DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

18-07-2023 07:30
SXEU31 DWAV 180800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 18.07.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
Brücke Mitteleuropa (BM) Übergang zu einem "Zwischending" aus Nordwest zyklonal
(NWz) und antizyklonal (NWa)
Kommende Nacht im Süden teils kräftige gewittrige Regenfälle (Unwetter nicht
ausgeschlossen, aber unwahrscheinlich). Sonst in den kommenden Tagen von
Nordwesten leicht wechselhaft und langsam kühler.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... hat es die erwartet kühle Nacht gegeben. Nachdem sich in den
Abendstunden noch eine markante Gewitterlinie über Ostwestfalen,
Südniedersachsen, Sachsen-Anhalt bis nach Südbrandenburg mit Sturmböen um 80,
vereinzelt bis 100 km/h ausgetobt hatte, konnte sich die langsam alternde,
frische Meeresluft in der zweiten Nachthälfte unter Zwischenhocheinfluss
beruhigen. So wurden heute Morgen bei vielfach klaren und windstillen
Verhältnissen verbreitet einstellige Tiefstwerte gemessen ("Spitzenreiter":
5.4°C Gilserberg-Moischeid/HE, 5.9°C Eslohe/NRW, 6.5°C Arnsberg-Neheim/NRW,
6.7°C Fulda-Horas und Fritzlar/Flugplatz).

In der Höhe befinden wir uns weiter in einer strammen west-südwestlichen
Strömung zwischen einem umfangreichen Höhentief über dem Nordmeer und
ungewöhnlich hohem Geopotential nahe 600 gpdm in 500 hPa an der Nordspitze
Tunesiens. Bodennah hat sich quer über der Landesmitte ein flaches Zwischenhoch
mit etwas über 1020 hPa ausgebildet, das die schwül-heiße Gewitterluft der
Vortage im Süden vorübergehend an den unmittelbaren Alpenrand abgedrängt hat. Im
Tagesverlauf wird ein flacher Kurzwellentrog, der vor allem in 300 hPa gut zu
identifizieren ist, über die Mitte hinweg ostwärts gesteuert. Der kann mit der
ausgetrockneten, stabilen Luftmasse darunter aber nix anfangen und bleibt somit
weitgehend wirkungslos. Gleichwohl hobelt er den ohnehin schon sehr flachen
Rücken über uns weiter ab und die Strömung wird nachfolgend anfälliger für
kleinere Störungen aus Südwesten.

Diesen ist es auch geschuldet, dass im Laufe des Nachmittags und Abends aus
Südwesten dichtere mittelhohe Wolkenfelder mit teils eingelagerter, abgehobener
Konvektion aufkommen (die man im Satbild bereits deutlich über Zentralfrankreich
erkennen kann und den Durchmarsch machen sollten). Diese greifen mit meist
leichten Niederschlägen, wovon ein Großteil auf dem Weg zum Boden verdunstet,
vom Oberrheingraben und dem Bodensee ostwärts aus. Nun sind die
Luftmasseneigenschaften (PPW bis nahe 40 mm) und Scherungsbedingungen
(eigentlich alles betreffend DLS > 30 m/s, LLS > 10 m/s) zwar
konvektionsfördernd und eine sich formierende Tiefdruckrinne über Frankreich
sorgt auch für eine Rückdrehung des Windes (SRH > 300 m²/s²), aber gerade
zwischen 800 und 700 hPa befindet sich doch markante Sperrschicht, erst darüber
wird fett CAPE generiert. So sind die CIN Werte von 100 bis punktuell an die 400
J/kg nicht so ohne weiteres zu durchbrechen - zumal aus der Höhe lange keine
oder nur wehr wenig Unterstützung kommt. Allenfalls mithilfe der Orographie kann
vor allem inneralpin, evtl. auch im Südschwarzwald mal was vom Boden ausgelöst
werden. So lassen sich vereinzelte Gewitter wohl sogar größtenteils mit "gelb"
abwarnen, lediglich in den unmittelbaren Grenzregionen zur Schweiz und
Österreich lassen sich einzelne Superzellen mit Begleiterscheinungen bis in den
Unwetterbereich (heftiger Starkregen, großer Hagel und schwere Sturmböen bzw.
orkanartige Böen) nicht ganz ausschließen. Die Herausgabe einer Vorabinfo
rechtfertigt das aber nicht (zu kleinräumige und zu gering wahrscheinlich).

In Küstennähe ist die Atlantikluft auch noch leidlich labil geschichtet und im
Tagesverlauf wird etwas ML CAPE (100-200 J/kg) generiert. -10 Grad werden in der
Regel aber nicht mehr unterschritten, so dass es sich primär um einzelne Schauer
handelt. Ein "trockener" Fuß fehlt auch weitestgehend, so dass in Verbindung
kaum einmal Böen bis Stärke 7 Bft auftreten. So beschränken sich warnwürdige
Böen gradientbedingt bis zum Vormittag auf exponierte auflandige
Küstenabschnitte an der Ostsee (Darß, Rügen).

Im Rest des Landes scheint vielfach die Sonne und es wird angenehm warm mit 24
bis 28 Grad. Im Süden wird örtlich die 30 Grad Marke geknackt. An der See bleibt
es mit 18 bis 23 Grad etwas kühler.


In der Nacht zum Mittwoch wird die Strömung mit Annäherung des Troges von den
Britischen Inseln allmählich zyklonaler - auch im Süden. So steigt die
Wahrscheinlichkeit für nächtliche gewittrige Starkregenfälle vor allem südlich
der Donau und insbesondere direkt an den Alpen an. Die Modelle haben sich
dahingehend weitgehend angeglichen, dass in der Summe meist Mengen zwischen 10
und 20 l/qm binnen 12 Stunden im äußersten Süden zu erwarten sind. Selbst
konvektionserlaubende Modelle wie AROME und Super HD bieten kaum einmal höhere
Spitzen an. Nur das ICON-D2 schlägt im 03 UTC Lauf mit bis zu 70 l/qm etwas nach
oben aus. Entsprechend reagiert auch das ICON-D2-EPS mit Wahrscheinlichkeiten um
die 50% für mehr als 25 l/qm/12h von Oberstdorf bis ins Werdenfelser Land. Bei
der Betrachtung der Konsistenz des ICON-D2 kommen an der Lösung allerdings
erhebliche Zweifel angesichts der Sprunghaftigkeit der Lösungen auf.
Fakt ist, sollte sich weiterhin auch in den Folgeläufen keine wirkliche
Interaktion mit einem kurzwelligen Troganteil ankündigen, so bleibt die
Unwettergefahr insgesamt wohl eher gering. Gleichwohl kann es gebietsweise
markante, auch mehrstündige und gewittrig durchsetzte Starkregenfälle geben.

Unterdessen wird es auch im Norden und Nordwesten wieder unbeständiger mit
schauerartigen Regenfällen in der zweiten Nachthälfte, die aus den Resten des
sich auffüllenden Tiefs über den Britischen Inseln von Westen übergreifen. Über

der Mitte des Landes bleibt es locker bewölkt und trocken. Die Tiefstwerte
liegen meist zwischen 15 und 10 Grad, im Süden unter den Wolken bei
ausbleibendem Regen auch darüber.


Mittwoch... schwenkt die Hauptachse des o.e. Troges, der zunehmend flach und
breit angelegt ist, Richtung Deutschland und erreicht am Abend in die Deutsche
Bucht. An den vorhandenen Luftmassengegensätzen, die sich allerdings auf ein
größeres Gebiet erstrecken und keine scharfen Gradienten aufweist, kann sich
ansatzweise dennoch eine flache Welle ausbilden. Modellübergreifend wird
zumindest ein flacher Bodentrog simuliert. Dabei kommt es zeit- und gebietsweise
zu schauerartigen Regenfällen mit Schwerpunkt im Norden und Nordwesten mit 5 bis
10 l/qm binnen 12 Stunden in der Fläche (stärkste dynamische Hebung). Das
Gewitterrisiko ist dabei nur gering (keine Höhekaltluft, arg limitierte
Labilität). Gerade am Nachmittag und Abend kann es im Nordseeumfeld aber doch
mal lokal reichen. Und auch direkt auf der warmen Seite der Welle, die über die
Landesmitte hinwegschwenkt, werden nach AROME und ICON-D2 von den zentralen
Mittelgebirgen aus ostwärts ausgreifend einzelne Schauer und Gewitter simuliert,
was durchaus plausibel ist. Die Begleiterscheinungen sollten bei niedrigem
"ocker" mit Starkregen um 15 l/qm binnen einer Stunde, stürmischen Böen Bft 8
und kleinkörnigem Hagel anzusiedeln sein. Am ehesten trocken bleibt es
voraussichtlich im Saarland und in Rheinland-Pfalz.

Potentiell feucht-labil und gewittrig bleibt es vor allem südlich der Donau,
wobei noch unklar ist, inwiefern die nächtlichen Regenfälle die Einstrahlung
dämpfen und dadurch die Konvektion zur "besten" Tageszeit am späten Nachmittag
nicht neu in Gang kommt. Prinzipiell sind anhand der Zutaten aber weiterhin
Entwicklungen bis in den Unwetterbereich mit heftigem Starkregen, großem Hagel
und Böen bis Orkanstärke möglich. Die Numerik ist diesbezüglich aber (noch?)
recht verhalten.

Hinderlich ist natürlich der stramme West/Nordwestwind (Stichwort: kühler Fuß),
der mitunter mithilfe des Leitplankeneffekts im Alpenvorland sogar bis in die
Nähe der Warnschwellen vorstoßen könnte. Auch direkt am Südrand der Welle gibt
es Signale für steife Böen Bft 7 speziell in den westlichen Mittelgebirgen.
ICON-D2-EPS bietet von NRW bis nach Baden recht flächig 30 bis 70% für Böen Bft
7 an, mit Maxima auch darüber in den Kamm- und Leelagen. Eine derart flächige
Windlage ist bei ausbleibender Konvektion in diesem Bereich aber eher
unwahrscheinlich und allenfalls lokaler feinjustiert vorstellbar. Die stärksten
Böen sind ohnehin an die Gewitter gekoppelt.

Die Temperaturen erreichen in der Nordhälfte 19 bis 25 Grad, sonst 25 bis 29
Grad.


In der Nacht zum Donnerstag schwenkt der angesprochene Trog, der vor allem im
Norden etwas schärfer ausgeprägt ist ostwärts und erreicht zum Morgen die
Gebiete von oder und Neiße. Damit wird auch die Welle ostwärts gesteuert und
rückseitig dreht die Strömung auf Nordwest. Die einsetzende Kaltluftadvektion
dämpft die Niederschlagsprozesse von Westen her, so dass sich schauerartige,
teils gewittrig durchsetzte Regenfälle zunehmend in den Nordosten zurückziehen.
Gerade an der Ostsee kann es gebietsweise auch mal kräftiger regnen mit mehr als
10 l/qm binnen 12 Stunden.

Sonst beruhigt sich das Wetter und es lockert gebietsweise auf. In der
einfließenden Meeresluft subpolaren Ursprungs gehen die Temperaturen in 850 hPa
im Nordwesten auf unter 5 Grad zurück. Bewölkung und mäßiger Wind vor allem in
der ersten nachthälfte noch verhindern aber ein stärkeres Auskühlen. Dennoch
kann bei 15 bis 9 Grad gut gelüftet werden. In den Frühstunden treten auf Sylt
zunehmend steife Böen Bft 7 aus Nordwest auf.


Donnerstag... hat sich das Höhentief inzwischen ein wenig nach Süden bis dicht
nordwestlich vor das Kap Svinöy voran arbeiten. In der west-nordwestlichen
Strömung geht das muntere Wechselspiel von (meist flachen) Trögen und Keilen,
die uns passieren, weiter. Tagsüber ist nun wieder ein flacher Keil an der
Reihe, der für schwaches Absinken sorgt.

Allerdings werden in der frischen Meeresluft die Auslösetemperaturen rasch
erreicht und zahlreiche Quellwolken schießen nach oben, bevor sie zeitnah an die
Inversion bei rund 650 hPa stoßen werden. Die Null-Grad-Grenze liegt allerdings
inzwischen recht niedrig bei rund 770 hPa (knapp 8000 FT), so dass es zumindest
für einzelne schwache Schauer langt. An den Südrändern der Mittelgebirge kommt
so gut wie nix an. Durch das "Breitlaufen" an der Inversion wird der
Wettercharakter gebietsweise auch ein stark bewölkter wird. Am längsten
Sonnenschein ist im Südwesten zu erwarten.

Die eingesickerte kühlere Meeresluft macht sich jetzt auch in den Höchstwerten
bemerkbar, die im Norden nur noch bei 18 bis 22 Grad, sonst bei 23 bis 27 Grad
liegen. Der Wind weht mäßig und vor allem in der Nordosthälfte auch stark böig.
Da sich bisher im Oslofjord nur ein flaches Randtief schwach andeutet, bleibt es
voraussichtlich bei steifen Böen lediglich an exponierten Küstenabschnitten von
Sylt über Fehmarn bis nach Rügen und Usedom aus West bis Nordwest.


In der Nacht zum Freitag gelangen wir von Westen auf die Vorderseite eines
neuerlichen Troges über Westeuropa. Die Druckverteilung am Boden wird aber
zunehmend flau. Im Verlauf kommen örtlich leichte Regenfälle auf, vielerorts
bleibt es aber auch trocken. Die Warnkarte sollte leer bleiben bei
Tiefsttemperaturen zwischen 14 und 10 Grad, bei längeren Auflockerungen bis 8
Grad.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Basisfelder werden von den Modellen ähnlich simuliert, selbst bezüglich des
Timings und der Ausprägung der teilnehmenden Trog-/Keilmuster. Auf die
Unterschiede zum ICON-D2 in der Gewitterentwicklung für die kommende Nacht wurde
ausführlich im Text Stellung bezogen. Es stellt derzeit nur noch eine
Außenseiterlösung dar. Eine Vorabinformation wurde in der Konferenz einheitlich
abgelehnt.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Robert Hausen