DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

11-08-2023 08:30
SXEU31 DWAV 110800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 11.08.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
Übergang zu einer hybriden Südwestlage (Mittelding zwischen SWa und SWz, sprich,
antizylonal/zyklonal)

Heute noch Hochdruckeinfluss, am Wochenende dann wieder zyklonaler mit
schauerartigen Regenfällen und kräftigen Gewittern. Sommerliche Temperaturen, im
Süden vielfach heiß.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... 11. August, der erste Tag seit langer Zeit, an dem in Deutschland mal
wieder die 30°C-Marke geknackt wird. Na wenn das nichts ist. Verantwortlich
dafür zeichnet die Tatsache, dass sich die Großwetterlage geändert hat: Nicht
mehr West oder Nordwest zyklonal (W/NWz) gibt den Ton an, sondern Brücke
Mitteleuropa (BM) heißt das Zauberwort. Oder anders ausgedrückt, die
eingeflossene, ursprünglich relativ kühle Atlantikluft (man merkt´s an den
kühlen Nächten) ist unter Hochdruckeinfluss gekommen, wo sie sich tagsüber
deutlich erwärmen kann. Nicht überall gleich, wie wir später noch sehen werden,
aber der Trend ist eindeutig. Eindeutig ist auch, dass die Brücke alles andere
als stabil ist, so dass bereits in Kürze wieder mit einer Wetteränderung zu
rechnen ist. Doch der Reihe nach.

Heute tagsüber hält sich das Hochkonstrukt noch sehr wacker, was nicht zuletzt
daran liegt, dass die Bodenhochdruckzone insbesondere über Mitteleuropa von
einem Höhenrücken gestützt wird, der im Tagesverlauf einmal von West nach Ost
über den Vorhersagerum hinwegzieht. Das erfreut natürlich alle Anhänger von
LOTTE, die quasi den mitteleuropäischen Verbindungspart zwischen dem nach Osten
verschobenen Azorenhoch auf dem Atlantik und einem Hoch über Russland mimt. Zwar
beginnt der Luftdruck von Nordwesten her bereits leicht zu fallen, trotzdem
scheint in weiten Landesteilen die Sonne, in der Südhälfte nicht selten von
einem gänzlich blankgeputzten Himmel. Etwas zäh gestaltet sich die Angelegenheit
im Nordosten, wo sich unterhalb der bei 850 hPa positionierten Absinkinversion
geschlossene ST- bzw. SC-Bewölkung breitgemacht hat. Die gilt es erstmal zu
tilgen, was zum Nachmittag hin mit Wirkung des Tagesgangs sowie Entrainment
trockenerer Luft (hervorgerufen durch ein leichtes Auffrischen des
Süd-Südwestwinds) erfolgsversprechend aussieht, wenn auch vielleicht nicht
überall.

Ansonsten gilt noch zu konstatieren, dass mit einsetzender WLA später ein paar
hohe und mittelhohe Wolkenfelder in den Westen und Nordwesten ziehen, die zum
Abend hin allmählich dichter werden. Warum sie dichter werden, kommen wir gleich
darauf. Vorher - und das schließt sich der Kreis - noch ein Satz zur Temperatur,
die weiter auf dem Vormarsch nach oben ist. Bei Nachmittagswerten auf 850 hPa
zwischen 8°C rund um Usedom und Rügen sowie 18°C in Oberschwaben erreicht die
2m-Temperatur Höchstwerte von etwa 23°C an einigen Küstenabschnitten sowie im
äußersten Nordosten (sollte es irgendwo mit der Tilgung der tiefen Bewölkung
überhaupt nicht funktionieren, sind noch etwas niedrigere Werte anzusetzen) und
32, vereinzelt vielleicht sogar knapp 33°C an Hoch- und Oberrhein sowie an der
Saar.

In der Nacht zum Samstag wird es allerhöchste Zeit, sich aus der antizyklonalen
Lethargie zu verabschieden und das Augenmerk auf das Geschehen über dem nahen
Atlantik zu lenken. Dort hat sich bereits seit einigen Tagen "Herr AREND"
breitgemacht, ein hochreichendes zentralsteuerndes Tief mit Kerndruck etwas
unter 995 hPa. Nachdem das Tief zunächst noch gebührenden Abstand gehalten hat,
rückt es nun immer näher an Irland und Schottland heran, was auch bei uns
Konsequenzen hat. Zunächst mal dreht die Höhenströmung mehr und mehr auf
Südwest, weil wir genau zwischen den ostwärts abwandernden Rücken und dem Tief
zugehörigen Trog gelangen. Gerade in der zweiten Nachthälfte bekommt die
Strömung einen zunehmend zyklonalen und leicht diffluenten Touch. Außerdem
nähert sich von Westen her schleifend eine teilokkludierte Kaltfront, die
zunächst aber noch außen vor bleibt. Vorderseitig sickert nicht nur feuchte
(PPWs nahe 40 mm) und potenziell instabile Luft insbesondere in den Westen und
Nordwesten. Es lässt sich zudem eine leichte Windkonvergenz im Strömungsfeld
ausmachen, in deren Peripherie schauerartige Regenfälle auftreten, welche bis
zum Morgen bis zur Mitte (Hessen, Thüringen wahrscheinlich noch nicht)
vorankommen. Ob es auch schon für Gewitter reicht, ist fraglich. Oberhalb der
stabilen Grundschicht ist die Luftmasse zwar schwach labil geschichtet, allzu
viel MU-CAPE lässt sich damit aber nicht generieren. Und die potenzielle
Energie, die zur Verfügung steht, ist auch noch gedeckelt. Kurzum, vereinzelte
Gewitter (oder gewittrige Schauer) sind zwar nicht ganz ausgeschlossen, aber
auch nicht überbordend wahrscheinlich. Gewittrig oder nicht, lokaler Starkregen
im markanten Bereich ist durchaus möglich.

Der Osten und Süden bekommen von der ganzen Schose weiter westlich noch nicht
viel mit. Es bleibt trocken, vor allem im Südosten auch gering bewölkt. Außerdem
kühlt es vielerorts unter 15°C ab, wobei es aber nicht mehr ganz so frisch wird
wie in den Vornächten. Unter den Wolken im Westen und Nordwesten bleibt die
Temperatur teilweise bei 18 oder 19°C hängen.

Samstag... macht der Übergang zu SWz (Südwest zyklonal) weitere Fortschritte. So
rücken nicht nur das hochreichende (und sich nur langsam auffüllende) Tief nebst
Höhentrog dichter an den Vorhersageraum heran. Gleichzeitig schafft es nun auch
die teilokkludierte Kaltfront, den Westen und Nordwesten des Landes zu
erreichen. Der andauernde leichte Druckfall bereitet natürlich auch der LOTTE
einige Probleme, die zusehends Schwierigkeiten bekommt, die Brücke vom Azoren-
zum Osteuropahoch aufrecht zu halten. Trotzdem reicht es noch, dem Süden und
Südosten noch ein paar Sonnenstunden zu bescheren, was den anderen Landesteilen
gar nicht oder nur bedingt vergönnt ist. Hier kommt zunächst mal die Konvergenz
mit dem schauerartigen, überwiegend ungewittrigen Regen über dem Norden und der
Mitte ostwärts voran. Im Tagesverlauf entwickeln sich daran dann einzelne
Gewitter, die aufgrund von Starkregen, zur Mitte hin bei leidlicher Scherung und
höheren CAPE-Werten auch von Hagel in der Basis markant ausfallen, was lokale
Unwetter aber nicht ausschließt.

Interessant wird es ab dem Vormittag im Westen und Nordwesten, wenn nämlich in
der Höhe ein vor allem auf 300 hPa relativ scharf geschnittener Sekundärtrog
übergreift und das markant ausgeprägte PVA-Maximum mit der Bodenfront
interagiert. Dabei kommt es zu teils kräftigen, schauerartig verstärkten
Regenfällen, deren Maximum sich von NRW und das westliche Niedersachsen bis nach
SH verlagern soll - so zumindest die Lesart von ICON und ICON-D2. In diesen
Regionen muss gebietsweise mit ein- bis dreistündigem Starkregen gerechnet
werden (markant, lokale Unwetter möglich), der nicht zwingend mit Gewittern
verbunden sein muss. Labilität und das CAPE-Angebot halten sich jedenfalls sehr
in Grenzen. Erst am Nachmittag, wenn der Westen und Nordwesten auf die
Frontrückseite gelangen, eine Labilisierung von oben erfolgt (etwas
Höhenkaltluft) und vielleicht noch ein wenig Einstrahlung gegeben ist, werden
die Bedingungen für Gewitter wieder besser.

Zurück noch mal in den Süden und Südosten, wo der Tag zunächst ja sehr
beschaulich startet. Bedingt durch die Einstrahlung wird die potenziell
instabile Luftmasse hervorragend energetisch aufbereitet, was sich in hohen
CAPE-Werten von z.T. über 1000 J/kg äußert. Diese sind zunächst gedeckelt,
könnten im Tagesverlauf aber in Einzelfällen mit Hilfe der Orografie geknackt
werden. Vor allem auf Seiten BaWüs ist die Wahrscheinlichkeit dafür recht hoch,
weil dort der Deckel nicht ganz so ausgeprägt ist. Wenn Zellen entstehen (und
dann weiter auf die bayerische Seite ziehen), können diese trotz geringer
Scherung recht knackig ausfallen mit der Gefahr von Starkregen und Hagel, lokale
Unwetter nicht ausgeschlossen. Gewitter werden am Samstag sicherlich auch in
bzw. über den Alpen entstehen. Allerdings ist derzeit noch sehr unsicher, ob
diese auch deutsches Territorium erfassen.

Während im Osten und Süden z.T. schwüle 26 bis 31°C erwartet werden, sind es in
den übrigen Regionen je nach Bewölkung "nur" 21 bis 27°C.

In der Nacht zum Sonntag macht die Front nur wenig Boden nach Osten gut. Wie
auch bei flauer Druckverteilung, höhenströmungsparalleler Exposition und somit
fehlender Schubkomponente. Die südwestliche Höhenströmung bleibt erhalten, nimmt
nach Abzug des o.e. Sekundärtroges vorübergehend aber eine indifferente bis
leicht antizyklonale Kontur an, so dass keine Hebungsimpulse mehr geliefert
werden. Hinzu kommt, dass mit untergehender Sonne der Energieinput gekappt wird,
so dass die Wetteraktivität vom Tage alsbald verebbt und spätestens ab
Mitternacht kaum noch was davon vorhanden ist (vielleicht noch ein paar schlappe
Restschauer). Eine klitzekleine Ausnahme gilt es aber zu erwähnen. So fällt auf,
dass modellübergreifend in den frühen Morgenstunden in BaWü ein kleines Areal
mit Schauern und vereinzelten Gewittern simuliert wird. Möglicherweise erfolgt
die Auslöse durch eine flache Welle oder einen schwachen Bodentrog, wie ihn z.B.
ICON zeigt - schwierig, aber im Blick zu behalten.

Zu ergänzen ist sonst nur noch, dass die Wolken teilweise auflockern bzw. sich
auflösen. Bei längerem Aufklaren bilden sich einige Nebelfelder. Je nach
Bewölkung geht die Temperatur auf 19 bis 11 Grad zurück.

Sonntag... legt sich der Kern des Zentraltiefs dicht an die Hebriden, wobei sich
unweit der Shetlands noch ein zweites kleines Drehzentrum abzeichnet. Mit rund
1000 hPa hat der gute AREND zwar ein wenig zugelegt, trotzdem hält er sich
tapfer und zieht weiterhin seine Kreise, wovon auch wir nicht unberührt bleiben.
Bei flauem Druckgradienten und weiterhin südwestlicher Höhenströmung legt sich
die Front oder Luftmassengrenze leicht diagonal über den Vorhersageraum. Sie
trennt trockene, relativ stabile und nicht ganz so warme (T850 8 bis 12°C)
Meeresluft im Norden und Westen von wärmerer, feuchterer und potenziell
instabiler Subtropikluft im Süden und Südosten (14 bis 18°C, in Südostbayern mit
leichtföhniger Unterstützung gar um 20°C). Wo genau der Norden und Westen
aufhören und der Süden bzw. Südosten anfangen, nun, das ist gerade in der
Meteorologie mit gewissen, bei den Forecastern aber willkommenen Unschärfen
versehen.

Auf alle Fälle kann man sagen, dass Bayern und BaWü voll drin sind in der
subtropischen Luftmasse. Wahrscheinlich auch noch Teile Sachsens, während ein
von der Lausitz bis zur Pfalz reichender Streifen als grenzwertiger
Demarkationsbereich definiert werden kann. Fakt ist, dass die Luftmasse mit z.T.
um die 40 mm PPW und spezifischen Grenzschichtfeuchten bis zu 15 g/kg
bemerkenswert feucht ist. Mit Hilfe zeitweiliger Einstrahlung wird reichlich
CAPE zur Verfügung gestellt, gebietsweise um 2000 J/kg. Hinzu kommt in
Südostbayern wohlmöglich die Bildung eines flachen Leetiefs (mit diabatischer
Unterstützung), welches die ansonsten limitierten Scherungsbedingungen
aufpolieren könnte. Es gibt definitiv schlechtere Rahmenbedingungen für kräftige
Konvektion und so können sich die verantwortlichen Diensthabenden auf einen
arbeitsreichen Sonntag einstellen. Ausgelöst durch die Orografie oder regionale
Konvergenzen, teils auch an der Luftmassengrenze kommt es zur Auslöse von
Gewittern, die die sehr kräftig ausfallen und vereinzelt sogar Superzellenstatus
erreichen können. Was ein bisschen fehlt ist die Dynamik aus der Höhe, weil die
Höhenströmung über den Alpen bzw. in Süddeutschland eher mau ist und keinerlei
unterstützende Randtröge erkennbar sind. Trotzdem dürfte es für zahlreiche
markante Gewitter und für das eine oder andere Unwetter (Starkregen, Hagel)
reichen.

Nord-nordwestlich der Luftmassengrenze tut sich wettermäßig relativ wenig. Bei
unterschiedlichen Bewölkungsverhältnissen mit akzeptablen Sonnenanteilen bleibt
es im Großen und Ganzen trocken. Am ehesten entwickeln sich im Nordwesten, etwa
vom Emsland bis hinüber nach SH ein paar schwache Schauer geben, auch wenn eine
bei 700 hPa liegende Inversion dämpfend wirkt.

In den meisten Regionen erreicht die Temperatur 25 bis 30°C, im äußersten
Südosten eher etwas darüber, im äußersten Nordwesten sowie an der Küste eher
etwas darunter.

In der Nacht zum Montag zeichnet sich ein Nachlassen der Gewitteraktivität ab.
Gleichwohl kann es im Süden im Bereich der LMG noch ein paar gewittrige Schauer
auch in der zweiten Nachthälfte geben. Ansonsten gibt es zur Nacht nicht viel zu
sagen.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren die Basisfelder sehr ähnlich. Trotzdem ist die
Entwicklung am Wochenende, gerade am Samstag, nicht trivial. Im Text wurde
versucht, mit konzeptionellen Überlegungen die möglichen Prozesse zu beschreiben
in der Hoffnung, dass es sich so oder so ähnlich abspielt. Eine Garantie gibt es
dafür nicht und mehr denn je wird es auf´s Nowcasting ankommen. Das betrifft
übrigens auch den ungewittrigen Starkregen morgen im Nordwesten, dessen Maximum
andere Modelle u.a. über den Niederlanden und/oder der Deutschen Bucht sehen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann