DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

12-08-2023 09:01
SXEU31 DWAV 120800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 12.08.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Südwest zyklonal (SWz)
Zyklonale Südwestlage verspricht (je weiter im Südosten desto mehr) schwüle
Hitze und Gewitter mit Unwetterpotential, vor allem durch Starkregen, aber auch
Hagel und orkanartigen Böen.

Synoptische Entwicklung bis Montag 24 UTC
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Am heutigen Samstag... befindet sich Deutschland auf der Vorderseite eines
Langwellentroges in einer leicht diffluenten südwestlichen Höhenströmung. In den
Langwellentrog, der den ganzen Nordwesten Europas überdeckt, ist ein Drehzentrum
eingelagert, welches seine Lage nordwestlich der Hebriden kaum noch ändert. An
seiner Südflanke wird ein markanter Kurzwellentrog mit recht flotter
Geschwindigkeit über Frankreich und Benelux nach Deutschland gesteuert und
überquert in den Nachmittagsstunden den Nordwesten Deutschlands. Bis zum Abend
soll die Trogachse schon die Elbe erreichen. Ein recht schwach ausgeprägter
Höhenrücken über dem östlichen Mitteleuropa wird dagegen allmählich nach Osten
abgedrängt. Bodennah liegt über dem östlichen und südöstlichen Europa noch das
Hoch Lotte, das sich aber im Laufe des Tages allmählich zum Balkan zurückzieht.
Es beeinflusst aber immerhin noch den Südosten des Landes. Dagegen dominiert im
Nordwesten Europas das Zentraltief Arend die Wetterkarte. Die von ihm ausgehende
Kaltfront greift heute bereits am Vormittag auf den Nordwesten Deutschlands
über, kommt dann aber auf der Vorderseite der Kurzwelle zunächst kaum mehr
ostwärts voran. Erst am Nachmittag, nach Durchzug der Welle, kommt die Kaltfront
in der Nordhälfte allmählich flotter gen Osten voran.
Auf der Vorderseite der Kaltfront ist von Südwesten wieder eine sehr warme
Luftmasse ins Land gelangt, die in 850 hPa über dem Süden 18 bis 20°C aufweist,
zur Mitte hin sind es etwa 14°C. Rückseitig der Kaltfront gelangt mit weiterhin
südwestlicher Strömung eine sehr stark erwärmte Luftmasse polaren Ursprungs, die
in 850 hPa immer noch um 10°C aufweist. Während sich ganz im Südosten bodennah
noch recht trockene Luft hält, die erst im Tagesverlauf allmählich angefeuchtet
wird (bzw. durch Advektion durch feuchtere Luft ersetzt wird), fließt in weite
Teile des Landes eine sehr feuchte Luftmasse ein, die in der Grenzschicht mit
spezifischen Feuchten von 11 bis 14 g/kg aufwartet und ein niederschlagbares
Wasser von gebietsweise 40 bis 45 l/qm mitbringt. Die Schichtung ist abseits des
Südens nicht sehr labil, durch teilweise etwas Einstrahlung können aber aufgrund
der hohen Feuchte trotzdem regional 500 bis 800 J/kg CAPE generiert werden.
Zunächst ziehen dort an einer Konvergenz schauerartige Regenfälle von der Mitte
in den Osten, an denen es zu erstem (markanten) Starkregen kommen kann.
Nachfolgend ziehen auf der Trogvorderseite weitere Gewitter auf, die nicht nur
von dem oben beschriebenen CAPE Energie geliefert bekommen, sondern auch in der
Mitte und im Nordwesten des Landes sich in einer Umgebung mit reichlich
Scherung, sowohl bodennah als auch hochreichend, wiederfinden. Starke
Verclusterung sollte der Entwicklung allzu starker Zellen entgegenwirken,
trotzdem muss man nicht nur von der obligatorischen Unwettergefahr durch
Starkregen ausgehen, auch Hagel muss ins Kalkül gezogen werden und auch teils
Sturmböen. ICON-D2 sieht das größte Starkregenpotential dabei schon recht früh
am Tage und vor allem in der Nordwesthälfte, doch sollte man zur Mitte hin auch
davon ausgehen.
Je weiter wir nach Süden kommen, desto länger kann die Sonne einstrahlen und
trotz etwas geringerer Feuchte signifikantes CAPE aufbauen, teils 1000 bis 1500
J/kg. Die Scherung nimmt zwar nach Süden hin ab, sollte aber auch nach Süden hin
noch für organisierte Entwicklungen ausreichen, zumal auch zur Donau hin noch
über 10 m/s hochreichende Scherung zur Verfügung stehen und bis 1 km zumindest 5
bis 10 m/s. Auslösung dynamischer Art durch den Trog ist zwar im Süden eher
unwahrscheinlich, allerdings sollte die reichhaltige Ausstattung mit Bergen
genügend orographische Hebung liefern. Hier könnten dann einzelne Zellen
entstehen, die aber durchaus das Potential haben, stark zu werden, auch einzelne
Superzellen sind denkbar. ICON-D2-EPS liefert dann auch entlang der Donau die
höchsten Wahrscheinlichkeiten für (teils) unwetterartigen Starkregen und auch
Signale für Böen bis in den 11er/12er Bereich lassen sich finden. Auch größerer
Hagel müsste hier dann einkalkuliert werden. Da es sich aber nur um sehr lokale
Ereignisse handeln soll, erscheint die Ausgabe einer Vorabinfo nicht nötig. Am
ehesten ausgespart von den Gewittern bleibt der unmittelbare Alpenrand, während
in den Alpen selbst auch die Auslösung einzelner Gewitter möglich ist. Außerdem
scheinen Südostbayern und die Lausitz noch weitgehend außen vor zu sein.
In der rückseitig der Kaltfront am Nachmittag im Nordwesten einfließenden
Luftmasse geht die Feuchtigkeit deutlich zurück, die Wolken lockern auf und die
Gewitterei ist vorbei.

Vom Süden bis in den Osten wird es mit viel Sonne 28 bis 31°C heiß, vom Westen
bis in den Nordosten sind es mit mehr Wolken meist 25 bis 28°C. Ganz im
Nordwesten unter vielen Wolken und etwas kühlerer Luftmasse im Kaltfrontbereich
sind es meist um 24°C.

In der Nacht zum Sonntag schwenkt der Kurzwellentrog rasch nordwärts Richtung
Jütland und Südschweden. Nachfolgend dreht die Höhenströmung etwas Richtung West
auf Westsüdwest, sie wird zudem weniger diffluent. Mit der recht flotten
Strömung überquert die Kaltfront recht schnell den Norden Deutschlands und zieht
nach Polen ab. Im Süden hängt sie aber stark zurück und gerät in etwa entlang
des Mains oder zwischen Main und Donau in Schleifen, wobei sie generell sehr
diffus ist. Die Gewitter des Tages sollen sich im Süden recht rasch abschwächen,
bzw. nach Osten abziehen. Im Norden ziehen sie mit der Kaltfront rasch nach
Osten ab, so dass sich die Gewittertätigkeit schnell beruhigen sollte.
Allerdings simuliert ICON-D2-EPS auch in den Nachtstunden noch in vielen
Regionen Gewitter und Starkregen. Im Süden ist das nicht verwunderlich, da dort
weiterhin eine sehr energiegeladene Luftmasse vorhanden ist. In den Norden
fließt jedoch eine deutlich trockenere Luft, die nur noch geringes CAPE
aufweist. Die meisten deterministischen Modelle lassen dann auch nur noch
einzelne Schauer entstehen, so dass man von einer im Verlauf ruhigen Nacht
ausgehen sollte.

Worin sich die Modelle aber einig sind ist, dass gegen Morgen so etwa entlang
der Donau etwas Hebung ins Spiel kommen soll und auf der Vorderseite der
Kaltfront wieder einzelne Gewitter aufleben. Hier sollte man zumindest von
einzelnen markanten Gewittern ausgehen. Unwetter sind zu dieser Tageszeit eher
unwahrscheinlich, auch wenn ICON-EU Richtung Ostbayern selbst am Morgen noch
über 500 J/kg MU-CAPE simuliert. Zudem zeigt z.B. SuperHD recht starke Zellen.

Auch rückseitig der Kaltfront wird der Himmel nicht richtig klar, vielmehr
ziehen immer wieder Wolken über dem Himmel. Die Luft kühlt auf 18 bis 13°C ab,
mit den niedrigsten Werten in der Norddeutschen Tiefebene. Bei schwachem Wind
und stellenweise viel Feuchtigkeit, kann sich etwas Nebel bilden.

Am Sonntag... kommt es über dem Westen Europas zu einem weiter südwärts
Ausgreifen des Troges, so dass die Höhenströmung schon langsam wieder aufsteilt
und Richtung Südwest dreht. Ein kurzwelliger und recht flott ziehender
Troganteil soll in dieser Südwestströmung gegen Abend von Benelux her den
Nordwesten Deutschlands erreichen. Ansonsten sind dynamische Antriebe eher
schwach. Im Bodendruckfeld liegen wir zwischen Hoch Lotte über dem Balkan und
Tief Arend, welches sich nun nördlich Schottlands befindet, in einer nicht allzu
starken südwestlichen Strömung, respektive mit mäßigem Südwestwind.

Rückseitig der Kaltfront, also in den Regionen nördlich von Main und Nahe, ist
die insgesamt noch immer warme (8 bis 12°C in 850 hPa) und auch nicht allzu
trockene (spezifische Feuchten um 9 g/kg, ppws um 25 l/qm) wetterbestimmend. In
dieser lässt sich allerdings eine recht markante Inversion zwischen 800 und 700
hPa finden, so dass es zwar reichlich Quellbewölkung gibt, sich aber kaum
Schauer bilden dürften. Auch wenn der Tag als nicht super-sonnig daherkommt,
erwartet die meisten Regionen ein recht angenehmer Sonntag. Daran ändert auch
der Kurzwellentrog nichts, der wohl nicht in der Lage sein wird, die recht
starke Inversion zu zerstören.

Südlich der Kaltfront dagegen, vor allem südlich einer Linie
Nordschwarzwald-Fichtelgebirge, liegt nach wie vor die feuchtheiße Luft. Sie
weist in 850 hPa 16 bis 18°C auf und ist mit reichlich Feuchte ausgestattet (um
14 g/kg spezifische Feuchte, ppws um 40 l/qm). Je nach Sonnenschein, der vor
allem nach Südostbayern hin noch recht lange andauern soll, kann sich hohes CAPE
entwickeln. Das können verbreitet zwischen 1000 und 1500 J/kg sein, im Südosten
auch teils über 2000 J/kg. Zumindest mäßige hochreichende Scherung um 15 m/s bis
6 km ist vorhanden. Bodennahe Scherung könnte durch Druckfall im Alpengebiet und
daraus resultierender Winddrehung auf Nordost in einigen Regionen des
Alpenvorlands generiert werden. Einzelne Temps zeigen entsprechend gekrümmte
Hodographen, so dass die Entwicklung von einzelnen Superzellen am Alpenrand
nicht unwahrscheinlich ist. Da die Hebung des Kurzwellentroges wohl nicht bis in
den Süden reicht, muss dafür die Orographie herhalten. Auf jeden Fall kommt es
zu markanten Gewittern, mit Unwettergefahr vor allem durch Starkregen und Hagel,
insbesondere bei Superzellen dann auch durch orkanartige Böen und großen Hagel.
Gegebenenfalls bietet sich dann morgen die Ausgabe einer Vorabinformation an,
zumal ICON-D2 aktuell schon sehr starke Gewitterzellen im Südosten Bayerns
simuliert.

Das Temperaturniveau liegt am Sonntag wieder ähnlich wie heute bei Höchstwerten
zwischen 23°C in Nordseenähe (auf den Inseln etwas kühler) und 31°C am Inn.

In der Nacht zum Montag zieht der oben erwähnte Kurzwellentrog über den Norden
Deutschlands hinweg ostwärts nach Polen. Er ist aber weiterhin nicht in der
Lage, Niederschläge auszulösen. In seinem Umfeld wird die Quellbewölkung etwas
dichter, lockert dann aber in der zweiten Nachthälfte von Westen her auf. Die
Kaltfront ändert ihre Lage kaum. Südlich von ihr sollten zwar die stärksten
Gewitter am späteren Abend nach Osten abziehen, allerdings muss ggf. mit
Gewitterneuentwicklungen gerechnet werden, sollte es dazu ausreichend Hebung
geben, denn das MU-CAPE bleibt sehr hoch (teils noch über 1000 J/kg oberhalb der
sich stabilisierenden Grenzschicht selbst am frühen Morgen noch).

Da sich Tief Arend über Westeuropa etwas nach Süden ausdehnt, sorgt das für eine
leicht Winddrehung bei uns. Der sich in der Nacht generell abschwächende Wind
dreht dann tendenziell Richtung Süd. Da aber der Gradient auch insgesamt
aufgrund des Auffüllens von Arend abnimmt, stellt sich allgemein eine
schwachgradientige Lage ein, in der es auch mal lokale Minima und Maxima geben
kann. Bei dem schwachen Wind ist bei entsprechender Grenzschichtfeuchte (vor
allem, wo es geregnet hat) auch mal ein Nebelfeld vorstellbar. Die Tiefstwerte
liegen zwischen 17°C im Südosten und Osten und 11°C im westlichen Bergland.

Am Montag... weitet sich der Langwellentrog zwar nicht mehr allzu viel weiter
nach Süden aus, allerdings schwenkt seine Achse ostwärts, so dass die Strömung
weiter aufsteilt. Die Hauptachse des Troges bleibt aber noch recht weit entfernt
von uns und erreicht am Abend gerade mal die Bretagne. Das Höhentief ist dann
bei den Shetland-Inseln zu finden, die zunehmend schwachen Bodentiefs östlich
und westlich davon. Generell tendiert das Bodendruckfeld zu einer flachen
meridionalen Rinne über Westeuropa, wohingegen hoher Druck über Osteuropa zu
finden ist und Lotte wieder nordwärts in die Ukraine wandert. Über Deutschland
bleibt dabei der Druckgradient schwach, der Wind kommt aus Südost bis Ost und
frischt tagsüber mäßig auf. Mit der aufsteilenden Höhenströmung kommt die
Luftmassengrenze wieder nach Nordwesten voran und die schwülheiße Luft erreicht
grob eine Linie Eifel-Uckermark. Hier gibt es weiter (spezifische)
Grenzschichtfeuchten um 14 g/kg und ppws bis über 40 l/qm. Zudem ist südöstlich
der Kaltfront die Luftmasse auch labil, was bei weiterer Sonneneinstrahlung
CAPE-Werte von teils über 2000 J/kg generiert. In 850 hPa erobert die
20°C-Isotherme das ganze Alpenvorland, die 14°C-Isotherme entspricht in etwa dem
oben genannten Verlauf der Luftmassengrenze. Ganz im Norden bleibt es bei 10°C.

Bereits tagsüber sollen in der südwestlichen Höhenströmung schwache
Hebungsgebiete über Deutschland hinweglaufen, die vor allem an der Front
Gewitter auslösen können. Im Laufe des Nachmittags könnte dann auch zunehmend,
vor allem mit Hilfe der Orographie, weiter im Süden Konvektion ausgelöst werden.
Weiterhin ist die bodennahe Scherung schwach in die hochreichende Scherung nicht
überbordend mit meist um 15 m/s bis 6 km. Das könnte aber durchaus für
Multizellencluster, ggf. auch linienartig ausreichen. Vielleicht reicht es sogar
mit Hilfe der Orographie für eine Superzelle. Aber das kann zu späterem
Zeitpunkt genauer analysiert werden. Auf jeden Fall reicht auch ohne allzu
starke Organisation schon für Starkregen bis in den Unwetterbereich, Hagel über
2 cm und mindestens Sturmböen. Bei entsprechender Organisation kann es auch
richtig großen Hagel und orkanartige Böen geben.

Nordwestlich der Front bleibt es recht ruhig bei wolkigem Wetter. Die Inversion
wird zwar schwächer, aber für Konvektion wird es wohl nicht reichen. Dort wird
es meist 24 bis 28°C warm. Auf den Nordseeinseln bleibt es etwas kühler. Im
Südosten muss man dagegen bei Höchstwerten zwischen 29 und 33°C und Taupunkten,
die vielfach bei 18 bis 22°C liegen dürften, mächtig schwitzen.

In der Nacht zum Dienstag erreicht die oben erwähnte ostwärts schwenkende Achse
des Troges Benelux und die starke Hebung durch PVA auf ihrer Vorderseite schon
den Nordwesten Deutschlands. Mit der weiter aufsteilenden Strömung erreicht die
Front im Osten die Ostsee. Im Bereich der Warmluft muss auch in den Nachtstunden
mit weiteren Gewittern gerechnet werden. Auch wenn die Aktivität
tagesgangsbedingt etwas abnehmen dürfte, so kann es immer noch einzelne Unwetter
vor allem durch Starkregen geben. Gegen Morgen erreichen dann auf der
Trogvorderseite kräftige Gewitter und Starkregenfälle den Westen. Da hier die
Labilität nicht sehr stark ist, dürfte es vor allem Starkregen geben, auch
wieder bis in den Unwetterbereich. Aber bei guter bodennaher (Wind frischt aus
Südost etwas auf) und hochreichender Scherung muss man auch auf Sturmböen
gefasst sein. Hagel sollte dagegen keine große Rolle spielen. Die Nacht wird
sehr lau mit Tiefstwerten zwischen 20 und 15°C, nur in Schleswig-Holstein soll
es noch etwas kühler werden.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die synoptische Entwicklung wird von den vorliegenden Modellen sehr ähnlich
gesehen. Was die Entwicklung der Gewitter angeht, so zeigen sich sowohl in der
Kürzestfrist bei den konvektionserlaubenden Modellen als auch in der Kurzfrist
bei den Niederschlagsprognosen der Globalmodelle erhebliche Unsicherheiten. Hier
wird es sicher helfen, auf Sicht zu fahren, viel mit den Konvektionszutaten zu
arbeiten und für unerwartete Entwicklungen offen zu bleiben.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl.-Met. Peter Hartmann