DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

15-08-2023 09:01
SXEU31 DWAV 150800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 15.08.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Südwest zyklonal (SWz), Übergang zu Hoch Nordmeer zyklonal (HNz)

Äußerst schwüles, im Süden und Osten auch heißes Wetter mit hoher Gewittergefahr
vor allen entlang einer Luftmassengrenze in der Mitte des Landes. Auch im Süden
einzelne schwere Gewitter mit hohem Starkregenpotenzial. Lokal unwetterartige
Entwicklungen.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Am heutigen Dienstag... befindet sich Deutschland weiterhin auf der Vorderseite
eines Langwellentroges über Westeuropa in einer zyklonal konturierten und
konfluenten südwestlichen Höhenströmung. In diesen Langwellentrog ist ein
Höhentief eingebettet, das heute von der Ostküste Schottlands nach Südnorwegen
zieht. Vom Schwarzen Meer bis zum Baltikum erstreckt sich dagegen ein
Höhenrücken. Ein flaches Höhentief liegt noch über dem Balkan. Insgesamt sind
aber der Jahreszeit entsprechend die Geopotentialunterschiede nicht überbordend.
Bodennah zeichnet sich das über die nördliche Nordsee ziehende Tief (namens
Bernd), ebenso ab, es weist auch einen recht kräftigen kleinen Kern mit etwas
Sturm auf. Flache Bodenhochs flankieren Bernd dagegen auf fast allen Seiten,
über Osteuropa, den Alpen und dem nahen Atlantik. Über Deutschland befinden sich
historisch bedingt gleich zwei Luftmassengrenzen, nämlich die eine, die uns
Arend hinterlassen hat und eine zweite, die von Bernd eingesteuert wird, diese
werden sich aber wohl bald nicht mehr getrennt analysieren lassen, weil sie
ohnehin nicht allzu scharf ausgeprägt sind. Vielmehr ist der Luftmassenwechsel
über Deutschland kontinuierlich. Über dem Südosten des Landes liegt eine heiße
und recht instabil geschichtete Luftmasse mit 850-hPa-Temperaturen zwischen 16
und 20°C, über dem Nordwesten dagegen eine warme und eher stabil geschichtete
Luftmasse mit nur 10 bis 14°C in 850 hPa. Die stabile Schichtung zeigt sich vor
allem in einem Bereich um 700 hPa. Beide Luftmassen haben aber viel Zeit über
warmen Atlantikregionen verbracht und sich mit Wasser vollgesogen, die derzeit
hohe Verdunstung aufgrund reichlich verfügbaren Wassers in den oberen
Bodenschichten tut ihr übriges. So liegen heute früh die Taupunkte landesweit
zwischen 15 und 20°C, respektive dominieren abgesehen vom Nordwesten (in der
kühlen Luftmasse) und im Südwesten Grenzschichtfeuchten von 11 bis 15 g/kg. Dies
resultiert in ppws, die oft bei 40 bis 45 l/qm liegen.
In der gesamten Ost- und Südosthälfte, in der heute über längere Zeit die Sonne
scheint, wird folglich hohes CAPE generiert, das von Bayern bis nach Brandenburg
vielfach 1000 bis 2000 J/kg erreichen soll, punktuell sogar bis 3000 J/kg. Nach
Nordwesten hin unter den dichteren Wolken der Luftmassengrenze nimmt es dann
langsam ab, ganz im Nordwesten wird kein nennenswertes CAPE aufgebaut. Die
Luftmassengrenze selbst kommt heute im Tagesverlauf als Kaltfront, gelenkt von
Tief Bernd mit bodennah mäßigem westlichem bis südwestlichem Wind, ganz wenig
nach Südosten voran. Hebungsantriebe werden wohl vor allem im Frontbereich
selbst aus der Querzirkulation generiert. In der Höhe lassen sich schwache
Kurzwellentröge finden, die mit nordostwärts ziehenden MCS gekoppelt sind. Der
erste dieser MCS ist nach Polen abgezogen, der nächste zieht aktuell in den
Norden Deutschlands und gerät in das vormittäglich Gewitterminimum. Der Blick
richtet sich auf das Burgund, wo der nächste Kandidat wartet, der ab dem späten
Vormittag auf die Pfalz und das Saarland übergreifen soll. Dieser soll im
Tagesverlauf bis in den Nordosten des Landes ziehen und in dessen Umfeld wird
wohl heute dann auch die meiste Gewitteraktivität stattfinden. In dieser Region
befindet sich auch mäßige hochreichende Scherung (um 15 m/s bis 6 km), was auch
die eine oder andere Superzelle erlaubt. Nach Nordwesten hin wird die Scherung
deutlich stärker, überlappt aber nur mit wenig CAPE. Insgesamt muss man in einem
breiten Streifen vom Westen bis in den Nordosten also mit bezüglich allen
Parametern markanten Gewittern rechnen, Bezüglich des Starkregens kann es allein
aufgrund der hohen Feuchte auch schnell mal Unwetter werden, auch wenn die
Zuggeschwindigkeit um 40 km/h liegt. Bei Superzellentwicklungen kann es auch
bezüglich des Hagels und der Böen mal unwetterartig werden, ICON-D2 hat sehr
schwache Signale für Bft 11. Weiter nach Südosten hin im Bereich des sehr hohe
CAPEs scheinen die Alpen für die Auslösung von Gewittern prädestiniert zu sein.
Diese ziehen dann langsam ins östliche Vorland. Dort ziehen die Gewitter
aufgrund schwacher Höhenströmung langsamer, was das Unwetterpotential durch
Starkregen erhöht. Auch Hagel kann durchaus mal größer werden, allein aufgrund
des CAPEs. Dagegen ist die Scherung sehr schwach, so dass die Zellen sich wohl
nicht super organisieren dürften, was zum einen die Hagelgröße beschränkt, zum
anderen auch keine extremen Böen erwarten lässt, zumal die Luftmasse auch bis
zum Boden runter feucht ist. Von Baden-Württemberg bis nach Franken zeichnet
sich dagegen eine Zone mit kaum Gewitteraktivität ab, vor allem im Südwesten ist
auch die Luftmasse trockener. Auch im Nordwesten bleibt es ruhig. Die
Höchstwerte erreichen an der Nordsee gerade mal 22°C, in der Lausitz bis 34°C.

In der Nacht zum Mittwoch zieht Bernd weiter über Skandinavien nordostwärts, auf
seiner Westflanke lässt KLA das Hoch einen Keil bis nach Nordwestdeutschland
bilden. Die Kaltfront wird dabei langsam nach Südosten gedrückt. Zudem dreht der
sich anfangs abschwächende Wind später auf nördliche bis östliche Richtungen.
Weiterhin kommt es im Frontbereich zu Gewittern, auf einer Linie vom Westen bis
in den Nordosten, später Osten. Diese zollen sich zunehmend in den östlichen
Bereich verlagern, im Laufe der Nacht könnten sich aber auch im Westen die
Gewitter wieder aktivieren. Zudem sollen sich Gewitter von Südostbayern
nordwärts ausweiten. Vor allem an diesen weist ICON-D2-EPS sehr hohe
Starkregenwahrscheinlichkeiten bis in den extremen Unwetterbereich aus. Dies
hängt wohl mit geringen Zuggeschwindigkeiten zusammen und wird auch von SuperHD
an Arome gezeigt. Vom Starkregen abgesehen sollten sich die Gewitter im
Nachtverlauf langsam abschwächen.
Wie auch in den Vornächten kann sich bei der sehr hohen Luftfeuchtigkeit und
kaum Wind stellenweise Nebel bilden. Die Tiefstwerte liegen meist bei 19 bis
15°C, im Nordwesten bis 12°C.

Am Mittwoch... verbleiben wir weiterhin in der konfluenten südwestlichen
Höhenströmung auf der Vorderseite des westeuropäischen Langwellentroges. Das
Höhentief über dem Balkan rückt uns dabei noch etwas näher, so dass die
Höhenströmung über Südostdeutschland komplett einschläft. Das Bodenhoch im
Nordwesten weitet sich noch etwas aus und hat Schwerpunkte über der Nordsee und
noch weiter im Norden. Der Gradient über Deutschland ist aber extrem schwach,
zumal über den Alpen ein zweiter schwacher Hochschwerpunkt verbleiben soll - ist
das angesichts der starken Einstrahlung tagsüber überhaupt realistisch? Auf
jeden Fall kommt der bodennahe Wind jetzt schwach aus Nord bis Ost. Die
Luftmassengrenze legt sich dabei recht zonal über die Mitte Deutschlands.
Südlich derselben liegt die unverändert feuchte, wenngleich zum Vortag aber
geringfügig kühlere Luftmasse, in der auch die Labilität etwas abnimmt. Trotzdem
baut sich dank kräftiger Sonneneinstrahlung wieder ordentlich CAPE auf mit 1000
bis 2000 J/kg südlich von Main und Nahe. In der Mitte, im Frontbereich, nimmt
das CAPE rasch ab. Im Nordwesten trocknet die Luftmasse unter Hochdruckeinfluss
weiter ab, wird noch etwas kühler und stabilisiert sich weiter. Dennoch muss
auch dort mit Quellbewölkung gerechnet werden, aber es bleibt trocken.

Im Frontbereich selbst gibt es noch teils bis 15 m/s Scherung bis 6 km, dort ist
auch weiter mit Gewitteraktivität zu rechnen, wann und wo genau, da bestehen
noch große Unsicherheiten. Zum einen deutet sich immer noch
Restgewitteraktivität im Osten an, zum anderen könnte auch weiter westlich
wieder etwas entstehen. Hier ist ICON-D2 erstaunlich zurückhaltend. SuperHD
zeigt noch auffallend weit bis in den Nordosten ausgreifende Gewitteraktivität,
es lässt die Zone mit mehr CAPE noch weiter nach Nordosten ausgreifen. Was die
Stärke der Gewitter in dieser Region angeht, liegen wir wohl in einer ähnlichen
Größenordnung wie am Vortag.

Im Süden, wo das CAPE hoch ist, ist die Scherung mau und auch die Auslösung von
Gewittern nur orographisch möglich. Hier könnte es die klassischen
Starkregenbomben geben, die wahrscheinlich im Laufe des Nachmittags entstehen
und auch etwas Hagel bringen können.

Wie schon erwähnt, geht das Temperaturniveau etwas zurück, an der Nordsee werden
es noch um 21°C, am Hochrhein bis 32°C.

In der Nacht zum Donnerstag verbindet sich das Höhentief über dem südöstlichen
Mitteleuropa zunehmend mit dem Langwellentrog, so dass die Höhenströmung über
dem Südosten Deutschlands weiter schwach bleibt und auch im Nordwesten immer
mehr abnimmt. Das Bodenhoch verstärkt sich über dem Nordmeer, so dass über der
Nordhälfte Deutschlands der Nordostwind noch leicht zunimmt, während es im Süden
recht schwachgradientig ist und der Wind einschläft. An der Luftmassenverteilung
ändert sich nichts.

Die Warmluftgewitter im Süden sollten tagesgangsbedingt rasch schwächer werden,
an der Luftmassengrenze, also grob vom Westen bis in den Osten, nördlich von
Nahe, Main und Erzgebirge, kann die Gewitteraktivität die Nacht über anhalten.
Dort könnte ein Kurzwellentrog sogar für eine deutliche Zunahme der Aktivität
sorgen, was derzeit von ICON-D2 eindrucksvoll simuliert wird. Dies wird aber
auch von UK10 gestützt, so dass es aus aktueller Sicht wahrscheinlich erscheint,
dass es über den mittleren Landesweilen zu Unwettern kommen wird. Im Norden
sollte die Nacht dagegen wolkig und ruhig verlaufen.

In der Waschküchenluft im Süden und bei schwachem Wind kann es dort ein paar
Nebelfelder geben, das ganze bei Tiefstwerten zwischen 18 und 15°C. In der
kühleren Luftmasse im Norden kann es bei längerem Aufklaren sogar bis auf 10
oder 9°C abkühlen.

Am Donnerstag... ändert sich die Lage weiterhin kaum. Das östliche Höhentief
wird langsam nordwärts geführt und zieht über das östliche Mitteleuropa. Über
den meisten Landesteilen bleibt die südwestliche Höhenströmung aktiv, in die ein
insbesondere in 300 hPa sehr gut ausgeprägter Kurzwellentrog eigebettet ist.
Dieser soll am Nachmittag den Westen erreichen. Am Bodendruckfeld ändert sich
nichts. Dominierend ist weiterhin das Hoch über dem Nordmeer, das dem Norden
Deutschlands schwachen bis mäßigen Nordostwind bringt. Im Süden bleibt es
gradientschwach. Auch die Luftmassengrenze ändert ihre Lage kaum und liegt zonal
über der Mitte des Landes. Im Frontbereich selbst entstehen in feuchter
Luftmasse wieder CAPE-Werte von 500 bis 1000 J/kg, die Scherung ist dort aber
noch schwächer als am Vortag. Weiter im Süden ist die Labilität weiterhin
größer, dort können es wieder 1000 bis 2000 J/kg werden, allerdings weiterhin
bei praktisch nicht vorhandener Scherung. Wenn aber der Trog wie geplant von
Westen her heranzieht, dürfte vor allem die Gewittertätigkeit an der Front
wieder aktiviert werden. Das zeigt sich vor allem bei den Niederschlagsprognosen
des UK10 recht eindrucksvoll. Zwar übertreibt das Modell ja auch mal ganz gerne,
in diesem Fall könnte die Tendenz aber in die richtige Richtung gehen. Wegen der
geringen Scherung ist bezüglich Unwettergefahr dann erster Linie der Starkregen
zu erwähnen, eventuell noch Hagel oder Hagelansammlungen. Auch im Süden wird es
wohl im Tagesverlauf wieder Gewitter geben, diese werden dann auch teilweise ab
dem Nachmittag durch den Kurzwellentrog getriggert und sollten vor allem im
Bergland ausgelöst werden. Auch hier werden es aufgrund der hohen Feuchte und
der sehr geringen Zuggeschwindigkeiten wieder hauptsächlich Starkregenbomben
werden, eventuell bis in den extremen Unwetterbereich. Allerdings kann bei so
hohen CAPE-Werte natürlich immer auch Hegel eine Rolle spielen.

Auch am Donnerstag ist das Temperaturniveau im Vergleich zu heute etwas
gedämpft. Im Norden werden es vielfach 22 bis 25°C, im Süden 25 bis 31°C.

In der Nacht zum Freitag nähert sich ein neuer Langwellentrog über dem Atlantik
immer mehr an, was zur Folge hat, dass der alte Langwellentrog, der ohnehin ja
schon deutlich abgeschwächt war, allmählich zugeschüttet wird. Während das
flache Höhentief über Polen verbleibt, soll bei uns der Kurzwellentrog nordwärts
abziehen und sich nachfolgend von Süden her ein kleiner Rücken aufbauen. Dies
hat zur Folge, dass die Gewitter des Tages zunehmend nach Norden gesteuert
werden, wo sie aber in immer weniger labiles Umfeld gelangen, so dass sie
allmählich schwächer werden und in schauerartigen Regen übergehen. Hier scheint
dann UK10, das Unwetter bis zur Ostsee simuliert, doch etwas zu übertreiben.

Ansonsten soll die Gewitteraktivität von Süden her deutlich nachlassen, der
Himmel aufklaren und sich nachfolgend gebietsweise Nebel bilden, zumal abgesehen
vom äußersten Norden der Wind fast einschläft. Die Tiefstwerte liegen zwischen
19°C am Hochrhein und 13°C in Schleswig-Holstein.

Modellvergleich und -einschätzung
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Auf synoptischer Skala offenbaren die Modelle keine großen Unterschiede. Was die
Gewitter machen, ist im Detail unklar, zumal unterschiedliche Modelle durchaus
unterschiedliche Entwicklungen zeigen und auch von Lauf zu Lauf springen. Zudem
werden mit jeden durchziehenden MCS die Karten neu gemischt. Damit bleibt uns
nur übrig auf Sicht zu fahren und viel Prognosearbeiten ins Nowcasting zu
verlagern. Stark erhöht stellen sich derzeit die Wahrscheinlichkeiten für
Starkregen bis in den extremen Unwetterbereich für den Südosten Bayerns dar.
Sollte sich dieses Szenario auch in zukünftigen Modellläufen etablieren, könnte
am Nachmittag ein Vorabinformation für die Region ausgegeben werden. Für alle
anderen Regionen bieten sich heute und morgen keine Vorabinfos an, da insgesamt
nicht allzu viele/extreme Unwetter erwartet werden und die Regionen schlecht
eingegrenzt werden können. Eventuell sieht das am Donnerstag dann wieder anders
aus.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl.-Met. Peter Hartmann