DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

04-11-2016 21:00
SXEU31 DWAV 041800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 04.11.2016 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Übergang zu frühwinterlichen Bedingungen. In den Alpen anfangs noch Föhn, im
Schwarzwald einsetzender Dauerregen.

Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
-------------------------------------------------------------
Aktuell ... befindet sich Deutschland auf der Südflanke eines umfangreichen
Potenzial- und Temperaturminimums (T500 teils unter -35°C, T850 verbreitet
unter -10°C) über Fennoskandien, von wo aus sich ein Randtrog bis nach UK/Irland
erstreckt, von dem in den nächsten Tagen noch die Rede sein wird. Zunächst mal
schwenkt dieser Randtrog unter sichtbarer Intensivierung respektive
Amplifizierung süd-südostwärts, wobei seine Achsstellung eine zunehmend
südwest-nordost-exponierte Ausrichtung erfährt. Als Folge davon dreht bei uns
die Höhenströmung von West auf Südwest zurück. Dabei lässt die heute bereits
schon den ganzen Tag andauernde WLA von Westen her nach bzw. kommt ganz zum
Erliegen, was aber nicht heißt, dass in der Nacht keine Hebungsprozesse mehr zu
erwarten sind. Diese werden nun vielmehr durch trogvorderseitige PVA sowie durch
frontale Prozesse generiert. Um Letztere besser verstehen zu können, bedarf es
eines oder auch mehrerer Blicke auf Bodenwetterkarte.
Diese zeigt heute Abend ein Tief mit Drehzentrum über der Nordsee, von dem aus
sich eine Rinne in südwestlicher Richtung bis fast zu den Kanarischen Inseln
erstreckt. In die Rinne eingebettet ist ein weiteres Tief west-südwestlich der
Iberischen Halbinsel, das unter Abschwächung langsam südwärts zieht und für den
hiesigen Vorhersageraum keine nennenswerten Aktien besitzt. Interessanter ist da
schon die Tatsache, dass sich über dem Ärmelkanal ein kleines Wellentief
gebildet hat, das im Laufe der Nacht entlang der nordfranzösischen und
belgischen Küste gen Ijsselmeer bzw. Deutsche Bucht zieht. Gleichzeitig
entwickelt sich in der Bretagne ein weiteres flaches Wellentief, das sich bis
morgen früh über Zentralfrankreich hinweg in Richtung Lothringen verlagert.
Klingt kompliziert, ist es auch, zumal sowohl das Haupttief über der Nordsee
sowie die Wellentiefs über eigene Frontensysteme verfügen, wobei bei den
Wellentiefs das südliche am Ende "den Hut aufhat", sprich, ihm das südliche
Frontensystem zugeordnet wird, während die anderen beiden Systeme
zusammenlaufen.
Wettertechnisch resultiert aus dieser komplex anmutenden Struktur eigentlich
nichts anderes, als dass es von Westen her beginnt zu regnen - einmal im NW, zum
anderen im SW des Landes. Die Regenfälle im SW sind per se erst mal noch nicht
besonders beachtenswert - die Modelle sehen durchweg Quanten von unter 10 mm
innert 12 h vor-, gleichwohl stellen sie im Schwarzwald den Anfang einer
markanten Dauerregenlage ein, die mit wechselnder Intensität bis Samstagabend
andauert.
Und was passiert sonst noch so? - Der SW-Wind an der See schwächt sich weiter
ab, Warnungen sind dort nicht mehr nötig. Dafür legt der Wind in den höheren
Lagen noch etwas zu mit Sturmböen 8-9 Bft in exponierten Kamm- und Gipfellagen,
auf dem Feldberg im Schwarzwald vielleicht sogar eine 10 Bft. Schwere Sturmböen
sind föhnbedingt auch auf einigen Alpengipfeln möglich. Ob der Föhn in der Nacht
auch in einige Täler durchbricht, ist schwer zu beantworten. Tatsache ist, dass
es im O und SO Bayerns z.T. noch längere Zeit klar bleibt. Dort geht die
Temperatur örtlich bis in den leichten Frostbereich zurück (etwa bis -2°C),
zudem bildet sich stellenweise Nebel, wobei es vereinzelt glatt werden kann.

Samstag ... amplifiziert sich der Höhentrog westlich von uns noch ein Stück bei
gleichzeitiger Verlagerung nach SO. Zum Tagesende reicht seine Achse (500 hPa,
ICON) etwa von Südportugal über die Bretagne bis nach Jütland, wo sich zu die
diesem Zeitpunkt des hochreichenden Tiefs befindet, das von der Nordsee her den
kleinen Sprung aufs Festland geschafft hat. Bereits zuvor greift ein Randtrog
von der Nordsee her auf NW-Deutschland über, der mit höhenkalter Luft unter
-30°C in 500 hPa gefüllt ist. Da die 850-hPa-Temperatur mit rund -1°C zunächst
noch vergleichsweise moderat temperiert bleibt, ergibt sich eine veritable
Labilität (bis 30 Kelvin Delta-T), die zu Schauern, vereinzelt auch kurzen
Gewittern führt - nachdem die Kaltfront des Nordseetiefs zuvor mit etwas Regen
ins Landesinnere (Norden und Westen) gezogen ist.
In den übrigen Landesteilen macht sich das südliche Wellentief mit dem
zugehörigen Frontensystem bemerkbar, das im Tagesverlauf langsam über die
süddeutschen Landesteile ostwärts zieht. Dabei werden trotz zunehmend
überlagerter KLA ausreichend Hebungsprozesse ausgelöst, die wiederum für teils
länger andauernde Regenfälle sorgen. Betroffen ist vornehmlich ein Korridor, der
von BW über das Fränkische bis nach Sachsen und BB reicht, wobei sich der Regen
von SW her ausbreitet. Die größte Intensität sehen die Modelle weitgehend
übereinstimmend in BW sowie von Unterfranken bis zum Thüringer Wald, wo binnen
12 h durchaus 10 bis 15 mm, lokal bis 20 mm zusammenkommen können. Ein
"Hot-Spot" stellt der Schwarzwald dar, wo zumindest die deutsche Modellkette und
EURO4 noch etwas höhere Mengen anvisieren (örtlich bis 30 mm). Damit bleiben sie
in etwa auf Kurs im Vergleich zu den Vorläufen, so dass am derzeitigen
Warnkonzept (Ausgabe einer bis Samstagabend andauernden markanten
Dauerregenlage) nichts geändert werden muss.
Bliebe noch das Thema "Wind/Sturm" respektive "Föhn". Auf einigen
Mittelgebirgsgipfeln bleibt der SW-Wind so flott unterwegs, dass weiterhin Böen
8-9 Bft erreicht werden. Und auch der Föhn hält sich tagsüber noch mit Spitzen
bis 10 Bft auf einigen Gipfeln und 7-8 Bft in föhnanfälligen Tälern wie z.B. bei
Mittenwald. Am Alpenrand wird es mit bis zu 15/16°C (Föhnunterstützung plus
Einstrahlung) am wärmsten, sonst stehen meist 5 bis 12°C auf der Tagesordnung.

In der Nacht zum Sonntag rückt der Höhentrog noch etwas dichter an den
Vorhersageraum heran. Zudem kommt es zur Vereinigung zwischen der im Süden
geführten Kaltfront und der von NW hereinschwenkenden (siehe Chronologie der
neuesten Bodenvorhersagekarten T+24h und T+36h). Die "Schnittfront" wird bis zum
Morgen den gesamten Vorhersageraum ost-südostwärts passiert haben, so dass das
ganze Land von polarer Meeresluft geflutet wird, in der die 850-hPa-Temperatur
auf -1/-2°C zurückgeht. Dabei verlagern sich die Niederschläge ebenfalls
ost-südostwärts, wobei sie südlich der Donau und in Niederbayern bis zum Morgen
(und vielfach noch darüber hinaus) andauern. Eine warnwürdige Dauerregenlage
lässt sich aus den numerischen Prognosen heuer zwar noch nicht ableiten, dafür
rückt die Schneefallgrenze mehr und mehr in den Fokus des Geschehens. Diese
sinkt an den Alpen sowie im Bayerischen Wald auf etwas unter 1000 m, bei
ausreichender Niederschlagsabkühlung vielleicht bis 700 m, ohne dass das Ganze
in den unteren Bereichen aber schon liegenbleibt.
Ansonsten beschränken sich Schauer und kurze Gewitter auf die Peripherie des
über Jütland positionierten Höhentiefs, wobei der Begriff "Peripherie" durchaus
dehnbar ist. Sollten in den Mittelgebirgen einzelne Schauer auftreten, was nicht
völlig unmöglich ist, fallen diese in den Hochlagen in Form von Schnee.
Bliebe noch der Wind, der vor allem in den Alpen nachlässt, da dort der Föhn
zusammenbricht. Dafür könnte er an der Küste wieder etwas anziehen, was aber in
starkem Maße von der genauen Position des Bodentiefs abhängt.

Sonntag ... schiebt sich der langwellige Potenzialtrog langsam aber sicher
weiter nach Osten voran, so dass Deutschland zunehmend komplett unter seine
Thronherrschaft gelangt. Das Drehzentrum über Jütland allerdings verlagert seine
Position nur wenig. Die höhenkälteste Luft jedenfalls mit Werten unter -30°C in
500 hPa verbleibt zunächst noch westlich und nördlich von uns, während sich das
thermische Niveau in 850 hPa etwa bei -2°C einpendelt.
Im Bodendruckfeld bleibt der Hauptkern des Tiefs mit etwas unter 995 hPa im
Bereich SH und angrenzende Küstenregion liegen (12 UTC, ICON), wobei das Tief
aber zunehmend eine elliptische Kontur mit zonaler Achsausrichtung annimmt.
Dabei etabliert sich nördlich davon ein substanzieller Druck- und auch
Temperaturgradient, der unseren südskandinavischen Nachbarn einen sehr
unwirtlichen Sonntag mit Regen- und Schneefällen sowie Starkwind bescheren wird.

Doch zurück in unsere Gefilde, wo der Sonntag grob gesprochen eine wettermäßige
Dreiteilung zu bieten hat. So bleibt es in weiten Teilen Norddeutschlands stark
bewölkt bis bedeckt mit schauerartigen Regenfällen und vereinzelten kurzen
Gewittern, wobei die Faustregel gilt, je näher an Küste und See, desto höher die
Niederschlagswahrscheinlichkeit. Beim Wind hängt die detaillierte Entwicklung
nach wie vor von der genauen Lage des Bodentiefs ab. Laut deutscher Modellkette
jedenfalls kommt es mit Durchgang des Bodentrogs auf und im Bereich der Nordsee
im Tagesverlauf zu einem imposanten, bis zu 180° betragenden Richtungswechsel
(von SW auf NO), der mit einer Geschwindigkeitsverschärfung auf Böen 7-8 Bft
einhergeht - wie gesagt, alles noch etwas unter Vorbehalt.
Der Süden des Landes darf sich mit einem Tief südlich der Alpen, genauer gesagt
über Oberitalien, auseinandersetzen, das dort auf der Vorderseite der südlichen
Trogspitze generiert wird und - wie das Tief im Norden - eine elliptische, nach
NO gerichtete Form annimmt. Aufgleitprozesse auf der Nordflanke sorgen für über
den Alpenhauptkamm hinweg ausgreifende Niederschläge, die die Donau
wahrscheinlich noch ein Stück nordwärts überqueren. An den Alpen und im
Bayerischen Wald können dabei an der einen oder anderen Stelle rund 10 mm innert
12 h und unter Berücksichtigung in der Folgenacht andauernder Niederschläge 20
bis 30 mm innert 24 h zusammenkommen. Dabei liegt die Schneefallgrenze tagsüber
je nach Intensität bei rund 800 m, sinkt dann in der Nacht zum Montag aber bis
in die tiefsten Lagen ab. Auch wenn der Schnee gerade weiter unten noch nicht
überall liegen bleibt, zeichnet sich doch mindestens eine Glättewarnung und in
Lagen oberhalb etwa 800 m sogar eine markante Schneefallwarnung ab - Chapeau!
Bliebe noch der letzte Teil der apostrophierten Dreiteilung abzuhandeln, der
vergleichsweise unspektakulär daherkommt und zwischen den beiden Hebungsmaxima
im Norden und Süden positioniert ist. Er markiert einen von SW über die
Mittelgebirge bis in die östlichen Landesteile verlaufenden breiten Streifen, in
dem sich bei wechselnder bis starker Bewölkung aufgrund kompensatorischen
Absinkens die Schaueraktivität in Grenzen hält, aber auch nicht völlig negiert
werden kann. Im Falle des Falles fallen die Schauer im oberen Bergland in fester
Phase.
Angesichts deutschlandweiter Temperaturmaxima von 4 bis 10°C zeigt der
thermische Daumen eher nach unten.

In der Nacht zum Montag setzt der Höhentrog seine langsame Progression nach
Osten bzw. Südosten fort, was mit einer weiteren mitteltroposphärischen
Abkühlung einhergeht. Gleichzeitig verschiebt sich das Bodendruckmuster etwas
nach Süden, so dass sich die Niederschläge im Süden mehr und mehr an die Alpen
bzw. den äußersten SO Bayerns zurückziehen. Dafür greifen die schauerartigen
Niederschläge aus dem Norden weiter nach Süden bzw. bis in den Westen aus. Dabei
sinkt die Schneefallgrenze bis in die mittleren Lagen der Mittelgebirge, wobei
dort mit Glätte durch Schnee(matsch) oder gefrierende Nässe gerechnet werden
muss. Die Temperatur sinkt mit Ausnahme großer Teile Nord- und Westdeutschlands
auf Werte um oder etwas unter den Gefrierpunkt ab (hängt freilich stark von den
genauen Bewölkungsverhältnissen ab), was ebenfalls das Thema "Glätte" auf die
Agenda bringt.
Und dann wäre da noch der lebhafte und böige NO-Wind an der Küste, der in Böen
Stärke 7 Bft, an der westlichen Ostsee sowie an und auf der Nordsee 8 Bft
erreicht.

Montag ... erreicht die GWL bei uns eindeutig frühwinterliche Züge. Wir gelangen
nun vollständig unter den langwelligen Potenzialtrog, der nun aber noch stärker
mit höhenkalter Luft gefüllt ist. So sinkt die 5400-hPa-Temperatur verbreitet
auf rund -30°C oder meist sogar etwas darunter, in 850 hPa erfolgt ein Rückgang
auf rund -3° im S und SW und bis zu -8°C im N. Ohne an dieser Stelle schon ins
Detail zu gehen bedarf es keiner besonderen prophetischen Begabung, den
Wochenstart prognostisch als lausig und nasskalt auszurufen. Es kommt verbreitet
zu meist schauerartigen Niederschlägen in Form von Regen oder Graupel, oberhalb
von 300 bis 600 m als Schnee. In SH könnte es durchaus für Schneeregen reichen.
Ansonsten ist vereinzelt auch ein kurzes Gewitter dabei. Dazu wird es nicht
wärmer als 1 bis 8°C und besonders an der Küste weht weiterhin ein lebhafter und
böiger NO-Wind mit Böen 7 bis 8 Bft.


Modellvergleich und -einschätzung
----------------------------------------------------------------
Es ist alles in epischer Breite gesagt.




Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann