DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

16-07-2023 17:01
SXEU31 DWAV 161800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 16.07.2023 um 18 UTC


SCHLAGZEILE:
Am Montag im Nordwesten und Norden neben Schauern auch einzelne Gewitter mit
stürmischen Böen oder Sturmböen.
Am Dienstag im äußersten Süden eventuell erhöhtes Potenzial für unwetterartige
Gewitter, Entwicklung aber noch sehr unsicher.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 06 UTC
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Aktuell ... befindet sich Mitteleuropa zwischen einem umfangreichen
Höhentiefkomplex über dem Nordmeer (Drehzentrum in den kommenden 24 Stunden
recht quasistationär westsüdwestlich der Lofoten) und einem sehr kräftigen
Höhenhoch über dem westlichen Mittelmeerraum. Dieses weist in der kommenden
Nacht und am Montag nach ein extrem hohes Geopotenzial auf, wobei die Modelle
sogar eine kleinräumige geschlossene 600 gpdam-Isohypse auf der Agenda haben -
ein definitiv außergewöhnliches Ereignis. Dieser "Hitze-Dom" induziert eine
inzwischen auch schon medial recht ausgeschlachtete Hitzewelle im westlichen und
zentralen Mittelmeerraum. Ob es für den absoluten Europarekord reicht, scheint
eher unwahrscheinlich, regionale Rekorde wird es sicherlich einige geben.
Indirekt hat dieses Geopotenzialgebilde auch auf unser Wetter Einfluss, ist es
doch - zusammen mit dem vom Höhentief ausgehenden, zunächst noch nach Südwesten
zurückhängenden Trog - für eine dichte Drängung der Isohypsen über dem
Vorhersagegebiet verantwortlich. Daraus resultiert letztendlich eine für diese
Jahreszeit kräftige, aber recht glatte südwestliche Höhenströmung über dem
Vorhersagegebiet.
Die nach Südwesten, auf den nahen Ostatlantik, gerichtete Haupttrogachse kommt
im Laufe der Nacht Richtung GB voran, verliert aber zunehmend an Kontur, wobei
aber noch ein relativ scharf konturierter Kurzwellentrog übrigbleibt. Vorlaufend
überquert im Laufe der Nacht ein in die Südwestströmung eingebetteter
kurzwelliger Troganteil die südwestliche Nordsee und erreicht morgens die
Deutsche Bucht.
Im Bodenfeld hat die Kaltfront des zentralsteuernden Tiefs über dem Nordmeer
inzwischen den Südosten Deutschlands erreicht, kommt aber mangels
Schubkomponente kaum mehr weiter südostwärts voran. Somit kann die potenziell
instabile und sehr warme präfrontale Luftmasse nicht komplett ausgeräumt werden,
auch, wenn die Kaltfront von flacher Kaltluftadvektion unterlaufen wird.
Auch postfrontal dominiert aufgrund mitteltroposphärischer KLA eher Absinken, so
dass der Druck steigt und sich ein von Frankreich nach Süddeutschland
gerichteter Bodenhochkeil noch etwas verstärken kann. Allerdings könnte der
weiter nordwestlich ablaufende Kurzwellentrog auch der Kaltfront einen geringen
dynamischen Hebungsinput liefern und diese aktivieren. Jedenfalls simulieren
einige Modelle in etwa von Oberschwaben bis zum Oberpfälzer bzw. zum Bayerischen
Wald und südöstlich davon im Laufe der Nacht gebietsweise schauerartige
Niederschläge. Vor allem anfangs können auch einzelne Gewitter dabei sein. Die
Signale für eventuelle kleinräumige Starkregenereignisse sind seitens der
Konvektion erlaubenden Modelle aber nur marginal. Allerdings ist die
Cape/Shear-Überlappung im nicht weit entfernten inneralpinen Bereich (Inntal,
Salzachtal) günstig, so dass ein dort entstehendes Gewitter vor allem bzgl.
Hagel rasch Unwetterpotenzial erreicht und (wenngleich abgeschwächt) vielleicht
auch noch den Bayerischen Alpenraum (am ehesten wohl Chiemgau und
Berchtesgadener Land) erfassen könnte.
Ansonsten steht der Wind über dem Nordwesten des Landes im Fokus der
Warntätigkeit. Tagsüber hat sich zwischen dem Hochkeil über dem Südwesten
Deutschlands und dem nur langsam nordwärts abziehenden Nordmeertief dort ein
veritabler Gradient aufgebaut, so dass es bis in die mittleren Landesteile
verbreitet für steife, im Nordseeumfeld für stürmische Böen, vereinzelt für
Sturmböen gereicht hat. Dieser Gradient fächert im Laufe der kommenden Nacht
etwas auf und mit Stabilisierung de3r Grundschicht flaut der Wind vor allem im
Binnenland deutlich ab. An der Nordsee bleibt es windig, allerdings reicht es
auch dort meist nur für steife Böen aus Südwest, am ehesten auf den
Ostfriesischen und Nordfriesischen Inseln.
Während sich die Wolken in einem breiten Streifen vom Südwesten über die Mitte
bis in die Osthälfte vielerorts auflösen und es meist nur gering bewölkt,
teilweise auch klar bleibt, halten sich neben dem Südosten auch im Nordwesten
noch eher dichtere Wolkenfelder. Schauer gibt es dort aber zunächst nur selten,
gebietsweise fällt etwas Regen oder Nieselregen. Mit Annäherung des kurzwelligen
Troganteils und der Advektion höhenkalter Luft (T500 morgens über der Deutschen
Bucht -21 Grad bei +6 Grad in 850 hPa) labilisiert die Luftmasse im Nordwesten
später zunehmend und vor allem im Nordseeumfeld gibt es ausgangs der Nacht erste
etwas kräftigere Schauer, ein kurzes Gewitter nicht ausgeschlossen.
Die Nacht wird meist angenehm frisch mit Tiefstwerten zwischen 16 und 9 Grad.
Lediglich im Südosten bleibt es mit 19 bis 15 Grad ziemlich mild.

Montag ... schwenkt der kurzwellige Troganteil über der Nordsee rasch nach
Nordosten, von den Britischen Inseln folgt der oben erwähnte markante
Kurzwellentrog und erreicht nachmittags bereits Norddeutschland. An dessen
Südflanke greift ein beeindruckender Jetstreak mit Geschwindigkeiten bis über
120 kn in 300 hPa zum Abend hin auf die südliche Norddeutsche Tiefebene über.
Allerdings dominiert im gesamten Bereich KLA, so dass sich auch in der Left Exit
Region keine markante Tiefdruckentwicklung abzeichnet. Immerhin liefert die
kräftige trogvorderseitige PVA einen durchaus nennenswerten dynamischen
Hebungsimpuls, den die KLA nicht vollständig kompensieren kann. Die Luftmasse
labilisiert im Nordwesten und Norden weiter, in 500 hPa sinkt die Temperatur am
Nachmittag/Abend auf -20 bis -23 Grad, in 500 hPa verharrt sie bei etwa 5 bis 8
Grad.
Die Schauer im Nordseeumfeld klingen nach Abzug des ersten kurzwelligen
Troganteils am Vormittat vorübergehend ab und mit etwas Einstrahlung können etwa
200 bis kleinräumig etwas über 500 J/kg ML-Cape generiert werden. Mittags und
nachmittags kommen aber von der Nordsee her erneut Schauer auf und greifen auch
deutlich weiter ins Binnenland aus. Die Luftmasse ist nun hochreichend labil
geschichtet, so dass auch kurze Gewitter mit von der Partie sind, bei markanter
hochreichender Scherung teilweise auch linienförmig organisiert. Innerhalb der
maritimen Luftmasse subpolaren Ursprungs liegen die PPWs um 20 mm oder knapp
darüber, so dass auch aufgrund der hohen Zuggeschwindigkeit Starkregen eher eine
untergeordnete Rolle spielt (wenngleich nicht ganz ausgeschlossen ist).
Vereinzelt kann auch kleinkörniger Hagel auftreten. Im Fokus der
Begleiterscheinungen steht somit eindeutig der Wind. Die Prognosesoundings
zeigen langgestreckte, allerdings nur wenig gekurfte Hodografen, zudem vor den
ersten Gewittern auch eine "Inverted V"-Signatur. Somit sind bei organisierter
konvektiver Aktivität auf jeden Fall stürmische Böen mit von der Partie,
Sturmböen können ebenfalls nicht ausgeschlossen werden. Wie weit die Gewitter
nach Süden reichen, ist noch ein wenig unsicher. In etwa wird die Linie
Niederrhein-Berliner Raum angepeilt.
Auch außerhalb der Schauer und Gewitter kann es im Nordwesten, in windanfälligen
Regionen auch weiter südöstlich, im Tagesverlauf einzelne steife Böen geben, da
der nach Süddeutschland gerichtete Hochkeil relativ kräftig bleibt und das
Nordmeertief nur sehr zögerlich nordwärts abzieht. Eine leichte
Gradientauffächerung deutet sich aber zum Nachmittag und Abend an.
Der äußerste Süden/Südosten Deutschlands verbleibt nach wie vor präfrontal
(wenngleich die Kaltfront bei zunehmenden Hochdruckeinfluss gewisse
Auflösungstendenzen zeigt) im Einflussbereich der potenziell instabilen
Luftmasse (T850 hPa am Abend zwischen 5 Grad im Nordwesten und 15 Grad in
Südostbayern). Die PPWs bleiben mit über 30 mm dort hoch, zudem kann dort mit
Einstrahlung vor allem direkt am Alpenrand einiges an Cape (bis um die 1000
J/kg) generiert werden. Allerdings ist bei dominierendem Hochdruckeinfluss kein
dynamischer Hebungsimpuls gegeben. Die Frage stellt sich auch, inwieweit die
Wolken überhaupt im Bereich der Front auflockern. Einige Modelle (z.B. ICON-EU)
simulieren dort überwiegend dichte Bewölkung und immer wieder etwas Regen.
Sollte es aber doch für längere sonnige Abschnitte reichen, sind am ehesten
spätnachmittags und abends direkt an den Alpen einzelne Gewitter denkbar, die
dann von Sturmböen, Hagel und Starkregen begleitet werden. Eventuell - und das
zeigen auch viele Konvektion erlaubende Modelle - beschränkt sich die
Gewitteraktivität aber auch auf den inneralpinen Bereich.
Während es im Nordwesten und Norden, eventuell auch im Südosten wolkig, teils
auch stark bewölkt bleibt, scheint sonst neben lockeren Wolkenfeldern häufig die
Sonne und es bleibt trocken. Im Nordwesten liegen die Höchstwerte zwischen 19
und 24 Grad, sonst wird es mit 24 bis 30 Grad (letztere am ehesten an der Donau,
in der Oberpfalz/Mittelfranken bzw. in der Lausitz) sommerlich warm.

In der Nacht zum Dienstag kommt der Kurzwellentrog rasch Richtung Baltikum
voran. Zwischen diesem und einem weiteren Kurzwellentrog, der morgens von
Nordwesten her auf Irland übergreift, stellt sich eine leicht antizyklonale
westliche Höhenströmung ein.
Somit dominiert Absinken und über der Südhälfte des Landes kann sich eine
eigenständige Hochdruckparzelle (über 1020 hPa) etablieren, deren Schwerpunkt
sich morgens bereits in etwa über dem Vogtland befindet.
Somit klingen die Schauer und Gewitter im Norden rasch ab, lediglich an den
Küsten und in Schleswig-Holstein kann es bei meist starker Bewölkung hier und da
noch etwas regnen. Im Südosten deutet sich mit Durchschwenken des
Kurzwellentroges etwas abgesetzt von den Alpen unmittelbar präfrontal zur sich
auflösenden Kaltfront abends und eingangs der Nacht eine kurzzeitige Verstärkung
der Konvektion an, ICON-D2 simuliert dort einzelne Schauer und Gewitter. Die
Entwicklung ist aber fraglich und sollte sich im Laufe der Nacht rasch wieder
erledigen.
Ansonsten verläuft die Nacht störungsfrei (auch der Wind im Norden schläft rasch
ein) und außer im Norden sowie ganz im Südosten auch vielerorts gering bewölkt
oder klar. Die Tiefstwerte liegen meist zwischen 15 und 8 Grad, lediglich an den
Küsten sowie an den Alpen und im südlichen Alpenvorland bleibt es milder.

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Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 06 UTC

Dienstag ... hat sich gegenüber den Modellen von heute Früh/Vormittag nur wenig
geändert. An der Südflanke des nach wie vor quasistationären Höhentiefs über dem
Nordmeer verlagert sich ein Randtrog über Irland Richtung England bzw.
Schottland und in der Nacht zum Mittwoch unter deutlichem Konturverlust weiter
zur Nordsee. Dadurch steilt die unvermindert kräftige westliche Höhenströmung an
der Nordflanke des nach wie vor imposanten Höhenhochs, das seinen Schwerpunkt
etwas nach Süden, Richtung Tunesien/Algerien verlagert, über dem
Vorhersagegebiet etwas auf und vor allem über Süddeutschland setzt recht
markante WLA ein. Das Bodenhoch verlagert sich in etwa zur Hohen Tatra, so dass
mit der Warmfront eines flachen Tiefs über Frankreich vor allem in den Süden des
Landes erneut ein Schwall subtropischer Luft vordringen kann. Die 850
hPa-Temperatur steigt dabei auf Werte zwischen 7 Grad im Norden und 15 bis 18
Grad ganz im Süden, dazu ist die Luftmasse in etwa vom Schwarzwald bis ins
Alpenvorland wieder potenziell instabil geschichtet.
Mit der kräftigen niedertroposphärischen WLA ist die Luftmasse zwar stark
gedeckelt, dennoch können sowohl an der Warmfront (dort elevated) als auch im
Warmsektor einzelne Gewitter nicht ausgeschlossen werden. Diese finden dann
Umgebungsbedingungen vor, die durchaus das Potenzial für schwere Gewitter
bieten: Neben mehr als 1000 J/kg Cape (SuperHD am Abend im Südwesten,
IFS-Basiertes SwissHD sogar mehr als 2000 J/kg) steht aufgrund der kräftigen
Höhenströmung am Nordrand des "Hitze-Doms" eine beeindruckende hochreichende
Scherung von 30 bis 40 m/s zur Verfügung, dazu eventuell eine günstige Bodennahe
Richtungsscherung (Bodenwinde aus Ost, Höhenwinde aus Westsüdwest. Die PPWs
steigen auf über 30 mm. Unklar ist, ob es zur Auslöse reicht oder sich diese
eher auf Ostfrankreich bzw. den inneralpinen Bereich beschränkt. Sollte es
reichen, steht vor allem der Hagel im Fokus, auch Großhagel über 4 cm sollte
dann kein Problem sein, dazu sind natürlich auch kleinräumige heftige
Starkregenereignisse möglich und schwere Sturmböen.
Auch das EFI des IFS hat hohe Wahrscheinlichkeiten für eine sehr günstige
Cape/Shear-Überlappung über Süddeutschland auf der Agenda.
Abgesehen vom eventuellen Schwergewitterpotenzial im äußersten Süden verläuft
der Tag aber bei schwachem Hochdruckeinfluss im Vorhersagegebiet wettertechnisch
ruhig. Im Norden bleibt es eher bewölkt, für Schauer reicht es kaum, sonst
scheint vielerorts die Sonne bei Höchstwerten im Norden zwischen 20 und 24 Grad
und 25 bis 30 Grad sonst, im Süden wohl auch wieder darüber.



Modellvergleich und -einschätzung
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Die Unsicherheiten bzgl. eventueller schwerer Gewitter am Dienstag im äußersten
Süden/Südwesten wurden im Text angesprochen. Aus aktueller Sicht kann der Ball
diesbezüglich natürlich noch flach gehalten werden.
Ansonsten fahren die Modelle einen relativ einheitlichen Kurs.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff