DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

04-10-2023 10:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 04.10.2023 um 10.30 UTC



Überwiegend Hochdruckrandlage; im Norden und Osten unbeständig mit Regenfällen,
windig (Küste am Sa stürmisch) und vor allem am Sonntag und Montag kühler, im
Süden und Westen meist trocken und teils außergewöhnlich warm.
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Synoptische Entwicklung bis zum Mittwoch, den 11.10.2023


Während die Witterung im Norden und Osten Deutschlands in den kommenden Tagen
durchaus einen "herbstlichen Touch" bekommen dürfte, dauert im Westen und Süden
das ruhige, fast schon spätsommerliche Wetter weiter an.

Verantwortlich für diese Konstellation ist ein markanter Trogvorstoß mit
maritimer Polarluft, der sich zu Beginn des Mittelfristzeitraumes, am kommenden
Wochenende über Skandinavien vollzieht. Gleichzeitig verlagert sich ein breiter
Höhenrücken über dem nahen Ostatlantik allmählich nach West- bzw. Südwesteuropa
und streckt seine Fühler bis nach Mitteleuropa aus. Daraus resultiert eine
überwiegend antizyklonal konturierte nordwestliche Höhenströmung über dem
Vorhersagegebiet. Die Frontalzone verläuft am Samstag über die Norwegische See
und Südskandinavien bis zur südlichen Ostsee und dringt am Sonntag vorübergehend
bis ins östliche Mitteleuropa (Zentralpolen) vor.
Im Bodenfeld verlagert sich das aus dem Trogvorstoß resultierende
Tiefdruckgebiet aus dem Raum Estland bis Sonntagabend nach Nordwestrussland. Die
Kaltfront greift am Samstag im Tagesverlauf auf den Norden und Osten
Deutschlands über, gerät dort aber - höhenströmungsparallel eingebettet - ins
Schleifen und geht am Sonntag nach Nordwesten zu bereits wieder über in die
Warmfront, die sich am Sonntagabend in etwa von der Deutschen Bucht bis zum
Westerzgebirge erstreckt. Zunächst erweist sich das schleifende Frontensystem
als einigermaßen wetterwirksam mit teils länger anhaltenden, aber wohl nicht
warnrelevanten Regenfällen auf der "kalten" Seite (etwa von der Deutschen Bucht
bis nach Sachsen), bei zunehmendem Hochdruckeinfluss mit eigener
Hochdruckparzelle (1030 hPa) über Nordostdeutschland, Polen und Tschechien am
Sonntagabend klingen die Regenfälle aber am Sonntag rasch wieder ab. Während es
also im Norden und Osten überwiegend stark bewölkt und eher kühl bleibt (am
Sonntag vorübergehend nur -1 bis +5 Grad in 850 hPa) mit stürmischen Böen am
Samstag an den Küsten und Sturmböen auf Brocken und Fichtelberg, scheint im
Westen und Süde nach teils zögernder Nebelauflösung oft die Sonne. Die
Luftmassengrenze an der Front verschärft sich vor allem am Sonntag noch weiter,
die 850 hPa-Temperatur steigt dann südwestlich einer Linie Deutsche
Bucht-Vogtland auf 10 bis 17 Grad. Bei genügend Einstrahlung stehen im Südwesten
also Sommertage ins Haus, während im Nordosten bei bedecktem Himmel keine 15
Grad erreicht werden.

Am Montag kommt der Höhenrücken über West- und Südwesteuropa nicht weiter nach
Osten voran, so dass wir unterhalb der nordwestlichen Höhenströmung an der
Südwestflanke des Nordeuropäischen Höhentrogkomplexes verbleiben. Dabei
verlagert sich ein weiterer kurzwelliger Randtrog von der Norwegischen See über
Skandinavien bis Dienstagfrüh zum Baltikum.
Das korrespondierende Bodentief zieht über Südnorwegen und Südschweden und dem
Baltikum nach Weißrussland und erneut streift das zugehörige Frontensystem über
den Norden und Osten Deutschlands hinweg. Das Bodenhoch über Polen und
Tschechien wird bereits in der Nacht zum Montag rasch nach Südosteuropa
abgedrängt, ebenso die im Vorfeld nach Nordostdeutschland eingeströmte kühlere
Luftmasse. Gleichzeitig verstärkt sich ein von Frankreich nach
Südwestdeutschland und zu den Alpen gerichteter Hochkeil und bildet bis
Dienstagfrüh eine eigenständige Hochdruckparzelle über Südwestdeutschland. Somit
erweist sich die über dem Nordosten Deutschlands schleifende Kaltfront als wenig
wetterwirksam mit nur geringen Niederschlägen. Insgesamt schwächt sich der
frontale Temperaturgegensatz über Deutschland ab, Montagabend schwankt die 850
hPa-Temperatur zwischen 3 Grad auf Rügen und knapp 16 Grad in Südbaden.
Insgesamt bleibt es aber beim Südwest-Nordostgefälle mit viel Sonnenschein, aber
auch teils zähen Nebelfeldern im Süden und Südwesten bei erneut spätsommerlichen
Temperaturen und viel Bewölkung bei kaum 15 Grad im Nordosten.

Am Dienstag zieht sich der Höhenrücken mit seinem Schwerpunkt etwas mehr nach
Südwesteuropa zurück, dessen Achse schwenkt aber allmählich ins Vorhersagegebiet
und nach Skandinavien. Über dem mittleren Nordatlantik findet derweil ein
Trogvorstoß statt, das daraus resultierende Bodentief zieht aus dem isländischen
Raum bis Mittwochfrüh ins Seegebiet knapp westlich der Lofoten. Während sich die
Kaltfront des über Weißrussland bzw. den Südwesten Russlands nach Osten
abziehenden Tiefs über dem Osten und Südosten Deutschlands auflöst, streift die
Warmfront des Nordmeertiefs den Norden des Landes zumindest mit dichteren
Wolkenfeldern, aber wohl ohne nennenswerte Niederschläge. Gleichzeitig kann sich
die über Süddeutschland verlaufende Hochdruckzone vor allem nach Osten, aber
auch etwas nach Norden ausweiten. Somit setzt sich landesweit wieder
niedertroposphärisch sehr warme Luft durch (T850 hPa zwischen 13 Grad im
Nordosten und 16 Grad im Westen und Süden am Mittwochfrüh). Bodennah kann sich
die Erwärmung im Norden und Oste aber noch nicht so wirklich durchsetzen,
während im Südwesten in wärmebegünstigten Regionen eventuell erneut ein
Sommertag auf der Agenda steht.

Am Mittwoch schwenkt der Höhentrog ins Nordmeer, in der Nacht zum Donnerstag
dann nach Nordskandinavien, wodurch der Höhenrücken nach Nordost- bzw. Osteuropa
abgedrängt wird. Somit stellt sich über Mitteleuropa eine zunächst noch eher
antizyklonal konturierte südwestliche Höhenströmung ein.
Das Bodentief bei den Lofoten bleibt nach Lesart des IFS-Laufes zunächst
quasistationär und kann sich mit Annäherung des Troges zu einem Sturmtief
intensivieren. Dessen Kaltfront überquert am Mittwoch die Nordsee südostwärts
und greift Donnerstagfrüh mit schauerartigen Regenfällen auf den Nordwesten
Deutschlands über.
Tagsüber dominiert aber in weiten Landesteilen noch ruhiges und außerhalb teils
zäher Nebelfelder warmes Spätsommerwetter, lediglich im Norden bleibt es
bewölkt. Der zunehmende Gradient kann in einigen Regionen für eine bessere
Durchmischung sorgen, so dass es bei 13 bis 17 Grad in 850 hPa gebietsweise
rekordverdächtig warm werden könnte, zumindest nach Lesart des IFS.

In der erweiterten Mittelfrist überquert die Kaltfront zwar das Vorhersagegebiet
rasch südostwärts, allerdings setzt sich nach Lesart des IFS aber bereits am
Freitag erneut eine außergewöhnlich warme Südwestströmung durch, die im Norden
und Westen aber leiht zyklonal konturiert ist.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Mit der Konsistenz der letzten IFS-Läufe ist es nicht sonderlich gut bestellt.
Bereits ab Sonntag werden die Differenzen zwischen den einzelnen Läufen recht
groß, da der Kaltluft- bzw. Trogvorstoß nach Skandinavien unterschiedlich
simuliert wird. Die westlichste Variante mit einem Streifschuss auch über dem
Nordosten Deutschlands hat dabei der aktuelle Lauf auf der Agenda, während der
gestrige 00 UTC-Lauf die Frontalzone und die schleifende Front deutlich weiter
östlich simuliert bzw. mit Ausbildung eines Wellentiefs am Sonntag über der
Norwegischen See die Front rasch über Polen hinweg nach Osten abziehen lässt.
Dieses Wellentief hat der gestrige 12 UTC-Lauf nur als Frontalwelle über
Schottland auf der Agenda, der aktuelle Lauf dagegen als kräftiges Tief deutlich
nördlich von Schottland. Nach Lesart aller Läufe sollen Tief bzw. Frontalwelle
bis Dienstag rasch nach Osteuropa ziehen und die Kaltfront erneu über Nord- bzw.
Ostdeutschland ins Schleifen geraten. Diese "Schleifzone" wird aber ebenfalls
noch mit größeren räumlichen Differenzen und Intensitätsunterschieden simuliert.
Insgesamt ist der gestrige 00 UTC-Lauf am Dienstag und Mittwoch etwas zyklonaler
aufgestellt als die beiden Nachfolger, so dass Wolken und eventuelle (leichte)
Niederschläge etwas weiter nach Süden vordringen könnten und es vor allem in der
Mitte und im Süden nicht so warm wird wie im aktuellen Lauf.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Auch bei Betrachtung der deterministischen Läufe der Globalmodelle fällt auf,
dass der Trogvorstoß nach Nordeuropa am kommenden Wochenende von allen mit
leichten Differenzen simuliert wird. Die markanteste und am weitesten nach
Westen reichende Variante hat dabei GFS auf der Agenda, nach dessen Lesart kommt
die 0 Grad-Isotherme am Sonntag vorübergehend bis zum Emsland bzw. zum Vogtland
voran, Montagfrüh werden -4 Grad in 850 hPa über Ostvorpommern simuliert. Dafür
fallen die simulierten Regenmengen geringer aus als nach IFS und ICON (teilweise
um 20 l/qm/12 bis 24 Stunden am Samstag/Nacht zu Sonntag), da die Front dort
nicht so lange schleift. Die am wenigsten progressive Variante, das Übergreifen
der Kaltluft auf den Nordosten betreffend, haben dagegen IFS und GEM auf der
Agenda.
Allen Modellen gemein ist aber ein mehr oder weniger sonniger und trockener
Südwesten und Süden, wobei GFS auch dort niedrigere 850 hPa-Temperaturen
simuliert als die anderen Modelle.
Im weiteren Verlauf gleichen sich die Modelle eher wieder etwa an, wobei es
kleinere Differenzen gibt, die Lage und Ausrichtung bzw. Ausdehnung nach Norden
der über Süddeutschland verlaufenden Hochdruckzone gibt. IFS zeigt die
antizyklonalste Variante mit einem weitgehend trockenen Nordosten und
außergewöhnlich warmen Südwesten. Nach Lesart des UK10 und des ICON kann es
dagegen im Norden und Osten erneut leichte Niederschläge geben, im Süden und
Westen fallen die 850 hPa-Temperaturen nicht ganz so hoch aus (wenngleich
ebenfalls viel wärmer als normal).
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Zu Beginn der Mittelfrist (T+72 bis 96 Stunden) lässt lediglich der mit 11
Membern bestückte Cluster 3 (von insgesamt 5 Clustern, Haupt- und Kontrolllauf
in CL 1) den Höhentrog über Nord- und Osteuropa ähnlich weit nach Westen
ausgreifen wie das GFS. Alle anderen Varianten unterscheiden sich dagegen nur
wenig voneinander. Schaut man sich die 850 hPa-Temperatur der ENS-Member des GFS
z.B. für den Gitterpunkt Leipzig an, so ist auch dort der Hauptlauf recht weit
unten angesiedelt, lediglich 3 bis 4 Einzelläufe haben noch etwas niedrigere
Werte auf der Agenda. Somit nimmt der GFS-Hauptlauf zu Beginn der Mittelfrist
eher eine Außenseiterposition ein.

Im Zeitraum 120 bis 168 Stunden verteilen sich die ENS-Member sogar auf 6
Cluster (Haupt- und Kontrolllauf in Cluster 3).
Cluster 1 bis 4 (jeweils 15, 13, 8 und 7 Member) tendieren Richtung West
antizyklonal mit mehr (CL 2 und 4) oder weniger (CL 1 und 3) zyklonalen
Streifschüssen nach wie vor im Norden und Osten.
CL 5 (6 Member) ähnelt zunächst den anderen Clustern, ist zum Ende hin aber
deutlich zyklonaler aufgestellt (Wz).
CL 6 (2 Member) hat dagegen ein massives Blockung über West- und später
Mitteleuropa auf der Agenda und mündet über Nord antizyklonal in der GWL Hoch
Mitteleuropa, stellt wohl aber ebenfalls eine Außenseiterlösung dar.

In der erweiterten Mittelfrist (192 bis 240 Stunden, 6 Cluster, Hauptlauf in CL
2, Kontrolllauf in CL 1)) tendieren Cluster 1 und 3 (jeweils 12 und 9 Member)
Richtung West bis Südwest, eher zyklonal.
Cluster 2 (11 Member) schwenkt Richtung Blocking über Südwesteuropa, was für uns
auf eine antizyklonale Westlage hinauläuft.
CL 4 (7 Member) verlagert einen blockierenden Rücken allmählich vom Ostatlantik
über West- nach Mitteleuropa (NWz bzw. Hoch Britische Inseln, dann Übergang zu
Hoch Mitteleuropa).
CL 5 (6 Member) hat eine zunächst antizyklonale, später zyklonale Südwestlage
auf der Agenda und CL 6 (6 Member) eine zyklonale, später antizyklonale
Nordwestlage.

Erwartungsgemäß weist die Kurvenschar der 850 hPa-Temperatur verschiedener, über
das Vorhersagegebiet verteilter Rauschfahnen vor allem im Norden und Osten des
Landes bereits am Sonntag/Montag einen großen Spread auf, für den Gitterpunkt
Rostock nähern sich einige Member bereits den -5 Grad an, während die wärmsten
Member zu dem Zeitpunkt bei nahe +10 Grad schwanken.
Auch danach bleibt der große Spread vor allem im Norden und Osten erhalten,
während es im Süden und Westen kaum Ausreißer nach unten gibt.
Der Median bewegt sich nach kurzem Rückgang zu Beginn/Mitte kommender Woche eher
im oberen Bereich des Spreads, soll heißen, es gibt nur wenige Ausreißer nach
unten. Diese werden dann in der zweiten Hälfte der kommenden Woche allerdings
etwas häufiger, ebenso wie die vor allem im Westen und Südwesten sehr spärlich
gesäten Niederschlagssignale.

FAZIT:
Im Norden und Osten bleibt es den gesamten Mittelfristzeitraum hinweg
überwiegend unbeständig und vorübergehend wird es auch mal recht kühl. Wie weit
die kältere Luftmasse nach Südwesten vorankommt, ist noch unklar, das GFS ist
aber wohl ein Ausreißer.
Im Süden und Westen bleibt es dagegen außerhalb teils zäher Nebelfelder viel zu
warm, ob tatsächlich rekordverdächtig (am ehesten nach IFS), muss noch
abgewartet werden.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Signifikante Wettererscheinungen stehen im Mittelfristzeitraum kaum auf der
Agenda.
Am Samstag kann es an den Küsten, insbesondere an der vorpommerschen
Ostseeküste, wo auch der EFI deutliche Signale gibt, stürmische Böen aus West
bis Nordwest geben, ebenso auf exponierten Mittelgebirgsgipfeln (Brocken,
Fichtelberg: Sturmböen). Auch am Dienstag/Mittwoch sind an den Küsten mit
allerdings aus aktueller Sicht nur geringer Wahrscheinlichkeit stürmische Böen
zu erwarten.

Im Bereich der schleifenden Front fällt am Samstag und in der Nacht zum Sonntag
etwa von der Deutschen Bucht über Niedersachsen bis nach Brandenburg
gebietsweise länger anhaltend Regen. Warnrelevante Mengen zeigt allerdings kein
Modell und auch die Probabilistk gibt keine entsprechenden Signale.

EFI hingegen gibt deutliche Signale für übernormale Temperaturen nahezu im
gesamten Mittelfristzeitraum im Südwesten Deutschlands. Die vom IFS simulierten
850 hPa-Temperaturen sind in der Tat außergewöhnlich hoch und bei gegebener
Einstrahlung bzw. einigermaßen Durchmischung sind einzelne Rekorde durchaus
nicht ausgeschlossen.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, ECMWF-EPS, MOSMIX
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Winninghoff