DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

18-07-2023 10:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 18.07.2023 um 10.30 UTC



Zunächst leicht wechselhafte West-Südwestlage. Kommende Woche Trogannäherung mit
Niederschlägen und zurückgehender Temperatur.
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Synoptische Entwicklung bis zum Dienstag, den 25.07.2023


Zu Beginn des mittelfristigen Prognosezeitraums am kommenden Freitag befindet
sich Deutschland auf der Vorderseite eines positiv geneigten Höhentrogs mit
Drehzentrum über dem Südrand der Norwegischen See. Bei flacher Druckverteilung
liegen wir unter einer west-südwestlichen Höhenströmung, in der im Grunde bis
Sonntag immer wieder Kurzwellentröge über den Vorhersageraum hinwegziehen.
Wettertechnisch machen sich diese Tröge vor allem im Norden und Nordwesten sowie
im Süden bemerkbar. So wird die in den Norden einströmende mäßig warme
Meeresluft (T850 zeitweise um 5°C, zum Sonntag hin wärmer) mit Hilfe des
Tagesgangs immer wieder labilisiert, was sich Form von Schauern und kurzen
Gewittern widerspiegelt. Im Süden ist hingegen eine schwülwarme, potenziell
instabile Luftmasse wirksam (T850 um 12°C, zum Sonntag wärmer), in der sich
einzelne kräftige Gewitter entwickeln (am wenigsten davon wahrscheinlich am
Sonntag). Zwischen den beiden "neuralgischen" Zonen liegt ein Streifen, in dem
sich zwar Wolken blicken lassen, das Thema Niederschlag aber weiterhin
Fremdwortcharakter aufweist, selbst wenn es lokal mal für einen schlappen
Schauer reicht.

Wirklich interessant wird es zu Beginn der kommenden Woche, wenn der Trog
beginnt, eine neutrale Exposition einzunehmen bei gleichzeitig langsamer
Progression in Richtung Europäischer Kontinent. Derweil verlagert sich das o.e.
Drehzentrum mit einem korrespondierenden Bodentief via Südskandinavien ostwärts.
Viel wichtiger ist aber ein zweites Tief, das sich trogvorderseitig bereits am
Wochenende über UK/Irland formiert, um danach den Weg Richtung gen
Benelux/Nordfrankreich und schlussendlich auch nach Deutschland anzutreten. Das
Tief ist relativ diffus konfiguriert, sprich, ziemlich langgezogen, am Ende fast
rinnenartig und verfügt über mehrere Kerne (teilweise handelt es sich um kleine
Teiltiefs). Dadurch braucht es seine Zeit (wahrscheinlich bis Mittwoch), bis das
Tief respektive die zonale Rinne durch sind, der Höhentrog übergreift und von
Nordwesten her polare Meeresluft einströmt (T850 am Donnerstag 00 UTC um 4°C im
Nordwesten und nur noch 8°C am Alpenrand). Die Rinne bringt aber nicht nur einen
Luftmassenwechsel, die Chancen stehen nicht schlecht, dass endlich auch mal
Regen am Start ist und das nicht nur in Schauer- oder Gewitterform. Wo genau wie
viel Niederschlag fällt, ist derzeit allerdings noch schwer zu prognostizieren,
weil jeder Modelllauf das Tief etwas anders simuliert. Die Wahrscheinlichkeit,
dass es kommt - in welcher Form auch immer!! - ist aber relativ hoch.

Kurzer Ausblick noch auf die erweiterte Mittelfrist bis Freitag: weiterhin
wechselhaft, aber wieder etwas wärmer.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die Konsistenz von IFS (ECMF) ist bis einschließlich Sonntag gut. Zwar treten
kleinere Unschärfen zutage, die aber als handelsüblich abgetan werden können. Ab
Montag werden die Unterschiede zwar größer, der Trend der Vorläufe setzt sich
aber fort: Tiefdruckbestimmtes Wetter mit verzögert einsetzender Abkühlung und
Hoffnung auf (flächige?) Regenfälle. Na wenn das nichts ist...
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Anfangs verfolgen die an dieser Stelle für gewöhnlich begutachteten
Globalmodelle eine sehr ähnliche Strategie wie IFS. Dass es dabei bei den kurzen
Wellen nicht immer kongruent zugeht, verwundert nicht wirklich. Ein
grundsätzlich anderer Prognosekurs lässt sich daraus nicht ableiten. Ab
Sonntag/Montag allerdings gehen die Meinungen zunehmend auseinander. Kasus
knacksus scheinen vor allem die genaue Konfiguration des Höhentrogs nebst
Drehzentrum und daran eng gekoppelt die Verteilung der Bodentiefs zu sein.
Demnach bevorzugen die anderen vier Modelle eine Variante mit einem sich
verstärkenden zentralsteuernden Tief im Bereich nördliche Nordsee/südliche
Norwegische See (zur Erinnerung, IFS lässt dieses Tief über Südskandinavien
ostwärts ziehen). Das zweite, von UK/Irland übergreifende Tief wird gar nicht
oder nur als Bodentrog angeboten. So oder so, in beiden Szenarien wäre der
zyklonale Einfluss gegeben, würde es regnen und auch kühler werden. Fahrplan,
Intensität und räumliche Verteilung sind vor diesem Hintergrund freilich noch
nicht belastbar vorherzusagen.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die IFS-EPS-Rauchfahnen verschiedener deutscher Städte spiegeln trotz graduell
zunehmender Streuung recht gut die Abläufe vom Hauptlauf wider. Interessant
dabei, dass das Gros der Ensembles die Temperatur ab Montag/Dienstag schneller
zurückgehen lässt als der deterministische Lauf. Das tendiert also eher in
Richtung der anderen Globalmodelle mit dem zentralsteuernden Tief. Checkt man
daraufhin die Cluster, wird für jeden der drei Zeiträume von T+72...240h jeweils
nur eine Schublade geöffnet. Am Dienstag zeigt die Bodendruckverteilung einen
Tiefkern über Südnorwegen, von dem aus sich ein recht breiter Trog nach Süden
und Südwesten erstreckt. Auch dieses Bild ähnelt eher der Variante der anderen
Globalmodelle, so dass man nicht umhinkommt, die Tiefkonfiguration a la
IFS-Hauptlauf als eigenwillige, wenn auch nicht völlig unmögliche
Außenseiterlösung zu titulieren.

FAZIT: Bis Sonntag wird der Kurs von IFS sowohl deterministisch (andere Modelle)
als auch probabilistisch (eigenes Ensemble) gestützt. Danach nehmen die
Unsicherheiten zu. Das von Westen übergreifende, zonal ausgerichtete
Tiefdruckgebiet (IFS) markiert eine Außenseiterlösung. Gleichwohl deutet sich
ein zyklonaler Witterungsabschnitt mit Regenfällen und zurückgehenden
Temperaturen an.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Zu Beginn der Mittelfrist besteht vor allem im äußersten Süden die Gefahr
einzelner, teils kräftiger Gewitter bis in den Unwetterbereich. Kurze Gewitter
in etwas weniger energieträchtiger Luftmasse entwickeln sich auch im Norden und
Nordwesten, wobei dort die Unwettergefahr sehr gering ist. Was genau am Montag
und an den Folgetagen passiert, ist derzeit noch sehr unsicher. Schön wäre es,
wenn mal von einem kontrollierten markanten Dauerregenereignis berichtet werden
könnte - nicht unmöglich, aber auch nicht übermäßig wahrscheinlich.
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Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-Mix mit IFS-EPS.
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann