-Nordwestwind noch spürbar unterwegs ist mit Böen 7-8 Bft, später eher 6 bis
7 Bft. Im Binnenland sorgen die Aufweichung des Gradienten sowie die Abkopplung
der Grundschicht für eine merkliche Windabnahme.

Während die Warnkarte auf der einen Seite also reichlich an Farbe verliert
(Wind), gewinnt sie auf anderer Seite dazu. Abnehmende Bewölkung bzw. Aufklaren
sorgen von der Mitte bis in den Süden für eine mehr als solide Abkühlungsrate,
der zur Folge die Lufttemperatur verbreitet auf 0 bis -4°C, am Boden
stellenweise sogar bis -6 oder -7°C zurückgeht. Kurzum, heute Mittag ist eine
Frostwarnung für die genannten Gebiete fällig. Darüber hinaus kann sich
ebenfalls zwischen Mitte und Süddeutschland Nebel bilden. Im Norden und Osten
bleibt es frostfrei, weil entweder zu viele Wolken am Start sind oder der Wind
trotz Abschwächung trotzdem noch zu stark ist oder beides.

Montag... gelangt Deutschland trogrückseitig unter eine indifferente
west-nordwestliche Höhenströmung mit leicht antizyklonalem Touch. Ein wirklicher
Rücken will sich zunächst aber nicht aufbauen, weil es an der erforderlichen WLA
fehlt. Dass die Woche nichtsdestotrotz unter Hochdruckeinfluss startet,
verdanken wir der schlanken VERENA, die sich als langgestreckte Antizyklone
mitten und diagonal über den Vorhersageraum legt. Ausgehend vom Seegebiet
westlich Irlands erstreckt sich das Hoch bis hinunter zur Türkei. Schaut man
sich die Windverteilung von ICON und ICON-D2 für den 12-UTC-Termin an, so
verläuft die Divergenzachse etwa vom Niederrhein bis hinüber nach Niederbayern.
Nord-nordöstlich davon stehen westliche, süd-südwestlich östliche Winde auf der
Karte, beide unterhalb jedweder Warnschwellen.

Wie so oft bei vergleichbaren Konstellationen sorgen die westlichen Winde für
eine gewisse Feuchtezufuhr von der Nordsee her, die sich recht weit nach
Südosten auswirken kann. Die Folge ist ein mehr oder weniger stark bewölkter
Himmel unter einer sich erneut bei rund 700 hPa etablierenden Absinkinversion.
Die meisten sonnigen Abschnitte dürfte die Ostseeküste abbekommen, während es
sonst im Norden hier und da sogar mal etwas regnen oder nieseln kann. Ganz
anders die Situation südlich der Divergenzachse, wo die Luft mit Ausnahme der im
Herbst chronisch feuchteren Grundschicht knochentrocken ist. Entsprechend
scheint nach z.T. etwas schleppender Auflösung von Nebel oder Hochnebel die
Sonne von einem allenfalls locker bewölkten Himmel (Cu hum). Thermisch bleiben
wir in ähnliche Range wie heute, heißt 9 bis 15°C, im Bergland etwas weniger.

In der Nacht zum Dienstag ändert das Hochdruckgebiet seine Lage nur wenig. Dafür
schwenkt von der Nordsee und Benelux her ein schwach ausgeprägter Höhentrog zu
uns rein, der den Isohypsen nunmehr einen zyklonalen Anstrich verleiht. Das
führt dazu, dass gerade in der Mitte und Süden leichte WLA generiert wird, durch
die hohe und mittelhohe Wolkenfelder den Weg zu uns finden. Wie viele Wolken
tatsächlich auftreten und wie dicht diese schlussendlich ausfallen, kann heute
noch nicht abschließend beantwortet werden. Entsprechend unsicher fällt auch die
Temperaturprognose aus. Es deutet sich aber an, dass gerade in der westlichen
Mitte uns im Südwesten die Frostgefahr gegenüber der Vornacht abnimmt. Dafür
könnte es im ost- und nordostdeutschen Binnenland für lokal Minusgrade reichen.
Ganz im Norden reicht es dafür definitiv nicht, da immer wieder (tiefe) Wolken
durchziehen, aus denen an der Nordsee ein paar Tropfen fallen können. Dort, wo
es längere Zeit klar oder nur sehr gering bewölkt bleibt, kann sich gebietsweise
Nebel oder Hochnebel bilden.

Dienstag... beginnt die gute VERENA zu schwächeln. Zwar ist sie zur Mittagszeit
noch als schmaler, von der Grönlandsee über die Nordsee bis zum schwarzen Meer
reichender Hochdruckschlauch zu erkennen. Der Luftdruck fällt bei uns aber auf
unter 1020 hPa, was u.a. der Annäherung eines Tiefs von Südwesten her geschuldet
ist. Zwar erreicht das Tief im Tagesverlauf gerade mal den Westrand der Biskaya,
was aber ausreicht, dem äußersten Süden und Südwesten eine Portion zunehmend
dichter Wolken zu servieren. Ob es daraus - wie vom inzwischen veralteten
12-UTC-Lauf von IFS simuliert (der neue Lauf von 00 UTC ist auch "raus") -
zwischen Basel und Kempten sogar etwas regnet, ist mehr als fraglich. Die
meisten Modelle setzen auf "trocken".

Ansonsten schlägt sich VERENA trotz physischer Einbußen leidlich wacker, was
auch der Tatsache zu verdanken ist, dass nun von Westen her ein ausgeprägter
Rücken auf Deutschland zusteuert. Vorderseitige NVA generiert Absinken, wodurch
die Inversion weiter nach unten gedrückt und die Grundschicht entsprechend
gestaucht wird. Unter dem Strich bedeutet das Sonnenschein und nur lockere
Wolken, teils aber auch hartnäckige Nebel- oder Hochnebelfelder. Nach wie vor
wolkig präsentiert sich das Nordseeumfeld, wo auch ein paar Tropfen fallen
können. Zwar steigt die 850-hPa-Temperatur vor allem im Süden und Südwesten
deutlich an (am Abend 6 bis 10°C, während es im Nordosten noch um -1°C sind),
allerdings funktioniert die Kopplung zwischen freier Atmosphäre und Grenzschicht
nicht mehr so wie im Sommer, vor allem wenn es an Wind mangelt. Von daher bleibt
alles beim alten, sprich je nach Bewölkung, Nebelauflösung und Höhenlage stehen
7 bis 15°C auf der Karte.

In der Nacht zum Mittwoch nimmt der Einfluss des "Biskayatiefs" zu. Der
Luftdruck fällt weiter und die Divergenzachse des immer schmaler werdenden
Hochdruckschlauchs wird mehr und mehr in den äußersten Nordosten der Republik
verschoben. Von Benelux, Frankreich und der Schweiz verstärkt sich die WLA, was
zusehends mehrschichtige Bewölkung in den Südwesten und Westen bringt, aus der
gegen Morgen die ersten Tropfen fallen können (Oberrhein, Schwarzwald,
vielleicht Südpfalz).

Im großen Rest des Landes bleibt es noch trocken, selbst an den Küsten nimmt die
Schauerneigung ab. Dafür bildet sich gebietsweise Nebel oder Hochnebel. Im Osten
und Nordosten muss bei Aufklaren mit leichtem Luftfrost gerechnet werden.


Modellvergleich und -einschätzung
--------------------------------------------------------------
Die Modelle simulieren die großräumige Entwicklung sehr homogen. Die flächige
Windwarnung für heute deckt den oberen Rand der wahrscheinlichen Entwicklung ab.
In der Folge ergeben sich Diskrepanzen vornehmlich in Bezug auf Bewölkung bzw.
Nebel/Hochnebel, was natürlich auch Konsequenzen auf die Temperaturentwicklung
hat. Bei nächtlichen Frostwarnungen ist aufgrund des noch frühen Zeitpunktes im
Winterhalbjahr auf ein eher offensives Warnmanagement zu setzen, auch wenn das
eine etwas erhöhte FAR zur Folge hat.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann