DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

08-08-2023 10:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 08.08.2023 um 10.30 UTC



Allmähliche Umstellung auf sommerlich anmutende zyklonale Südwestlage mit warmen
Temperaturen, aber unbeständigem Charakter.
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Synoptische Entwicklung bis zum Dienstag, den 15.08.2023


Regelmäßige Leser unserer "Synoptischen Übersicht Mittelfrist" dürften die
gestern erfolgte Ankündigung der Rückkehr sommerlicher Wetterverhältnisse
vermutlich mehrheitlich mit Freude zur Kenntnis genommen haben. Der Kern der
heutigen Botschaft schlägt diesbezüglich heute nochmals in dieselbe Kerbe, denn
an den mittelfristigen Aussichten ändert sich im Grundlegenden eigentlich kaum
etwas im Vergleich zum Vortag.

Der Einstieg erfolgt dabei am Freitag mit einer deutlich ausgeprägten
NAO+-Konfiguration auf dem Atlantik. Einem Hochdruckgürtel, der sich ausgehend
von den Azoren über Südwesteuropa bis in unsere Breiten erstreckt, steht ein
deutlich ausgeprägtes und mittlerweile zu diesem Zeitpunkt bereits hinreichend
gealtertes Tiefdrucksystem westlich von Irland gegenüber. Unter anderem ist dies
dadurch erkennbar, dass dieses Tief selbst in 500 hPa nahezu abgeschlossen ist,
von einem Trog kann also kaum noch die Rede sein. Ein "echter" Trog erstreckt
sich dagegen zugleich von Nordskandinavien bis ans Schwarze Meer, und induziert
dort eine verhältnismäßige kräftige Tiefdruckentwicklung am Boden, infolge derer
es zu kräftiger Warmluftzufuhr in den nordosteuropäischen Raum kommt.
Mitteleuropa liegt dagegen zwischen diesen beiden Stühlen. Neben dem bereits
erwähnten Azorenhoch-Ausläufer am Boden wird durch vorderseitige WLA auch ein
passender Hochdruckrücken gestützt, der sich gen Norden bis nach Südskandinavien
erstreckt. Zumindest bodennah liegt eine erste Hochdruckachse bereits östlich
von Deutschland, sodass der Weg für warme Luftmassen aus Süden frei ist. Das
macht sich entsprechend im Anstieg der 850 hPa-Temperaturen bemerkbar, die im
Süden und Westen bereits Werte um 15°C erreichen, während der Nordosten zunächst
noch im kühleren Bereich verharrt (T850 hier etwa 8-10°C). Das färbt dann -
zumal unter Hochdruckeinfluss - natürlich auch auf die 2m-Temperaturen ab, die
im Südwesten bereits deutlich sommerliche, wenn nicht sogar heiße Werte
erreichen dürften, zumal sich diese Entwicklung zunächst bei wenig Bewölkung und
viel Sonnenschein abspielt. Einzig im Nordwesten ist das Bild etwas trüber. Mit
Annäherung der Höhenkeilachse dreht rückseitig die Strömung auf südwestliche
Richtung. Mit ihr rückt die Kalt-, bzw. Okklusionsfront des bereits erwähnten
Atlantiktiefs näher und sorgt dort für erste Schauer und eventuell auch schon
einzelne Gewitter.

Am Samstag wandert der Höhenrücken relativ rasch ostwärts ab, während sich das
Atlantiktief mit seinem Kern dem irischen Festland nähert. Damit erreicht die
zugehörige, zunehmend okkludierende Kaltfront zunächst den Nordwesten
Deutschlands und kommt in der Folge langsam südostwärts voran. Entlang dieser
Kaltfront kommt es im Laufe des Tages zu Schauern und Gewittern. Mit der
vorausgegangenen Zufuhr warmer und vor allem feuchter Luftmassen fallen diese
durchaus recht intensiv aus. Insbesondere der zu erwartende Starkregen bereitet
erneut mögliche Probleme. Bei bis zu 40 mm Flüssigwassergehalt bleiben hier und
da auftretende unwetterartige Regenmengen wohl nicht gänzlich aus.

Am Sonntag gerät die okkludierende Kaltfront zunehmend ins Schleifen und bleibt
etwa über der südlichen Mitte Deutschlands liegen. Südöstlich davon bilden sich
in der feucht-heißen Luftmasse, angetrieben durch kurzwellige Anteile in der
südwestlichen Höhenströmung, erneut kräftige Gewitter mit Starkregen. Da die
Luftmasse, in der sich das Ganze abspielt, verständlicherweise keine Anstalten
macht, abzutrocknen, ist auch an diesem Tag das Unwetterpotential durch hohe
Starkregenmengen in kurzer Zeit nicht völlig vernachlässigbar. Etwas besser
sieht es da rückseitig der Kaltfront aus, wo sich bei etwas gemäßigteren
Temperaturen durchaus öfter mal die Sonne zeigen kann.

Der Start der neuen Woche zeigt sich weiterhin unbeständig. Dabei hat sich das
zentrale Atlantiktief mittlerweile merklich aufgefüllt und steuert nun die
Norwegische See an. Der zweite Trog über Nordosteuropa ist in der Zwischenzeit
Richtung Karelien abgewandert und spielt in der Folge kaum noch eine Rolle.
Summa summarum macht dies den Weg frei für eine Intensivierung und Aufsteilung
der südwestlichen Höhenströmung über Deutschland. Dabei stellt sich eine Lage im
Jetausgang ein, die für eine erneute Aktivierung der weiterhin über Deutschland
befindlichen Luftmassengrenze sorgt. Die Folge: Erneute, teils kräftige Schauer
und Gewitter bei anhaltend sommerlichen Temperaturen.

Die Südwestlage hält auch im Verlauf der erweiterten Mittelfrist weiterhin an.
Mit Lage innerhalb der Frontalzone bleibt die Dynamik in der Atmosphäre
hinreichend hoch, sodass auch die kommende Woche zu eher unbeständiger
Wettercharakteristik neigt. Dafür bleiben die Temperaturen auf weiterhin warmen
bis sehr warmen Niveau.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Nachdem der gestrige IFS-Lauf von 00 UTC noch einen verwaschenen Frontdurchgang
am Samstag gezeigt hat, sind die neueren Modellläufe jetzt deutlich konsistenter
bezüglich des Ablaufes am Wochenende. Insgesamt stellt sich ein relativ klarer
Ablauf dar mit Umstellung auf zyklonale Westlage bei steigenden Temperaturen
sowie wechselhaftem und unbeständigen Wettercharakter mit Schauern und
Gewittern. Dass diese wiederum mit größeren Unsicherheiten behaftet sind, liegt
in der Natur der Sache und erfordert ein Abwarten bis in den Kurzfristbereich
bezüglich detaillierter Abläufe.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Die Konsistenz der globalen Modelle ist insbesondere mit dem bereits erwähnten
aktuellen Schwenk der letzten zwei IFS-Läufe sehr gut. Die Umstellung der
Wetterlage erscheint dem Betrachter damit quasi als beschlossene Sache. Größere
Differenzen zeigen sich erst mit Beginn der kommenden Woche bei anhaltender
Südwestströmung und mit Entwicklung des Troges über Nordwesteuropa. Die
unterschiedlichen Varianten mit teils zyklonalen und teils antizyklonal
konturierten Varianten lassen insbesondere die Fragestellung der weiteren
Niederschlagsentwicklung noch offen.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die Rauchfahnen des IFS-EPS bestätigen im Wesentlichen die beschriebene
Entwicklung. Bis zum Sonntag besteht bezüglich der Entwicklung von T850 recht
große Sicherheit bei maximal moderater Streubreite. Das gleichbleibend
simulierte Geopotential in der kommenden Woche bei mäßiger Streubreite
charakterisiert die in der Deterministik gezeigte andauernde Südwestlage ohne
große Änderung der Höhenkonfiguration ziemlich gut. Bezüglich der
Niederschlagsentwicklung sei gesagt, dass der Hauptlauf sich eher in das
antizyklonal dominierte Regime einreiht, während einzelne Member wiederholt
Niederschläge konvektiver Art im Gepäck haben. Bezüglich der genauen Ausprägung
der Wetterlage (hochdruckdominiert vs. weiterhin Schauer und Gewitter) ist also
das letzte Wort noch nicht gesprochen.

Die Clusteranalyse ist einhellig: Sämtliche Muster weisen auf anhaltendes
Blocking hin. Stehen anfangs (120-168 h) zumindest noch vier verschiedene
Varianten zur Disposition, sind es danach (192-240 h) gar nur noch ganze zwei
Cluster, die ECMWF hier anbietet. Das bedeutet, dass sich die einstellende
Wetterlage ziemlich festfahren wird und kaum Änderungen zu erwarten sind. Damit
bleibt das Augenmerk eher auf die Fragestellungen bezüglich feinerer Details der
Wetterentwicklung gerichtet, wie eben z.B. der genauen Ausprägung möglicher
konvektiver Begleiterscheinungen.

Fazit:
Die Umstellung auf eine zunächst zyklonale Südwestlage bei steigenden
Temperaturen und unbeständigem Charakter mit Schauern und Gewittern ist mehr
oder weniger beschlossene Sache. Wie es damit in der nächsten Woche aber genau
weitergeht, erscheint am heutigen Tage noch fraglich. Neben der persistenten
Variante (d.h. Beibehaltung der Unbeständigkeit) sind auch hochdruckdominante
und damit niederschlagsarme Varianten der anhaltenden Südwestlage möglich.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Ab Freitagabend zunehmende Wahrscheinlichkeit für starke Gewitter im Westen und
Nordwesten. Am Wochenende dann verbreitet starke Gewitter, mitunter auch mit
einzelnen unwetterartigen Entwicklungen denkbar. In der neuen Woche zunächst
weiterhin gewittrig bei zunehmender Unsicherheit bezüglich der Regionalisierung.

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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-EPS, ICON, ICON-EU, GFS, MOSMIX
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Felix Dietzsch