DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

11-10-2023 08:01
SXEU31 DWAV 110800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 11.10.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: West zyklonal (Wz)
Westlage mit im Süden sehr warmem und noch weitgehend störungsfreiem Wetter.
Ansonsten mild bis sehr mild, wiederholte Regenfälle, im Norden auch Starkregen,
und zeitweise windig, an den Küsten und auf den Bergen teils stürmisch.


Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Am heutigen Mittwoch... liegt Deutschland im Bereich einer westlichen
Höhenströmung. Dabei ist diese über dem Süden Deutschlands unter hohem
Geopotential gradientschwach. Ein Höhentief über dem Nordmeer mit bis nach
Südengland reichendem Trog sorgt dagegen im Norden für zunehmenden Gradienten
und ein Jetmaximum, das sich heute über die Nordsee verlagert. Die wenig
ausgeprägte Achse des Troges soll am Abend in etwa Dänemark erreichen. Das
Höhentief ist mit einem kräftigen Bodentief (namens Ralf, unter 970 hPa)
gekoppelt, dessen Kaltfront aktuell noch weit draußen über der Nordsee liegt,
welche aber langsam südwärts vorankommt und am Spätnachmittag den Norden
Deutschlands erreicht. Der größte Teil Deutschlands befindet sich heute noch im
Einflussbereich eines ausgedehnten Süd- und Südosteuropäischen Hochs in einer
warmen Luftmasse (T850 um 14°C). Diese ist vom Süden bis zur Mitte auch
durchwegs trocken, so dass dort abgesehen von ein paar Schleierwolken, die im
Tagesverlauf südwärts bis zum Main vordringen, strahlender Sonnenschein
herrscht.

Im Norden Deutschlands zieht dagegen im Tagesverlauf immer dichter werdende
Bewölkung auf und ab dem Mittag greifen von Norden und Nordwesten her
schauerartige Regenfälle auf Deutschland über, die aber nur langsam südwärts
vorankommen, maximal bis ins südliche Vorpommern und ins Emsland. Diese
Regenfälle weisen zudem konvektive Verstärkungen auf, so dass dort durchaus mal
über 10 l/qm in einer Stunde oder 20 bis 30 l/qm in wenigen Stunden
zusammenkommen können und damit bezüglich Starkregenwarnungen ein wachsames Auge
ratsam ist. Dies zeigen z.B. ICON und ICON-D2, auch das ICON-D2-EPS liefert
entsprechende Starkregenwahrscheinlichkeiten. Auch SuperHD bietet Signale im
westlichen Niedersachsen. Insbesondere mit den konvektiven Verstärkungen sind
auch vermehrt steife, vereinzelt auch stürmische Böen zu erwarten, die aber in
der ausgegebenen Windwarnung bereits inkludiert sind. Die
Gewitterwahrscheinlichkeit ist dabei aber relativ gering.

Der Druckgradient nimmt im Tagesverlauf im Norden Deutschlands im Vorfeld der
Kaltfront etwas zu, so dass es um die Nordsee und in Schleswig-Holstein
zunehmend zu stürmischen Böen, in exponierten Lagen auch zu Sturmböen aus
Südwest kommt. Weiter nach Süden hin im nördlichen Niedersachsen und in
Mecklenburg-Vorpommern reicht es immerhin für steife Böen (alles schon bewarnt).
Im übrigen Land frischt der Südwestwind ebenso etwas auf, verbleibt aber meist
im mäßigen Bereich und erfordert abgesehen vom Bergland keine Warnungen.
Allerdings gelangt der Norden Deutschlands unter ein Sturmfeld in der Höhe, so
dass in 850 hPa dort vielfach 80 bis 100 km/h Mittelwind erreicht werden. Dieses
Sturmfeld touchiert auch den Brocken, was dort zu schweren Sturmböen und
einzelnen orkanartigen Böen aus Südwest bis West führt.

In der warmen Luftmasse und mit dem auffrischenden Wind steigen die bodennahen
Temperaturen vom Süden bis in die Mitte Deutschlands auf sommerliche Werte mit
Tagesspitzen meist zwischen 24 und 28°C mit den höchsten Werten am Oberrhein. Im
Norden werden es meist 20 bis 24°C, ganz im Norden, wo die Wolken schon sehr
früh aufziehen und die Luftmasse von Anfang an weniger warm ist, werden es nur
um 18°C.

In der Nacht zum Donnerstag schwenkt die Achse des Troges über den Norden
Deutschlands hinweg bis ins westliche Polen. Bei dem Bodentief Ralf hat sich
tagsüber schob ein Ableger namens Ralf II über dem Bottnischen Meerbusen
gebildet, der in den Nachtstunden die Regie übernimmt und sich über Nordfinnland
sogar noch weiter vertieft. Die zugehörige Kaltfront kommt langsam südwärts
voran und sollte bis zum Morgen in etwa eine Linie Kleve-Frankfurt (Oder)
erreichen. An ihr kommt es weiterhin bisweilen zu markanten schauerartigen
Verstärkungen. Am stärksten davon betroffen (nach den deutschen Modellen und
Super HD) sollte die Nordhälfte Niedersachsens sein, aber es könnte auch
Hamburg, Westmecklenburg und der Süden Schleswig-Holstein betroffen sein (IFS,
Arome). Als vernünftige Größenordnung sollte man weiterhin 20 bis 30 l/qm in
wenigen Stunden annehmen können, was eine Starkregenwarnung erforderlich macht,
aber im Vorfeld kaum abgewarnt werden kann, so dass auch in der Nacht
Nowcastingarbeit ansteht. Immerhin sollte sich der Impact bei solcherlei
Starkregenereignissen in Grenzen halten.

Im übrigen Land bekommt man vom Regen noch nichts mit, die etwas dichtere
Bewölkung breitet sich bis zum Morgen bis südlich des Mains aus, ganz im Süden
kann man bis zum frühen Morgen durch die Schleierwolken hindurch noch die
schmale Mondsichel nebst Venus bestaunen. Auch ganz im Norden lockern die Wolken
rückseitig der Kaltfront auf.

Der Wind dreht im Norden rückseitig der Kaltfront auf West und schwächt sich ab,
so dass im Küstenbereich in westexponierten Lagen noch einzelne steife Böen
auftreten, im Binnenland nicht mehr. Im Vorfeld der Kaltfront und im Bereich der
schauerartigen Verstärkungen kann es bis in die erste Nachthälfte hinein noch
steife Böen aus Südwest geben, in der zweiten Nachthälfte sollte sich das dann
weitgehend erledigt haben. Auf dem Brocken kommt es weiterhin zu schweren
Sturmböen und einzelnen orkanartigen Böen, in der zweiten Nachthälfte aber
ebenso mit abnehmender Tendenz. Im Süden und in der Mitte weht der Wind schwach
um Südwest, schläft aber nicht ein, so dass die Nebelbildung auch in den klaren
Regionen des Südens auf einige wenige Senken beschränkt bleiben sollte.

Dort liegen die morgendlichen Tiefstwerte um 7°C, auch rückseitig der Kaltfront
geht es auf unter 10°C zurück. Unter den Wolken an der Südkante der Kaltfront
gibt es dagegen vom Niederrhein bis zur Lausitz teils Tiefstwerte um 15°C.

Am Donnerstag... schwenkt der Trog weiter ostwärts über das östliche
Mitteleuropa hinweg nach Osteuropa. Rückseitig gerät Deutschland unter eine
recht glatte westliche Höhenströmung. Ralf II schwächt sich auf seinem Weg nach
Karelien nur zögerlich ab. In so weiter Entfernung kann er sich nicht mehr um
seine Kaltfront kümmern, die in der westlichen Strömung kaum noch nach Süden
vorankommt. Da rückseitig von den Niederlanden her der Druck ansteigt, entsteht
an der Kaltfront eine flache Tiefdruckrinne, in der auch sehr flache Wellen
eingelagert sein können. Die Regenfälle kommen noch etwas weiter nach Süden
voran, eventuell breiten sie sich in abgeschwächter Form bis zum Abend sogar
schon bis zur Donau aus. Insbesondere über der Mitte regnet es teilweise länger,
allerdings bei nur schwacher Hebung (diese kommt eigentlich nur durch die
frontale Querzirkulation zustande) nicht mehr allzu stark. Regional können so
etwa 5 bis 15 l/qm zusammenkommen. Warnung sind also keine mehr erforderlich.

Auf der Rückseite fließt eine deutlich kühlere (um 2°C in 850 hPa) und stabil
geschichtete Luftmasse ein, in der es flache Quellwolken, aber auch durchaus
etwas Sonne gibt und kein Regen mehr fällt. Ebenso trocken bleibt es ganz im
Süden, wo im Tagesverlauf die Schleierwolken hinter mittelhohem Gewölk
verschwinden, welches wohl aber erst am Nachmittag die Alpen erreicht, so dass
ganz im Süden noch einige Sonnenstunden zusammenkommen. Dort wird es mit 22 bis
27°C auch wieder einmal sommerlich warm, dagegen sind es in der Mitte und im
Norden unter Wolken bzw. in der deutlich kühleren Luftmasse meist nur noch 16
bis 20°C, was aber für die Jahreszeit immer noch nicht gerade wenig ist.

Noch ein paar Sätze zum Wind: Dieser weht südlich der Kaltfront meist mäßig um
Südwest. Nördlich der Kaltfront dreht er mitunter auf Nord bis sogar Ost. Weiter
nach Norden hin macht sich Ralf II bemerkbar und der Wind kommt aus West bis
Nordwest in durchaus mäßiger Stärke. Steife Böen kann es vereinzelt noch in
Nordfriesland und vom Darß bis Rügen geben. Die stärkeren Höhenwinde machen sich
am Donnerstag vor allem über dem Süden bemerkbar, so dass der Wind auf dem
Brocken weiter abnimmt, im südlichen Bergland dagegen zulegt. Meist werden aber
in den exponierten Lagen nur stürmische Böen erwartet, so dass wahrscheinlich
gar keine Warnungen nötig werden.

In der Nacht zum Freitag bleibt die Lage der Kaltfront weitgehend unverändert.
Ein Richtung Britische Inseln schwenkender Trog und dort einsetzender Druckfall
lassen aber den bodennahen Wind im Nachtverlauf generell auf südliche Richtungen
drehen. Eventuell frischt dieser in der zweiten Nachthälfte auf dem Brocken auch
schon wieder mit ersten Sturmböen auf. Gegen Morgen kommt dann ganz im Westen
mit zunehmender Warmluftadvektion auch wieder mäßiger Regen auf. Bis dahin kommt
es an der Front und nach Süden hin bis zur Donau nur gebietsweise zu leichten
Regenfällen. Ganz im Süden bleibt es unter mittelhohen Wolken in der Nacht
weitgehend trocken. Im Norden auf der Rückseite ist es zunächst länger klar,
später zieht dort dank der WLA von Südwesten rasch mehrschichtige Bewölkung auf.


Dort kühlt es dann auch auf meist 10 bis 5°C ab, im Süden auf 13 bis 9°C. In der
Mitte unter den dichtesten Wolken bleibt es dagegen wieder 15 bis 13°C mild.

Am Freitag... kommt im Bereich der Britischen Inseln der langgezogene und nach
Südwesten zurückhängende Trog ostwärts voran. Wir gelangen dabei in eine recht
glatte, aber zunehmend starke südwestliche Höhenströmung. Bodennah liegt das
kräftigste Tief im Bereich des südlichen Nordmeeres, ein weiteres Tief nähert
sich von Westen her der Biskaya. Unser Frontensystem wird bis zum Mittag als
Warmfront wieder bis in die Nordhälfte Deutschlands geführt, am Nachmittag
gelangt dann aber schon die Kaltfront wieder in den Nordwesten des Landes. Dabei
kommt es von der Mitte bis in den Norden und vor allem im Nordwesten zu
schauerartigen Regenfällen, die meist 2 bis 5 l/qm, ganz im Nordwesten vom
Niederrhein bis nach Nordfriesland durchaus auch 5 bis 15 l/qm bringen können.
Warnwürdige Mengen werden damit aber nicht erreicht. Weitgehend trocken sollte
es südlich des Mains bleiben, insbesondere südlich der Donau sogar sonnig bei
oftmals nur geringer Bewölkung.

Dort setzt sich von Südwesten auch wieder sehr milde Luft durch und in 850 hPa
werden wieder bis zu 16°C erreicht. Auch ganz im Norden steigt in dieser Höhe
das Temperaturniveau wieder auf 10°C an. Damit ist südlich des Mains wieder
vielfach ein Sommertag drin (das dürfte aber dann für die meisten auch endgültig
der letzte sein), dort werden meist 24 bis 29°C erreicht und damit wird auch an
den Dekadenrekorden gekratzt. Bis in den Norden Deutschlands steigt die
Temperatur wieder zumindest über 20°C an. Nur ganz im Norden, in der etwas
kühleren Luftmasse und unter vielen Wolken muss man sich mit 17 bis 20°C
zufriedengeben.

Nun zum Wind: Bei zunehmendem Gradienten dreht dieser in den meisten
Landesteilen von Süd auf Südwest. Dabei erreicht er im Nordwesten im
Tagesverlauf vor der Kaltfront in Böen Stärke 7, mitunter sind Richtung Nordsee
und westliche Ostsee auch stürmische Böen drin. Zum Abend dreht er ganz im
Nordwesten auf Nordwest. Im übrigen Land dürften zumindest im Westen und in der
Mitte im Bergland und teilweise auch den Leelagen steife Böen auftreten. Auf den
höheren Bergen vor allem über der Mitte gibt es wieder stürmische
Böen/Sturmböen, auf dem Brocken orkanartige Böen.

In der Nacht zum Samstag kommt die Kaltfront mit ihrem markanten Windsprung von
Südwest auf Nordwest nach Süden voran und erreicht eine Linie vom Oderbruch bis
zur Eifel. In ihrem Bereich sowie weit in ihrem Vorfeld bis zur Donau
ausgreifend ziehen in der Nacht schauerartige Regenfälle auf. Einzelne Gewitter
können im Bereich der Kaltfront nicht ausgeschlossen ist, zumal an dieser
kräftige Hebung (PVA und starker thermischer Gradient) simuliert wird. Damit
könnten im Westen oder Nordwesten auch wieder Starkregenschwellen überschritten
werden, was vor allem IFS und GFS andeuten.

Zudem bleibt es im Bereich im Vorfeld der Kaltfront bei dem böigen Südwestwind
mit einigen steifen Böen. Auf der Rückseite kommen an der Nordsee steife Böen
aus Nordwest auf. Auch auf den Bergen bleibt es stürmisch, in der Nacht werden
dann zunehmend auch die südlichen Bergländer erfasst.

Recht ruhig und sogar noch länger klar bleibt es ganz im Südosten. Von der
Nordsee her setzen sich in der zweiten Nachthälfte erste kleine Auflockerungen
durch, dort wird es auch deutlich frischer mit nur noch 2°C in 850 hPa. Somit
gibt es dort und unter klarem Himmel ganz im Südosten Tiefstwerte unter 10°C,
sonst sind es oftmals 16 bis 11°C.

Modellvergleich und -einschätzung
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Bis zum Freitag unterscheiden sich die vorliegenden Modelle auf synoptischer
Skala nur wenig. Etwas größere Unsicherheiten gibt es bei den Regenmengen (oben
beschrieben), bei den Windfeldern kaum.
In der Nacht zum Samstag werden die Unterschiede größer. Abhängig davon, wie
stark das am weitesten westliche Tief (Biskaya) simuliert wird, kommt die
Kaltfront unterschiedlich schnell nach Südosten voran. UK10, das dort gar keinen
Tiefkern simuliert, ist deutlich progressiver als die übrigen Modelle. Auch bei
der Windstärke und den Niederschlagsprognosen gibt es noch größere Unterschiede,
die auch warnrelevant sind.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Peter Hartmann