DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

14-07-2023 08:01
SXEU31 DWAV 140800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 14.07.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
SW z
Am Samstag im Süden und Osten große Hitze, von Westen und Südwesten Gewitter mit
Unwetterpotenzial.
Am Sonntag im Südosten und Nordwesten weitere, meist aber nur noch markante
Gewitter, sonst Wetterberuhigung.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... wird der Trog über dem nahen Nordostatlantik und dem Nordmeer durch
einen von Grönland her südwärts gerichteten Kaltluftvorstoß regeneriert. Das
resultierende neue Höhentief zieht südwärts und erreicht mit seinem Drehzentrum
das Seegebiet knapp westlich von Irland. Damit einher geht eine kräftige
Bodenzyklone, die sich auf rund 990 hPa vertieft und mit Kern nach Irland zieht.
Auf der Vorderseite kommt kräftige WLA in Gang, die einen zunächst noch recht
flachen Rücken stützt, der eingebettet in die westliche Höhenströmung heute nach
Deutschland schwenkt und abends mit seiner Achse über dem Osten des Landes zu
finden ist. Die korrespondierende Bodenhochdruckzone verlagert ihren Schwerpunkt
von Süddeutschland ins östliche Mitteleuropa. Zwischen dem Hoch und den Tief bei
Irland dreht der Wind niedertroposphärisch auf Süd bis Südwest. Dabei wird
wieder wärmere Luft herangeführt, im 850-hPa-Niveau steigt die Temperatur im
Süden wieder auf über 15 °C, im Norden liegt sie bei rund 10 °C.

Durch die aufkommende WLA ziehen von Westen gebietsweise hohe und mittelhohe
Wolkenfelder auf. Zum Teil fällt daraus auch schwacher Niederschlag, der im
Radar sichtbar wird, aber voraussichtlich nicht den Boden erreicht. Er
verdunstet in der recht trockenen Grenzschichtluft. Zu den Wolkenfeldern
gesellen sich ein paar flache Quellwolken, die tagesgangbedingte
Grenzschichtlabilität reicht aber nur bis etwa 800 bis 750 hPa. Etwas höher
hinauf geht es ganz im Norden und Nordwesten (700-650 hPa), zudem hält sich dort
etwas feuchtere Luft, sodass der ein oder andere Schauer möglich ist. Am meisten
Sonnenschein gibt es im Tagesverlauf im Süden und Südwesten, dort sind in den
Flussniederungen auch wieder knapp über 30 °C möglich, aber auch sonst ist es
mit 25 bis 29 °C verbreitet sommerlich warm.

In der Nacht zum Samstag zieht das Höhentief nach Irland, das Bodentief gelangt
dort senkrecht unter des Drehzentrum und hat seinen Entwicklungshöhepunkt
überschritten. Es fungiert in der Folge als steuerndes Zentraltief. An der
Südwestflanke des Höhentiefs schwenkt ein sich amplifizierender Trog zur
Biskaya. Zwischen dem sich intensivierenden und mit seiner Achse nach Osten
abziehenden Rücken und dem sich südwärts amplifizierenden Trog stellt sich bei
uns eine sich langsam aufsteilende, noch antizyklonal konturierte südwestliche
Höhenströmung ein. Im Bodenfeld setzt sich der Luftdruckfall fort, ein erster
Bodentrog schwenkt über den Nordwesten. Darin eingelagert ist die Warmfront des
Irlandtiefs, im Zuge dessen sich zusammen mit anhaltender WLA die Hebung
intensiviert. Infolgedessen zieht bevorzugt über den Nordwesten und Norden
mehrschichtige Bewölkung, aus der es vor allem im Nordseeumfeld und in
Schleswig-Holstein etwas regnen kann. Ansonsten bleibt es trocken, im Süden
klart es verbreitet auf.
Zwischen der nach Norden abziehenden Warmfront und der schleifend auf Frankreich
und die westliche Nordsee übergreifenden Kaltfront wird ein subtropische und
hochreichend instabile Luftmasse advehiert, die allerdings zumeist noch trocken
ist. Nur der äußerste Westen und Südwesten schnuppert schon mal an feuchterer
Luft. Ausgangs der Nacht könnten Reste der Gewitter, die sich präfrontal über
Frankreich entwickelt haben, auf den äußersten Südwesten (Saarland, RLP)
übergreifen. Ob die dann noch gewittrig sind, ist aber fraglich, dennoch ist ein
Starkregenereignis nicht ganz ausgeschlossen.
In westdeutschen Ballungszentren sinkt die Temperatur kaum noch unter 20 °C, im
Süden und Südosten kann (und sollte!) bei Tiefstwerten von zum Teil bis 12 °C
nochmal durchgelüftet werden.



Samstag... zieht das nunmehr hochreichende, steuernde Zentraltief von Irland
nach Schottland, der zugehörige Trog schwenkt über die Biskaya nach
Westfrankreich und zum Ärmelkanal. Die südwestliche Höhenströmung steilt über
uns damit nochmal etwas auf und konturiert sich von Westen her zunehmend
zyklonal. Die Kaltfront des Tiefs liegt weiterhin schleifend über Benelux und
greift wahrscheinlich erst zum Abend auf Nordwestdeutschland über. Präfrontal
kann sich eine Tiefdruckrinne ausbilden, deren Konvergenzachse tagsüber diagonal
vom Südwesten über der Mitte bis in den Nordosten zu finden ist.

Mit der kräftigen Südwestströmung verstärkt sich die niedertroposphärische WLA
zumindest in der Südosthälfte nochmals. Auf 850 hPa steigen die Temperaturen
dort auf 17 bis 24 Grad, im Westen und Nordwesten verharren die Temperaturen
aufgrund der Nähe zur Frontalzone bei 12 bis 16 Grad. Vorderseitig der o. e.
Rinne wird mit bodennaher Südwestströmung eine ziemlich trockene Luft in den
Süden und Osten advehiert, schön zu erkennen an starken "Inverted-V-Strukturen"
in den Prognosesoundings und Hebungskondensationsniveaus über 3000 m. Obwohl die
Instabilität massiv zunimmt, bedingt durch die Aufheizung, ist mit einer
Konvektionsauslöse tagsüber nicht zu rechnen. Somit scheint vom Alpenrand bis
nach Brandenburg die meiste Zeit die Sonne und es ziehen nur ein paar hohe
Wolkenfelder durch. ICON6 und ICON-D2 simulieren am östlichen Alpenrand recht
hohe Grenzschichtfeuchte, was aber im Hinblick auf den sich einstellenden Föhn
(in Hochlagen Sturmböen, exponiert schwere Sturmböen, in anfälligen Föhntälern
steife Böen) sehr fraglich ist. Dieser sollte die Konvektion eigentlich hemmen.
Die trockene Grundschicht mit trockenadiabtischen Temperaturgradienten bis teils
600 hPa (!) und einer Überadiabate in der Grenzschicht lässt sehr hohe
Tageshöchstwerte von verbreitet über 35 °C zu, in den Niederungen Frankens und
Richtung Lausitz sind Werte bis 38 oder gar 39 °C denkbar.

Westlich der Tiefdruckrinne setzt dagegen die Advektion sehr feuchter Luft ein
(spezifische Feuchte 11 bis 13 g/kg, PPWs 35 bis 40 mm), allerdings gleichzeitig
auch eine gewissen Stabilisierung durch niedertroposphärische KLA, die der
Kaltfront weit vorauseilt. Entsprechend zurückhaltend sind die Modelle auch beim
Aufbau von ML-CAPE, ICON6 zum Beispiel simuliert meist nur 200 bis 500 J/kg, im
Südwesten am Nachmittag immerhin bis knapp 100 J/kg. Wenig zuträglich dürfte
dabei auch sein, dass im Zuge eines ersten Kurzwellentroges bereits am Vormittag
von Nordostfrankreich her gewittrige Regenfälle, eventuell auch ein größerer,
alternder MCS aufziehen könnte, der tagsüber nordostwärts über den Westen in den
Norden zieht. Dieses Szenario haben vor allem die DWD-Modelle recht konsistent
auf der Agenda. Dieses Gewittersystem würde vornehmlich lokalen Starkregen
bringen und vor allem ab den Vormittagsstunden, wenn sich zwischen Cold Pool und
der Hitze weiter östlich ein veritabler Temperaturradient einstellt, rückseitig
auch steife bis stürmische Böen. Während in der Spur des MCS in größeren Teilen
des Wesrens erst mal die Luft "raus" ist, werden sich ab den Mittagstunden in
der Peripherie des Systems bzw. entlang der Outflow Boundary etwa vom Südwesten
über die Mitte bis in den Norden neue Gewitter entwickeln, abends dann auch
wieder im Nordwesten im Vorfeld der Kaltfront. Trotz limitierter Energie ist im
Hinblick auf die moderate bis starke hochreichende und niedertroposphärische
Scherung von einer raschen Organisation der Gewitter zu rechnen. Bei meist
geraden Hodographen können das Superzellen sein, die dazu neigen, sich zu
splitten. Vor allem von Südwesten her, wenn die synoptisch skalige Hebung weiter
zunimmt, ist im Verlauf auch ein Zusammenschließen zu einem größeren MCS
denkbar. Bezüglich der Begleiterscheinungen gilt festzuhalten, dass trotz
ordentlicher Zuggeschwindigkeit lokaler Starkregen bis in den Unwetterbereich
möglich ist, extreme Mengen aber eher unwahrscheinlich. In starken Superzellen
und bei linearen Segmenten im MCS sind unwetterartige Böen, also schwere
Sturmböen oder orkanartige Böen zu erwarten. Das Hagelpotenzial ist mangels
Labilität limitiert, 2-3 cm Korngrößen sind aber im Hinblick auf die Dynamik
definitiv ins Kalkül zu ziehen.

In der Nacht zum Sonntag zieht das hochreichende Tief zur nördlichen Nordsee,
der Trog schwenkt nach Deutschland hinein. Die Kaltfront bekommt dadurch Schub
und überquert weite Bereiche des Landes ostwärts, nur im Süden hängt sie etwas
zurück. Der äußerste Süden und Südosten verbleibt somit in der Warmluft,
ansonsten setzt sich postfrontal eine erwärmte, subpolare Meeresluft durch (T850
auf 10 bis 7 °C absinkend). Die präfrontalen Gewitter erreichen nun auch die
Südosthälfte, nur der äußerste Südosten Bayerns könnte noch außen vor bleiben.
Da es sich dann weniger um kräftige Einzelentwicklungen handelt und eher um ein
oder mehrere größere Systeme, wird sich das Gefahrenpotenzial von den Böen und
dem Hagel mehr in Richtung (mehrstündigen), durchaus heftigen Starkregen
verlagern. Vor allem Anfangs besteht aber auch noch aufgrund der Böen
Unwetterpotenzial, erst mit Stabilisierung der Grenzschicht im Nachtverlauf
nimmt das Potenzial dafür ab.
Postfrontal schließt sich eine Subsidenzzone an, in der die Niederschläge rasch
nachlassen und die Bewölkung auflockert. Später sorgt Labilisierung im
Trogbereich im Nordseeumfeld für einzelne Schauer oder kurze Gewitter mit
Sturmböen. Auch abseits der Konvektion zieht der Wind gradientbedingt an, sodass
an der Nordsee steife bis stürmische Böen, exponiert Sturmböen zu erwarten sind.




Sonntag... zieht das steuernde Tief zur Norwegischen See. Der
nordwesteuropäische Trogkomplex wird an seiner Westflanke regeneriert, ein neues
Aktionszentrum in Form eines Höhentiefs zieht ins Seegebiet zwischen Island und
Schottland. Über Deutschland bleibt - nach Abzug des Kurzwellentroges nach
Nordosten - damit eine recht glatte Südwestströmung erhalten. Die Kaltfront ist
schleifend darin eingebettet und zieht nur sehr zögerlich zum Alpenrand.

In Südostbayern ist in Resten der feuchten und instabilen Luftmasse im
Tagesverlauf wieder mit einem Aufleben der Gewittertätigkeit zu rechnen. Den
Zellen steht zwar nur einige Hundert J/kg ML-CAPE zur Verfügung, allerdings
moderate hochreichende Scherung, sodass organisierte Strukturen möglich sind und
zumindest markante Begleiterscheinungen (Sturmböen, lokal Starkregen). Unwetter
durch heftigen Starkregen sind gering wahrscheinlich. Vor den Gewittern sind
Richtung Inn nochmal knapp über 30 °C möglich.

Im Westen, Nordwesten und Norden stellt sich in moderat labiler Meeresluft
wechselhaftes Wetter mit einzelnen Schauern, eventuell auch kurzen Gewittern mit
stürmischen Böen. Dazu weht auch abseits der Schauer und Gewitter ein stark
böiger Südwestwind, an der Nordsee und im angrenzenden Binnenland sowie auf
einigen exponierten Berggipfeln sind stürmische Böen und Sturmböen möglich.
Dabei wird ein Sommertag (25 °C) meist wohl knapp verfehlt.

Im Osten ziehen die Gewitter aus der Nacht zügig ostwärts ab, dann stellt sich
zwischen den beiden Konvektionsbereichen in einem breiten Streifen vom Südwesten
über die Mitte bis in den Nordosten und Osten ein freundlicher Mix aus flachen
Quellwolken (Absinkinversion bei 800-700 hPa) und Sonnenschein ein. Dabei wird
es sommerlich warm bei 25 bis 29 °C.

In der Nacht zum Montag schwenkt ein weiterer Kurzwellentrog nach Deutschland
und hält die Schauertätigkeit im Norden und Nordwesten sowie südlich der Donau
am Leben, vor allem im Südosten in der weiterhin sehr feuchten Luft sind auch
weitere Gewitter mit lokalem Starkregen nicht ausgeschlossen. Im breiten
Streifen dazwischen bleibt es trocken.


Modellvergleich und -einschätzung
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Bezüglich der synoptischen Basisfelder rechnen die Modelle sehr ähnlich. Was sie
dann in Bezug auf die Konvektion daraus machen, sieht mitunter aber sehr
unterschiedlich aus. So bleibt einem im Hinblick auf die Gewitterlage am Samstag
nur die Potenzialabschätzung über die Zutatenmethode. Auf Basis derer ist eine
überregionale Unwetterlage nicht ausgeschlossen, wobei der Fokus - Stand heute -
eher auf dem Südwesten liegt. Die Herausgabe einer Vorabinfo wurde vertagt auf
heute Abend oder Samstagvormittag, wenn die konvektionsauflösenden Modelle
(hoffentlich) ein konsistenteres Bild abgegeben.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Adrian Leyser