DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

25-08-2023 08:30
SXEU31 DWAV 250800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 25.08.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: TrW (Trog Westeuropa)

Heute und kommende vielerorts teils kräftige Gewitter bis hin zu Unwettern. Am
Samstag nur noch im Süden und Südosten Gewitter, die später in Stark- und noch
später (Nacht zum Sonntag) in mehrtägigen Dauerregen übergehen.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
--------------------------------------------------------------
Freitag... befindet sich Deutschland nach wie vor auf der Vorderseite eines
positiv geneigten Höhentrogs über dem nahen Atlantik. Das zugehörige Drehzentrum
liegt nahezu ortsfest über Schottland und auch dem Trog selbst ist zumindest
heute der Begriff "Beweglichkeit" ein Fremdwort. Oder anders ausgedrückt, er
schwenkt nur in infinitesimalen Schritten gen europäisches Festland.
Entsprechend wenig tut sich bei uns an der südwestlichen Höhenströmung, die
zyklonal und leicht diffluent strukturiert ist. Dabei schwenken immer wieder in
den Potenzialkarten mit bloßem Auge nicht erkennbare flache Troganteile von
Südwest nach Nordost, die zwar keine mordmäßige Dynamik entfachen, für den einen
oder anderen Hebungsimpuls aber allemal gut sind. Korrespondierend zum Höhentrog
hat sich am Boden eine größere, aus mehreren Kernen bestehende Tiefdruckzone
etabliert (DENIS I bis X), die von UK/Irland bis nach Südskandinavien respektive
zur Ostsee reicht. Deutschland liegt am Südrand in einem relativ flachen
Druckfeld (um 1010 hPa), das über den Alpen mit einem kleinen 1015-er-Hoch
abschließt. Komplettiert wird das Setup von einer feuchten und potenziell
instabilen Subtropikluft, deren fühlbarer Wärmegehalt im Süden und Südosten
(T850 am Mittag 17 bis 21°C) deutlich höher ist als im Nordwesten (T850 10 bis
13°C). Je nach Einstrahlung, die heute sehr unterschiedlich ausfallen wird, im
Süden und Osten aber ihr Maximum aufweist, kann sich mal mehr, mal weniger CAPE
aufbauen. Erstaunlicherweise sieht ICON-D2 die höchsten Werte im Westen und in
der Mitte, also dort, wo weniger Einstrahlung erwartet wird, womit die
Unsicherheiten losgehen. Plausibler ist da schon das zweite Maximum über
Südostbayern, das zunächst aber durch einen dicken Deckel, sprich ordentlich CIN
gesperrt ist.

So viel zu den atmosphärischen Rahmenbedingungen, jetzt der Versuch einer
Beschreibung des daraus resultierenden Wetterablaufs. Zunächst mal ganz in den
Süden, wo heute Morgen noch Reste nächtlicher Gewitteraktivität wirksam sind,
die aber alsbald der Geschichte angehören sollten. Von Westen ist aber schon
reichlich Nachschub unterwegs in Form eines Regen- und Gewitterclusters, der
heute Vormittag von Südwesten (BaWü, Südhessen, Teile von RP und Saarland) etwa
nördlich der Donau gen Nordbayern bzw. östlicher Mitte zieht. Aufgrund der
abgehobenen Struktur ("elevated") steht Starkregen klar im Vordergrund
begleitender Parameter, während Wind/Sturm und Hagel noch nicht so richtig zum
Zug kommen. Etwas abgesetzt nach Norden treten in NRW und auf belgischer Seite
ebenfalls Gewitter auf, die sich am Vormittag vermehren und intensivieren sollen
und dabei ost-nordostwärts ziehen. Hier gilt es auf sämtliche Parameter zu
achten, wobei auch erste Unwetter nicht ausgeschlossen sind (der
Organisationsgrad auf belgischer Seite ist gut). So oder so, für das warnende
Personal gelten die typischen Gesetzmäßigkeiten des Nowcastings.

Im weiteren Verlauf des Tages kommt es dann zu weiteren Gewittern, deren
Schwerpunkt nach ICON-D2 nördlich der Mittelgebirgsschwelle liegen soll, wo sich
allmählich die schleifende Kaltfront der o.e. Tiefdruckzone nähert.
Hundertprozentig verlassen sollte man sich darauf aber nicht, die
Schwierigkeiten der Modelle eine weit im Vorfeld adäquate räumliche Platzierung
hinzubekommen, sind bekannt (siehe gestern). Fakt ist, dass die
Scherungsbedingungen gut sind für organisierte Konvektion bis hin zu Superzellen
und auch der Tagesgang sorgt mit dafür, dass einige Gewitter nun kräftiger
ausfallen können bis hin zu lokalen Unwettern durch heftigen Starkregen und
größeren Hagel (um 3 cm). Auch sind (schwere) Sturmböen 9-10 Bft, vielleicht
orkanartige Böen 11 Bft möglich und selbst ein Rüssel bzw. das "T-Wort" sind
angesichts niedriger HKNs und leicht gekurvter Hodographen nicht gänzlich
ausgeschlossen.

Thermisch geht´s im Süden und Osten noch mal hoch auf rund 30°C, während es im
Nordwesten nicht mehr für 25°C reicht.

Am Abend und in der Nacht zum Samstag tut sich an der GWL nicht viel. Es spricht
Vieles dafür, dass uns (oder besser den Nachtdiensten) der Tagesgang nicht in
die Karten spielt, sprich, mit einer erhöhten Wetteraktivität zu rechnen ist.
Weniger im Norden, wo sich von Nordwesten her langsam stabilere und trockenere
Luft breitmacht und die anfänglich ganz im Norden noch auftretenden
(Stark)Regenfälle und kräftigen Gewitter zur Ostsee und nach Südskandinavien
rausdrückt. Für den Süden und die Mitte hingegen simuliert ICON-D2 neue, teils
linienhaft organisierte Konvektion mit Unwettergefahr. Es gibt Andeutungen, dass
Regen und Gewitter strichweise in mehrstündigen Starkregen um 30 l/m², örtlich
auch mehr, übergehen. Schlussendlich wir uns auch hier nichts groß anderes
übrigbleiben, als das Ganze auf Sicht in situ abzuwarnen.

Samstag... schwenkt der Trog etwas dichter an den europäischen Kontinent heran,
wodurch die südwestliche Höhenströmung bei uns etwas aufsteilt. Sie ist nach wie
vor zyklonal konturiert, allerdings nicht mehr so diffluent. Hinzu kommt
insbesondere nach Norden hin leichte KLA, so dass nicht mehr so viele
synoptisch-skalige Hebungsimpulse auftreten wie heute. Dazu passt, dass die
Kaltfront trotz flauer Druckverteilung Boden nach Südosten hin gutmacht, wodurch
sich rückseitig die deutlich trockenere und stabilere Meeresluft weiter
ausbreiten kann. Entsprechend stellt sich morgen in weiten Teilen der
Nordwesthälfte eine weitgehend trockene Mischung aus Wolken und sonnigen
Abschnitten ein bei 20 bis 24°C, nach Osten hin noch mal bis zu 27°C. Eine
kleine Ausnahme von der Regel gilt es im äußersten Nordwesten, besonders in
Nordseenähe zu erwähnen, wo ein kleiner Randtrog des nahegelegenen Höhentiefs
durchschwenkt und dabei für eine Labilisierung sorgt. Die Folge sind Schauer und
einzelne kurze Gewitter.

Im Süden und Südosten erfolgt noch kein echter Luftmassenaustausch, auch wenn
sowohl der fühlbare als auch der latente Wärmegehalt gegenüber heute
zurückgehen. Zunächst mal gilt es die Reste der nächtlichen Regenfälle und
Gewitter zu verabschieden, was im Laufe des Vormittags weitgehend gelingen
sollte. Der Fokus liegt typisch für die Tageszeit auf Starkregen. Großartig
erholen kann sich die Luftmasse danach wahrscheinlich nicht, weil viel Bewölkung
simuliert wird. Etwas CAPE wird aber trotzdem generiert und wenn es vielleicht
auch nicht für die Eigenproduktion reicht, gibt es ja nette Nachbarn, die uns
ihre Produkte gerne zur Verfügung stellen. Im morgigen Fall sind es - zumindest
wenn es nach ICON-D2 geht - die Schweizer, die uns zum Nachmittag einen
Gewittercluster oder einige organisierte Zellen rüberschicken, wo sie sich via
Hochrhein, Bodensee und Alpenvorland ostwärts verlagern. Je weiter im Osten
(also Südostbayern), desto höher die Unwettergefahr.

In der Nacht zum Sonntag kommt die Front im Süden ins Schleifen, wodurch es zu
weiteren Regenfällen kommt. Diese werden vor allem anfangs noch mit Gewittern
durchsetzt sein (bzw. es treten isolierte Gewitter auf) und auch
Starkregensegmente (strichweise mehrstündig) aufweisen, bevor das Ganze ganz
allmählich in eine sehr lange, wahrscheinlich bis in den Dienstag anhaltende
Dauerregenphase übergeht. Auch wenn noch gewisse Verschiebungen möglich sind,
kann man derzeit davon ausgehen, dass bis Dienstagmittag südöstlich einer Linie
Hochrhein-Lausitz Regenmengen der Größenordnung 40 bis 60 l/m², von Oberschwaben
bis zum westlichen Oberbayern 60 bis 90 l/m² (Unwetter), im Allgäu vielleicht
etwas über 100 l/m² runterkommen.

Im großen Rest des Landes beruhigt sich das Wetter, teilweise lockert es auf, es
bilden sich ein paar Nebelfelder. An der Nordsee können noch ein paar Schauer
auftreten.

Sonntag... tropft der Höhentrog über den Pyrenäen bzw. Katalonien ab.
Vorderseitig wird zwischen Ballermann und Sardinien eine Zyklognese angestoßen,
dessen resultierendes Tief zum Ligurischen Meer zieht. Derweil nähert sich das
nördliche Trogresiduum dem Vorhersageraum an, bleibt mit seiner Achse aber noch
knapp westlich von uns. Das ist insofern von Bedeutung, als dass wir dadurch
unter einer nun noch etwas steileren südwestlichen Höhenströmung verweilen. In
der unteren Troposphäre etwa bis 850/800 hPa hinauf dreht der Wind im Süden und
Südosten auf Nordwest bis Nord, wodurch dort eine 1a-Gegenstromlage induziert
wird. Sie sorgt dafür, dass der gebietsweise ergiebige Dauerregen weiter anhält
und sich noch etwas nach Nordwesten ausweitet. Wo genau die Niederschlagskante
verlaufen und enden wird, ist ebenso noch mit gewissen Fragezeichen versehen wie
die genauen Intensitäten.

Fakt ist, dass im Westen und Nordwesten durch die Nähe zum Residuum eine
Labilisierung einsetzt, die Schauer und kurze Gewitter zur Folge hat. Zwischen
den beiden wetteraktiven Zone kristallisiert sich ein weitgehend trockener
Korridor mit kompensatorischem Absinken heraus, der Vom Kraichgau/Südpfalz bis
in den Nordosten reicht. Temperaturmäßig reicht es nur noch für 18 bis 24°C, bei
Dauerregen noch darunter.

Modellvergleich und -einschätzung
--------------------------------------------------------------
Die geschilderte Entwicklung als solche ist unstrittig. Unsicher sind Timing,
räumliche Verteilung und Intensität der bevorstehenden Gewitter und Regenfälle.
Für den Westen und Norden wurde eine Vorabinfo geschaltet, für den Süden
(Abend/kommende Nacht) wurde darauf verzichtet (am Mittag evtl. eine
Neubewertung). Spätestens am Samstag erfolgt die Ausgabe einer länger
andauernden Dauerregenlage (teils markant, teils Unwetter).

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann