DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

16-08-2023 08:01
SXEU31 DWAV 160800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 16.08.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Hoch Nordmeer zyklonal (HNz), Übergang zu Hoch Nordmeer-Fennoskandien
antizyklonal (HNFa)

Wetter: Weiterhin schwül und im Süden sehr warm. Abgesehen von äußersten Norden
und Nordwesten teils heftige Gewitter mit hohem Unwetterpotential vor allem
durch Starkregen.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... liegt Deutschland auf der Vorderseite eines Langwellentroges mit
einer Achse über der Biskaya und Spanien. Ein Höhenrücken befindet sich dagegen
über dem Osten Europas. Ebenso erwähnenswert ist noch ein Höhentief über dem
nördlichen Balkan. Dieses zieht langsam nordwärts und nähert sich dabei dem
Langwellentrog an, dessen Achse wieder langsam ostwärts schwenkt, so dass es
allmählich mit dem Trog zusammenwächst. Über großen Teilen Deutschlands herrscht
eine leicht konfluente südwestliche Höhenströmung, die aber nicht allzu stark
ist. Heute läuft in dieser Strömung auf der Vorderseite der Haupttrogachse ein
flacher Rücken nordostwärts, so dass wir vorübergehend in ein antizyklonales
Umfeld geraten mit leichter Absinktendenz. Über dem Südosten Deutschlands, im
Übergangsbereich zum Höhentief, ist die Höhenströmung generell schwach. Bodennah
gewinnt im Tagesverlauf immer mehr ein Hochdruckgebiet an Einfluss, das einen
Kern über dem Nordmeer ausbildet und einen Keil über die Ostsee ostwärts
erstreckt. An dessen Südrand dominiert in Deutschland schwacher, tagsüber mal
mäßig auflebender nordöstlicher Wind. Insbesondere über dem Süden Deutschlands
ist aber die Druckverteilung sehr flach.

Nach wie vor liegt Deutschland im Übergangsbereich unterschiedlicher Luftmassen,
wobei die Kaltfront am besten über dem Nordwesten Deutschlands zu analysieren
ist. Ganz im Nordwesten liegt dabei eine stabil geschichtete (vor allem zwischen
700 und 500 hPa) und warme (um 10°C in 850 hPa), dabei aber recht feuchte
Luftmasse. Über dem restlichen Land ist die Luftmasse weiterhin sehr feucht mit
spezifischen Grenzschichtfeuchten zwischen 11 und 14 g/kg und hochreichender
Feuchte, die in ppws teils um 40 l/qm resultiert. Die Temperatur in 850 hPa
steigt dabei kontinuierlich bis auf 18°C im Süden Deutschlands an.

In dieser Luftmasse werden heute im Tagesverlauf bei kräftiger
Sonneneinstrahlung wieder 1000 bis punktuell 2000 J/kg CAPE aufgebaut. Die
Scherung ist aber über dem Süden generell sehr gering, wenngleich
Richtungsscherung vorhanden ist. Zudem fehlen über dem Süden auslösende
Mechanismen aus der Synoptik, soll dass vor allem die Orographie herhalten muss.
Dort werden aber sicherlich wieder einzelne Gewitter entstehen, die bei
Zuggeschwindigkeiten um 30 km/h und bei dem hohen Wassergehalt vor allem
bezüglich des Starkregens Unwettergefahr bergen. Allerdings hat der gestrige Tag
gezeigt, dass auch die geringe Richtungsscherung für die Organisation kräftiger
Zellen ausreichen kann, so dass man mal größeren Hagel und schwere Sturmböen
keinesfalls ausschließen sollte.

Über der Mitte und der nördlichen Mitte reicht das CAPE meist nur bis in eine
Größenordnung bis um 500 J/kg, dort gibt es aber immerhin bis 15 m/s Scherung
bis 6 km. Auch dort können tagsüber wieder Gewitter ausgelöst werden, derzeit
ist die Modellwelt (abgesehen von Arome) aber recht zurückhaltend mit starken
und verbreiteten Entwicklungen. Nach aktuellem Stand sind es also eher einzelne
Entwicklungen, die aber in allen Parametern ocker werden können und angesichts
der hohen ppws und der potentiellen Organisation darf man auch Unwetter durch
heftigen Starkregen oder größeren Hagel, sowie schwere Sturmböen sicherlich
nicht ausschließen. Zudem könnte auch die starke Bewölkung die Entstehung der
erwarteten CAPE-Werte erschweren.

Im Nordwesten bleibt es bei quellbewölktem Himmel trocken und ruhig. Die
Höchstwerte liegen im Nordwesten allgemein bei 22 bis 25°C, sonst bei 25 bis
32°C mit den höchsten Werten am Hochrhein.

In der Nacht zum Donnerstag nähert sich der Langwellentrog von Frankreich her
und auf seiner Vorderseite überquert schon ein kleineres PVA-Maximum Deutschland
von Südwesten nach Nordosten. Dieses ist voraussichtlich an ein MCS gekoppelt,
dass bei der deutschen Modellkette ebenso zu finden ist wie auch bei GFS und
Arome, bei IFS schwächer und bei UK10 später. Nach dem Szenario der deutschen
Modellkette würde das MCS am Abend über dem Südwesten (Baden, Pfalz) entstehen
und in der Nacht bis etwas Sachsen-Anhalt nordostwärts ziehen. An ihm bestünde
hohe Starkregengefahr (mit simulierten Summen bis in den extremen
Unwetterbereich), aber auch größerer Hagel und schwere Sturmböen (auch hierfür
leichte Signale im ICON-D2-EPS) müssten ins Kalkül gezogen werden.

Im Süden wäre dann mit einem raschen Einschlafen der Gewittertätigkeit zu
rechnen (auch das wird recht übereinstimmend simuliert) und es könnte aufklaren.
Im Nordwesten bleibt es wolkig und trocken. Wo es länger aufklart, kann die
Waschküchenluftmasse bei windschwachen Verhältnissen wieder für Nebel sorgen,
wie auch heute früh schon. Die Tiefstwerte werden zwischen 18°C im Norden und
örtlich 9°C im Süden erwartet.

Donnerstag... findet das Höhentief im Osten endgültig Anschluss an den
Langwellentrog im Westen und wird von letzterem von Ungarn nordwärts nach Polen
gesteuert. Der Langwellentrog selbst erneuert sich durch einen neuen Trogvorstoß
nach Süden weit draußen auf dem Atlantik. Dieser übernimmt dann auch die Rolle
des Haupttroges. Die alte Trogachse propagiert dagegen langsam ostwärts und
erreicht bis zum Abend die Westgrenze Deutschlands. Diese ist insbesondere in
300 hPa sehr markant ausgeprägt. Bodennah ändert sich nicht viel an der
Druckverteilung. Das Hoch besitzt weiterhin seinen Schwerpunkt über dem
Nordmeer. Deutschland liegt an seiner Südflanke, so dass im Norden der
Nordostwind durchaus mal mäßig auffrischt. Nach Süden hin wird der Gradient
geringer, dort ist der Wind schwach und es können auch flache Druckminima
entstehen.

An der Verteilung der Luftmassen ändert sich im Vergleich zum Vortag nichts
Bedeutendes. Allenfalls kommt die sehr warme und feuchte Luft wieder leicht nach
Norden voran. Dort ist die Schichtung aber weiterhin recht stabil, nach Süden
hin dagegen zunehmend instabil und in der Luftmasse, die weiterhin mit ppws von
40 bis 45 l/qm hochreichend feucht ist, kann wieder CAPE von 1000 bis über 2000
J/kg aufgebaut werden. Die Scherung wird allgemein noch schwächer, lediglich im
Norden reicht es noch zu 10 bis 15 m/s hochreichender Scherung. Allerdings
besteht weiterhin Richtungsscherung in Bodennähe.

Wie könnte sich dabei das Gewitterszenario entwickeln? Das potentielle MCS würde
weiter nach Nordosten ziehen, dabei aber in ein immer stabileres Umfeld geraten,
so dass es sich abschwächen und in schauerartigen Regen umwandeln sollte.
Allerdings zeigt ICON-D2-EPS am Vormittag immer noch hohes Starkregenpotential
bis in den extremen Bereich. In den übrigen Regionen wäre dann aufgrund der
nächtlichen Gewitteraktivität erst mal die Luft raus. Sollte das MCS wider
Erwarten nicht auftreten, oder nicht so stark sein, müsste tagsüber wieder mit
Gewittern in ähnlicher Ausprägung wie am Vortag gerechnet werden. Sowohl im
Bereich der Front über der Mitte und nördlichen Mitte Deutschlands als auch
wieder über dem südlichen Bergland. Letztendlich zeigen auch fast alle Modelle
am Donnerstag tagsüber wieder entsprechende Gewitteraktivität. Lediglich der
ICON-D2-Hauptlauf zeigt tagsüber nicht mehr so viel, außer an dem nächtlichen
MCS, das im Nordosten kaum noch vorankommt. Gleiches gilt für SuperHD, welches
die Aktivität ebenso auf das MCS im Norden fokussiert. Letztendlich muss man zu
dem Schluss kommen: Nichts Gewisses weiß man nicht.

Das Niveau der Höchsttemperaturen bekommt im Vergleich zum Vortag einen leichten
Dämpfer, vor allem im Süden: Aktuell simuliert MOSMIX Höchstwerte zwischen 21°C
in Schleswig-Holstein und 31°C in Niederbayern. Je nachdem wie sich die Gewitter
verteilen, sind aber auch regional deutliche Abweichungen möglich, vor allem bei
anhaltenden Gewitterregenfällen können die Höchstwerte durchaus mal deutlich
niedriger ausfallen.

In der Nacht zum Freitag schwenkt die oben erwähnte Trogachse nach Deutschland
herein und in 300 hPa tropft sogar ein Höhentief ab, welches ins Allgäu zieht.
Damit gerät die Luftmasse auf jeden Fall gebietsweise tendenziell unter Hebung,
allerdings ist derzeit nicht absehbar, ob und wo es regionale
Gewitterschwerpunkte geben wird. Da aber kein Luftmassenwechsel ansteht, muss
weiterhin mit hoher Starkregengefahr bis in den Unwetterbereich gerechnet
werden. Die deutlichsten Signale hierfür bietet derzeit UK10 im Nordosten und im
Süden an.

Ansonsten kann es in allen Aufklarungsgebieten insbesondere vom Süden bis zur
Mitte wieder Nebel geben. Die Tiefstwerte liegen zwischen 18 und 13°C.

Freitag... zieht das abgetropfte Höhentief in 300 hPa weiter südostwärts
Richtung Adria. In 500 hPa ist dort noch ein Trog zu finden. Das östliche
Höhentief zieht dann über Ostpolen nordwärts. Zwischen diesen beiden Systemen
und dem neuen Langwellentrog auf dem Atlantik kann sich bei uns von Südwesten
her ein kleiner Rücken hereinschieben, der von Warmluftadvektion gestützt wird.
Das Bodenhoch etabliert zunehmend einen zweiten Schwerpunkt über Finnland, so
dass die Großwetterlage sich in Richtung HNFa umstellt. Mit gleichzeitigem
Druckfall über Westeuropa sorgt das für eine Winddrehung bei uns: Auf östliche
Richtung im Norden und auf Südost bis Süd im Südwesten. Dabei bleiben die
Windverhältnisse aber weiterhin schwach.

Trotz leichter Umstellung der Wetterlage, an der Luftmasse ändert sich nichts.
Die sehr feuchte Luftmasse weitet sich sogar noch bis in den Norden aus. Dort
ist aber weiterhin die Schichtung recht stabil und die Luftmasse mit um 12°C in
850 ha etwas kühler. Im Süden bleibt sie labil und in 850 hPa taucht wieder die
20°C-Isotherme auf. Damit werden durch Sonneneinstrahlung tagsüber wieder
gebietsweise 1000 bis 2000 J/kg CAPE aufgebaut, mit Schwerpunkten vor allem im
Süden und Osten des Landes.

Mit der Auslösung von Gewittern wird es aber immer schwieriger. Aus der Nacht
heraus leben vielleicht einzelne Gewitterreste noch weiter, im Norden eher als
schauerartiger Regen. Vielleicht leben in der Mitte und im Süden einzelne
Gewitterreste auch noch einmal auf. Wahrscheinlich ist aber eher, dass nur noch
über dem Bergland mit orographisch bedingter Hebung einzelne Gewitterzellen
entstehen. Zudem sorgt das Absinken von Westen her für eine allmähliche
Austrocknung der etwas höheren Atmosphärenschichten, was die Gewitterbildung
erschwert. Wo es noch zu Gewittern kommt, ist sicherlich Starkregen noch einmal
ein Thema, auch bis hin zu Unwettern. Auch Hagel ist sicherlich auf der Agenda,
Böen sollten bei der feuchten Luftmasse und weiter sich verschlechternden
dynamischen Bedingungen nicht mehr großes Thema sein.

Nach aktuellem Stand sollten insbesondere im Süden auch die Sonnenanteile sehr
hoch sein, im Norden geringer. Zusammen mit der sich wieder erwärmenden
Luftmasse erreichen die Höchstwerte meist 26 bis 34°C mit den höchsten Werten am
Kaiserstuhl. Ganz im Norden werden es 23 bis 25°C.

In der Nacht zum Samstag soll die Konvektion endgültig zusammenfallen. Dann
lockern die Wolken verbreitet auf und stellenweise kann sich wieder Nebel
bilden. Über den Britischen Inseln schwenkt ein markanter Kurzwellentrog
nordwärts und sorgt für Druckfall nordwestlich unseres Landes. Dabei zieht eine
Kaltfront mit Gewittern und heftigen Regenfällen über England und Frankreich
hinweg. Wir bekommen davon zweierlei mit: Zum einen frischt der Wind im
Nordwesten aus Südost auf, warnwürdige Böen sollten aber nicht auftreten. Zum
anderen ziehen vor allem ab der zweiten Nachthälfte durch WLA im Vorfeld der
Kaltfront hohe und später auch mittelhohe Wolken auf.

Nach dem heißen Tag und mit dem auffrischenden Wind im Westen liegen dort die
Tiefstwerte teils um 20°C. Ansonsten liegen die Tiefstwerte bei 18 bis 13°C.

Modellvergleich und -einschätzung
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Auf synoptischer Skala sind sich die vorliegenden Modelle recht ähnlich. Was im
Detail daraus gemacht wird, das ist insbesondere bezüglich der Gewitter doch
recht unterschiedlich. Letztendlich braucht es heute wieder viel Nowcasting.
Unklarheiten bestehen, weil:
Nicht ganz klar ist, was die dichte Bewölkung in der Mitte des Landes macht,
dies könnte die Entwicklung von Labilität deutlich reduzieren.
Nicht ganz klar ist, was das in der Folge für die Gewitter heute tagsüber
bedeutet.
Nicht ganz klar, wo und wann das MCS auftaucht und wie stark dieses ist.
Wie dieses die Luftmasse modifiziert und ggf. auch Auswirkungen auf die
synoptischen Strukturen hat, was wiederum die Prognose für die Folgetage weiter
erschwert.
Dementsprechend bestehen in der Kurzfrist erhebliche Unsicherheiten und auch
Szenarien, die derzeit nicht von den Modellen abgebildet sind, sind realistisch.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl.-Met. Peter Hartmann