DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

24-07-2023 08:01
SXEU31 DWAV 240800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 24.07.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Wz, vorübergehend TrM

Wechselhaft mit Schauern und Gewittern und wenig Sonne. Zum Dienstag Abkühlung
auf für die Jahreszeit kühles Temperaturniveau.


Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 24 UTC
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Am heutigen Montag... ist eine zyklonale Westwetterlage bestimmend. Zwischen
hohem Geopotential über Südeuropa, von dem aus sich ein flacher Rücken in
Richtung östliches Mitteleuropa erstreckt und einem kräftigen Trog über
Westeuropa mit Höhentief über der nördlichen Nordsee hat sich über unserem Land
eine recht kräftige und leicht diffluente südwestliche Höhenströmung
eingestellt. Bodennah bestimmt Tief "Unai" die Wetterkarte. Es soll heute vom
nördlichen Jütland in den Oslofjord ziehen. Höheren Luftdruck gibt es über dem
Südosten Europas und auf dem Atlantik hat sich das Azorenhoch mächtig
aufgeblasen. Der Blick auf die Temperaturkarte offenbart erhebliche
Temperaturunterschiede zwischen dem Nordwesten Europas (unter 5°C in 850 hPa)
und Südeuropa (mit vielfach über 20°C in 850 hPa). Auch über Deutschland ist ein
erheblicher Temperaturgradient vorhanden mit 18°C im Alpenvorland und 9°C in
Nordseenähe. Allerdings tut man sich schwer, hier eine Front reinzulegen (auf
den gestrigen Prognosekarten wurde dies noch versucht), vielmehr ist die
eigentliche Kaltfront in einer Rinne zu finden, die vom Kern des Tiefs Unai
ausgehend sich aktuell bis nach England erstreckt. Die bei dieser Konstellation
aus Südwesten eingeflossene Luftmasse ist einigermaßen feucht und damit
wolkenreich. Da auch etwas Labilität vorhanden ist, reichen in der starken
südwestlichen Höhenströmung sehr schwach ausgeprägte PVA-Gebiete für die
Auslösung von schauerartigen Regenfällen und Gewittern, wie wir sie aktuell auch
schon auf der Wetterkarte finden.

Heute im Tagesverlauf läuft am Rand des Höhentiefs über der Nordsee ein
kräftiger Randtrog ostwärts bis nordostwärts. Sein PVA-Gebiet erreicht in den
Nachmittagsstunden Deutschland und sorgt für einen entsprechenden
Hebungsantrieb. Die bei uns liegende Luftmasse ist zwar nicht besonders labil
geschichtet, allerdings sorgen Grenzschichtfeuchten um 10 g/kg trotzdem für
etwas CAPE, das sich aber meist im Bereich von 200 bis 500 J/kg einstellt und
damit nicht besonders hoch ist. Für höhere Werte fehlt meistens die entsprechend
starke Einstrahlung, da aufgrund sehr vieler Wolken die sonnigen Perioden im
Endeffekt doch recht kurz ausfallen. Wo aber etwas mehr Einstrahlung zur
Verfügung steht oder lokale Feuchtekonvergenzen für etwas mehr
Grenzschichtfeuchte sorgen, können die CAPE-Werte auch mal 1000 J/kg erreichen.
(Geschwindigkeits-)Scherung ist dagegen reichlich vorhanden, insbesondere in der
Südosthälfte gibt es bis 1 km verbreitet über 10 m/s Scherung und 20 bis 30 m/s
hochreichende Scherung. Damit können sich Gewitter durchaus organisieren,
Gewitterlinien sind ebenso möglich wie einzelne Superzellen, wobei die Gefahr
für stärkere Entwicklungen in Richtung Südosten ansteigt. Meistens verbleiben
die Gewitter im Ocker-Bereich, zumal bei Zuggeschwindigkeiten zwischen 50 und 70
km/h das Starkregenpotential überschaubar bleibt. Hagel fällt meist kleinkörnig
aus, für mehr reichen die CAPE-Werte oftmals nicht. Böen sollte man an allen
Gewittern erwarten und liegen vielfach im Bereich von 8 bis 9, vereinzelt 10
Bft. Einzelne unwetterartige Entwicklungen sollte man aber nicht ausschließen,
denn:
An senkrecht zur Strömung orientierten Linien sind im Bereich von Bow-Segmenten
auch mal Böen der Stärke 11 möglich.
Bei Superzellen (vor allem im Südosten) kann es ebenso 11er Böen geben wie auch
mal größeren Hagel.
Sollten sich strömungsparallele Gewitterlinien ausbilden, können auch die
Unwetterschwellen für Starkregen erreicht werden. ICON-DE-EPS liefert auch
entsprechende Signale.
Alles im Allem sollte es sich aber um einzelne Entwicklungen handeln, so dass
eine Vorabinformation übertrieben erscheint. Eine genaue räumliche Zuordnung ist
sicherlich schwer. Zum einen zeichnet sich ein Maximum der Gewitteraktivität im
Süden ab, auch aus dem Starkregengebiet im Westen des Landes könnte im
Tagesverlauf noch Stärkeres hervorgehen. Zu guter Letzt erreicht uns am
Nachmittag die Kaltfront des Tiefs Unai von der Nordsee her, so dass auch in
diesem Bereich noch einmal ein Maximum an Gewitteraktivität erwarten werden
kann, dort aber unter deutlich schlechteren Bedingungen (weniger Scherung,
weniger CAPE).

Eine weitere Baustelle ist heute der Wind, der am Südrand von Tief Unai kräftig
aus Südwest weht und vor allem im Bereich der östlichen Mitte und teils an den
Küsten auch abseits von Gewittern für starke Böen sorgt. Rückseitig der
Kaltfront dreht er deutlich auf Nordwest. Das heute zu erwartende
Temperaturniveau weist erwartungsgemäß einen starken Gradienten auf und liegt
bei 25 bis 30°C in der Südosthälfte (mit Spitzen in der Lausitz) und nur 20 bis
25°C im Nordwesten des Landes.

In der Nacht zum Dienstag schwenkt der oben erwähnte kurzwellige Troganteil über
den Nordwesten Deutschlands hinweg. Auf seiner Rückseite stellt sich
vorübergehend ein etwas antizyklonaler geprägtes Muster in der Höhenströmung
ein. Allerdings nähert sich schon die Hauptachse des Troges von Westen her
allmählich an. Bodennah nistet sich Unai im Raum Oslo ein. Der zugehörige
Bodentrog, in den die Kaltfront eingebettet ist, verliert an Ausprägung und
schwenkt immer flotter an der Südflanke des Tiefs ostwärts. Damit erreicht die
Kaltfront nach Mitternacht die Oder, hängt aber im Süden stark zurück und gerät
in etwa entlang des Mains ins Schleifen. In den Frühstunden zieht dann
unmittelbar an der Vorderseite des Haupttroges eine flache Welle von Lothringen
her in die Pfalz.

Der Wind dreht abgesehen vom Umfeld der Welle allgemein auf West und schwächt
sich ab, über der See kommt er mäßig aus Nordwest. Im Süden weht er generell
schwach. Die Gewitter klingen in der Nacht mangels weiteren Antriebs langsam ab
bzw. ziehen nach Osten raus. Unwettergefahr sollte in der Nacht dann bald nicht
mehr gegeben sein. Auch ICON-DE-EPS zeigt in der Nacht zurückgehende Signale.
Mit der herannahenden Welle, die bei nur noch geringem CAPE und geringerer
Scherung aufzieht, können zwar einzelne Gewitter auftreten, am ehesten darf aber
mal mit mehrstündigem Starkregen im Ockerbereich gerechnet werden. Die
Tiefstwerte der Temperatur pendeln sich ganz unspektakulär bei 15 bis 9°C ein.

Am Dienstag... kommt uns der Trog immer näher, wir geraten unter immer tieferes
Geopotential und seine primäre Achse erreicht bis zum Abend die Westgrenze
Deutschlands. Die Welle an der Kaltfront des Tiefs Unai zieht im Laufe des Tages
in etwa entlang des Mains und des Erzgebirges ostwärts, schwächt sich aber nach
Osten hin etwas ab. Entlang dieser kann es aber durchaus regional mal 5 bis 20
l/qm regnen. Stellenweise kann es an der Welle und südlich davon zu
mehrstündigem Starkregen von 20 bis 30 l/qm kommen, viel mehr sollte nicht drin
sein. Südlich der Welle in der Warmluft soll auch wieder CAPE aufgebaut werden,
wobei durchaus regional 500 bis 1000 J/kg ML-CAPE realistisch sind. Die Scherung
ist aber deutlich schwächer als am Vortag, so dass sich keine allzu starken
Gewitterentwicklungen mehr ergeben. Vielmehr ist bei schwachem Deckel mit
Gewitterclustern zu rechnen, die den oben schon erwähnten Starkregen bringen.
Auch Böen bis Stärke 9 sind aufgrund der dort noch recht flotten Höhenströmung
zu erwarten, viel mehr dürfte es mangels Organisation und auch aufgrund zu
vieler Zellen, die sich gegenseitig die Energie klauen, nicht werden. Deswegen
dürfte auch die Hagelgefahr recht gering sein, so dass wir am Dienstag wohl
weitgehend unwetterfrei durchkommen werden.

In der Nordhälfte des Landes ist es in der eingeflossenen kühlen Meeresluft (5
bis 8°C in 850 hPa) recht stabil geschichtet und meist trocken und die
Sonnenanteile nehmen zur See hin zu. Der Wind weht dort mäßig aus Westnordwest.
Im Süden dagegen bildet sich auf der Südflanke der Welle ein ordentlicher
Gradient aus, der nach ICON südlich des 49. Breitengrades durchaus steife Böen
um West zu Folge hat, mit Leitplankeneffekt an den Alpen auch stürmische Böen.
Auf dem Feldberg und auf den Alpengipfeln kann es Sturmböen geben. Dies hängt
aber von der genauen Stärke und Zugbahn der Welle ab, die noch nicht ganz sicher
ist. Nach externen Modellen (z.B. IFS könnte der Wind auch schwächer ausfallen.

Das 2-Meter-Temperaturniveau gestaltet sich deutschlandweit recht einheitlich.
Die etwas wärmere Luftmasse (im Süden noch um 10°C in 850 hPa) wird durch den
Gewitterregen und die größere Geländehöhe kompensiert, so dass meist Höchstwerte
von 18 bis 23°C zu erwarten sind.

In der Nacht zum Mittwoch schwenkt die Hauptachse des Troges nun voll zu uns, so
dass sich eine richtige Troglage einstellt. Das Zentrum des Höhentiefs dreht
sich über Südnorwegen ein. Im ganzen Land setzt sich die kühle Luftmasse mit 4
bis 6°C in 850 hPa durch. Regenfälle gibt es vor allem im Süden und Osten des
Landes noch mit Schwerpunkten um die Alpen und das Erzgebirge, wo durchaus teils
um 10 l/qm fallen können. Auch über der Nordsee soll es bei labiler Luftmasse zu
Schauern und kurzen Kaltluftgewittern kommen. Ansonsten kann es vor allem in der
Nordwesthälfte auch einige Auflockerungen geben.

Bodennah schiebt sich ein Keil des Azorenhochs gegen die Westalpen, an dessen
Nordflanke weht der Wind bei uns immer noch teils mäßig, dreht aber allmählich
von West bis Nordwest wieder auch Südwest bis West. Die Tiefstwerte fallen mit
12 bis 9°C recht kühl aus, im nördlichen Bergland geht es bei Aufklaren mitunter
auf 6°C runter.


Der Mittwoch... ist von einer Troglage geprägt. Die Hauptachse des Troges zieht
im Tagesverlauf nach Osten ab, am Westrand des Troges zieht aber im Tagesverlauf
ein weiterer kurzwelliger Anteil südwärts und sorgt für Hebung im Westen des
Landes. In der weiterhin kühlen Luftmasse (um 6°C in 850 hPa) wird im
Tagesverlauf etwas CAPE aufgebaut, meist im Bereich weniger hundert J/kg. Damit
kommt es im Tagesverlauf zu klassischen Kaltluftgewittern. Da das Starkregen-
und Sturmpotential nicht mehr so hoch ist, können diese dann durchaus mal "gelb"
bewarnt werden. Der Schwerpunkt der Gewitteraktivität liegt eher im Westen als
im Osten, die Niederschlagssummen fallen insgesamt eher moderat aus, in der
Fläche unter 5 l/qm.

Im Bodenluftdruckfeld verbleiben wir an der Nordflanke des Keils, so dass der
Wind tagsüber weiterhin mäßig aus Westsüdwest weht, für Windwarnungen dürfte es
wohl nirgends mehr reichen. Das Temperaturniveau ist für die statistisch
heißeste Jahreszeit deutlich unterkühlt mit Höchstwerten zwischen 17 und 21°C.

In der Nacht zum Donnerstag lassen die Schauer und Gewitter alsbald nach. Aus
dem Hochkeil wird ein Zwischenhoch, das sich nach Osten verlagert und den Weg
frei macht für die Warmfront des nächsten Atlantiktiefs. Dieses macht sich
zunächst mit hohen Wolkenfeldern im Westen bemerkbar, gegen Morgen kommt dann im
Rheinland leichter stratiformer Regen auf. Der Wind weht im Süden meist schwach,
im Norden teils auch in der Nacht noch mäßig und dreht generell etwas in
Richtung Süd. Die Tiefstwerte werden wieder zwischen 12 und 7°C erwartet.

Modellvergleich und -einschätzung
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Im Großen und Ganzen simulieren die vorliegenden Modelle die Lage recht ähnlich.
Genaue Schwerpunkte der Gewitteraktivität sind wie immer unsicher, hier ist
Nowcasting gefragt. Morgen gibt es - wie schon beschrieben - leichte
Unterschiede bei Zugbahn und Stärke der kleinen Welle, was sich auch in
unterschiedlichen Windprognosen niederschlägt. Wir hoffen, dass sich zum
Nachmittag ein klareres Bild ergibt.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl.-Met. Peter Hartmann