DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

01-11-2016 21:00
SXEU31 DWAV 011800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 01.11.2016 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Von Norden her Kaltfrontpassage mit Zufuhr maritimpolarer Luftmassen.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 12 UTC
-------------------------------------------------------------
Aktuell ... ist die Atmosphäre emsig damit beschäftigt, die Großwetterlage
umzustellen und uns nach einer weitgehend hochdruckbeeinflussten, in einigen
Regionen tagsüber milden bis sehr milden Phase einen ersten Eindruck auf den
bevorstehenden Winter zu vermitteln - wobei heute freilich noch kein Mensch
weiß, wie dieser tatsächlich ausfallen wird. Deswegen rasch zu den Fakten.
Im Mittelpunkt der Umstellung steht das Tief GISI, das aktuell mit einem
Kerndruck von etwas unter 1000 hPa an der Ostküste Südschwedens positioniert
ist, von wo aus es bis Mittwoch früh weiter gen Gotland zieht - kein langer Weg
also, was darin begründet liegt, dass das korrespondierende Höhentief bereits
weitgehend achsensenkrecht über dem Bodentief liegt, was der Verlagerung nicht
gerade förderlich ist. Immerhin soll sich das Tief bis in die frühen
Morgenstunden noch auf etwas unter 995 hPa vertiefen. Die zugehörige Kaltfront
ist gerade dabei, den Vorhersageraum von Nord nach Süd zu überqueren, was u.a.
mit einem deutlichen Windsprung auf NW und einem deutlichen Taupunktrückgang
verbunden ist. Um 00 UTC dürfte die Front etwa den 50. Breitengrad Nord
überschreiten, bevor die am Morgen die Peripherie der Donau erreicht.
Postfrontal strömt auf relativ direktem Wege ein Schwall maritimer Polarluft zu
uns, in der die 500-hPa-Temperatur im Norden auf etwas unter -30°C zurückgeht.
Gleichzeitig erreicht die 850-hPa-Temperatur Werte um -2°C, was ein Cross-Total
von etwa 30 Kelvin ausmacht. Berücksichtigt man dann noch, dass Nord- und Ostsee
im küstennahen Bereich mit 10 bis 14°C noch recht hoch temperiert sind, ergibt
sich eine ordentliche Portion atmosphärischer Labilität, was u.a. am deutlichen
Rückgang der Lapse-Rates sichtbar wird. Außerdem macht sich die Labilität schon
in der in der zweiten Nachthälfte (also zu einer eigentlich "ungünstigen"
Tageszeit) mit ersten konvektiven Umlagerungen bemerkbar, die von der See her
bis in Teile Norddeutschlands übergreifen. Dabei handelt es sich nicht nur um
Schauer, auch kurze Graupelgewitter sind durchaus wahrscheinlich, obwohl sich
das CAPE mit maximal 250 J/kg eher in Grenzen hält.
Prioritäres Warnelement dürfte aber der Wind sein, der mit Verlagerung und
Intensivierung des Tiefs sowie mit zunehmendem vertikalem Impulsaustausch vor
allem im Norden weiter zunimmt. Bis 06 UTC dürfte allerdings im Wesentlichen nur
der Küstenstreifen sowie das unmittelbar angrenzende Binnenland von Böen 7-8
Bft, exponiert sowie bei kräftiger Konvektion vereinzelt 9 Bft betroffen sein.
Auch in den Kamm- und Gipfellagen der Mittelgebirge sowie der Alpen fasst der
W-NW-Wind zusehend an mit Böen 7 bis 9 Bft.
Zurück noch mal zur Kaltfront, die mit einem schmalen, knapp postfrontal
angeordnetem Regenband gekoppelt ist, das sich wie die Front auch natürlich
ebenfalls südwärts verlagert und in der zweiten Nachthälfte die Regionen
zwischen Main und Donau erreicht. Dabei bleibt die Intensität der Niederschläge
überschaubar, da die durchaus respektablen frontalen Hebungsimpulse von
überlagerter KLA gedämpft werden. Mehr als ein paar Millimeter dürften - wenn
überhaupt - nicht zusammenkommen.
Im äußersten Süden übrigens kann sich noch mal Nebel bilden bzw. sich vom Tage
noch vorhandener Nebel wieder verdichten respektive etwas ausbreiten.


Mittwoch ... zieht das hochreichende, inzwischen mit quasisenkrechter Achse
ausgestattete Tief weiter in Richtung Baltikum, wobei der Kerndruck noch für
längere Zeit bei etwas unter 995 hPa liegen soll. Deutschland gelangt auf die
Rückseite des Hauptpotenzialtrogs unter eine nordwestliche Höhenströmung, in die
ein Sekundärtrog eingelagert ist, der ost-südostwärts schwenkt. Die
höhenkälteste Luft mit T500 von etwas unter -30°C verlagert sich entsprechend
von Norddeutschland zur Mitte, bevor es am Nachmittag und Abend von Westen her
zu einer allmählichen Stabilisierung kommt.
Die Kaltfront wiederum erreicht bis Mittag den Alpenrand, wo entsprechend länger
andauernde, aber meist nur leichte Niederschläge einsetzen. Im Zuge andauernder
KLA sinkt die Schneefallgrenze von anfangs rund 1700 m bis zum Abend auf 1500
bis 1200 m ab.
Im großen, von polarmaritimer Luft gefluteten Rest des Landes stellt sich
klassisches Rückseitenwetter mit wechselnder Bewölkung ein. Der Schwerpunkt
konvektiver Umlagerungen liegt dabei in der Nordhälfte, während sich zwischen
Main und Donau sowie im SW die Schauertätigkeit aufgrund postfrontaler Subsidenz
respektive mangels ausreichend Labilität verhalten darstellt bzw. gar nicht
vorhanden ist.
Weiter nördlich allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass sich aufgrund gut
ausgeprägter Scherung eine organisierte Schauer- und Gewitterlinie bildet, die
sich korrespondierend zum o.e. Sekundärtrog von Norden her in Richtung Mitte
verlagert. Neben Graupel, im höheren Bergland auch Schnee oder Schneeregen, sind
dabei auch Böen der Stärke 8 Bft, nach Osten hin exponiert sogar 9 Bft denkbar
(die Oberwinde zwischen 925 und 850 hPa liegen bei 30 bis zu 45 Kt). Auch
außerhalb konvektiver Umlagerungen frischt der W-NW-Wind mitunter stark böig auf
mit Böen bis 7 Bft im Binnenland und 8-9 Bft an der Küste sowie in exponierten
Kamm- und Gipfellagen der Mittelgebirge. Im Süden ist der Wind allgemein
schwächer (außer auf den Bergen), allerdings sind auch im Alpenvorland einzelne
7er-Böen möglich. Bedingt durch die andauernde KLA steigt der Luftdruck von
Westen her an, was sich in Form eines nach Süddeutschland gerichteten
Bodenhochkeil widerspiegelt. Dabei beginnt der Gradient von SW her allmählich
aufzufächern, was eine sukzessive Windabnahme zur Folge hat.
Ansonsten gilt noch zu konstatieren, dass die Schaueraktivität in Teilen
Norddeutschlands im Laufe des Tages mehr und mehr in die Knie geht. Der Grund
liegt darin, dass von Norden her zunehmend durch Überströmung der norwegischen
Gebirge abgetrocknete Polarluft einströmt, von der vor allem SH, HH und
unmittelbar angrenzende Regionen nicht zuletzt auch durch eine erhöhte
Sonnenscheinpräsenz profitieren.
Die Temperatur erreicht nur noch Höchstwerte zwischen 7 und 12°C, im SW
vereinzelt vielleicht noch mal 13°C.

In der Nacht zum Donnerstag zieht das Tief noch ein kleines Stück weiter nach
Osten, während sich gleichzeitig besagter Hochkeil noch etwas kräftigt.
Entscheidend ist, dass der Gradient weiter auffächert. Vor allem an der
vorpommerschen Ostseeküste sind zunächst aber noch einige 7er-Böen möglich.
An den Alpen, wo die Kaltfront mittlerweile südwärts abgezogen ist, kommt
es anfangs noch zu leichten Stauniederschlägen, wobei die Schneefallgrenze auf
unter 1000 m sinkt. Allzu viel Schnee dürfte aber nicht fallen, da die
Niederschlagsaktivität bis zum Morgen immer weiter nachlässt. Dafür kommt es in
einem diagonal von der Nordsee nach SO angeordneten Korridor zu schauerartigen
Niederschlägen, die einem weiteren südostwärts schwenkenden KW-Trog geschuldet
sind. Und auch über dem (vergleichsweise warmen) Meer kann sich noch der eine
oder andere Schauer entwickeln.
Nach NO hin lockert die Wolkendecke in der trockeneren Kaltluft norwegischer
Prägung die Wolkendecke z.T. für längere Zeit auf, so dass die Temperatur bis
nahe 0°C oder sogar in den leichten Frostbereich zurückgeht. Dabei ist lokale
Glätte nicht ganz ausgeschlossen, aufgrund der trockenen Luft aber auch nicht
überbordend wahrscheinlich. Leichten Frost gibt es auch im höheren Bergland und
an den Alpen, wo es an der einen oder anderen Stelle durchaus glatt werden kann
durch Schnee oder gefrierende Nässe.

Donnerstag ... verflacht die Druckverteilung über dem Vorhersageraum zusehends.
Wir gelangen unter leichten Hochdruckeinfluss, wobei sich aus dem o.e. Keil eine
eigenständige 1020-hPa-Parzelle bildet. Sie wird von einem flachen Höhenrücken
gestützt, der sich von Benelux her bis in den Vorhersageraum vorarbeitet. Am
meisten davon profitieren tun der NO des Landes und der äußerste Süden, wo sich
zumindest zeitweise die Sonne durchsetzt. Dazwischen bleibt es aber mehr oder
weniger stark bewölkt und hier und da fällt sogar etwas Regen oder Nieselregen.
Die Tageshöchstwerte liegen zwischen 6 und maximal 12°C.
Am Nachmittag und Abend setzt im Norden und Westen stärkere WLA ein, die dort
mehrschichtige Bewölkung und auch etwas Regen bringt, der sich in der Nacht zum
Freitag im Norden noch verstärkt. Ob es in Nordfriesland dabei aber für mehr als
20 mm innert 12 h reicht, wie von COSMO-EU apostrophiert, ist äußerst fraglich.
In der Mitte und im Süden hingegen bleibt es in der Nacht trocken. Dabei lockert
die Wolkendecke vielerorts auf, so dass sich gebietsweise Nebel bildet. Außerdem
sinkt die Temperatur in der alternden Kaltluft vielerorts bis in
Gefrierpunktnähe bzw. sogar in den leichten Frostbereich mit der Gefahr von Reif
oder gefrierender Nässe (vor allem im Bergland).

Freitag ... wandert ein flacher Höhenrücken über den Vorhersageraum ostwärts
hinweg. Nachfolgend gelangen wir auf die Vorderseite eines hochreichenden, von
den Hebriden über Nordengland zur Nordsee ziehenden Tiefs. Dabei gelangt nicht
nur niedertroposphärisch etwas mildere Luft nach Deutschland - bis zum Abend
steigt die 850-hPa-Temperatur auf etwas über 0°C, im Süden sogar auf 5°C oder
leicht darüber -, im W und N wird zudem etwas Hebung generiert. Die Folge ist
mehrschichtige Bewölkung und gebietsweise etwas Regen oder Nieselregen. Im O und
S lockert die Wolkendecke mitunter etwas auf, Richtung Alpen scheint sogar für
längere Zeit die Sonne. Die Tageshöchstwerte liegen zwischen 6 und 12°C.
Thema Wind: Der auf SW rückdrehende Wind frischt auf einigen Bergen sowie auf
der Nordsee böig auf mit Spitzen 7 Bft, exponiert (Brocken, Feldberg 8-9 Bft).










Modellvergleich und -einschätzung
----------------------------------------------------------------
Die Modelle simulieren die Entwicklung sehr ähnlich.



Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann