DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

24-08-2023 08:01
SXEU31 DWAV 240800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 24.08.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Übergang zu TrW (Trog Westeuropa) respektive SWz (Südwest zyklonal)

Umstellung der Großwetterlage - von heute bis Samstag Regenfälle und teils
kräftige Gewitter bis hin zu Unwettern. Details aber noch sehr unsicher.


Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... Eines ist heute mal ganz klar: Nicht ist so unklar wie die
kurzfristige Wettervorhersage. Da können die Basisfelder modellübergreifend noch
so kongruent ausfallen, auf den daraus resultierenden Wetterablauf trifft das so
gar nicht zu. Dabei ist vollkommen unstrittig, dass wir in den nächsten Tagen
eine Umstellung der GWL erleben werden. Über das Wie gehen die Meinungen aber
noch stark auseinander. Doch der Reihe nach.

Zunächst mal zur großräumigen Ausgangslage, die geprägt ist von einem breiten,
aber relativ flachen Höhenrücken, der von Südwest- bis nach Mitteleuropa reicht.
Angefüllt mit reichlich Heißluft deckt er noch eine inzwischen etwas schwammig
daherkommende Hochdruckzone (NIVES), die nun bald mehr und mehr von Druckfall
aufgezehrt wird und sich dadurch Richtung östliches Mitteleuropa verlagert.
Verursacher des Druckfalls ist das hochreichende Tief DENIS mit Kern etwas unter
1010 hPa dicht bei den Hebriden, vom dem aus sich ein stark positiv geneigter
Höhentrog nach Südwesten erstreckt, wo in wenigen Stunden unweit der Azoren eine
Abtropfung erfolgt. Im Bodendruckfeld reicht aktuell eine lange Tiefdruckrinne
vom Tief aus bis zur Iberischen Halbinsel, Tendenz langsam ostwärts verlagernd.
Damit wird rasch klar, dass wir uns auf Kurs in Richtung zyklonal befinden, was
auch beim Blick auf die Remote-Sensing-Daten schnell deutlich wird. So hat ein
kleines Gebiet mit schauerartigem Regen und vereinzelten eingelagerten Gewittern
auf Westdeutschland übergegriffen, das im Laufe des Vormittags unter leichter
Abschwächung über die Mitte ostwärts schwenkt. Gekoppelt ist der Regen an einen
flachen Randtrog, der den Rücken gen Osten überläuft und dabei für etwas
synoptisch-skalige Hebung sorgt. Wenn man so will ein Appetizer, der "Lust" auf
mehr macht.

Rückseitig des Regengebietes folgt eine Zone mit aufgelockerter Bewölkung, in
der es für ein paar Stunden einstrahlen kann. Dadurch kann sich die vor allem in
der südlichen Mitte und im Süden lagernde potenziell instabile Subtropikluft (je
weiter südlich, desto steiler die Lapse-Rates) energetisch hervorragend
aufbereiten. Vor allem südlich von Main und Mosel kann ´ne Menge CAPE generiert
werden, laut ICON-D2 ganz im Süden bis zu 3000 J/kg MU-CAPE. Allerdings gehört
auch zur Wahrheit, dass die Luftmasse stark gedeckelt ist und es nicht einfach
sein wird, diesen Deckel zu sprengen. Das Bergland allein wird dazu wohl nicht
ausreichen und tatsächlich sind sich ICON-D2 von 03 UTC und SuperHD von 00 UTC
dahingehend einig, dass bis zum frühen Abend in Bayern und BaWü so gut wie noch
nichts passieren soll (die Vorläufer von ICON-D2 haben das noch anders gesehen).
Hundertprozentig verlassen kann man sich darauf freilich nicht. So ist z.B. das
französische AROME deutlich progressiver aufgestellt (Gewitter im Süden schon am
Nachmittag). Außerdem haben wir gelernt, dass die Atmosphäre mitnichten immer
das macht, was am Reißbrett (also von den Modellen) so konzipiert wird. Vor
allem auf den Schwarzwald und die Schwäbische Alb sowie auf die benachbarten
Vogesen sollte man ein besonderes Auge haben. Sollte es tatsächlich zünden, kann
es gleich gehörig abgehen. Starkregen (teils heftig) und Hagel sind ebenso
möglich wie (schwere) Sturmböen 9-10 Bft (trockene Grundschicht).

Auf alle Fälle ist sicher, dass am Nachmittag der nächste Sekundärtrog und damit
die nächste Fuhre schauerartigen Regens mit Gewittern auf den Westen und
Nordwesten sowie Teile der Mitte übergreift. Regen und Gewitter sind schon heute
Morgen gut zu erkennen über Frankreich, wo sich ein richtiger Cluster gebildet
hat. Dabei gilt, je weiter südlich in dem Regengebiet, desto wahrscheinlicher
sind Gewitter. Die können bei zunehmend verbesserten Scherungsbedingungen
durchaus kräftig ausfallen mit markantem Starkregen, (kleinem) Hagel und Böen um
8 Bft. Dass lokal auch Unwetter mit am Start sein könne, lässt sich angesichts
der guten Organisation des Clusters nicht wegdiskutieren.

Thermisch wird heute noch mal ordentlich geklotzt mit 29 bis 35°C in der
Südhälfte sowie der östlichen Mitte, auch wenn der erste Regen und die
dazugehörige Bewölkung zunächst dämpfend auf die Erwärmung wirken. Nach Norden
und Westen hin wird es mit 25 bis 30°C ohnehin nicht so heiß. Ganz im Norden
wird noch nicht mal ein Sommertag erreicht.

Am Abend und in der Nacht zum Freitag schwenkt der Höhentrog langsam gen
Kontinent, was die südwestliche Höhenströmung bei uns leicht rückdrehen lässt.
Der Druckfalls setzt sich fort, wodurch die inzwischen etwas in die Breite
gegangene Rinne nahezu vollständig auf den Vorhersageraum übergreift. So weit,
so gut. Ansonsten nimmt die Unstimmigkeit unter den hochauflösenden Modellen
weiter zu, was natürlich alles andere als erfreulich ist. Zunächst mal ziehen
der schauerartige Regen und die Gewitter vom Nachmittag über den Norden und die
Mitte gen Osten, wobei sich das Ganze abschwächen soll - macht Sinn angesichts
der "ungünstigen" Tageszeit sowie in Ermanglung dynamischer Unterstützung.

Die große Frage ist, was genau passiert im Süden, in der energieträchtigsten
Luft. Laut AROME nicht mehr viel, offensichtlich hat sich das Modell schon
tagsüber verausgabt. Bei ICON-D2 und SuperHD sieht die Sache schon anders aus,
auch wenn es hinsichtlich Timings, räumlicher Verteilung und Geometrie der
aufziehenden Gewitter noch größere Meinungsverschiedenheiten gibt. Es liegen
aber klare Signale vor, dass entweder mehrere Superzellen oder vielleicht auch
ein Cluster respektive ein MCS von Westen (teils als Importware aus
Ostfrankreich) her durchziehen. Neben Starkregen von weit über 25 l/m² innert
kurzer Zeit sind auch größerer Hagel und (schwere) Sturmböen 9-10 Bft möglich
(selbst noch stärkere Böen bis zu 120 km/h können nicht gänzlich ausgeschlossen
werden). Energetisch ist trotz dunkler Tageszeit noch ausreichend MU-CAPE
vorhanden, dazu verbessern sich die Scherungsbedingungen und auch die dämpfende
Wirkung des nach Osten abwandernden Rückens lässt immer weiter nach.

Und als ob das nicht schon reichen würde, deuten sich in der zweiten Nachhälfte
im Westen neue Gewitter an, die unter der flatternden SW-Strömung wahrscheinlich
an den nächsten flachen KW-Trog gekoppelt sind. Hinsichtlich Organisation,
genauer Positionierung und Intensität stehen noch Fragezeichen, von "markant"
sollten wir aber allemal ausgehen. Anhänger tropischer Nächte sollten die
folgende Nacht noch mal "genießen" (Mitte/Süden, im Norden kühlt es auf meist
auf unter 20°C ab), es könnte möglicherweise die letzte des Jahres sein.

Freitag... nähert sich der Trog weiter an, was die Höhenströmung noch etwas mehr
aufsteilen lässt. Derweil verlagert sich der Hauptkern des Tiefs DENIS zur
nördlichen Nordsee. Schlussendlich befinden wir uns aber inmitten einer größeren
Tiefdruckzone, die weite Teile von Nord- und Ostsee nebst Südskandinavien
überdeckt und bis zu uns nach Deutschland reinreicht. Dort befinden wir uns in
einem breiten Warmsektor, der im Grunde landesweit mit feuchter und potenziell
instabiler Subtropikluft angefüllt ist, auch wenn diese im Südosten deutlich
mehr fühlbare Energie aufweist als im Nordwesten (T850 am Mittag bei rund 11°C
an der Nordsee und bis zu 22°C im Chiemgau). Die schleifende Kaltfront greift
nur sehr zögerlich auf den Nordwesten über, wo aber trotzdem die meiste
Bewölkung vorliegt und die Temperatur auch keine 25°C mehr erreicht.

Was den genauen Wetterablauf angeht, tut sich der Verfasser äußerst schwer, an
dieser Stelle konkrete Akzente zu setzen. Okay, nach Abzug der nächtlichen
Gewitter scheint vor allem nach Südosten hin für einige Zeit die Sonne (=> noch
mal über 30°C), bevor sich im Tagesverlauf einige kräftige Gewitter bis hin zu
Unwettern entwickeln können. Es fällt aber auf, dass insbesondere ICON-D2
diesbezüglich sehr zurückhaltend agiert. Mal sehen, was die Folgeläufe so zutage
fördern. Ansonsten besteht unter der nach wie vor flatternden, leicht diffluent
konturierten Südwestströmung mit Unterstützung des Tagesgangs jederzeit und
überall die Möglichkeit für Gewitter, die in der Basis markant ausfallen, lokal
aber die Unwetterschwelle überschreiten können (Hagel/Starkregen). Auf der
anderen Seite wird es aber Regionen geben, wo wenig oder nix passiert. Der
Klassiker halt, der vor allem bei Planern von Outdoor-Veranstaltungen so sehr
beliebt ist.

In der Nacht zum Samstag tut sich relativ wenig an der GWL. Insbesondere im
Süden und in der Mitte wird es eine unruhige Nacht mit weiteren, teils kräftigen
Gewittern bis in den Unwetterbereich. Details erspart sich der Hoffmann aufgrund
der heterogenen Modelloutputs. Im Westen und Nordwesten zeichnet sich eine
Beruhigung, weil dort die Luftmasse mit Winddrehung auf West ausgetauscht wird.
Die frische Meeresluft ist trockener und stabiler, so dass Schauer und Gewitter
mit Ausnahme der nordseenahen Gebiete (diabatisch getriggerte Hebung) immer
weniger werden.

Samstag... verbleiben wir auf der Vorderseite des o.e. Höhentrogs unter der nun
noch etwas steileren, leicht zyklonal konturierten und nach wie vor flatternden
Südwestströmung. In flauer Druckverteilung südlich der Tiefdruckzone mit Kernen
über Südskandinavien mogelt sich die Kaltfront mehr schlecht als recht mehr und
mehr in den Südosten des Landes, wohin sich auch der Schwerpunkt der
Wetteraktivität verlagert. Trotz allmählich zunehmender Stabilität muss noch von
einzelnen kräftigen Gewittern ausgegangen werden, auch wenn der Trend zunehmend
in Richtung gewittrige oder ungewittrige Regenfälle geht. Vor allem südlich der
Donau könnte es dabei zu mehrstündigem Starkregen kommen, vielleicht sogar
unwetterartig (>35 l/m² innert 6 h). Die Regenfälle im Süden und Südosten dauern
auch in der Nacht und wahrscheinlich noch darüber hinaus an, so dass ein
nahtloser Übergang von einer Stark- hin zu einer Dauerregenlage zu erwarten ist.


Darüber hinaus gilt es zu konstatieren, dass sich im Nordwesten, wo etwas
Höhenkaltluft eingespült wird (T500 um -20°C über +7°C auf 850 hPa) einzelne
Schauer oder kurze Gewitter entwickeln. Ansonsten kristallisiert sich zwischen
den beiden wetteraktiven Zonen ein von Westdeutschland bis in den Nordosten
reichender Korridor heraus, in dem Sonne und Wolken miteinander harmonieren und
es weitgehend trocken bleibt.

Während im Osten und Süden noch mal teils schwüle 23 bis 28°C erreicht werden,
sind es im Nordwesten nur noch 19 bis 23°C.

Modellvergleich und -einschätzung
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Über die Performance der Modelle wurde schon ausreichend philosophiert. Heißt
auch, dass wir Vieles auf uns zukommen lassen müssen, um es dann operativ
abzuwarnen. Spätestens am Mittag wird eine Vorabinformation für schwere Gewitter
ab dem Spätnachmittag/Abend für Teile Süddeutschlands ausgegeben.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann