DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

26-07-2023 17:01
SXEU31 DWAV 261800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 26.07.2023 um 18 UTC


SCHLAGZEILE:
Unbeständig mit Regenfällen und Gewittern, teils mit Starkregen. In der Mitte
morgen einsetzender Dauerregen. Windig, allmählich wieder wärmer.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 06 UTC
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Aktuell ... befindet sich ein hochreichendes steuerndes Tiefdruckgebiet (Unai
II) mit seinem Kern im Bereich des Oslofjordes. Von diesem ausgehend erstreckt
sich ein mit recht kalter Luft gefüllter Höhentrog südsüdostwärts über das
westliche Polen hinweg bis zur Adriaregion. Damit gelangt Deutschland langsam in
eine nordwestliche Höhenströmung, in der von Westen her Warmluftadvektion
wirksam wird. Diese WLA sorgt im Westen allmählich für Stabilisierung, so dass
die aktuell noch aktive "Streuselkuchengewitterlage" von Westen her zunehmend zu
Ende geht. Bodennah zeigt sich eine typische zyklonale Westlage, wobei
vorangegangene KLA im Trogbereich einen Azorenhochkeil nach Süddeutschland und
in die Alpenregion hinein entstehen hat lassen. Dieser trägt den schönen Namen
"Ilse". Nördlich unseres Landes tummeln sich dagegen die Tiefs, nämlich Unais
Geschwister, die bis nach Nordwestrussland reichen sowie der Nachfolger Ventur,
der schon südwestlich von Island angekommen ist.

Über Deutschland ist bodennah der Hochkeil auf der Wetterkarte zu finden, an
dessen Nordrand die antizyklonal gekrümmten Isobaren einen mäßigen
Druckgradienten anzeigen, der für mäßigem, aber nicht warnwürdigen Westwind
sorgt.

Im Trogbereich ist eine für die Jahreszeit recht kühle atlantische
Polarluftmasse zu uns gelangt, in der in 850 hPa heute Mittag meist 4 bis 6°C
gemessen wurden, was in Zusammenhang mit reichlich Bewölkung und vielen Schauern
heute dazu geführt hat, dass wir vielerorts an der 20°C-Marke gescheitert sind.
In den Alpen hat das zur Folge, dass bei stärkeren Schauern die Schneefallgrenze
durchaus mal unter 2000 m fallen kann.

In der Nacht zum Donnerstag verlagert sich der Kern des Höhentiefs kaum noch,
das Bodentief Unai II schwächt sich im Raum Oslo immer weiter ab. Die Trogachse
schwenkt im Gegenuhrzeigersinn weiter und erreicht bis zum Morgen schon die
Ägäis, was dem Balkan eine sicher nicht unwillkommene Abkühlung verschafft. Bei
uns dreht die Höhenströmung dagegen auf Westnordwest zurück und ein flacher
Rücken nähert sich von Westen. Dieser wird von kräftiger WLA gestützt, die bald
ganz Deutschland erfasst. Bodennah erfolgt dagegen schon wieder leichter
Druckfall, so dass Hochkeil Ilse zunehmend vom Azorenhoch getrennt wird und sich
Richtung Südostmitteleuropa verlagert. Tief Ventur verlagert dagegen seinen Kern
nur wenig, entlang seines okkludierenden Frontensystems fällt dagegen der Druck
recht stark. Seine Warmfront erreicht bis zum Morgen schon Ostfrankreich.

Was bedeutet das für unser Wetter? Zunächst sorgt die WLA für Stabilisierung, so
dass die Schauer und Gewitter von West nach Ost rasch einschlafen, lediglich
über der warmen See sollen sich die Schauer noch etwas zäher halten. Die Wolken
lockern dann vorübergehend auf, schon bald zieht aber von Westen mehrschichtige
Bewölkung auf. In den Frühstunden kommt dann im Westen im Vorfeld der Warmfront
leichter stratiformer Regen auf, der sich vor allem Richtung Niederrhein alsbald
verstärkt. Wo es länger klar ist, können sich im Süden mit nun wieder
vorhandener ausreichender Feuchte ein paar Nebelfelder bilden. Nach Norden zu
wird wohl der Wind dafür zu stark sein. Dieser dreht der oben beschriebenen
Druckentwicklung entsprechend auf südliche Richtungen und frischt Richtung
Nordwesten auch etwas auf. Warnschwellen werden aber in der Nacht noch nicht
erreicht. Die Temperaturen gehen auf Tiefstwerte zwischen 15°C nahe der warmen
Nordsee und im bewölkten Westen und 7°C im länger klaren östlichen Bergland
zurück.

Am Donnerstag ... dreht das Tief Ventur als Zentraltief mit recht kräftigem Kern
weiterhin südwestlich von Island seine Kreise. Sein Frontensystem läuft dagegen
in der recht kräftigen westlichen Strömung weiter nach Osten voraus, so dass die
Warmfront im Laufe des Tages größere Teile Deutschlands überquert und bis zum
späteren Abend in etwa die Elbe erreicht. In der Höhe überquert uns der flache
Rücken rasch nach Ostsüdost, diesem folgt ein Kurzwellentrog, der aus dem zu
Ventur gehörenden Trog herausläuft und am Abend die Nordsee erreicht. Dort sorgt
etwas PVA für Druckfall, so dass es an der Warmfront zu einer
Teiltiefentwicklung kommt. Die Kaltfront kommt dagegen deutlich langsamer nach
Osten voran und bleibt noch weit außen vor.

An der Warmfront kommt es zu Regenfällen, die durchaus gebietsweise 5 bis 10
l/qm bringen können, im Bergland NRWs auch bis zu 15 l/qm. Nach Nordosten und
Süden hin fällt weniger Regen und ganz im Nordosten sowie südlich der Donau
bleibt es weitgehend trocken.

Kaum ist die Warmfront durch, bildet sich ab dem Nachmittag in etwa entlang
einer Linie Mosel-Nahe-Main ein zonaler Niederschlagsstreifen, der von der
Struktur der Feuchte und Niederschlagsfelder zunächst an eine schleifende
Kaltfront erinnert. Das ist er aber nicht, denn - wie oben schon beschrieben -
bleiben Okklusionspunkt und Kaltfront noch über der Nordsee. Tatsächlich gelangt
im Warmsektor des Tiefs ein atmosphärischer Fluss vom Atlantik her zu uns, das
heißt mit recht hohen niedertroposphärischen Windgeschwindigkeiten wird eine
sehr feuchte Luftmasse transportiert, was in einem sehr hohen
Wasserdampftransport resultiert. Der zugehörige EFI des IFS zeigt
dementsprechend einen sehr hohen Wert vor allem über Westdeutschland. Die große
Wasserdampfmenge - die ppw's steigen auf 40 l/qm - hat wohl ihren Ursprung in
der tropischen Luftmasse, die Hurrikan "Don" in den Atlantik mitgebracht hat,
denn letzterer hat seine außertropische Umwandlung und Auflösung im Warmsektor
des Tiefs Ventur vollzogen. Der entstehende Niederschlagsstreifen, zunächst noch
durch WLA im Warmsektor zur Hebung angeregt, in der Nacht dann durch PVA auf der
Vorderseite des herannahenden Kurzwellentroges, ändert seine Lage bis zum
Freitagvormittag nur wenig. Dies hat entsprechend in einem Streifen von
Rheinland-Pfalz bis nach Oberfranken Niederschlagssummen von flächendeckend
meist 15 bis 30 l/qm in 18 bis 24 Stunden zur Folge. In den dort liegenden
Mittelgebirgen (vor allem Westerwald, Weststau Bergisches Land, Odenwald,
Spessart, Rhön, Thüringer Wald bis Frankenwald sind durchaus 30 bis 40 l/qm zu
erwarten. Dies zeigen sowohl die deterministischen Modelle als auch die
probabilistischen Verfahren. Nach Cosmo-LEPS könnten auch noch das
Rothaargebirge und der Harz betroffen sein. Cosmo-LEPS zeigt auch geringe
Wahrscheinlichkeiten für Unwetter (über 50 l/qm), auch der deterministische Lauf
des ICON-D2 zeigt Spitzen über 50 l/qm. Zumindest eine Ockerwarnung erscheint
aus aktueller Sicht definitiv gerechtfertigt, auch wenn die Lage noch nicht 100%
sicher ist.

Weiter im Norden, unmittelbar an der Warmfront, deuten die hauseigenen Modelle
auch einzelne Gewitter an. Hier könnte es klassische Warmlufteinschubgewitter
geben, wobei die labilen Bereiche deutlich vom Boden abgehoben liegen. Ob es
dort tatsächlich zu Gewittern reicht, ist fraglich, aber zumindest schauerartige
Verstärkungen sollten angenommen werden, in denen dann auch mal regional 10 bis
20 l/qm in wenigen Stunden fallen können, vielleicht sogar etwas mehr, so dass
auch dort ggf. Starkregenwarnungen fällig werden könnten.

Eine weitere Baustelle ist am Donnerstag der Wind: Dieser dreht an der Warmfront
von Süd auf Südwest und weht insbesondere in den zentralen Landesteilen recht
kräftig. Dort muss in den höheren Mittelgebirgslagen mit steifen, in exponierten
Lagen auch stürmischen Böen gerechnet werden. Auf dem Brocken sind Sturmböen zu
erwarten.

Während es in weiten Landesteilen meist bedeckt ist, zeigt sich zumindest im
Osten, vor Aufzug der Warmfrontbewölkung, anfangs noch die Sonne. Ganz im Süden,
vom Hochrhein bis zu den Alpen, kann sie sogar etwas länger scheinen. Dort
fließt auch im Warmsektor wieder eine deutlich wärmere Luftmasse ein mit bis zu
14°C in 850 hPa. Mit etwas Sonne kann es dann von Freiburg bis zum Bodensee 23
bis 26°C geben. Ansonsten steigt im Warmsektor die Temperatur in 850 hPa meist
auf etwa 10°C an. Unter den vielen Wolken liegen die Höchstwerte dann meist bei
18 bis 22°C. Insbesondere in dem oben erwähnten Regenstreifen, wo es nur kurze
trockene Phasen gibt, könnten die Höchstwerte auch etwas geringer ausfallen als
vom MOS simuliert - vielleicht teils nur um 17°C.

In der Nacht zum Freitag schwenkt - wie oben schon angedeutet - der
Kurzwellentrog durch und gliedert sich dem alten Höhentief von Unai an. Die
Warmfront kommt in etwa bis zu einer Linie Dithmarschen-Rügen voran und an
dieser ziehen nach ICON (ebenso IFS und UK10) sogar zwei flache Warmfrontwellen
bzw. Teiltiefs ostwärts. Dort soll allerdings nicht mehr allzu viel Regen
fallen. Vielmehr sollen knapp südlich der Warmfrontwellen weiterhin
schauerartige Regenfälle und einzelne Warmlufteinschubgewitter auftreten, so
dass weiterhin auch eventuell Starkregenwarnungen nötig werden könnten. Über den
Regenstreifen im Warmsektor wurde oben schon geschrieben. Ganz im Süden bleibt
es über die Nacht hinweg nach ICON trocken und es kann sogar weiterhin teils
aufgelockert sein.

Der Wind, weiterhin aus Südwesten wehend (außer ganz im Norden, wo er nördlich
der Wellen natürlich auf Nordost dreht), ist vor allem in der nördlichen Mitte
noch mäßig, die Windböen auf den Bergen lassen aber langsam nach.

Die Tiefstwerte liegen in der zumeist bewölkten Nacht überwiegend bei 17 bis
13°C. Nur im Alpenvorland bei aufgelockerter Bewölkung kann es teils auf 11°C
abkühlen.

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Synoptische Entwicklung bis Samstag 06 UTC

Am Freitag ... ergeben sich keine allzu großen Änderungen im Vergleich zur
Frühübersicht. In der feuchtwarmen Meeresluftmasse kommt es gebietsweise zu
durchaus organisierten markanten Gewittern. Im Gegensatz zum 00-UTC-Lauf werden
nach dem neuesten Lauf die höchsten CAPE-Werte im Nordosten simuliert.


Modellvergleich und -einschätzung
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Im Großen und Ganzen simulieren die vorliegenden Modelle die Entwicklung sehr
ähnlich. Leichte Unschärfen gibt es noch bei der Lage des Regenstreifens morgen
und am Freitag, so dass insbesondere bei den etwas weiter nördlich und südlich
gelegenen Mittelgebirgen noch nicht ganz klar ist, ob es für eine
Dauerregenwarnung reicht. Auch die Entwicklung der Teiltiefs/Warmfrontwellen
wird noch etwas unterschiedlich simuliert, was allerdings keine allzu großen
Auswirkungen hat. UK10 ist allerdings bezüglich der Niederschlagssummen am
Freitag im Nordosten etwas spendabler: Danach wäre im Nordosten durchaus
erhöhtes Starkregenpotential gegeben.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl.-Met. Peter Hartmann