DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

19-09-2023 08:01
SXEU31 DWAV 190800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 19.09.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
SW Übergang in Tr W

Heute und kommende Nacht an der Nordsee Sturm. Am Mittwoch nachlassender Wind
und wieder wärmer.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... liegen wir unter einer westlichen Strömung am Rand eines
Langwellentroges über dem Nordatlantik und Skandinavien. Im Bodenfeld hat die
Kaltfront eines Tiefs über dem Nordmeer den größten Teil Deutschlands überquert,
den Osten schafft sie am Vormittag noch, über dem Süden, wo sie etwas
zurückhängt, löst sie sich im Tagesverlauf auf. Im Südosten hält sich demnach
etwas wärmere und feuchtere Luft, in der sich tagsüber einzelne Schauer bilden
können. Postfrontal strömt gemäßigte Meeresluft zu uns, die trockener und
stabiler ist. Bei 5 bis 8°C in 850 hPa werden meist Höchstwerte von um oder
knapp über 20°C erwartet und das bei wechselnder Bewölkung mit zeitweiligem
Sonnenschein und geringer Schauerneigung, da ein flacher Bodenhochkeil folgt.

Das nächste Sturmtief, "ex Lee", steht aber schon in den Startlöchern und
erreicht unter Vertiefung das Seegebiet westlich Irlands. An der Warmfront hat
sich eine Welle gebildet, die über die Nordsee nach Südschweden zieht. Die damit
verbundene kräftige Warmluftadvektion stabilisiert die Schichtung im Norden,
sodass die anfänglichen Schauer und Gewitter mit Sturmböen zum Mittag abklingen.
Dafür beginnt es im Norden und Nordwesten zu regnen, vorübergehend mäßig und
eventuell über Nordfriesland mit Mengen nahe den Dauerregenschwellen,
wahrscheinlich aber nicht warnrelevant.

Das kann man vom Wind nicht sagen. Der Druckgradient über dem Norden und der
Mitte Deutschlands verschärft sich vor allem nach Norden hin deutlich. Die
konvektiven Böen gegen im Tagesverlauf in ein skaliges Sturmereignis über. Im
Westen und Norden Deutschlands kommen steife Böen (Bft 7) aus Südwest auf, im
Nordseeumfeld und Schleswig-Holstein stürmische Böen bzw. Sturmböen, entlang der
nordfriesischen Küste sogar schwere Sturmböen, an der Nordfriesischen Küste sind
spätnachmittags und abends exponiert orkanartige Böen (Bft 11) nicht
ausgeschlossen. ICON EU schießt wahrscheinlich über das Ziel hinaus mit 11 bis
12er Böen an und über der Nordsee, sonst sind die Modelle recht einig.

Weiter im Binnenland fällt die Windentwicklung schwächer aus, lediglich in
einigen Hochlagen (Brocken, Fichtelberg) reicht es für Sturmböen, auf dem
Brocken abends eventuell für schwere Sturmböen. In tiefen Lagen sind exponiert,
zum Teil Leelagen sicher für die ein oder andere steife Böe gut. Ob das
warnrelevant ist, muss im Nowcasting entschieden werden.

In der Nacht zum Mittwoch wird der Norden des Landes von einem flachen
kurzwelligen Troganteil überquert, die Kaltfront der Welle schleift derweil über
Dänemark und geht über der Nordsee in die Warmfront von "ex Lee" über, der
morgens die Hebriden erreicht. Trotz nachlassender WLA regnet es im Norden
weiter, sonst bleibt es trocken und nach Süden und
Südosten zu auch oft gering bewölkt, so dass sich dort Nebel bilden kann.

Der Wind bleibt warnrelevant. Vor allem im Nordseeumfeld gibt es stürmische
Böen, anfangs Sturmböen aus Südwest, auch auf den Gipfeln zumindest des Harzes
und Erzgebirges. In den Niederungen bzw. im Binnenland weht er dagegen im
Verlauf der Nacht nur schwach, lediglich küstennah in Böen stark bis steif,
eventuell auch im Lee einiger Mittelgebirge. Die Warnungen können somit abends
auslaufen.

Im Nordwesten wird die Nacht mit 18 bis 13°C sehr mild, sonst kühlt es auf 14
bis 8°C ab.


Mittwoch... dreht "ex Lee" als dann steuerndes Tief nördlich von Schottland ein.
Davor wölbt sich durch WLA ein Rücken auf, der den großen Trog über Nordeuropa
teilt, über Mitteleuropa aber rasch nach Osten durchschwenkt. Westlich des
Kontinents weitet sich der Trog dabei nach Süden aus, was die Strömung bei uns
auf Südwest drehen lässt. Die Warmfront wird dabei rasch nach Skandinavien
weggeführt, die Kaltfront gerät über der Nordsee und Frankreich ins Schleifen
und kommt nur noch langsam nach Osten voran.
Im Warmsektor gelangt deutlich wärmere Luft nach Deutschland mit 10 bis 15°C in
850 hPa. Am Rand des Hochs über den Alpen und über Südosteuropa folgt ein
freundlicher Tag mit größeren Aufheiterungen, sonnigen Phasen und nur lockeren
Wolken. Die anfangs im Norden dichten Wolken lockern zumindest gebietsweise auf
und es regnet dort kaum noch.

Insgesamt bleibt es trocken. Damit stehen Höchstwerte von 21°C an der Nordsee
und 27°C auf der Agenda.

Der Wind weht im Nordseeküstenbereich kräftig mit Böen Bft 7, auf der freien See
und exponiert an der Küste mit Bft 8. Auch im Lee von Eifel und Rothaargebirge
sind einzelne steifen Böen möglich. Zum Abend lässt der Wind unter die
Warnschwellen nach. Auf dem Brocken sind vorübergehend 9er und 10er Böen möglich
aus Süd bis Südwest.

In der Nacht zum Donnerstag nähern sich Trog und Kaltfront von Westen her, wobei
die Strömung auf fast Süd rückdreht. Erste Wolkenfelder greifen auf den
Nordwesten über, regnen wird es noch nicht. Sonst hält sich der Einfluss des
zurückweichenden Hochs mit überwiegend geringer Bewölkung und vor allem im Süden
gebietsweise Nebel. Im Laufe der Nacht lebt der Süd- bis Südwestwind an der
Nordsee wieder auf, erste 7er Böen.


Donnerstag... amplifiziert sich der über Westeuropa angelangte Langwellentrog
weiter und dehnt sich bis zur Iberischen Halbinseln nach Süden aus. Damit dreht
die vorderseitige Strömung auf südliche Richtungen und wieder gelangt ein
Schwall subtropischer Warmluft nach Deutschland. In 850 hPa steigen die Werte
bis 18°C, was verbreitet sommerliche Höchstwerte zur Folge, im Südosten und
Osten bis nahe 30°C. Auf die Westhälfte greift die in der südlichen Strömung
schleifende Kaltfront des Zentraltiefs (ex Lee) nördlich von Schottland über.
Dabei kommt starke Bewölkung und verbreitet, teils schauerartiger Regen auf, der
abends etwa eine Linie von Ostholstein bis zum Schwarzwald erreicht. Gewitter
sind bei recht stabiler Schichtung höchstens zu Beginn nicht ausgeschlossen,
aber insgesamt unwahrscheinlich, da zuvor mit Winddrehung auf Südwest bis West
in den unteren Schichten Kaltluftadvektion einsetzt. Die Hebung resultiert im
Wesentlichen aus frontaler Querzirkulation und PVA.
Weiter östlich scheint längere Zeit, ganz im Südosten und Osten bis zum Abend
die Sonne. Ob ein gewisses Maß an Saharastaub den Himmelsanblick trübt, ist
ungewiss, die Mengen, die zu uns gelangen sollen, sind gering. Bei
hochsommerlichen Temperaturen bilden sich ein paar Quellwolken, aber auch hier
sind Gewitter unwahrscheinlich, weil die Luft zwar instabiler bleibt, aber recht
trocken ist.

Der Wind frischt im Tagesverlauf auf mit einzelnen steifen Böen im Westen und im
Bergland, an der Nordsee sind stürmische Böen nicht ausgeschlossen. In der
Osthälfte bleibt es bei auflebendem Südostwind unterhalb der Warnschwellen. In
den Alpen setzt leichter Föhn ein mit Sturmböen auf den Gipfeln und einer
geringen Wahrscheinlichkeit für Windböen bis in die Föhntäler.

In der Nacht zum Freitag kommt die Kaltfront nach Osten voran und erreicht bis
zum Morgen die Oder und überquert SE Bayern. Der Höhentrog liegt mit seiner
Hauptachse noch westlich von uns, sodass die Höhenströmung auf Süd bleibt und
sich die Regenfälle zunehmend auf die kalte Seite verlagern (Anafront).
Angetrieben durch einen Kurzwellentrog verstärkt sich die Hebung vor allem über
dem Süden, was vom Schwarzwald bis zum Alpenrand warnrelevante
Niederschlagsmengen (Stark- oder Dauerregen) möglich macht.
Auch über den Nordwesten zieht in der ersten Nachthälfte ein Bodentrog hinweg,
der für kräftige Schauer gut sein kann, ob warnrelevante Mengen, wie bei ICON,
herausspringen ist ungewiss. Auch im äußersten Osten findet sich eine Baustelle.


Hier kommt in der zweiten Nachthälfte die Bodenrinne mit der Kaltfront an. Bei
steigender Feuchte und potentiell instabiler Schichtung sind nahe Oder und Neiße
im Laufe der Nacht Gewitter nicht ausgeschlossen.
Der Föhn bricht zusammen, im Nordwesten gibt es am Bodentrog steife Böen, an der
Nordsee eventuell stürmische Böen, sonst spielt der westliche Wind keine so
große Rolle.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren im synoptischen Scale sehr ähnlich. Für die heutige
Wind-, ganz im Norden Sturmlage, sind die Warnungen in Kraft, etwas Nowcasting
bleibt eventuell, falls Anpassungen nötig sind. Die Kaltfront am Donnerstag geht
im Wesentlichen stabil durch, die Gewitterneigung ist an ihr gering.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Bernd Zeuschner