DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

17-09-2023 10:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 17.09.2023 um 10.30 UTC



Zeitweise recht windig, dazu anfangs geringes Gewitterrisiko. Zunächst nochmal
spätsommerlich warm, ab Freitag deutlich kühler.
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Synoptische Entwicklung bis zum Sonntag, den 24.09.2023


Zum Beginn des mittelfristigen Zeitraums am kommenden Mittwoch befindet sich
Deutschland an der Südflanke eines sehr stark positiv geneigten bzw. fast schon
zonal ausgerichteten Troges, der sich von der Barentssee bis in den Nordatlantik
erstreckt. Darin eingebettet sind zwei eigenständige Drehzentren und zwar einmal
südlich von Island und einmal über Mittelschweden. Daraus ergibt sich zunächst
eine recht lebhafte, westliche und indifferente bis vielleicht sogar leicht
antizyklonale Höhenströmung. Während das skandinavische Höhentief rasch wieder
Tuchfühlung zum Trogresiduum über der Barentssee aufnimmt und damit aus unserem
"Interessensbereich" verschwindet, macht sich der atlantische Kollege (Höhentief
I) auf den Weg Richtung Irland. Zusätzlich entsteht ein zweiter Kern über dem
südlichen Nordmeer (Höhentief II) und der Trog bzw. die Dipolstruktur nimmt mehr
und mehr eine meridionale Haltung ein. Damit steilt die Höhenströmung über uns
deutlich auf, was bis zum Abend niedertroposphärisch nahezu flächendeckend in
zweistelligen Temperaturwerten (850 hPa) mündet. Ganz im Süden stehen - auch mit
etwas Föhnunterstützung - sogar stolze 17 Grad auf der Karte!
Am Boden tummeln sich die Tiefdruckgebiete zwischen Nordostatlantik und
Norwegischer See, wobei sich über Letzterer am Abend der ehemalige Hurrikan LEE
wiederfindet. Die zugehörige Kaltfront bleibt noch auf Abstand, sodass ein
weitgehend trockener, im Nordwesten aber durchaus windiger Tag ins Haus steht.

Am Donnerstag nistet sich Höhentief I über den Britischen Inseln ein, Höhentief
II bleibt mehr oder weniger ortsfest und gönnt sich sogar noch einen weiteren
Kern in unmittelbarer Nachbarschaft. Der sie umfassende Trog weitet sich bis
nach Spanien aus, wodurch seine Achse nun schon fast meridional über West- und
Südwesteuropa liegt. Die Strömung über uns steilt weiter auf, wodurch es in 850
hPa noch etwas wärmer wird mit verbreitet 12 bis 18 Grad. Während EX-LEE weiter
nordwärts ins Europäische Nordmeer zieht, gewinnt ein Tiefdruckkomplex über den
Britischen Inseln, der sich bis in die Nordsee ausweitet, zunehmend Einfluss auf
unser Wetter. Die Kaltfront greift im Tagesverlauf mit schauerartigen und
gewittrigen Regenfällen auf den Westen des Landes über und erreicht in der Nacht
zum Freitag etwa die Mitte. Im Vorfeld wird es am Alpenrand föhnig, auf den
Gipfeln stürmisch.

Am Freitag zieht Höhentief I - mittlerweile ein hochreichendes Tief - in die
südwestliche Nordsee, wobei sich ein davon ausgehender Kurzwellentrog über den
Westen und Nordwesten Deutschlands hinweg verlagert. Dadurch wird die Kaltfront
samt (gewittriger) Regenfälle ostwärts abgedrängt (ausgenommen der äußerste
Südosten). Dahinter strömt deutlich kühlere Meeresluft ein (850 hPa, abends: 5
bis 9 Grad). Mit Annäherung des Bodentiefs könnte es zudem zumindest im Westen
des Landes recht windig stürmisch werden. Gepaart mit dem unbeständigen
Wettercharakter (einfließende Höhenkaltluft unter -20 Grad im Trogbereich)
dürfte das besonders im Westen und Nordwesten ein netter Vorgeschmack auf den
astronomischen Herbst werden.

Dieser beginnt am Samstag und steht dem Freitag zunächst in nichts nach, denn
der Trog bzw. dessen Achse erfasst die Nordwesthälfte mit höhenkalter Luft,
während das Bodentief über den äußersten Norden ostwärts zieht. Heißt also:
Besonders in der West- und Nordwesthälfte zunächst unbeständig und windig.
"Zunächst" deshalb, weil sich über dem Atlantik etwas tut. Der bis dahin
wahrscheinlich ehemalige Hurrikan NIGEL zieht in den Nordatlantik, was stromab
für massive Warmluftadvektion sorgt. In der Folge wölbt sich ein Rücken über den
Britischen Inseln auf, der den Druck auch bei uns allmählich steigen lässt und
in weiten Teilen des Landes für einen ruhigen Sonntag sorgen dürfte, allerdings
auf sehr gedämpftem Temperaturniveau. Rückseitig des Tiefs sinkt die Temperatur
in 850 hPa auf etwa 3 bis 5 Grad ab.

Mit Blick auf die erweiterte Mittelfist kann man sagen, dass der hohe Luftdruck
wohl erst einmal noch anhält und das Temperaturniveau wieder ansteigt.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die Konsistenz des heutigen 00-UTC-Laufs kann im Vergleich zu den gestrigen
Läufen als recht gut bezeichnet werden. Einziger größerer Unterschied ist die
Behandlung des ehemaligen Hurrikans LEE, den der gestrige 00-UTC-Lauf am
Donnerstag knapp westlich von Irland positionierte. Die beiden Folgeläufe lassen
ihn dagegen ins Europäische Nordmeer ziehen. Da sie aber gleichzeitig ein
weiteres Tief über den Britischen Inseln simulieren, bleiben die Änderungen
hinsichtlich der Auswirkungen auf unser Wetter gering. Auch im weiteren Verlauf
werden die groben Strukturen recht ähnlich prognostiziert. Der Teufel steckt wie
so oft im Detail, vor allem was die Windentwicklung im Zusammenhang mit der
potenziellen Entwicklung kleinräumiger Tiefs angeht. Ein solches lässt der
heutige 00-UTC-Lauf am Samstag über den Norden Deutschlands hinweg ziehen,
während die Vorläufe nur einen mehr (gestriger 00-UTC-Lauf) oder weniger
(gestriger 12-UTC-Lauf) stark ausgeprägten Bodentrog zeigen.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Die von IFS prognostizierten großräumigen Strukturen werden auch von ICON und
GFS recht ähnlich simuliert. EX-LEE wird unisono ins südliche Europäische
Nordmeer bzw. in die Norwegische See verfrachtet und parallel betritt ein
Tiefdruckkomplex über den Britischen Inseln unsere Wetterbühne. Etwas
unterschiedlich wird der Kaltfrontdurchgang am Freitag gezeigt. Während IFS die
Front bis zum Nachmittag weitgehend ostwärts abziehen lässt, lässt ICON am
Ostalpenrand ein kleines Leetief entstehen, das am Freitag nordwärts zur Ostsee
zieht und die Front so erst in der Nacht zum Samstag passieren lässt. GFS
positioniert sich vom Timing her in der Mitte. Am Samstag lässt ICON dieses
Leetief dann zum Skagerrak ziehen, was einen deutlich windigeren Tag für die
Küstenregionen bedeuten würde als bei IFS und GFS. Ab Sonntag nähern sich die
Modelle dann wieder an und das, obwohl nun EX-Hurrikan NIGEL seine Finger im
Spiel hat.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Beim Blick auf die Rauchfahnen verschiedener deutscher Städte muss man sagen,
dass sich der Hauptlauf sehr schön innerhalb des recht engen Ensembles
wiederfindet - und zwar sowohl was die Temperatur als auch den Niederschlag
angeht. Das gilt im Prinzip auch sogar noch für die erweiterte Mittelfrist ab
Montag. Da fächert der Spread zwar etwas auf, die Tendenz geht aber bei der
Temperatur klar nach oben und die Niederschlagssignale lassen deutlich nach.

Diese Sicherheit spiegelt sich auch bei der Clusteranalyse wieder, wo es im
Zeitraum zwischen Freitag und Sonntag (t+120-168) sage und schreibe ein einziges
Cluster gibt (NAO positiv). Man sieht schön den zunächst vorherrschenden
Trogeinfluss, der sich zum Sonntag hin abschwächt.
Für den Zeitraum zwischen Montag und Mittwoch (t+192-240) gibt es dann immerhin
drei Cluster, davon zweimal NAO positiv (C1 und 3) und einmal Blocking (C2).
Allen Clustern gemein ist die grobe Struktur zwischen
Nordatlantiktrog/-höhentief und südwest-/mitteleuropäischem Rücken, zwischen dem
sich eine westliche bis südwestliche Höhenströmung einstellt. Während C1 (20
Member) dabei eher auf einer leicht zyklonalen Schiene unterwegs ist, sind C2
(16 Member, inkl. Haupt- und Kontrolllauf) und C3 (15 Member) auf antizyklonal
getrimmt.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Sturm:
Am Mittwoch zeigen die Ensembles (COSMO-LEPS und IFS-EPS) erhöhte
Wahrscheinlichkeiten für stürmische Böen (Bft 8) an Nord- und Ostsee und im
Norden Schleswig-Holsteins, exponiert sowie in Nordfriesland sind auch einzelne
Sturmböen (Bft 9) gering wahrscheinlich.
Am Donnerstag muss dann in Nordfriesland mit stürmischen Böen (Bft 8) gerechnet
werden, auf den Alpengipfel sind föhnbedingt auch Sturmböen möglich (Bft 9).
Am Freitag sind dann im exponierten westdeutschen Bergland und am Samstag an der
Nordsee einzelne stürmische Böen nicht ausgeschlossen.


Gewitter:
Am Donnerstag sind vor allem in den westlichen Landesteilen einzelne Gewitter
mit stürmischen Böen (Bft 8), Starkregen und kleinkörnigem Hagel gering
wahrscheinlich. Ähnliches gilt am Freitag für die östlichen Landesteile.

Regen:
In der Nacht zum Freitag und bis Freitagmittag kann zwischen Südschwarzwald und
Allgäu länger anhaltender, schauerartig verstärkter Regen fallen. Dabei sind
örtlich Mengen über 25 l/qm in 12 Stunden gering wahrscheinlich.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-EPS, MOS-MIX
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Tobias Reinartz