DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

17-07-2023 08:01
SXEU31 DWAV 170800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 17.07.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
Brücke Mitteleuropa (BM)...
... wovon vor allem die Landesmitte "profitiert". Im Norden zeitweise windig und
wechselhaft mit Schauern und kurzen Gewitter. Im äußersten Süden sehr warme bis
heiße und potentiell gewitterträchtige Luft - vor allem in der Nacht zum
Mittwoch mit lokaler Unwettergefahr.



Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 24 UTC
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Montag... liegen wir zwischen einem umfangreichen steuernden Tief über dem
Nordmeer und einem Höhenhoch mit satten 600 gpdm in 500 hPa an der Nordspitze
Tunesiens in einer südwestlichen Strömung. Westlich der Iberischen Halbinsel
zeigt sich eine stärkere Austrogung mit Abtropftendenzen. Die Residuen schwenken
von den Britischen Inseln nach Deutschland und gestalten den Wettercharakter
leicht wechselhaft. Ein recht markanter seiner Zunft erreicht über Benelux im
Laufe des Nachmittags die Norddeutsche Tiefebene. Luftmassentechnisch haben wir
ein starkes Nordwest-Südostgefälle zu verzeichnen. Während von der Nordsee kühle
Atlantikluft einströmt (T850 bei 5-7 Grad) ist Richtung Niederbayern und Alpen
noch eine fast schwül-heiße Luftmasse (mit T850 um 15 Grad und Theta 850 um 55
Grad) wetterwirksam.

So haben wir es in der Summe mit einer Dreiteilung hierzulande zu tun:

Norden/Nordwesten: Von NRW bis zur Ostsee treten zunächst nur einzelne, mit
Annäherung des Troges wiederholter Schauer und auch einzelne Gewitter auf. Die
Labilitätsfläche wird dabei hochreichender angesichts eingesteuert Luft unter
-20 Grad in 500 hPa. Der Kurzwellentrog ist zwar mit einem durchaus markanten
Jetast an der Südflanke verbunden, die größte Scherung ist aber in schon
stabileren Gefilden eher über der Landesmitte zu verorten. Gleichwohl reichen
auch in Küstennähe 10 bis 15, lokal bis 20 m/s zwischen 0 und 6 km für das
Auftreten organisierter, insbesondere linienhafter Konvektionsstaffeln aus.
Richtungsscherung spielt keine große Rolle. PPW'S zwischen 20 und 25 mm und die
recht hohe Zuggeschwindigkeit sprechen eher gegen überbordende
Starkregenwahrscheinlichkeiten. Neben kleinem Hagel sollte man eher den Wind im
Auge behalten, der auch aus dem Gradienten heraus locker für Böe der Stärke 6
bis 7 Bft gut ist. In Gewitternähe muss mit stürmischen Böen Bft 8, am Südrand
bei DCAPE Werten um die 500 J/kg auch vereinzelt mit Bft 9 gerechnet werden.

Südwesten-Osten: Es schließt sich südlich davon ein Bereich an, in dem es bei
einem freundlichen Mix aus Sonne und Wolken weitgehend trocken bleibt. Die
Grenzschicht ist sehr trocken und auch in der mittleren Troposphäre überwiegt
schwaches Absinken (auch zu einem Anteil kompensatorischer Natur) mit einer
Inversion bei rund 700 hPa knapp unterhalb der 0 Grad Grenze. Dadurch kommt
allerdings erneut eine erhöhte tagesgangbedingte Böigkeit in Gang, die auch ohne
Schauer gebietsweise steife Böen mit Geschwindigkeiten um 50 km/h, vereinzelt
bis 60 km/h bringt. ICON-D2 EPS simuliert einen Streifen erhöhter
Wahrscheinlichkeiten vom Odenwald über das Thüringer Becken bis zum Spreewald,
wo warntechnisch im Nowcasting ggfs. noch nachgesteuert wird.

Südost: Dort ist noch energiereiche Gewitterluft wetterbestimmend mit hohen
PPW's teils knapp über 30 mm und ML CAPE bis 1000 J/kg. Allerdings scheint das
Pulver bereits an den Vormittagsstunden verschossen zu werden und mit der
westlichen Strömung wird die feucht-labile Luft im Tagesverlauf weiter
südostwärts abgedrängt. Dass, wie bei der Deutschen Modellkette angedeutet, am
Nachmittag und Abend aber gar nichts mehr passiert, ist aber doch recht
unwahrscheinlich. Zumindest Richtung unterer Donau und direkt an den Alpen
sollte schon nochmal vereinzelt neue Auslöse stattfinden. Dann kann es punktuell
in Verbindung mit Superzellen auch lokale Unwetter geben. Eine Vorabinfo lohnt
sich freilich nicht.

Die Temperaturen erreichen an der Nordsee Werte um 20 Grad, im Süden und
Südosten bis nahe 30 Grad.

In der Nacht zum Dienstag schwenkt der Randtrog rasch über den Norden hinweg
ostwärts. So treten vor allem in der ersten Nachthälfte Richtung
Mecklenburg-Vorpommern noch Schauer und anfängliche kurze Gewitter auf. Die Böen
schlagen dabei aber mit Stabilisierung der Grenzschicht immer seltener in
Sturmstärke bis zum Boden durch. Im Verlauf wird man sie meist mit "gelb"
abwarnen können.

Nachfolgend macht sich ausgehend vom Hoch über Südeuropa ein flacher Rücken
bemerkbar, der eine Bodenhochzelle stützt, die sich über Frankreich vom
Azorenhoch abspaltet und am Morgen mit etwas mehr als 1020 hPa über der
Südhälfte Deutschlands liegt. Entsprechend klart es vielerorts auf und bei nur
schwacher Luftbewegung sinken die Tiefstwerte auf 13 bis 7 Grad. Da muss man die
weit geöffneten Fenster hier und da zum Morgen sogar ankippen oder gar
schließen. In exponierten Tal - und Muldenlagen Hessens, NRW's und
Rheinland-Pfalz geht es sogar bis auf 5 oder vielleicht sogar 4 Grad runter.
Örtlich kann sich flacher Nebel bilden. An der See bei vor allem an der Ostsee
noch stark böigem Westwind sowie unter den Wolkenresten an den Alpen bleibt es
mit rund 15 Grad etwas milder.


Dienstag... wird der äußerst flache Höhenrücken bereits von neuerlichen
kurzwelligen Anteilen von Westen überlaufen. Ein etwas Markanterer zeichnet sich
dabei vor allem zur Mittagszeit über der Mitte Deutschlands in 300 hPa ab
(Krümmung und Vorticityadvektion). Das Randtief über den Britischen Inseln
bleibt dabei zunächst noch außen vor.

Das nächtliche Bodenhoch schwächt sich mangels Unterstützung aus der Höhe auch
schon wieder ab und verlagert sich mit seiner Achse wenig nordwärts. Vor allem
in einem breiten Streifen über der Landesmitte dominiert damit Absinken bei viel
Sonnenschein. In Küstennähe sind vereinzelt noch schwache Schauer unterwegs, die
Wolkenoberkantentemperaturen erreichen gerade noch so die -5 Grad mit Spuren von
ML CAPE von maximal 100 J/kg.

Spannender ist da eindeutig, was und ob überhaupt im Süden was passiert. Dort
macht nämlich die einstige schwül-heiße Luft, die aus dem Alpenraum nie wirklich
verdrängt wird, wieder Raum nach Norden gut. Über Frankreich deutet sich im
Tagesverlauf die Ausbildung einer flachen Tiefdruckrinne an. Das sorgt auch über
Süddeutschland für eine allmähliche Rückdrehung des Windes, was zu exorbitant
hohen Scherungswerten (eigentlich alles betreffend DLS > 30 m/s, LLS > 10 m/s,
SRH > 300 m²/s²) führt. Die Luftmasse weist einen hohen Feuchtegehalt bis 40 mm
an niederschlagbarem Wasser aus und die Lapse Rates gehen bis -0.8 K / 100m in
den tiefroten Bereich zurück. Eigentlich wäre also alles angerichtet für eine
Schwergewitterlage. Schaut man sich hingegen die Lapse Rates zwischen 850 und
700 hPa an, so sind diese alles andere als steil, erst darüber wird fett MU CAPE
generiert. Dementsprechend ist der Deckel mit CIN-Werten von 100 bis punktuell
an die 400 J/kg gewaltig und nicht so ohne weiteres zu durchbrechen - zumal aus
der Höhe lange keine Unterstützung kommt. So passiert wohl bis zum späten Abend
lange "nix" mit Ausnahme eventueller abgehobener Konvektionsbänder, die sich
antizyklonal von Frankreich nach Süddeutschland "mogeln". Die primäre Gefahr
würde dabei von größerem Hagel ausgehen, nach einer gewissen Anfeuchtung auch
vom Starkregen. Auch vereinzelte Auslöse vom Schwarzwald kann im Laufe des
Abends nicht ausgeschlossen werden. Vielerorts wird es im Süden aber wohl
erstmal beim Aufzug mittelhoher Wolken und einzelnen Fallstreifen bleiben.

Die Temperaturen ändern sich kaum und liegen allgemein zwischen 20 Grad an der
See und 30 Grad im Süden. Windböen aus dem Gradienten heraus spielen keine Rolle
mehr.


In der Nacht zum Mittwoch wird die Strömung mit Annäherung des Troges von den
Britischen Inseln allmählich zyklonal - auch im Süden. So steigt die
Wahrscheinlichkeit für nächtliche gewittrige Starkregenfälle vor allem südlich
der Donau an. Während die Globalmodelle meist moderat mit 10 bis 20, IFS lokal
bis 40 l/qm binnen 12 Stunden reagieren, schlägt das UK10 mit teilweise 30 bis
60 l/qm im Alpenvorland zu. ICON-D2 rechnet bis 3 UTC ebenfalls eher konservativ
mit nur kleinräumig eingelagerten Streifen von 30 l/qm binnen weniger Stunden.
Fakt ist, sollte sich bis morgen Nachmittag noch eine Interaktion mit einem
kurzwelligen Troganteil ankündigen, kann daraus ganz schnell eine ausgewachsene
Unwetterlage mit heftigem mehrstündigen Starkregen erwachsen. Aktuell deutet
darauf aber noch nicht allzu viel hin.

Unterdessen wird es auch im Norden und Nordwesten wieder unbeständiger mit
schauerartigen Regenfällen in der zweiten Nachthälfte, die aus den Resten des
sich auffüllenden Tiefs über den Britischen Inseln von Westen übergreifen. Über
der Mitte des Landes bleibt es locker bewölkt und trocken. Die Tiefstwerte
liegen meist zwischen 15 und 10 Grad, im Süden unter den Wolken bei
ausbleibendem Regen auch darüber.

Mittwoch... schwenkt die Hauptachse des o.e. Troges, die zunehmend flach aber
dafür breit angelegt ist, nach Deutschland. An den vorhandenen
Luftmassengegensätzen, die sich allerdings auf ein größeres Gebiet erstrecken
und keine scharfen Gradienten aufweist, kann sich ansatzweise dennoch eine
flache Welle ausbilden. Diese zeichnet sich am Boden vor allem beim UK10, in
Ansätzen aber auch beim IFS und ICON über Norddeutschland ab. Dabei kommt es
zeit- und gebietsweise zu schauerartigen Regenfällen. Das Gewitterrisiko ist
dabei nur gering. Inwieweit diese auch südlich der Mittelgebirgsschwelle
ausgreifen, ist noch unsicher. Am ehesten trocken bleibt es vom Saarland über
das Rhein-Main-Gebiet bis nach Sachsen. Der Schwerpunkt dürfte ganz klar über
Norddeutschland liegen mit 1 bis 5, stellenweise um 10 l/qm binnen 12 Stunden.

Potentiell feucht-labil und gewittrig bleibt es vor allem südlich der Donau,
wobei noch unklar ist, inwiefern die nächtlichen Regenfälle die Einstrahlung
dämpfen und dadurch die Konvektion zur "besten" Tageszeit am späten Nachmittag
nicht neu in Gang kommt. Prinzipiell sind anhand der Zutaten aber weiterhin
Entwicklungen bis in den Unwetterbereich mit heftigem Starkregen, großem Hagel
und Böen bis Orkanstärke möglich.

Die Temperaturen erreiche in der Nordhälfte 19 bis 25 Grad, sonst 25 bis 29
Grad.


In der Nacht zum Donnerstag überquert uns im Norden ein weiterer Randtrog.
Dahinter dreht di Strömung in sämtlichen Schichten auf West bis Nordwest.
Dadurch bleibt die Schauertätigkeit im Norden lebhaft und kühlere Meeresluft
arbeitet sich allmählich auch in den Süden vor. Sonst gibt es nur noch
vereinzelt Schauer und es klart teilweise auf bei Tiefstwerten meist zwischen 14
und 9 Grad.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Basisfelder sind ähnlich, etwaige Diskrepanzen wurden bereits im Text
erläutert.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Robert Hausen