DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

13-08-2023 17:01
SXEU31 DWAV 131800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 13.08.2023 um 18 UTC


SCHLAGZEILE:
Weiterhin Luftmassengrenze über Deutschland, die sich ab Wochenbeginn
nordwestwärts verlagert. Damit Ausbreitung der potenziell instabilen, zu
Gewitter neigenden Subtropikluft.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 06 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland nach wie vor unter einer relativ glatten
südwestlichen Höhenströmung, die aber im Laufe der Nacht beginnt leicht
rückzudrehen. Grund dafür ist eine zunehmende Amplifizierung des Troges über dem
nahen Atlantik, die von einem in die Rückseite hineinlaufenden Sekundärtrog
ausgeht. Dieser korrespondiert übrigens mit einem kleinen Randtief namens BERND,
das inzwischen an das Doppeltief AREND zwischen Hebriden und Shetlands angedockt
hat. Deutschland liegt auf der Südostflanke des Tripple-Tiefs inmitten einer
gradientschwachen Druckverteilung, in der zwischen Main und Donau eine
Luftmassengrenze (LMG) eingebettet ist. Sie trennt warme und mäßig feuchte, vor
allem aber stabile Meeresluft im Norden, Westen und der Mitte von potenziell
instabiler Subtropikluft im Süden. Der abendliche Temperaturgradient auf 850 hPa
ist schon imposant mit knapp 20°C in den Berchtesgadener Alpen und 9°C rund um
die Deutsche Bucht.

In der Subtropikluft haben sich mit Hilfe der baden-württembergischen Orografie
ab dem Mittag erste vereinzelte Überentwicklungen gebildet, die von dort
nordostwärts zogen und teilweise eine bemerkenswerte Lebensdauer hatten.
Inzwischen sieht die Lage so aus, dass in BaWü und Bayern noch immer 3-4
Gewitter unterwegs sind, deren primäres Begleitelement Hagel mit Korngrößen um 3
cm zu sein scheint. In den nächsten Stunden ebbt das konvektive Geschehen zwar
etwas ab, ganz zur Ruhe kommt es aber nicht. Oberhalb der sich stabilisierenden
Grundschicht ist die Schichtung weiterhin labil. Außerdem steht ausreichend
MU-CAPE zur Verfügung, so dass eine kleine zyklonale Anomalie in der
Höhenströmung ausreicht, den einen oder anderen Schauer oder auch ein Gewitter
auszulösen. Eventuell kommt es auch an der Luftmassengrenze durch leichte
Verwellung zu Konvektion und selbst ein Import schon vorhandener Zellen aus der
Schweiz ist nicht gänzlich auszuschließen (AROME). Der Versuch einer genauen
Regionalisierung wird hier gar nicht erst unternommen, weil jedes Modell eine
etwas andere Vorstellung hat. Die Gewitter dürften maximal markant ausfallen mit
Schwerpunkt Starkregen. Abseits der Schauer und Gewitter können sich bei
längerer Wolkenarmut Nebelfelder bilden, in denen die Sichtweiten z.T. auf unter
150 m zurückgeht.

Nord-nordwestlich der LMG tut sich bei unterschiedlicher Bewölkung wettermäßig
so gut wie nichts, wenn man mal von ganz wenigen Minischauern im äußersten
Norden und Nordwesten absieht (Passage eines flachen Sekundärtroges).
Deutschlandweit geht die Temperatur auf 19 bis 11°C zurück. In den westlichen
Mittelgebirgen sind bei längerem Aufklaren vereinzelt sogar einstellige
Tiefstwerte nicht ausgeschlossen.

Montag ... setzt sich die Amplifizierung über dem nahen Atlantik fort, wodurch
die südwestliche Höhenströmung bei uns noch weiter aufsteilt. Folgerichtig
verlagert sich die Luftmassengrenze nach Norden, wodurch sich auch die
potenziell instabile Subtropikluft nordwärts ausweitet. Ihre latenten, aber auch
fühlbaren Energiewerte sind nach wie vor imposant mit PPWs von z.T. 40 mm oder
mehr, spezifischen Grundschichtfeuchten bis zu 15 g/kg, pseudopotenzielle
Temperaturen bis an die 70°C ran und dem Potenzial, die "normale" Temperatur auf
bis zu 32 oder 33°C steigen zu lassen. Kein Wunder, dass mit Hilfe mehrstündiger
Einstrahlung CAPE-Werte von gebietsweise über 2000 J/kg generiert werden. Die
Scherungswerte sind überschaubar (DLS Mitte bis rund 15 m/s, LLS nur lokal bis
10 m/s, weiter südlich weniger), könnten aber ausreichen, um die eine oder andre
organisierte Zelle entstehen zu lassen.

Machen wir´s kurz, bereits am Vormittag können vom Südwesten bis in die südliche
Mitte die ersten Gewitter auftreten. Im weiteren Tagesverlauf kommen dann
weitere Zellen dazu, wobei im Grund nur wenige Regionen ausgespart werden
können, in denen definitiv nix passiert. Die Rede ist von der stabilen Seite der
LMG, die sich etwa von Vorpommern bis hinüber zu den Ostfriesen und den
Emsländern sowie zum Niederrhein erstreckt. Ansonsten sind Gewitter quasi
überall möglich, es werden aber bei Weitem nicht überall welche auftreten. Im
Gegenteil, die Modelle sind durch die Bank weg sehr defensiv aufgestellt und
simulieren angesichts der geschilderten Rahmenbedingungen nur sehr wenige Zellen
(natürlich jeweils an anderer Stelle). Ein Grund für die Zurückhaltung könnten
die "ungünstigen" dynamischen Begleitumstände sein, denn aus der Höhe ist kein
Hebungsimpuls zu erwarten. Kurz noch eine Bemerkung zur Qualität der Gewitter:
in der Basis markant, lokale Unwetter durch Starkregen und größeren Hagel aber
wahrscheinlich. Im Falle von ein oder zwei Superzellen, könnte auch der Wind ein
Thema werden (Böen 10, worst case 11 Bft). Am Ende steht - man kennt´s - einmal
mehr Nowcasting ganz vorne auf dem Tagesprogramm der Diensthabenden.

Bei 850-hPa-Temperaturen zwischen rund 21°C im äußersten Süden und rund 11°C an
der Nordsee werden Tageshöchstwerte zwischen 25 und 33°C anvisiert, die sich
angesichts des hohen Wasserdampfgehalts der Luft sehr drückend anfühlen.
Temperaturen von etwas unter 25°C gibt es nur direkt an der Küste sowie in
höheren Lagen.

In der Nacht zum Dienstag rücken der Höhentrog und das korrespondierende
Bodentief BERND dichter an den Vorhersageraum heran. Die Luftmassengrenze
erreicht im Osten die Ostsee, so dass sich die Subtropikluft weiter ausbreitet.
Wahrscheinlich bleiben am Morgen nur noch der äußerste Westen und Nordwesten
davon verschont. Ansonsten gilt es zu konstatieren, dass insbesondere an sowie
in der Peripherie der LMG, quasi in einem von Südwest nach Nordost verlaufenden
Korridor weitere Gewitter zu erwarten sind, bei denen das Hauptaugenmerk auf
Starkregen liegt. Bei guter Organisation könnte auch Sturm ein Thema werden,
während Hagel eher unwahrscheinlich ist.

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Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 06 UTC

Dienstag ... Gegenüber dem Frühlauf hat sich bei ICON kaum etwas verändert. Von
daher gelten Ausführungen der morgendlichen Synoptischen Übersicht Kurzfrist
auch weiterhin.


Modellvergleich und -einschätzung
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Und täglich grüßt das Murmeltier. Die Basisfelder werden modellübergreifend
hübsch kongruent gerechnet, die daraus resultierenden konvektiven Aktivitäten
hingegen werden sehr individuell behandelt. Immerhin ist man sich dahingehend
einig, dass am morgigen Montag ähnlich wie heute gar nicht mal so viele Zellen
in die Luft gehen sollen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann