DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

13-10-2023 17:01
SXEU31 DWAV 131800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 13.10.2023 um 18 UTC


SCHLAGZEILE:
Bis Samstagabend "knackige" Kaltfrontpassage mit markantem Luftmassenwechsel.
Dabei auch in den Niederungen vorübergehend stürmische Böen. Auf den Bergen und
an der See Sturmböen, auf exponierten Gipfeln schwere Sturm- bis Orkanböen
(Brocken).
Mit Frontpassage kurze Gewitter und vor allem abends/nachts auch Starkregen
möglich.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 06 UTC
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Aktuell ... reicht ein Langwellentrog vom Nordmeer bis zu den Britischen Inseln
und kommt im Laufe der kommenden Nacht allmählich ostwärts, Richtung
Skandinavien und Mitteleuropa voran. Unmittelbar trogvorderseitig gelegen,
befindet sich das Vorhersagegebiet an der Südflanke des von der Deutschen Bucht
bis Samstagfrüh über Südskandinavien zur mittleren Ostsee ausgreifenden
Jetsreams unterhalb einer kräftigen, aber recht glatten südwestlichen
Höhenströmung, wobei die Trogachse im Laufe der Nacht auf die Nordsee
übergreift.
Eingebettet in die Höhenströmung verlagert sich ein kurzwelliger Troganteil
aktuell bzw. in den kommenden Stunden rasch über die südliche Nordsee hinweg
nach Mittelschweden. Er korrespondiert mit einer Frontalwelle, die sich entlang
der Kaltfront des sich inzwischen über der Barentssee angelangten und sich
allmählich auffüllenden Tiefs "RALF" entwickelt hat. Inzwischen ist die
Frontalwelle unterhalb des linken Jetausgangs geraten, was ihr einen deutlichen
Entwicklungsschub verleiht. Als Randzyklone zum hochreichenden Zentraltief knapp
westlich von Kap Svinöy fungierend, hat sie sich inzwischen zu einem
abgeschlossenen Tiefdruckgebiet ("TINO" mit unter 985 hPa Kerndruck) in etwa im
Bereich des Oslo-Fjordes (18 UTC) entwickelt und zieht bis Samstagfrüh zum
Bottnischen Meerbusen, wo es zusammen mit dem Zentraltief ("SIMON"), das sich
dann in etwa über der Haltenbank befindet, als Dipol mit Kerndrücken von nahe
970 hPa zentralsteuernde Position übernimmt.
Während die Kaltfront der sich zum Randtief mausernden Frontalwelle über Benelux
und Nordwestdeutschland im thermischen Feld inzwischen nicht mehr zu finden ist,
spielt sich der Luftmassenwechsel erst mit Passage der Kaltfront des
Zentraltiefs ab, die aktuell auf die Deutsche Bucht übergreift. Präfrontal
gelangt im breit aufgespannten Warmsektor aktuell noch außergewöhnlich warme
Subtropikluft (T850 hPa zwischen 9 Grad im Nordwesten und 17 Grad im Süden) ins
Vorhersagegebiet, wobei es in Süddeutschland bei teilweise ungehinderter
Sonneneinstrahlung zahlreiche Dekaden- und auch einige Monatsrekorde gab.
Stark bewölkt bis bedeckt blieb es hingegen nahe der Frontalwelle im Nordwesten
und Norden, wobei die Temperatur auch dort - außer von Schleswig-Holstein bis
nach Nordostbrandenburg - verbreitet auf über 20 Grad stieg.
Die Vertiefung der Frontalwelle hat zu einer deutlichen Gradientverschärfung vor
allem im Warmsektor geführt. Somit gibt es im Norden und Westen sowie im Lee
einiger Mittegebirge trotz stabiler Schichtung recht verbreitet starke bis
steife, in höheren Lagen vereinzelt auch stürmische Böen aus Südwest, im
Nordseeumfeld verbreitet stürmische Böen, vereinzelt Sturmböen. Auf dem Brocken
reicht es inzwischen für schwere Sturmböen.
Bereits präfrontal haben am Nachmittag/Abend schauerartige Regenfälle von den
Niederlanden her auf den Westen und Norden des Landes übergegriffen. Zwar hält
sich die potenzielle Instabilität der Luftmasse sehr in Grenzen, es wird auch
kaum MU-Cape simuliert, dennoch ist die Luftmasse hochreichend feucht und mit
PPWs um bzw. teils über 30 mm ausgestattet. Hinzu kommt markante hochreichende
Scherung (teilweise über 30 m/s) und - da sich alles noch weit präfrontal
abspielt - zwar eine beeindruckende bodennahe Geschwindigkeits-, aber nur wenig
Richtungsscherung. Vor allem in den kommenden Stunden können die schauerartigen
Regenfälle von vereinzelten Gewittern begleitet werden, I-D2-EPS hat in der
ersten Nachthälfte im südwestlichen Niedersachsen 10 bis 30% Wahrscheinlichkeit
für Starkregen auf der Agenda, ebenso simuliert auch AROME gebietsweise 20 bis
35 l/qm in 6 Stunden.
Im Laufe der Nacht kommen die schauerartigen Regenfälle nach Südosten voran,
verlieren aber vor allem nach Mitternacht deutlich an Intensität und erreichen
morgens etwa eine Linie Südbaden-Oberfranken.
Die Hauptwetteraktivität spielt sich allerdings an der Kaltfront ab. Diese ist
nicht nur mit einem veritablen thermischen Gradienten ausgestattet (T850 hPa
sinkt mit Passage rasch von +8 auf etwa 2 Grad) sondern auch mit einem markanten
Windsprung. Beides verstärkt die frontale Hebung, was wiederum trotz nur
geringer MU-Cape die Wahrscheinlichkeit für Gewitter mit Frontpassage erhöht.
Die sehr günstigen Scherungsbedingungen ändern sich im Vergleich zu den
vorlaufenden Nieder5schlägen kaum, können sich vielleicht sogar noch etwas
verbessern, da mehr bodennahe Richtungsscherung generiert wird. Präfrontal dreht
der Wind zwar von Südwest wohl geringfügig zurück, dennoch bleibt die
frontparallele Komponente deutlich größer als die frontsenkrechte. Entsprechend
dürften sich die schauerartigen Regenfälle an der Front als leicht wellende
Linie (Line Echo Wave Pattern) organisieren, mit der relativ geringen
Verlagerungsgeschwindigkeit der Front kann es im Nordwesten erneut gebietsweise
Starkregen geben.
Warnrelevant bleibt aber der Wind, der unmittelbar vor Frontpassage deutlich
auffrischt. Dann gibt es auch in den Niederungen selbst nachts noch verbreitet
steife bis stürmische Böen, bei kräftigeren Schauern/Gewittern eventuell auch
mal eine Sturmböe. Auf den Bergen gibt es dann verbreitet Sturmböen, exponiert
schwere Sturmböen, auf dem Brocken vorübergehend auch Orkanböen. Die Front
erreicht morgens in etwa eine Linie Pfalz-Frankfurt/Oder.
Postfrontal setzt mit Winddrehung auf Nordwest allerdings eine rasche und
deutliche Wetterberuhigung ein; der Wind flaut rasch ab, die Niederschläge
klingen ab und die Wolken lockern vorübergehend deutlich auf, ehe von der
Nordsee her wieder flache Quellwolken bzw. Stratocumulusbewölkung etwas
landeinwärts zieht. Für konvektive Niederschläge sind diese aber wohl nicht
hochreichend genug, lediglich über der Nordsee könnte es ausgangs der Nacht für
erste Schauer reichen.
Während der Wind im Binnenland postfrontal rasch abflaut, bleibt ganz im Norden
ein straffer Gradient erhalten, zumindest im küstennahen Binnenland weht
lebhafter West- bis Nordwestwind mit steifen, an den Küsten auch stürmischen
Böen, im Nordseeumfeld kann es exponiert Sturmböen geben.
Profrontal passiert im Süden und Südosten zunächst noch nicht allzu viel, außer,
dass der Wind vor allem auf den Bergen deutlich zulegt mit Sturm- und schweren
Sturmböen in den Gipfellagen ausgangs der Nacht.
Die Temperaturen sinken sowohl postfrontal im Binnenland Nordwestdeutschlands
als auch bei noch aufgelockerter Bewölkung präfrontal im Südosten auf unter 10
Grad, sonst bleibt es mit 17 bis 12 Grad sehr mild.

Samstag ... zieht unser Zentraltief "TINO" zum Bottnischen Meerbusen und
erreicht dort spätnachmittags/abends mit knapp unter 970 hPa den Höhepunkt
seiner Entwicklung. Die Kaltfront erreicht zu diesem Zeitpunkt die Alpen. Im
Vorfeld frischt der Wind vor allem im Erzgebirgsvorland (vormittags) sowie im
Alpenvorland aufgrund des Leitplankeneffektes noch einmal deutlich auf mit
steifen, vereinzelt stürmischen Böen aus Südwest. In den Gipfellagen gibt es
Sturm- und schwere Sturmböen. Mit Frontpassage gibt es nach wie vor
schauerartige Regenfälle, vereinzelte Gewitter (dann auch mit stürmischen Böen
bzw. Sturmböen) nicht ausgeschlossen, an den Alpen kann am frühen Abend
gebietsweise auch Starkregen auftreten. Dort gehen die Niederschläge oberhalb
von etwa 1500 m am späten Abend in Schnee über, lassen dann aber allmählich
nach.
Postfrontal setzt sich dann auch in der Mitte und abends im Süden (außer an den
Alpen und im Vorland) eine rasche Wetterberuhigung durch. Die Wolken lockern auf
und neben lockeren flachen Quellwolken zeigt sich vor allem im Westen und Norden
auch länger die Sonne.
Der Wind flaut rasch ab und ist selbst in den Höhenlagen kaum mehr warnrelevant.
Im Bodenfeld schiebt sich ein Hochkeil nach Südwest- und Süddeutschland, wodurch
sich der Gradient aber über dem Norden und Osten Deutschlands verschärft. Somit
frischt dort der Wind im Tagesverlauf wieder auf. In der Norddeutschen Tiefebene
reicht es für steife Böen (Bft 7) aus West, an den Küsten und in
Schleswig-Holstein gibt es dagegen verbreitet stürmische Böen, an der
Nordseeküste Sturmböen - dort aus West bis Nordwest - und an Abschnitten mit
auflandigem Wind bzw. über der Deutschen Bucht zum Abend hin auch einzelne
schwere Sturmböen.
Die Trogachse erreicht gegen Abend in etwa die Deutsche Bucht und den äußersten
Westen Deutschlands. In 500 hPa sinkt die Temperatur dann über Norddeutschland
auf -27 bis -31 Grad bei -2 Grad in 850 hPa. Somit labilisiert die Luftmasse
dort im Laufe des Nachmittags und von den Küsten her können sich einzelne Regen-
und Graupelschauer noch etwas landeinwärts ausbreiten. Kurze Gewitter mit
Sturmböen sind dann ebenfalls nicht ausgeschlossen.
Bis zum Abend sinkt die 850 hPa-Temperatur auch im Südosten deutlich ab auf
unter 5 Grad. Präfrontal werden dort und vielleicht auch in Ostsachsen noch
einmal 19 bis 23 Grad erreicht, eventuell bereits am Vormittag. Ansonsten liegen
die Höchstwerte nur noch zwischen 13 und 19 Grad.

In der Nacht zum Sonntag kommt die Trogachse unter Amplifizierung allmählich
nach Mitteleuropa voran, ein eingebetteter Kurzwellentrog erreicht morgens die
Deutsche Bucht und die Niederlande.
Die Kaltfront überquert die Alpen, wobei es am Alpenrand bis in die zweite
Nachthälfte hinein noch Niederschläge geben kann. Die Schneefallgrenze sinkt bei
nur noch knapp über 0 Grad in 850 hPa auf knapp unter 1500 m, die Niederschläge
lassen dann aber rasch nach, so dass nennenswerte Neuschneemengen wohl lediglich
oberhalb von 2000 m fallen.
Mit dem Trog flutet die Höhenkaltluft weite Teile Norddeutschlands, die 500
hPa-Temperatur sinkt auf -26 Grad am Main und bis -33 Grad über der Deutschen
Bucht, die 850 hPa-Temperatur, da die Polarluft nun auf direkterem Wege über das
Nordmeer zu uns strömt, auf 0 bis -3 Grad. Mit der Höhenkaltluft weiten sich nun
einzelne Regen- und Graupelschauer vor allem in den Westen und Norden des Landes
aus, vereinzelte Schauer sind auch im Südwesten möglich, während es sonst im
Osten und Süden sowie in Teilen der Mitte trocken bleibt. Vor allem im
Nordseeumfeld sind (aufgrund zusätzlicher Labilisierung durch das relativ warme
Oberflächenwasser) auch kurze Gewitter zu erwarten.
Das Tief über dem Bottnischen Meerbusen zieht nur zögernd nordostwärts ab und
füllt sich etwas auf, gleichzeitig verstärkt sich aber auch der nach Südwest-
und Süddeutschland gerichtete Hochkeil. Somit bleibt im Norden und Nordosten ein
veritabler Gradient aufrecht. Mit dem Tagesgang schwächt sich der Wind im
Binnenland zwar etwas ab, an den Küsten bleibt es aber stürmisch mit stürmischen
Böen, anfangs Sturm-, im Nordseeumfeld auch schweren Sturmböen aus West bis
Nordwest. Im Binnenland reicht es wohl lediglich in Schauernähe für
warnrelevante Böen.
Die Nacht fällt allgemein deutlich kälter als die Vornächte aus. Vor allem vom
Westen bis in die Mitte sowie bis zur Donau südwärts ist es teils gering
bewölkt, so dass die Werte dort vielerorts auf unter 5 Grad sinken. In
ungünstigen Lagen gibt es Bodenfrost, in geschützten Mittelgebirgstälern
eventuell auch Luftfrost. An den Alpen sowie im Norden und Nordosten bleibt es
bei mehr Bewölkung und Wind noch etwas milder.


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Synoptische Entwicklung bis Montag 06 UTC

Sonntag ... hat sich gegenüber der Frühübersicht kaum etwas geändert. Der
kurzwellige Randtrog übernimmt den Part der Haupttrogachse und überquert das
Vorhersagegebiet bis zum späten Nachmittag bereits komplett südostwärts.
Dahinter stellt sich eine nordwestliche Höhenströmung ein, wobei bis zum Abend
ein flacher Höhenkeil den Westen Frankreichs und Großbritanniens erreicht.
Mit Trogpassage weitet sich die Höhenkaltluft über dem Osten Deutschlands nach
Südosten aus, vorübergehend sinken auch dort die 500 hPa-Temperaturen auf unter
-30 Grad, ehe von Südwesten her bereits eine deutliche Stabilisierung einsetzt.
Vor allem im Westen und Norden, in der Mitte sowie im Süden/Südosten entwickeln
sich im Tagesverlauf recht häufige, aber angesichts der trockenen Polarluft
(PPWs teils unter 10 mm) nur wenig ergiebige Regen- und Graupelschauer.
Vereinzelt kann auch mal ein kurzes Gewitter dabei sein. Wenige Schauer gibt es
dagegen ganz im Südwesten sowie in Teilen der Osthälfte, wo es mancherorts auch
komplett trocken bleibt.
Etwas ergiebiger fallen die Schauer wohl über den relativ warmen Küstengewässern
aus, vor allem entlang der Nordseeküste. Dort kommen aufsummiert wohl
gebietsweise mehr als 10 l/qm zusammen.
Mit der Trogachse schwenkt auch ein flacher Bodentrog über den Norden und Osten
Deutschlands hinweg, so dass der Wind nicht nur mit dem Tagesgang, sondern auch
aufgrund des sich vorübergehend etwas verschärfenden Gradienten auch im
Binnenland auffrischt. Vor allem in den Mittags- und Nachmittagsstunden gibt es
im Norden, Osten und Südosten recht verbreitet steife Böen aus West bis
Nordwest, an den Küsten stürmische Böen, vor allem an der Nordsee und entlang
der vorpommerschen Küste auch Sturmböen. In den Kamm- und Gipfellagen der Berge
und der Alpen gibt es ebenfalls Sturm-, auf exponierten Alpengipfeln schwere
Sturmböen. Zum Abend hin lässt der Wind aber wieder nach.
Bei weiterhin -3 bis 0 Grad in 850 hPa und gut durchmischter Luftmasse liegen
die Höchstwerte nur noch zwischen 10 und 15 Grad, im höheren Bergland bei 6 bis
9 Grad.

In der Nacht zum Montag schwenkt der flache Rücken ach Ostfrankreich und
Benelux, im Bodenfeld weitet sich eine Hochdruckzone von GB und Benelux bzw.
Nordfrankreich in den Süden und die Mitte Deutschlands aus. Der Gradient fächert
auch im Norden etwas auf, dennoch gibt es an den Küsten noch stürmische, später
steife Böen aus Nordwest.
Die Schauer klingen rasch ab und beschränken sich später lediglich auf die
Küstenregionen. Vor allem in der Mitte und im Süden klart der Himmel verbreitet
auf und die Temperaturen sinken zum ersten Mal in diesem Herbst vielerorts in
den leichten Frostbereich, in einigen Mittelgebirgs- und Alpentälern auch auf um
oder knapp unter -5 Grad. Im Norden und Osten bleibt es bei mehr Wolken und Wind
mit 7 bis 2 Grad etwas milder, an den Küsten teils um 10 Grad.


Modellvergleich und -einschätzung
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Anhand der Basisfelder lassen sich keine signifikanten Modellunterschiede
ausmachen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff