DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

10-08-2023 07:30
SXEU31 DWAV 100800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 10.08.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Zunächst BM (Brücke Mitteleuropa), später Übergang zu SWz (Südwest
zyklonal)

LOTTE persona grata - Hoch bringt Sommer zurück. Genau genommen für zwei Tage,
bevor der nächste Regen kommt.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... arbeitet die Atmosphäre mit Hochdruck daran, uns nach Wochen mit
permanenten West- bis Nordwestlagen eine andere Strömungskonfiguration zu
kredenzen. Die Erfolgsgarantie, dass das klappt, liegt bei 100%, wobei das mit
dem Hochdruck - zumindest kurzfristig - wortwörtlich zu nehmen ist. Nach
wochenlanger Abstinenz schmücken nun endlich mal wieder einige "Damen" die
Wetterkarten, was freilich auch die FU Berlin/BWK freut, sind doch weibliche
Hochs rein monetär betrachtet das kostbarere Gut. Schaut man sich die
Bodenwetterkarte von heute Mittag an, lässt sich gleich mal eine ganze Armada
von Hochdruckgebieten finden: auf dem Atlantik das für gewöhnlich namenlose
Azorenhoch, über dem nahen Osteuropa das Hoch KARIN und dazwischen - quasi als
Bindeglied (BM Brücke Mitteleuropa) - die LOTTE. So eine sich über tausende von
Kilometern erstreckende, nahezu hermetisch geschlossene Hochdruckzone bleibt
natürlich nicht ohne Wirkung auf die zyklonalen Protagonisten dieser Erde, die
sich nun erst mal hintenanstellen müssen. Geben tut es sie natürlich trotzdem
und zum Teil sind sie am Geschehen vor Ort zumindest mittelbar auch beteiligt.

Aktuell sind es genau zwei Tiefdruckgebiete, von denen das eine seinen
Karrierehöhepunkt bereits überschritten hat. Die Rede ist von ZACHARIAS, der
aufgrund seiner bewegten, mit vielen Schlagzeilen behafteten Vita gleich zwei
internationale Namen zusätzlich bekommen hat (Petar im Süden, Hans im Norden).
Heftige Regenfälle und Gewitter in Slowenien und Umgebung, Sturm an Nord- und
Ostsee, heftige Regenfälle in Teilen Skandinaviens - die Liste ließe sich bei
genauer Recherche sicherlich noch verlängern. Inzwischen hat ZACHARIAS aber an
Explosivität eingebüßt, als Doppeltief (zwei deutlich getrennte Kerne) kommt er
über Schweden und dem Nordmeer nur noch auf 1010 hPa, Tendenz weiter auffüllend.
Ausgehend von den beiden Tiefkernen erstreckt sich ein blockierender Höhentrog
über das östliche Mitteleuropa und den Balkan hinweg bis zum östlichen
Mittelmeer.
Tief #2 ist ein ganz anderes Kaliber. Es hört auf den Namen AREND, liegt noch
weitab westlich von Irland und kommt heute Mittag auf fast 980 hPa Kerndruck.
Der gute AREND hat sich schon weit nach oben in die Troposphäre gebohrt, was ihm
den Charakter eines steuernden Zentraltiefs verleiht. Dafür spricht auch die
Tatsache, dass die Progression des Tiefs aktuell nur marginal ausfällt. Auf alle
Fälle weist die hochreichende Zyklone einen recht breit aufgestellten Höhentrog
geringer Amplitude auf, der den nahen Atlantik westlich von UK/Irland überdeckt.


Links ein Trog, rechts ein Trog, da fordert die Gesetzmäßigkeit der
Strömungskontinuität einen Rücken, der den Platz dazwischen ausfüllt. Und
tatsächlich findet man diesen Rücken westlich des Vorhersagegebiets, etwa vom
westlichen Mittelmeer über Westeuropa bis hoch zur Dänemarkstraße reichend. Er
verdankt seine Existenz u.a. dem Zentraltief, das auf seiner Vorderseite
unaufhörlich Warmluft nord-nordostwärts schaufelt, die dem Rücken in Form von
Potenzialgewinn sehr zu passkommt. Aufgrund der Quasistationarität des gesamten
Strömungsmusters kommt er kaum nach Osten voran, so dass wir den heutigen
Donnerstag noch unter einer allerdings zunehmend antizyklonal konturierten
nordwestlichen Höhenströmung verbringen. Dabei herrscht leichtes Absinken, das
für die Bildung einer Inversion bei etwa 800 hPa sorgt. Außerdem erwärmt sich
die untere Troposphäre, was vor allem im Südwesten deutlich wird. Dort steigt
T850 von 8 bis 11°C am Morgen auf rund 15°C am Tagesende, während der Nordosten
mit rund 5°C deutlich hinterherhinkt. Entsprechend abgestuft auch die
2m-Temperatur, die im Norden und Nordosten nicht über 18 bis 22°C hinauskommt,
während sie sonst 22 bis 27°C, im Südbadischen gar bis zu 28°C erreicht.

Wettermäßig ist die Geschichte dafür, dass die Einleitung so ausführlich
ausfällt, vergleichsweise schnell erzählt. Im Norden, wo durch den westlichen
Wind eine gewisse Feuchtezufuhr von der Nordsee gewährleistet ist, breiten sich
die SC-Wolken teilweise an der Inversion aus, was die direkte Sonneneinstrahlung
hemmt. Hier und da sind sogar ein paar marginale Tröpfchen denkbar. Zur Mitte
und nach Süden hin stehen die Chancen deutlich besser, die bisher magere
Augustbilanz aufzupolieren. Zwar driften auch dort Wolkenfelder durch bzw.
bilden sich flache Kumulanten, in Summe wird aber mehr direkte Strahlung
gemessen als im Norden. Nicht so freundlich startet der Tag am Alpenrand, wo
gerade nach Osten hin sogar noch Regenreste aus der Nacht getilgt werden müssen.
Ein von Westfrankreich sich in den Rücken bohrender KW-Trog wird sich
wettermäßig wohl nur in der Schweiz bemerkbar machen, während es bei uns im
Südwesten allenfalls für hohe, maximal mittelhohe Wolken reicht.

In der Nacht zum Freitag rückt der Rücken dichter an den Vorhersageraum heran,
was das Absinken verstärkt. Folgerichtig wird die Inversion noch etwas weiter
nach unten gedrückt und die Wolken lösen sich meist auf. Eine Ausnahme bildet
weiterhin der Norden, wo sich unter der Inversion zumindest gebietsweise zähes
Gewölk hält. Dafür bildet sich in der Mitte und im Süden das eine oder andere
Nebelfeld. Ob dabei die Sichtweiten so weit nach unten gehen, wie das vergangene
Nacht u.a. in Teilen der Donauniederungen der Fall war, ist fraglich. Immerhin
wird im Tagesverlauf ein Teil der Grundschichtfeuchte abgeführt, was gestern
durch den vorherigen Regen nicht der Fall war. Sicher ist, dass die Nacht
vielerorts wieder frisch wird mit Tiefstwerten zwischen 14 und 7°C, in einigen
Mittelgebirgstälern noch etwas darunter. Etwas milder bleibt es nur an den
Küsten sowie gebietsweise in Südwestdeutschland.

Freitag... verlagert sich das gesamte Strömungsmuster etwas nach Osten. Das sich
allmählich auffüllende Zentraltief (mittags etwas unter 995 hPa) kommt der
Grünen Insel näher und der Höhenrücken wandert ganz geschmeidig über Deutschland
hinweg, wodurch die Höhenströmung im Westen auf Südwest rückdreht. Das lässt
normalerweise aufhorchen, weil wir damit nämlich auf die Vorderseite des
Höhentrogs gelangen, die gerne mal mit Wetteraktivität aufwartet. Morgen
tagsüber ist aber noch nichts zu befürchten, weil erstens die Höhenströmung
zunächst noch antizyklonal konturiert ist, zweitens die teilokkludierte
Kaltfront des Tiefs noch außen vor bleibt und damit (drittens) die
Hochdruckbrücke noch gut funktioniert.

So scheint morgen im Süden und in der Mitte die Sonne von einem wolkenlosen oder
nur locker bewölkten Himmel. Weiter nördlich wird man die Sonne auch zu Gesicht
bekommen, allerdings gibt es ein paar Störfaktoren. Leichte, den Rücken
überlaufende WLA lässt ein paar hohe und mittelhohe Wolkenfelder durchziehen.
Außerdem hält sich zwischen SH und BB zunächst noch tiefe SC-Bewölkung an der
Inversion. Mit allmählicher Winddrehung von West auf Südwest bis Süd und damit
einhergehendem Einmischen trockenerer Luft geht es der Bewölkung am Nachmittag
und Abend aber zunehmend an den Kragen. Dafür werden dann die Wolken im Westen
und Nordwesten langsam dichter.

Die eingeflossene Luftmasse kann sich unter dem Hochdruckeinfluss weiter
erwärmen. So steigt T850 auf Werte zwischen 10°C in Vorpommern und bis zu 18°C
im Südwesten, was auf Kopfhöhe (okay, 2 m lang sind die Wenigsten, aber
symbolisch passt es) eine Spanne von etwa 22/23°C in Vorpommern bis zu 32°C in
den üblichen Hitzelöchern des Hoch- und Oberrheins bedeutet. Nur direkt an der
Küste sowie in höheren Lagen bleibt es etwas frischer.

In der Nacht zum Samstag verlässt uns der Rücken endgültig in Richtung östliches
Mitteleuropa. Damit dreht die Höhenströmung komplett zurück auf Südwest, wobei
sie nach Westen hin eine leicht diffluente Kontur annimmt. Und da gleichzeitig
die Kaltfront respektive Okklusion trotz ihres schleifenden Charakters Boden
nach Osten hin gutmacht und der Luftdruck fällt, verwundert es nicht, dass die
Modelle unisono auf den Westen übergreifende schauerartige Regenfälle
simulieren. Weil die Luftmasse zwar feucht (PPW teils deutlich über 30 mm), die
Schichtung aber nur indifferent bis leicht labil ist, dürften Gewitter eher die
Ausnahme bilden. Auf alle Fälle bleiben der Osten und Süden davon noch gänzlich
unangetastet, teilweise sogar gering bewölkt. Mit 19 bis 11°C (niedrigste Werte
im Südosten) fällt die Nacht um einiges milder aus als die Nächte zuvor.


Samstag... erreicht Zentraltief AREND mit etwa 1000 hPa im Kern das Seegebiet
zwischen Nordirland und Schottland. Die zugehörige teilokkludierte Kaltfront
schleift und kommt nur sehr zögernd südostwärts voran, wo sie in eine
Sollbruchstelle der Hochdruckzone reinstößt. Überdeckt wird das Ganze weiterhin
von einer südwestlichen Höhenströmung, in der kurwellige Troganteile
nordostwärts schwenken und dabei mit der Front interagieren. Mehrere Modelle
zeigen am Nachmittag einen von Benelux übergreifenden Sekundärtrog, der mit
einem satten PVA-Maximum ausgestattet ist. Nach wie vor ist die Luftmasse bei
uns zwar feucht, teilweise sogar sehr feucht, dafür aber auch nur begrenzt labil
geschichtet. Das meiste CAPE wird im zunächst sonnigen oder nur locker bewölkten
Süden generiert (MU-CAPE etwa 500 bis 1000 J/kg), allerdings gedeckelt und somit
nicht so einfach für die Umsetzung in Gewitter verfügbar. Vielleicht reicht es
am Spätnachmittag oder Abend für einzelne Überentwicklungen aus den Bergen
heraus, in BaWü vielleicht zusätzlich dynamisch aus der Höhenströmung
getriggert. Im Osten scheint ebenfalls zunächst noch die Sonne (in Sachsen
länger als in Vorpommern), bevor es wolkiger wird und erste Schauer, nach Westen
hin auch Gewitter auftreten.

Im Norden und Westen sowie in Teilen der Mitte gestaltet sich der
DFB-Pokal-Samstag ziemlich wechselhaft mit schauerartigen Regenfällen und
einzelnen Gewittern, wobei die Detailabläufe noch Spielraum haben. Fakt ist,
dass aufgrund der des hohen Wasserdampfgehalts der Luftmasse (PPW gebietsweise
über 40 mm, was z.T. aber durch den Regen hausgemacht ist) das Thema Starkregen
ganz oben auf der Agenda steht. Dabei müssen nicht zwingend Gewitter mit am
Start sein, es geht auch ungewittrig und mehrstündig. In der Basis sollten die
Mengen markanten Warnkriterien genügen, es können aber auch lokale Unwetter
auftreten.

Während die Temperatur im Osten und Süden auf 27 bis 31°C steigt, sind es sonst
meist "nur" feuchte 20 bis 27°C.

In der Nacht zum Sonntag macht die Front noch etwas Boden nach Südosten hin gut.
Allerdings leidet die Zusammenarbeit mit der Höhenströmung, weil der o.e.
Sekundärtrog rasch nordostwärts abzieht und dahinter nichts nachfolgt (eher
indifferente bis leicht antizyklonale Isohypsenanordnung). Der Tagesgang gibt
seinen Senf auch noch dazu, so dass am Ende ein kontinuierliches Nachlassen der
Niederschlags- und Gewitteraktivität zu Buche steht. Dort, wo die Wolkendecke
mal für längere Zeit aufreißt und die Grundschicht durch den vorherigen Regen
angefeuchtet ist, bildet sich Nebel.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle verfolgen durchweg den oben beschriebenen Weg, die Basisfelder sind
äußerst kongruent. Selbst der für Samstagnachmittag apostrophierte Sekundärtrog
findet sich in den meisten Simulationen wieder. Trotzdem bleiben natürlich noch
ein paar Fragezeichen hinsichtlich der detaillierten Regen- und
Gewitterentwicklung am Samstag.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann