DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

29-08-2023 08:01
SXEU31 DWAV 290800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 29.08.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: TrW (Trog Westeuropa) mit kurzem TrM-Intermezzo (Trog Mitteleuropa)

Nach ERWIN kommt FRANZ - Dauerregenlage endet, Schauer und Gewitter im Anmarsch.


Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... zeigt die großräumige Potenzialverteilung einen komplexen, aus
mehreren Drehzentren bestehenden Trog, der sich von Grönland respektive der
Polregion bis hinunter zum zentralen Mittelmeer erstreckt. Flankiert wird der
Trog von einem Rücken über dem Ostatlantik sowie einem weiteren, der vom
östlichen Mittelmeer via Baltikum bis nach Schweden reicht - einmal Omega
invers, wenn man so möchte. Deutschland befindet sich grundsätzlich unter dem
Trog in einer Art Sattelpunktbereich zwischen einem Drehzentrum über Norditalien
und einem weiteren Höhentief, das aus dem Raum Schottland im Tagesverlauf die
westliche Nordsee ansteuert. Das gesamte Strömungsmuster verschiebt sich
infinitesimal nach Ost-Südost, was bei uns ein Abebben der vor allem im Süden
und Osten noch relativ prominent aufgestellten süd-südöstlichen Strömung zur
Folge hat. Damit geht auch die nun schon seit Sonntag andauernde Gegenstromlage
langsam zu Ende, auch wenn das endgültige Aus des Regens noch etwas auf sich
warten lässt. Etwa 100 bis 130 l/m² sind von Sonntagnacht bis heute Morgen (54
h) in Teilen Oberschwabens und des Allgäus gefallen, das reicht erstmal.

Der Blick auf die Bodenwetterkarte offenbart ebenfalls zwei Drehzentren, sprich
Tiefdruckgebiete, die sehr schön mit ihren Pendants in der Höhe korrespondieren.
Beide liegen sogar ziemlich direkt darunter, wodurch schnell klar wird, dass die
"Herrschaften" ihren Karrierehöhepunkt bereits erreicht bzw. überschritten
haben. Die Rede ist a) von ERWIN (int. Rea) über Norditalien, das immer noch mit
etwas unter 1000 hPa im Kern sehr sportlich aufgestellt ist, das Niveau bis zum
Tagesende wohl aber nicht halten kann (leichtes Auffüllen). Ausgehend vom ERWIN
erstreckt sich eine Rinne bis nach Polen, an der auch Deutschland partizipiert.
In den nächsten Stunden verlagert sich die Rinne ganz langsam nach Osten,
wodurch sich von Westen her ein schwacher Hochkeil etwas besser in Szene setzen
kann. Er trennt im Grunde das Tief ERWIN im Süden von Tief #2 bei den Färöers
bzw. Shetlands, womit wir bei b) wären: Gott zum Gruße FRANZ, unseren Chef
wird´s freuen (Insider). Den guten Franz zieht es ebenfalls zur westlichen
Nordsee, was aber ein bisschen dauert, weshalb er heute auch noch nicht allzu
viele Aktien am deutschen Wetter erwirbt.

Das gestaltet sich übrigens so, dass die aktuell in weiten Teilen der
Südosthälfte auftretenden, vor allem im Süden gebietsweise noch recht
erklecklichen stratiformen Regenfälle schwächer werden bzw. teilweise ganz
aufhören, insbesondere zum Nachmittag hin. Zwischen Erzgebirge und Vorpommern
dauert es aber schon noch, bis das Ganze vorbei ist. Und auch im Süden sollte
man sich schon noch auf einen regnerischen Dienstag einstellen. Insbesondere zu
den Alpen hin, wo durch die niedertroposphärisch nordwestlichen Winde die
Stausituation andauert, kann es bis weit in die Nacht zum Mittwoch regnen,
oberhalb rund 2000 m schneien (am längsten am östlichen Alpenrand). Akkumuliert
über den Tag können in Teilen Oberschwabens sowie am westlichen Alpenrand +
Vorland noch mal 15 bis 20 l/m² fallen (im Stau des Allgäus auch mehr), sonst
liegen die Tagessummen überwiegend unter 10 l/m². Die Warnungen, die meist bis
18:00, in Sachsen bis 24:00 Uhr MESZ laufen, können zunächst noch unangetastet
bleiben, bevor im Tagesverlauf gecheckt werden sollte, ob an der einen oder
anderen Stelle vorzeitig aufgehoben werden kann. Vor allem in Sachsen scheint
eine Laufzeit bis Mitternacht nicht nötig zu sein.

Richtung Norden und Westen verläuft der heutige Tag recht unspektakulär. Die
einfließende erwärmte Meeresluft polaren Ursprungs (T850 um 7°C) entpuppt bis
maximal 700 hPa als leicht labil geschichtet, was mit Unterstützung des
Tagesgangs einzelne Schauer auf den Plan ruft. Als Hemmfaktor agiert allerdings
die weit nach Nordwesten reichende mittelhohe und hohe Schichtbewölkung des
Regengebietes, so dass man erst mal sehen muss, was am Ende herauskommt. Für
Gewitter dürfte die Labilitätsfläche nicht hoch genug reichen (zu "warme"
Wolkenobergrenzentemperatur mit über -10°C), vielleicht treten hier und da mal
ein paar wenige Blitze ("gewittriger Schauer") auf, auch wenn die
Wahrscheinlichkeit gering ist.

Auf der Suche nach Sonnenschein sollte man sich am ehesten Richtung Nordsee
orientieren, zum ganztägigen Sonnenbaden wird es wohl aber nicht reichen. Keine
großen Sprünge auch bei der Temperatur, die im Westen und Nordwesten mit rund
20°C das landesweite Maximum aufweist. Dort, wo es weiter regnet, stehen 12 bis
16, im Nordosten vielleicht bis zu 18, in einigen Alpentäler kaum 10°C auf der
Karte.

In der Nacht zum Mittwoch füllt sich das hochreichende Tief über Norditalien
mehr und mehr auf, während das andere Tief über der westlichen Nordsee etwas
Boden nach Süden gutmacht. Der zugehörige Trog bzw. dessen diffluente
Vorderseite greift zunehmend auf den Nordwesten des Vorhersageraums über, was
mit einer beginnenden Anfeuchtung und Labilisierung der maritimen Luftmasse
einhergeht. Gleichzeitig nähert sich die teilokkludierte Kaltfront des
Bodentiefs, so dass die Bewölkung im Nordwesten zunimmt und vornehmlich über und
an der Nordsee am frühen Morgen der eine oder andere (gewittrige?) Schauer
niedergeht.

Ansonsten baut sich die Dauerregenlage weiter ab, das letzte Aufbäumen des
Gegenstroms verblasst zusehends. Am längsten regnet und schneit es staubedingt
am östlichen Alpenrand, wo vielleicht noch mal 5 bis 10 l/m², vereinzelt bis 15
l/m² innert 12 h zusammenkommen. Dort, wo die Wolkendecke mal für längere Zeit
auflockert (Westen/Südwesten, Teile der Mitte), bildet sich stellenweise Nebel.
Die Temperatur geht je nach Bewölkung auf 13 bis 7°C, in der Eifel punktuell
vielleicht bis auf 5°C zurück. Nur direkt an der See, wo das warme
Oberflächenwasser Wirkung zeigt, bleibt es milder.

Mittwoch... kehren sich die Verhältnisse um. Die wetteraktivste Zone verlagert
sich in den Westen und Nordwesten, während der Süden und Südosten regentechnisch
erstmal durchatmen können. Hauptverantwortlich für die morgige Entwicklung
zeichnet unser hochreichendes Tief FRANZ, das mit etwas unter 1005 hPa im Kern
via Forties das Seegebiet Fisher westlich der Kimbrischen Halbinsel ansteuert.
Davon ausgehend erstreckt sich weiterhin ein Höhentrog in südöstlicher Richtung,
der das Potenzial bei uns niedrig hält. Seine Auswirkungen sind aber durchaus
unterschiedlicher Art. Im Westen und Nordwesten wird unter der diffluenten, im
Tagesverlauf zunehmend aufsteilenden südwestlichen Höhenströmung ordentlich PVA
angeboten, die entsprechende Hebungsimpulse liefert. Hinzu kommt eine weitere
Labilisierung der maritimen Luftmasse, die zwar nicht mordsmäßig ausfällt (T500
um -19°C über T850 um +7°C), dafür aber weitgehend ungedeckelt daherkommt. Erst
wenn man weiter östlich und südlich schaut, lässt sich zwischen 650 und 600 hPa
eine leichte Sperrschicht detektieren. Wie auch immer, Labilität und Feuchte
reichen aus, um mit Hilfe von etwas Einstrahlung ein mäßiges CAPE-Paket zu
schnüren (wenige hundert Joule pro Kilogramm). Das genügt, um konvektive
Umlagerungen zu entfachen, zunächst meist in Einzelform, später mit Übergreifen
der Front und etwas verbesserten Scherungsbedingungen teils auch organisiert
(Liniensegmente, nach AROME sogar eine längere durchbrochene Linie). Neben
Schauern respektive schauerartigem Regen gehen auch einige Gewitter an den
Start, die im Wesentlichen markanten Kriterien genügen: kleinkörniger Hagel,
Böen 7-8 Bft und/oder Starkregen von 15 l/m² oder etwas mehr pro Stunde (bei
PPWs teils über 20 mm ist die Schwelle trotz Mobilität und Bewegung der Zellen
schnell erreicht).

Je weiter nach Süden und Osten, desto unwahrscheinlicher sind Gewitter. Neben
der schon erwähnten Sperrschicht ist die Luftmasse weniger labil und teilweise
sind auch noch Reste der stratiformen Bewölkung vor Ort, die von Konvektion
naturgemäß nicht viel hält. Für einzelne Schauer könnte es im Tagesverlauf aber
reichen. Im Chiemgau und im Berchtesgadener Land müssen bis in die Mittagstunden
noch die Nachgeburten des stratiformen Regens ertragen werden, auch wenn der nur
noch leichter Intensität ist.

Bei wechselnder bis starker Bewölkung (im Südosten gebietsweise ganztägig
"dicht") kommt die Temperatur nur langsam aus dem Knick mit Tageshöchstwerten
zwischen 17 und 23°C, am Alpenrand und in den Mittelgebirgen darunter.

In der Nacht zum Donnerstag steht die Ost-Nordost-Passage des mittlerweile
scharf geschnittenen, leicht negativ geneigten Höhentrogs nebst vorgeschalteter
teilokkludierter Kaltfront auf dem Programm. Dabei kommt es zu schauerartigen
und teils gewittrigen Regenfällen, deren Intensität unterschiedlich ausfällt. Im
Süden, wo der Trog am schwächsten ausgeprägt ist, dürften die Regenmengen
relativ gering ausfallen bei gleichzeitig geringer Gewitterwahrscheinlichkeit.
Zur Mitte und nach Norden hin fallen gebietsweise 5 bis 10 l/m², lokal auch
etwas mehr mit punktueller Starkregengefahr. Zuvor ist es im Osten noch
teilweise aufgelockert und auch postfrontal (Rückgang T850 auf rund 4°C) reißt
die Wolkendecke an der einen oder anderen Stelle auf. 13 bis 7°C bleibt das Maß
der Dinge bei der Tiefsttemperatur, an der See naturgemäß etwas milder.

Donnerstag... braucht der inzwischen recht schmal konfigurierte Trog eine
gewisse Zeit, um über den Norden und Osten in Richtung Polen und Ostsee
hinwegzuschwenken. Entsprechend fällt dort am Vormittag weiterhin schauerartiger
und vereinzelt gewittriger Regen, bevor am Nachmittag deutliche
Abschwächungstendenzen erkennbar sind. Rückseitig dreht die Höhenströmung
landesweit auf West-Nordwest, wobei sich von Westen her ein flacher Rücken
nähert. Dieser ist das Resultat von WLA, die vorderseitig einer neuerlichen
Austrogung über dem nahen Atlantik generiert wird. Bei uns hat das leichten (und
kurzen) Zwischenhocheinfluss zur Folge, der sich im Druckfeld in Form eines von
Frankreich nach Süddeutschland gerichteten Hochkeils widerspiegelt. Zwischen dem
Keil und dem über der westlichen Ostsee zusehends dissipierenden Bodentief FRANZ
stellt sich ein leidlicher Gradient ein, der den westlichen Wind mitunter etwas
aufleben lässt. Außerhalb potenzieller Gewitter dürfte der Wind aber keine
Warnschwellen erreichen.

Bei gemischten Bewölkungsverhältnissen mit limitierten Sonnenanteilen (Inversion
zwischen 800 und 700 hPa, an der Quellbewölkung breitläuft) stehen
Temperaturmaxima von lediglich 16 bis 22°C auf dem Zettel.

Am Abend und in der Nacht zum Freitag erreicht uns zwar der flache Rücken, was
das rückseitige Frontensystem, genau genommen die Warmfront aber nicht daran
hindert, ebenfalls bei uns aufzuschlagen. Angefacht durch die o.e., den Rücken
überlaufende WLA zieht zunächst mehrschichtige Bewölkung auf, bevor es im Westen
und Südwesten anfängt zu regnen. Die Tiefstwerte liegen zwischen 14 und 8°C +
marinen Aufschlag direkt an der See.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren die Entwicklung sehr ähnlich. Das beantwortet aber noch
nicht die Frage, wie die genau das konvektive Geschehen in Verbindung mit dem
Trog am Mittwoch und Donnerstag im Detail abläuft.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann