DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

27-07-2023 09:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 27.07.2023 um 10.30 UTC



Zyklonale Westlage, im Verlauf Übergang zu Troglage über Nord- und Mitteleuropa.
Folglich sehr unbeständiges und mäßig warmes Wetter mit wiederholtem Regen,
Schauern und Gewittern.
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Synoptische Entwicklung bis zum Donnerstag, den 03.08.2023


Zu Beginn der Mittelfrist am kommenden Sonntag befinden wir uns im
Einflussbereich einer klassischen zyklonalen Westlage. Einem etwas nach Westen
verschobenen Azorenhoch steht eine umfangreiche Tiefdruckzone mit zahlreichen
Tiefkernen gegenüber, die sich von Neufundland über den gesamten Atlantik
ostwärts bis nach Fennoskandien und Belarus erstreckt. Diagonal über Deutschland
liegt die Kaltfront eines sich auffüllenden Tiefs über der nördlichen Nordsee,
die kühlere Meeresluft im Nordwesten von feuchtwarmer Luft über dem Osten und
Südosten Deutschlands trennt. Dort muss im Tagesverlauf mit Schauern und
Gewittern samt Starkregen, Hagel und Sturmböen gerechnet werden, wobei die
schwülwarme Luft samt Gewittern im Tagesverlauf nach Osten und zu den Alpen hin
abgedrängt wird. Im Nordwesten kommt es ebenfalls von der Nordsee kommend zu
Schauern und Gewitter, dort aber getriggert durch die Nähe zum hochreichenden
und mit Höhenkaltluft gefüllten Tief.

In der Nacht zum Montag schwenkt das Tief über Dänemark hinweg zur Ostsee,
sodass es vor allem in Küstennähe zu weiteren Schauern und kurzen Gewittern
kommt. Dem abziehenden Tief folgt bereits das nächste Tief, das im Tagesverlauf
Schottland erreicht. Die dazugehörige Warmfront lässt durch großflächige Hebung
von Westen her Niederschläge aufkommen, die bis zum Abend auch den Osten
erfassen. Trocken bleibt es am ehesten ganz im Süden und anfangs auch noch im
Osten. Dabei ist es allenfalls mäßig warm, sommerliche Werte über 25 Grad werden
(wenn überhaupt) allenfalls in den Niederungen im Süden erreicht.

In der Nacht zum Dienstag zieht das Tief zur Nordsee und am Dienstag weiter zur
Ostsee. Dabei nimmt an der Südseite der Gradient zu und uns erwartet folglich
ein windiger und sehr unbeständiger Dienstag. Bei 850hPa-Temperaturen von 7 Grad
im Nordwesten und 12 Grad im Süden sind in Kombination mit den vielen Wolken und
Niederschlagen nur Temperaturen knapp über 20 Grad zu erwarten, im Bergland und
bei längerem Regen werden nicht einmal die 20 Grad geschafft.

Am Mittwoch wölbt sich über dem Atlantik ein flacher Rücken auf, sodass sich die
Höhenströmung etwas amplifiziert. Der mit dem Bodentief korrespondierende
Höhentrog liegt mit seiner Achse Mittwochmittag bereits östlich von Deutschland,
sodass wir uns in einer nordwestlichen Strömung befinden, mit der eher kühle
Meeresluft nach Deutschland advehiert wird. Das mäßig warme und unbeständige
Wetter mit Schauern und kurzen Gewittern setzt sich also fort.

Am Donnerstag kann sich der Trog auf seiner Westseite wieder regenerieren und es
stellt sich über Mitteleuropa eine ausgeprägte Troglage ein. Der dazugehörige
umfangreiche steuernde Tiefdruckkomplex befindet sich mit seinem Zentrum in der
zentralen Ostsee. Am Wetter ändert sich demnach wenig. Es bleibt unbeständig mit
Schauern und kurzen Gewittern bei mäßig-warmen Temperaturen.

In der erweiterten Mittelfrist stellt sich keine durchgreifende Wetteränderung
ein. Der Trog über Mitteleuropa dehnt sich voraussichtlich sogar noch etwas
weiter nach Süden aus. Auch im weiteren Verlauf deuten sich über dem Atlantik
neue Trogvorstöße an, sodass ein Ende der unbeständigen und mäßig-warmen
Witterung eher unwahrscheinlich erscheint.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die großräumigen Strömungsmuster werden von den IFS-Läufen sehr konsistent
simuliert, sodass kaum Zweifel bezüglich des beschriebenen Wetterablaufs
aufkommen. Naturgemäß gibt es noch gewisse Unsicherheiten bei der genauen
zeitlichen Abfolge der einzelnen Tiefs und kurzwelligen Troganteilen, was beim
betrachteten Prognosezeitraum aber zu erwarten ist. Noch unklar ist, ob beim
Durchzug des Tiefs in der Nacht zum Mittwoch sich der Gradient vorübergehend
deutlich verstärkt, sodass im Nordwesten starke bis stürmische Böen auf der
Agenda stehen könnten.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Auch die anderen Globalmodelle stützen die großräumigen Strömungsmuster. GFS
simuliert für die Nacht zum Mittwoch das Tief über der Nordsee deutlich
kräftiger (Sturmtief) als IFS. ICON lässt das Tief hingegen weiter nördlich und
deutlich schwächer durchziehen. Bezüglich der Windentwicklung Mittwochnacht /
Mittwoch gibt es demnach noch gewisse Unsicherheiten. Zum Ende der Mittelfrist
dehnt sich bei ICON und GFS der Trog weiter nach Süden aus als von IFS
simuliert.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die Rauchfahnen liefern keinen signifikanten Mehrwert. Die 850hPa-Temperaturen
liegen im Haupt- und Kontrolllauf sowie im Ensemble-Mittel bis in die erweiterte
Mittelfrist hinein durchweg unter dem klimatologischem Mittel. Das geopotential
geht ab dem kommenden Dienstag zurück, was auf den Trog zurückzuführen ist und
es gibt recht große Signale bei den Niederschlägen, vor allem von Dienstag bis
Donnerstag (aber auch davor und danach). Der unbeständige und nur mäßig-warme
Witterungsabschnitt scheint also sehr sicher zu sein.

Dennoch werden im Zeitraum t_120h-168h 5 Cluster angeboten, die überwiegend dem
Regime einer positiven NAO zugeordnet werden. Die meisten Cluster zeigen nächste
Woche den Übergang zu einer Troglage über Nord- und Mitteleuropa.

In der erweiterten Mittelfrist (t_192h-240h) werden die einzelnen Member in 4
Cluster einsortiert. Eine Fortdauer der Troglage über Mitteleuropa haben aber
die meisten Cluster im Angebot.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


In Anbetracht der Witterungsverhältnisse des bisherigen Sommers kann man die zu
erwartenden Niederschlagsmengen der kommenden 7 Tage durchaus als signifikant
bezeichnen. Vor allem in der Nordwesthälfte werden verbreitet 50 bis 100 mm
Niederschlag simuliert, kleinräumig auch etwas mehr.
Vor allem ab der kommenden Woche können 12-, 24- oder 48-stündig stellenweise
die Warnschwellen für markanten Dauerregen überschritten werden.

Zuvor besteht v.a. am Sonntag im Osten und Südosten nochmals ein erhöhtes
Potential für starke Gewitter mit Starkregen, Hagel und Sturmböen. Im Nordwesten
kommt es ebenfalls zu (Kaltluft)gewittern mit stürmischen Böen.

Zudem ist es kommende Woche zeitweise windig. An der Nordsee, mit geringerer
Wahrscheinlichkeit auch im Binnenland, sind in der Nacht zum Mittwoch und am
Mittwoch stürmische Böen möglich.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, ICON(-EPS), MOSMIX
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VBZ Offenbach / Dr. rer. nat. Markus Übel