DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

28-07-2023 16:30
SXEU31 DWAV 281800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 28.07.2023 um 18 UTC


SCHLAGZEILE:
Zyklonale Weltlage mit Schauern und Gewittern, lokal Unwetter.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 06 UTC
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Aktuell ... haben wir eine zyklonale Westwetterlage. Deutschland befindet sich
im weit geöffneten Warmsektor eines Tiefs mit Zentrum nordwestlich von
Schottland. Dabei ist eine sehr feuchte, subtropische Luftmasse eingeflossen.
Die Warmfront liegt über dem Norden Deutschlands. Knapp südlich von ihr hat sich
ein Schauer und Gewitterband gebildet. Bei eng an den Temp anliegenden etwa 500
J/kg CAPE und mäßiger Scherung sind diese Gewitter relativ schwach und bringen
nur lokal Starkregen.
Weiter südlich, knapp nördlich der Mittelgebirgsschwelle schließt sich eine
Region mit kompensatorischem Absinken an, wodurch es dort größere Auflockerungen
gibt.
Ansonsten ist die feuchte subtropische Luft schwach labil geschichtet, wodurch
sich in der Mitte einige Schauer gebildet haben.
Die Südhälfte wird gerade von einem eingelagerten Kurzwellentrog überquert,
wodurch sich dort bei CAPE-Werten bis 500 J/kg Schauer und einige Gewitter
gebildet haben. Auch diese Gewitter sind meist wenig hochreichend. Bei mäßiger
Scherung können sich in den Abendstunden und in der Nacht auch kräftigere Zellen
entwickeln, wobei Unwetter durch heftigen Starkregen nicht ausgeschlossen ist.
SuperHD berechnet ein solches Szenario, während ICON-D2 diesbezüglich etwas
verhaltener ist.

In der Nacht ziehen die Schauer und Gewitter mit dem Kurzwellentrog nur langsam
ostwärts ab. Allerdings kommt der westeuropäische Langwellentrog ostwärts voran,
sodass der Westen auf dessen Vorderseite gelangt. In der zweiten Nachthälfte
greifen darin eingelagerte kurzwellige Anteile auf den Westen über. Weitere
Hebung wird am linken Ausgang des Jets erzeugt, dessen Maximum nach
Zentralfrankreich zieht. Somit wird die feuchte Luftmasse noch etwas
labilisiert, sodass schauerartig verstärkter Regen auf Baden-Württemberg, das
Saarland, RLP, NRW und später auch auf Hessen übergreift. Bei MU-CAPE-Werten von
200 J/kg, die allerdings recht hochreichend sind und nahezu gesättigten Profilen
sind eingelagerte Gewitter mit lokalem Starkregen ein Thema (PPW ~ 35 mm). Die
Scherung nimmt auch von Westen durch den näher rückenden Jet deutlich zu.
Limitierender Faktor für die Gewitter bleibt aber der niedrige CAPE. An der
Front selbst lässt die Schauer- und Gewitteraktivität in der Nacht nach.
Ansonsten bleibt die Nacht meist Wolkenverhangen, mit nur einzelnen kurzen
Schauern. Es bleibt aber mit Tiefstwerten um 17 °C in der feuchten subtropischen
Luftmasse ziemlich mild.
Ein schwacher Low-Level-Jet, sorgt weiterhin für stürmische Böen auf exponierten
Gipfellagen im Schwarzwald.



Samstag ... weitet sich der westeuropäische Langwellentrog weiter nach
Deutschland aus, sodass ganz Deutschland unter Trogeinfluss steht. Dabei
erreicht die Kaltfront des Tiefs über Schottland den äußersten Nordwesten. Durch
den Trogeinfluss und dem linken Jetausgang wird weiterhin synopskalige Hebung
erzeugt, die die feuchte Luftmasse zusätzlich labilisiert, sodass sich im
Tagesverlauf 500 - 1000 J/kg MU-CAPE aufbauen. An eingelagerten
Kurzwellentrögen, können schon am Vormittag leicht Gewitter ausgelöst werden,
die rasch ostwärts ziehen. Durch den Jet, der in der Höhe über Süddeutschland
liegt, nimmt die Scherung nochmals zu, sodass im Süden 20 - 25 m/s und im Norden
15 - 20 m/s hochreichende Scherung vorhanden ist. Somit können sich die Zellen
in Multizellen oder einzelnen Linien organisieren, sodass von den
Begleiterscheinungen Gewitter größtenteils im markanten Bereich zu erwarten
sind. Die Hauptgefahr geht vor allem von Starkregen aus. Aber auch Hagel und
Sturmböen sind voraussichtlich mit dabei. Unwetter treten eher lokal auf, mit
heftigem Starkregen, Hagel oder schweren Sturmböen.
Im Süden werden von den hochauflösenden Modellen in gut gescherter Umgebung auch
Superzellen simuliert (höhere Aufwärtshelizität in SuperHD und ICON-D2-Zellen).
Dann ist auch Hagel > 2 cm denkbar. Die Low-Level-Scherung ist im Süden bei
niedrigem HKN mit 10 - 15 m/s sehr hoch. Allerdings zeigen die Hodographen fast
nur Geschwindigkeitsscherung und nur wenig Helizität. Dennoch kann ein einzelner
Tornado bei entsprechender Modifikation des Bodenwindes dort nicht
ausgeschlossen werden. Die Intensität der Zellen hängt auch stark davon ab, ob
es tagsüber nochmals große Auflockerungen und dementsprechend Einstrahlung gibt.
Die Lokalmodelle simulieren allerdings dichte Bewölkung über einen Großteil von
Deutschland. Trotz 850-hPa-Temperaturen um 13 °C bleiben die Höchstwerte deshalb
mit maximal 27 °C im Südosten vergleichsweise verhalten.
Im Westen und Nordwesten sind die Gewitter weniger gut organisiert und das
Unwetterpotenzial ist eher gering. Zumal rückseitig der Kaltfront Stabilisierung
einsetzt.
Des Weiteren gehen im Tagesverlauf mehrerer schwachen Druckwellen durch, an
denen der Wind auch abseits der Gewitter kurzzeitig auffrischen kann und vor
allem in den Mittelgebirgen und deren Leelagen einzelne Böen um 55 km/h bringen
kann. Eine Warnung ist wegen der geringen Verbreitung und kurzen Andauer derzeit
nicht vorgesehen.

In der Nacht kommt die Kaltfront langsam bis in die Mitte voran und beginnt dort
zu schleifen. Im Süden werden in der labilen Subtropikluftmasse die ganze Nacht
über noch Gewitter simuliert, während es im Norden weiter stabilisiert und es
Auflockerungen mit einzelnen Schauern gibt.

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Synoptische Entwicklung bis Montag 06 UTC

Sonntag ... kommt die Kaltfront weiter südwärts voran. Rückseitig fließt kühlere
und etwas trocknere Meeresluft ein. In dieser kommt es im Norden unter
Trogeinfluss zu Schauern und kurzen Kaltluftgewittern. Dabei ist es im
Nordwesten recht windig. Im Südosten halten sich noch die Reste der
subtropischen Warmluft. Dort kann es noch kräftigere Gewitter geben. Ansonsten
setzt sich bei Wechsel aus sonne und Wolken leichtes Absinken durch.
In der Nacht greift die Warmfront einer erneuten welle auf den Norden über.


Modellvergleich und -einschätzung
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ICON-D2 hat die Gewitter für den im Süden unterschätzt. Voraussichtlich ist auch
die Gewitteraktivität in der Nacht höher als von ICON-D2 prognostiziert.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Christian Herold