DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

15-08-2023 17:01
SXEU31 DWAV 151800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 15.08.2023 um 18 UTC


SCHLAGZEILE:
Abgesehen vom Nordwesten wiederholt Gewitter, teils unwetterartig; vor allem
durch heftigen Starkregen. Darüber hinaus bis in die kommende Nacht hinein im
Südosten mehrstündiger und teils unwetterartiger Starkregen.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 06 UTC
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Aktuell ... liegt Deutschland an der Vorderseite eines von der nördlichen
Nordsee bis nach Galizien reichenden Troges und somit unter einer südwestlichen
Strömung. Mit dieser Strömung gelangt Subtropikluft in weite Teile Deutschlands.
Nur im Nordwesten und ganz im Westen hatte sich von der Nordsee her bereits
stabilere Luft durchgesetzt. CAPE (MU, KK) liegt in der feuchtlabilen Luft bei
1000 bis 2000, ganz im Osten bei ca. 2500 J/kg und der Gehalt an
niederschlagbarem Wasser bei 35 bis 45 mm. Ein nach Nordosten ablaufender
schwacher Kurzwellentrog generiert Hebung, so dass sich ausgehend von
Rheinland-Pfalz auf die Mitte übergreifend sowie weiter abgesetzt davon im Süden
vor allem aus den Alpen heraus teils heftige Gewitter entwickelten. Mangels
Scherung ist das Potential für Superzellen limitiert. Dort, wo noch etwas
Scherung vorhanden ist, weist die Luftmasse kaum noch Labilität auf.
Bereits ab Mittag erfassten im Bereich der Luftmassengrenze zwischen trockenerer
und stabiler Luft im Nordwesten und der feuchtlabilen Luft in den anderen
Gebieten eingelagerte erste Gewitter von den Mittelgebirgen westlich des Rheins
her den Westen Deutschlands. Diese Zellen fielen aufgrund fehlender
tagesgangsbedingter Unterstützung alsbald in sich zusammen, lebten aber ab dem
mittleren Nachmittag in Nord- und Osthessen wieder auf. In der wärmsten und
labilsten Luft (siehe o.g. Parameter) entwickelten sich dann verstärkt Gewitter
mit Unwettercharakter, wobei der Fokus hauptsächlich auf heftigem Starkregen
lag.

In der Nacht zum Mittwoch überquert der Kurzwellentrog auch den Nordosten
Deutschlands. Die Südwestströmung glättet sich nachfolgend. Mit diesem
Kurzwellentrog verlagert sich die Gewittertätigkeit über die Mitte Deutschlands
hinweg in den Nordosten, wobei dann warntechnisch eher auf mehrstündige
Starkniederschläge zu setzen ist. Diese sind zumindest in der ersten Nachthälfte
noch von Gewittern durchsetzt und können auch noch unwetterartige Mengen
ergeben.
Darüber hinaus induziert der im Süden etwas zurückhängende Kurzwellentrog über
dem Südosten Deutschlands kräftige Hebung. Hieran ist auch ein Höhentief über
Serbien beteiligt; beide Systeme interagieren leicht. Daher gehen die Gewitter
im Südosten in mehrstündigen Starkregen über, der durch Gewitter, die aus dem
Ostalpenraum heraus übergreifen, genährt wird. Innerhalb weniger Stunden können
unwetterartige Regenmengen zustande kommen, teils werden von hochauflösenden
Modellen konsistent über mehrere Läufe hinweg auch Signale für extrem hohe
Niederschlagssummen bis über 60 mm innerhalb weniger Stunden geliefert. Daher
ist für diese Gebiete eine Unwetter-Vorabinformation aktiv. Erst weit in der
zweiten Nachthälfte sollten die Niederschläge sich dort so weit abschwächen, so
dass dann keine Warnungen mehr erforderlich sind.
Im Nordwesten ist kaum noch konvektive Aktivität zu erwarten. Die dort
vorhandene trockenere und stabil geschichtete Luft setzt sich bis Mittwochfrüh
nahezu im gesamten Norden Deutschlands durch, so dass bis Mittwochfrüh zumindest
bis nach Mecklenburg die Konvektion zum Erliegen kommt.
Da die Luftmassengegensätze sehr gering sind, kann sich dort, wo es zuvor viel
geregnet hat, Nebel bilden.
Im Süden und Osten steht einigen Regionen eine Tropennacht mit Temperaturminima
nicht unter 20 Grad bevor.


Mittwoch ... stellt sich an der Vorderseite des dann auf die Pyrenäen
übergreifenden Troges eine relativ glatte, aber etwas aufsteilende südwestliche
Strömung ein. Aber auch in dieser Strömung lassen sich kurzwellige und relativ
hochfrequente Keil-Trog-Strukturen finden, die eher aus den diagnostischen
Feldern als aus der Geopotentialverteilung ableitbar sind. Diese generieren in
einem breiten Streifen vom Südwesten Deutschlands über die Mitte hinweg bis zur
Neiße erneut Hebung. Gegenüber heute erfolgt keine wesentliche Änderung der
Luftmasseneigenschaften; lediglich die bodennahe spezifische bodennahe Feuchte
liegt aufgrund der vorherigen Niederschlagstätigkeit auf etwas höheren Werten.
Somit dürfte ab dem Nachmittag, nach längerer Einstrahlung und wenn der
Tagesgang seine Wirkung entfaltet, zunächst im südwest- und süddeutschen
Bergland die Gewittertätigkeit einsetzen, die dann im Laufe des Abends bei
zunehmender Verclusterung den gesamten Südwesten erfasst und auch auf die Mitte
Deutschlands übergreift (was von ICON-EU gezeigt wird; ICON-D2 (und auch AROME)
belässt den Schwerpunkt der Konvektion über dem Südwesten. Erneut liegt der
Fokus auf heftigem Starkregen, wobei die Schwellenwerte für Unwetter mühelos
überschritten werden dürften. Dabei sind ähnliche Niederschlagssummen zu
erwarten wie dies heute der Fall war. Mangels Scherung dürfte größerer Hagel in
den Hintergrund treten, wobei derartige Ereignisse jedoch nicht ganz
auszuschließen sind.
Der Nordwesten und auch der Norden Deutschlands bleibt von konvektiven
Umlagerungen verschont. In diesen Gebieten hält sich stabil geschichtete
Nordseeluft, die aus einem dort und über den Britischen Inseln liegenden
ausgedehnten Bodenhoch ausfließt. In diesen Gebieten sind auch längere sonnige
Abschnitte am wahrscheinlichsten.
Die Tageshöchsttemperaturen erreichen 26 bis 31 Grad bei ausgeprägter Schwüle,
im Norden und Westen sind 20 bis 25 Grad zu erwarten.

In der Nacht zum Donnerstag regeneriert sich der über dem nahen Ostatlantik
liegende Trog, d.h. in einem Bereich, wo die Hauptachse des wetterbestimmenden
Troges bisher lag. Der bisherige Haupttrog wird als Kurzwellentrog nach
Nordosten gesteuert und erreicht bis Donnerstagfrüh Ostfrankreich. Vorderseitig
und somit über Deutschland steilt die Strömung auf. Vorlaufende kurzwellige
Anteile generieren Hebung, so dass die Konvektion in einem breiten Streifen von
den Mittelgebirgen westlich des Rheins über die Mitte Deutschlands hinweg bis
etwa zur Neiße nicht zur Ruhe kommt. Dabei dürften die Gewitter zusehends
verclustern und in anfangs gewittrigen und später ungewittrigen Starkregen
übergehen, wobei zumindest in der ersten Nachthälfte über mehrere Stunden hinweg
noch unwetterartige Regenmengen auftreten können. Bis Donnerstagfrüh schwächen
sich diese Strukturen unter weiterer Verlagerung nach Nordosten allmählich ab.
Bedingt durch einen schwachen Höhenkeil, der sich von Oberitalien zum
bayerischen Wald erstreckt, bleibt konvektiver Nachschub aus dem Alpenraum aus.

Im Norden und Nordwesten hält sich der Einfluss des über der Nordsee liegenden
Hochs, so dass dort das Absinken andauert und konvektive Umlagerungen
ausbleiben. Wie bereits in der Nacht zuvor kann sich dort, wo zuvor viel
Niederschlag gefallen ist, streckenweise Nebel bilden.

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Synoptische Entwicklung bis Freitag 06 UTC

Donnerstag ... greift von Frankreich kommend der o.g. Kurzwellentrog auf
Deutschland über. Dieser verlagert sich rascher in unteren und mittleren
Troposphärenschichten als in höheren Niveaus. Im 300 hPa liegt dessen Achse am
Abend gerade erst über dem Westen Deutschlands. Dieser Trog lässt die Konvektion
erneut aufleben, wobei konvektive Umlagerungen aufgrund der aufsteilenden
Strömung etwas weiter nach Norden ausgreifen. Wie weit die Gewitter sich nach
Norden ausweiten, ist noch unsicher. Sehr wahrscheinlich bleibt wie bereits an
den Vortagen der Küstenbereich hiervon verschont. Hinsichtlich der
Begleiterscheinungen dieser Gewitter ändert sich gegenüber den Vortagen nur
wenig. Auch in Bezug auf die zu erwartenden Höchsttemperaturen sowie die Schwüle
in weiten Teilen Deutschlands ergibt sich keine wesentliche Änderung.
In der Nacht zum Freitag verlagert sich mit dem weiter nordostwärts schwenkenden
Kurzwellentrog der Schwerpunkt der Konvektion in den Nordosten Deutschlands,
wobei eine zunehmende Verclusterung und später ein Übergang in mehrstündigen und
ungewittrigen Starkregen erfolgt. In der ersten Nachthälfte sind noch Unwetter,
zum Teil auch durch mehrstündigen Starkregen, möglich. In den anderen
Landesteilen und somit im weitaus größten Teil Deutschlands sollte dann eine
Wetterberuhigung erfolgen.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle stützen weitgehend die oben beschriebene Entwicklung.
Anhand der synoptischen Basisfelder lassen sich keine prognoserelevanten
Unterschiede ableiten. Auf die unterschiedlichen Ergebnisse der
Niederschlagsprognosen für den morgigen Tag ist bereits weiter oben hingewiesen
worden.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann