DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

12-07-2023 17:01
SXEU31 DWAV 121800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 12.07.2023 um 18 UTC


SCHLAGZEILE:
GEWITTER (UNWETTER):
Anfangs im Norden einzelne kurze Gewitter mit stürmischen Böen 8 Bft. Im Süden,
insbesondere südlich der Donau teils kräftige Gewitter. Dabei lokal Unwetter mit
Hagel um 2 cm, Starkregen mehr als 25 l/qm in kurzer Zeit und schweren Sturmböen
um 100 km/h nicht auszuschließen.
In der Nacht zum Donnerstag südlich der Donau anfangs noch Gewitter, in
ungewittrigen Starkregen übergehend und Richtung Alpen zurückziehend. Lokal
Mengen zwischen 20 und 35, vereinzelt bis zu 60 l/qm in wenigen Stunden.

Am Donnerstag sich von der Nordsee auf das nord- und nordwestdeutsche Binnenland
ausweitende Gewitteraktivität. Kurze Gewitter, maximal mit Böen 8 Bft.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 06 UTC
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Aktuell ... liegt Deutschland an der Vorderseite eines breiten Troges, der von
einem Höhentiefkomplex mit Zentren über der nördlichen Nordsee und dem Nordmeer
ausgeht und der die Britischen Inseln überquert. Flankiert wird dieser Trog
durch einen abflachenden Keil, der sich über Polen hinweg ostwärts verlagert.
Somit ergibt sich über Mitteleuropa eine südwestliche Strömung. In dieser liegt
die schwache Kaltfront eines Bodentiefs über dem Nordmeer. Aufgrund der geringen
frontsenkrechten Windkomponente arbeitet sich diese Front, die von
Kaltluftadvektion überlaufen wird und daher kaum Wetterwirksamkeit aufweist, nur
sehr zögernd weiter südwärts vor. Somit ist in den Gebieten vom Schwarzwald bis
zum Bayerischen Wald und zu den Alpen noch kein Luftmassenwechsel erfolgt.
Hierdurch konnte die dort noch vorhandene feuchtlabile Luft tagesgangsbedingt
noch einmal ihre volle Wirkung entfalten. Immerhin erreicht dank vorheriger
Einstrahlung CAPE (MU, KK) nochmals bis knapp 2000 J/kg und der Gehalt an
niederschlagbarem Wasser bis 40 mm. Hebung wird durch kurzwellige
Keil-Trog-Strukturen spendiert, so dass sich vor allem in Donaunähe und südlich
davon und aus den Alpen heraus teils heftige Gewitter entwickeln. Da sich die
Gewitter linienhaft, aber parallel zur Verlagerungsrichtung anordnen, sind auch
größere Regenmengen möglich, d.h. es ist Unwetter durch heftigen Starkregen
gegeben. Auch Hagel kann nicht ausgeschlossen werden, die hochreichende Scherung
ist hierzu signifikant. Allerdings hat sich in diesen Gebieten bereits eine
westliche bodennahe Windkomponente durchgesetzt, mit welcher allmählich
trockenere und etwas stabilere Luft advehiert wird. Daher ist die aktuell dort
noch vorhandene Luftmasse nicht mit der gestrigen im Südwesten Deutschlands
vergleichbar und die Gewittertätigkeit wird in den Abendstunden früher als bei
derartigen Lagen üblich abklingen.
Darüber hinaus gibt es an der Vorderseite eines zu den dänischen Inseln
ablaufenden Kurzwellentroges von der Nordsee her auf den Nordwesten Deutschlands
übergreifend einzelne kurze Gewitter, die maximal mit stürmischen Böen
einhergehen können. Ansonsten handelt es sich hierbei um typische
Kaltluftgewitter.
Im weitaus größten Teil Deutschlands hat sich trockenere und stabil geschichtete
Luft durchgesetzt, wobei Absinken, das aus Kaltluftadvektion resultiert, die
Konvektion weitgehend unterbindet.

In der Nacht zum Donnerstag rückt der von dem Höhentief über dem Nordmeer
ausgehende Trog nach Ostfrankreich vor. Hierdurch steilt die Strömung über dem
Vorhersagegebiet noch etwas auf. Mit der Annäherung des Troges erfolgt
zusätzlich Hebung, die am Alpenrand verstärkt wird. Daher verlagert sich die
Gewittertätigkeit an den Alpenrand, wobei die Gewitter im Laufe der Nacht in
ungewittrigen Starkregen übergehen. Vor allem im Allgäu und in Oberschwaben bis
hin zum Großraum München können mit geringer Wahrscheinlichkeit noch
unwetterartige Regenmengen auftreten. Hier ergeben sich noch
Modellunsicherheiten, zum einen, was die Niederschlagsmengen, zum anderen, was
das Ausgreifen der Niederschläge nach Norden betrifft. Als Konsens-Vorhersage
lassen sich strichweise bis 60 mm innerhalb weniger Stunden herausarbeiten.
In der zweiten Nachthälfte sollte aber auch dort die Niederschlagstätigkeit
allmählich abklingen; markant zu bewarnende Regenmengen sind jedoch unmittelbar
an den Alpen bis in die Frühstunden hinein möglich.
Ansonsten erfolgt im Bereich eines sich von Westen hereinschiebenden Hochkeils
Wetterberuhigung. Eine Ausnahme stellt noch der nordseenahe Küstenbereich dar,
wo die Konvektion in Form von weiteren, nach Nordosten ablaufenden
Kurzwellentrögen, in Form von Schauern und kurzen Gewittern am Leben gehalten
wird. Verbreitet klart es auf, so dass eine Abkühlung auf 17 bis 12 Grad
erfolgt.

Donnerstag ... greift der von dem Höhentief über dem Nordmeer ausgehende Trog
auf Deutschland über. Dies lässt von der Nordsee her auf den Nordwesten und
Norden eine rege Schauertätigkeit bis hin zu kurzen Gewittern einsetzen. Mit
geringer Wahrscheinlichkeit können dabei stürmische Böen auftreten.
Mit der Passage des Troges dreht die Strömung auf West, wodurch die am Alpenrand
noch vorhandenen Reste feuchtlabiler Luft schlussendlich ausgeräumt werden.
Zuvor können sich inneralpin noch einmal einzelne Gewitter entwickeln, wobei
dann Starkregengefahr kaum noch besteht. Zur tagesgangsbedingt aktivsten Zeit
hat sich dann auch an den Alpen stabil geschichtete Luft durchgesetzt.
Im weitaus größten Teil Deutschlands erfolgt im Bereich eines von der Biskaya
bis in den östlichen Alpenraum reichenden Bodenhochkeils Absinken, wodurch
größere Auflockerungen und zum Teil auch längere sonnige Abschnitte zu erwarten
sind. Obwohl es sich um eine gemäßigte Luftmasse handelt, wird es mit 24 bis 28
Grad noch einmal recht warm. Im Nordwesten, in Ostseenähe und im äußersten
Südwesten werden 19 bis 23 Grad erreicht.

In der Nacht zum Freitag zieht der Trog nach Polen ab, wodurch die westliche
Strömung dann etwas antizyklonaler geprägt ist. Von einem Höhenrücken kann dann
noch keine Rede sein. Aber immerhin wird hierdurch das Bodenhoch über dem
Alpenraum gestützt, das sich kräftigt und noch etwas nach Norden ausweitet.
Allerdings gibt der Höhentiefkomplex über dem Nordmeer noch keine Ruhe. Dieser
hatte zuvor grönländische Polarluft angezapft, wodurch westlich von Island eine
erneute Trogbildung erfolgte. Dieser Trog ist derweil ausgetropft, so dass der
Höhentiefkomplex bis Freitagfrüh eine dipolartige Struktur annimmt.
Über dem Vorhersagegebiet erfolgt im Bereich eines ausgedehnten Bodenhochs
Absinken. Bei meist sternenklarem Himmel sind abgesehen vom Küstenstreifen
Tiefsttemperaturen zwischen 14 und 8 Grad zu erwarten.

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Synoptische Entwicklung bis Samstag 06 UTC

Freitag ... setzt sich die Austrogung über dem nahen Atlantik fort, so dass sich
über Mitteleuropa ein breiter Rücken aufwölbt. Das korrespondierende Bodenhoch
verlagert sich etwas nach Osten, so dass niedertroposphärisch dann eine
südwestliche bis südliche Windkomponente in Gang kommt. Mit dieser wird dann
wieder wärmere, aber zunächst noch weitgehend stabil geschichtete Luft
advehiert. Die Folge ist ein erneuter leichter Temperaturanstieg auf 25 bis 30,
im Küstenbereich auf Werte um 22 Grad.

In der Nacht zum Samstag verlagern sich Trog und Bodentief etwas nach Osten,
wobei sich der Trog bis in das Seegebiet unmittelbar vor der Iberischen
Halbinsel ausweitet. Der Rücken verlagert sich nach Polen. Entsprechend schwächt
sich der Hochdruckeinfluss bei uns ab. Mit der auf Südwest drehenden
Höhenströmung setzt sich die niedertroposphärische Erwärmung fort. Mit 20 bis
13°C bleibt es milder als die Nächte zuvor.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle stützen die oben beschriebene Entwicklung. Anhand der
synoptischen Basisfelder lassen sich keine prognoserelevanten Unterschiede
ableiten. Lediglich zu Beginn des Vorhersagezeitraumes, d.h. bis Donnerstagfrüh,
lassen die hochauflösenden Modelle (und deren Probabilistik) die
Starkniederschläge weiter nach Norden, d.h. bis über den Großraum München hinaus
und etwa bis nach Passau, übergreifen, wogegen die globalen Modelle die
Starkniederschläge am Alpenrand und im alpennahen Vorland belassen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann