DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

30-07-2023 10:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 30.07.2023 um 10.30 UTC



Zunächst unbeständig und nur mäßig warm.
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Synoptische Entwicklung bis zum Sonntag, den 06.08.2023


Zu Beginn der Mittelfrist haben wir im Bereich des Nordatlantik (von Kanada bis
zu den Britischen Inseln) noch eine recht straffe westliche bis nordwestliche
Höhenströmung. Diese ist einer gut ausgeprägten Hochdruckzone im Bereich der
Azoren und tiefem Geopotenzial über Grönland und Teilen der Arktis auszumachen.
Dies führt zu neutralem bis leicht positivem NAO/AO-Index. Schaut man sich
hingegen die zirkumpolaren Rossby-Wellen (mit zonaler Wellenzahl ca. 3 bis 4)
an, dann erkennt man mitnichten glatte Strömungsverhältnisse in den mittleren
Breiten (z.B. Asien oder Nordamerika), eher langwellige und meridionale Muster
mit teils retrograden Wellen (höhere westwärtige Phasengeschwindigkeit der
langen Rossby-Wellen, zudem bei großer Amplitude stärkerer Einfluss der
planetaren Vorticity auf die Progressivität der Wellen). Der zonal gemittelte
zonale Wind in 100 hPa/ 60 Grad Nord bestätigt dieses Bild (zonal mean u liegt
unter 5 m/s!).

Somit unterliegt auch die lebhafte Westströmung in Mitteleuropa einem
stationären Muster, bei geweitetem Blick natürlich. Der nächste Punkt in der
Entwicklung der Mittelfrist ist die starke meridionale Austrogung zum kommenden
Wochenende hin über Mitteleuropa bis ins zentrale Mittelmeer (einschl.
Zyklogenese dort), eingebettet in einen jeweils amplifizierten Rücken sowohl
über dem nahen Ostatlantik als auch über Osteuropa (zum Sonntag taucht bei GFS
unter Zufuhr polarer Meeresluft über der Nordsee die 0 Grad in 850 hPa auf).
Diese Synoptik folgt einer beinahe intensiven Zyklogenese westlich der
Britischen Inseln (Kerndruck Mittwochvormittag bei Irland ca. 982 hPa, laut
ICON, ggü. 1000 bis 1005 24 h zuvor) nach, die mittlerweile sowohl von ICON als
auch von IFS in ähnlicher Lesart simuliert wird (mit entsprechendem Wind-Impact
aus dem Gradienten heraus, zunächst Westhälfte, am Donnerstag recht verbreitet).
Durch die Zyklogenese über Norditalien wird die ostwärtige Verlagerung der
Kaltfront am Donnerstag etwas zurückgehalten. Zudem ist kräftige
trogvorderseitige (und gut überlappende) Hebung (Div. des Q-Vektors) im Süden
und Südosten zu verzeichnen. Auch konvektiv dürfte einiges gehen vor und an der
Kaltfront (für mesoskalige Details ist es aber noch etwas zu früh).

Auch eine Vb-artige Entwicklung nach der Austrogung bis ins Mittelmeer ist am
Freitag/Samstag nicht ausgeschlossen.

Am Wochenende sind weitere synoptische Prozesse zu verzeichnen - einerseits
kräftigt sich der Tiefdruckkomplex zwischen Island und Grönland weiter,
andererseits lassen IFS und ICON am Sonntag ein weiteres Randtief in die Nordsee
ziehen. Vorderseitig des zuvor stark amplifizierten LW-Troges wird sich bis
dahin aber ein veritabler Höhenrücken über dem westlichen Russland ausgebildet
haben, dessen Achse von Nordwestrussland bis in die Türkei reicht. Nun laufen
die Randtröge dementsprechend winkelförmig über Skandinavien ab. Für
Mitteleuropa bedeutet diese Entwicklung wohl zunächst weiterhin wechselhaftes,
teils windiges und mäßig warmes Wetter, mit häufigen Niederschlägen.

Allerdings könnte sich die Frontalzone im Verlauf im Bereich Nordatlantik etwas
nördlicher verlagern bzw. der Schwerpunkt des LW-Troges letztendlich über dem
östlichen Nordatlantik liegen. Durch die starke Amplifizierung und dem Transport
von Luftmassen mit niedriger PV auf isentropen Flächen in hohe Breiten könnte
eine Verstärkung und in der Folge retrograde Entwicklung des Rückens über
Nordosteuropa oder auch Skandinavien erfolgen. Schwache Signale sind am Ende der
erweiterten Mittelfrist sowohl bei GFS als auch in den Clustern von IFS zu
erkennen (wsl. um die Wochenmitte der nächsten Woche herum). Unterstützt werden
diese Signale auch durch verstärkte meridionale Wellenflüsse in der mittleren
und oberen Troposphäre, genauer gesagt durch die Konvergenz letzterer in
Richtung hohe Breiten. Konvergenz der Wellenflüsse (EP-Flüsse) führt zur
Abschwächung des westerly flow (Verringerung von zonal mean u), stärkerer
Mäandrierung und letztendlich regionalen Blockierungstendenzen in höheren
Breiten.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Der aktuelle Lauf weist eine sehr gute Konsistenz bis zum Ende der Mittelfrist
auf und bettet sich auch recht gut im Vergleich mit anderen Globalmodellen ein.
Die nahezu intensive Tiefentwicklung am Mittwoch über den Britischen Inseln wird
im aktuellen Lauf noch etwas stärker simuliert, ähnlich wie beim ICON-Modell.
Auch das Abtropfen des LW-Troges in Richtung zentrales Mittelmeer zum Ende der
Mittelfrist ist konsistent drin. Zum Ende der erweiterten Mittelfrist muss man
mal schauen, ob es in Richtung Skandi-Blocking geht, schwache Signale dafür sind
bereits da.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Bis Freitag ist sich die Deterministik von GFS, ICON und IFS noch relativ einig,
obwohl die intensive Tiefentwicklung am Mittwoch von GFS deutlich schwächer
gerechnet wird. Am Wochenende sehen ICON und IFS noch recht ähnlich aus
bezüglich Austrogung bis ins zentrale Mittelmeer, wohingegen GFS eine sehr
breite Austrogung bis nach Westeuropa auf dem Programm hat, einschl. stärkerer
Zufuhr maritimer Polarluft (siehe oben). IFS lässt am Sonntag den LW-Trog zu
einem eigenständigen Höhentief im Bereich Westbalkan abtropfen. Entsprechend
schlägt dann IFS die Großwetterlage winkelförmige Westlage (Ww) bzw.
(neuerlicher) Trog Westeuropa (TrW) vor.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Im Zeitschritt t+120 bis 168 h liegen sechs gruppierte Cluster vor, die sich
hinsichtlich Großwetterlage synoptisch nicht allzu sehr unterscheiden.
Interessant ist hier die Dimension der meridionalen Austrogung sowie die
Abschnür- und Abtropfprozesse im zentralen Mittelmeerraum/ Balkan. Die
beschriebene zunehmende Stationarität der Muster ist hingegen bei allen
Clusterlösungen gut zu erkennen.

Im nachfolgenden Zeitschritt (t+192 bis +240 h) verstetigt sich ein Muster für
die GWL Trog West-, später Mitteleuropa. Die Blockierungstendenz (Höhenrücken)
über Nordosteuropa bzw. Skandinavien (vier Member) ist bereits erkennbar, wenn
auch schwach.

Im letzten Zeitschritt (t+264 bis 360 h) sind nun trotz nahem
Glaskugelbereich...nunmehr die Blocking-Muster in der Überzahl! Allerdings sind
weiterhin auch Muster mit NAO positiv vertreten (insgesamt ca. 20 Member).

Abschließend soll noch auf die Rauchfahnen geschaut werden, hierzu wird eine
repräsentative Flachlandstation in Norddeutschland (1) sowie eine im östlichen
Voralpengebiet (2) gewählt:

Zu (1) ist der Rückgang der 850 hPa-Temperatur bis zum Wochenende recht eng
gebündelt (am Sonntag gehen einzelne Member bis +3 Grad zurück),
Niederschlagssignale sind anfangs konsistent vorhanden, teils auch über 5 l/qm
bis knapp 10 l/qm, am Wochenende und zu Beginn der übernächsten Woche nehmen die
Signale dann deutlich ab (Haupt- und Kontrolllauf). Beim Geopotenzial auf 500
hPa ist zunächst ein weiterer (leichter) Abfall zu erkennen, bevor das Geopot am
Wochenende und v.a. zu Beginn der übernächsten Wochen wieder nach oben geht,
allerdings mit zunehmendem Spread.

Zu (2) ist zunächst die Temperaturabnahme am Wochenende schwächer ausgeprägt
(ca. 6 bis 8 Grad am Sonntag), beim Geopot verläuft die Kurve sinusförmiger,
aber letztendlich mit vergleichbarem Trend. Die Niederschläge sind von
Donnerstag bis Samstag recht intensiv - durchgehend teils über 10 l/qm pro Tag
bzw. 12 h, danach nehmen aber auch hier die Wahrscheinlichkeiten für
signifikante Niederschläge ab (Haupt- und Kontrolllauf). Nicht wenige Member
halten Niederschläge aber auch übernächste Woche bereit.

Summa summarum ist als Trend ab Do/Fr zunächst eine Troglage (TrW, später TrM)
wahrscheinlich, hiernach könnte sich im Verlauf der übernächsten Woche auch eine
Hochdruckbrücke über Mitteleuropa (BM) als High-over-Low einstellen, alternativ
wäre auch eine Blockierung über Fennoskandien (HFa) oder aber über Nordosteuropa
(Nea) denkbar. Die Indikatoren dafür sind weiter oben erläutert.

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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Am Mittwoch im Verlauf in der Westhälfte sowie im Bergland stürmische Böen (Bft
8), exponiert auch Sturmböen (Bft 9), Gipfellagen Bft 10 bis 11. Im
Südschwarzwald sowie im Allgäu bis Donnerstag früh Signale für markanten
Dauerregen in 24 bzw. 12 h). Dazu bevorzugt in der Nordwesthälfte am Abend und
in der Nacht teils kräftige Gewitter mit Starkregen und Sturmböen.
Am Donnerstag mit Ausnahme des Südostens recht verbreitet stürmische Böen oder
Sturmböen (Bft 8 bis 9), auf einigen Gipfeln Bft 10 bis 11. Im Nordwesten
einzelne starke Gewitter. Im Südosten noch markanter Dauerregen.
Am Freitag in den Alpen erneut Signale für markanten Dauerregen über 30 l/qm in
24 h, in den Ostalpen schwache Signale für WU Dauerregen mit über 50 l/qm in 24
h. Sonst im Trogbereich tagsüber kurze Gewitter möglich, im Küstenumfeld
stürmische Böen (Bft 8) gering wahrscheinlich. Am Samstag ganz im Süden und
Südosten noch markanter Dauerregen möglich, unsicher.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS-EPS, GEFS, ICON, MOSMIX, StratObserv, NOAA-NAO
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Dr. Jens Bonewitz