DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

12-07-2023 08:01
SXEU31 DWAV 120800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 12.07.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Wz (West zyklonal), Richtung Wochenende SWz (Südwest zyklonal)


Heute im Süden noch kräftige Gewitter oder Starkregen, im Norden eher
"Kaltluftkonvektion". Am Donnerstag, vor allem aber am Freitag vorübergehende
Wetterberuhigung.


Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... startet mit Verlaub etwas unrund, was in hohem Maße mit der
Entwicklung der Vornacht zusammenhängt. Die hatte es in Teilen Süddeutschlands
ja in sich mit einem Gewittercluster, wie man ihn bei uns nicht alle Tage sieht
(manche behaupten, so etwas gäbe es hier gar nicht mehr, was nun aber widerlegt
ist). Inzwischen hat uns der Cluster unter deutlicher Abschwächung zwar ostwärts
verlassen, die richtige Ruhe will aber noch nicht einkehren. Aus der Schweiz
heraus hat bereits das nächste, allerdings deutlich schwächere System auf den
Süden BaWüs übergegriffen, was ICON-D2 von 00 UTFC nicht wirklich gut auf dem
Schirm hatte. Der 03-UTC-Lauf hat aber reagiert und lässt das Ganze als Regen
mit eingelagerten Gewittern am Vormittag über den äußersten Süden nach Osten
ziehen (markant, immerhin mit Böen 9 Bft).

Unruhig, wenn auch nicht überall, startet der Tag auch in der Nordhälfte. In
Vorpommern ziehen die letzten Gewitter eines Bodentrogs mit Windkonvergenz zur
Ostsee raus, während weiter westlich Schauer und Gewitter (maximal markant) von
einer Kaltfront sowie einem postfrontal über den äußersten Nordwesten
schwenkenden KW-Trog in Gang gehalten werden. Insgesamt dürfte sich das
Geschehen in den nächsten Stunden aber beruhigen (Tagesgangsenke, vormittägliche
Depression), bevor am Nachmittag ein tagesgangbedingter Refresh ansteht.

Kommen wir zur Wetterlage, die - das ist eine gute Nachricht - so freundlich
ist, uns am heutigen Tag die gestern noch verbreitet aufgetretene Bullenhitze zu
ersparen. Der Dank geht das hochreichende, aus mehreren Kernen bestehende Tief
RONSON mit Schwerpunkt über der nördlichen Nordsee respektive der südlichen
Norwegischen See. Der gute RONSON gibt sich ziemlich statisch, heißt, er agiert
quasi als zentralsteuerndes Tief, das uns mit west-südwestlicher Strömung eine
nicht mehr so heiße, wenn auch nicht kühle Atlantikluft serviert. Vor allem im
Nordwesten, wo T850 auf unter 10°C zurückgeht, ist eine Abkühlung spürbar (Tmax
unter 25°C). Nach Süden und Südosten hin sieht die Sache nicht ganz so klar aus,
weil es die o.e. schleifende Kaltfront nicht schafft, den kompletten
Vorhersageraum hinter sich zu lassen und einen klaren Luftmassenwechsel zu
bewirken. Da der Wind aber landesweit auf westliche Richtungen dreht, wird die
heiße Luft von gestern modifiziert (der erste Schritt wurde bereits durch die
nächtlichen Gewitter bewerkstelligt). 20°C und mehr auf 850 hPa sind
verschwunden und nur lokal reicht es im Süden und Südosten auf 2 m noch für
30°C.

Wettertechnisch entwickelt sich der Tag in etwa so, dass im Norden und
Nordwesten in der leidlich labil geschichteten und nur mäßig feuchten Meeresluft
etwas CAPE generiert wird. Das genügt, um mit Hilfe des Tagesgangs sowie eines
weiteren Sekundärtroges in der Höhe einige Schauer und Gewitter auf den Plan zu
rufen, die von Böen 7-8 Bft und kleinem Hagel, aufgrund ihrer Beweglichkeit
weniger von Starkregen begleitet sein können. Dazu muckt der West-Südwestwind in
der Nordhälfte bisweilen spürbar auf, was insbesondere in Verbindung mit
Konvektion die eine oder andere steife Böe 7 Bft zutage bringt. In exponierten
Hochlagen wird´s gar stürmisch, auch ohne Schauer und Gewitter.

Der Schwerpunkt der Gewittertätigkeit liegt heute Nachmittag/Abend aber
eindeutig im Süden und Südosten in den Resten der gestrigen Luftmasse. Der
Wasserdampfgehalt ist mit über 30 mm PPW noch recht üppig und labil ist die
Schichtung auch noch. Gerade südlich der Donau simulieren die Modelle teils über
1000 J/kg CAPE, wobei allerdings die Frage erlaubt sein muss, inwieweit das o.e.
morgendliche System (was die 00-UTC-Numerik ja nicht wirklich auf dem Schirm
hatte) hier modifizierend eingreift. Es ist davon auszugehen, dass dadurch ein
Teil der potenziellen Energie genommen wird. Außerdem dürfte es für weniger
Einstrahlung reichen. Trotzdem sollten wir davon ausgehen, dass es im
Tagesverlauf insbesondere südlich der Donau für einige kräftige
Überentwicklungen reicht. Dabei steht Starkregen ganz oben auf der Agenda,
lokale Unwetter wahrscheinlich. Bei solider Scherung folgt Hagel, der wohl aber
nicht größer als 2, maximal 3 cm aus fallen wird. Wind und Sturm treten aufgrund
der Durchfeuchtung der Luftmasse in den Hintergrund (die Prognosesoundings
scheinen die inverse V-Struktur zu übertreiben) in den Hintergrund, gleichwohl
sind einzelne Böen 8 Bft, worst case 9 Bft nicht ausgeschlossen.

Zwischen den beiden genannten Aktionszonen erhebt sich ein von West-Südwest bis
in den Osten reichender Streifen, in dem sich bei einer Mischung aus Sonne und
Wolken trotz (stiller) Passage wettermäßig wenig bis nix tut.

Kommen wir zur Nacht auf Donnerstag, in der sich an der Großwetterlage gar nicht
so viel ändert. In der Hauptsache gilt es die Kaltfront zu erwähnen, die unter
der südwestlichen Höhenströmung weiterhin schleifend unterwegs ist und sich
dabei mehr und mehr in den Süden begibt. Dort, und zwar vornehmlich südlich der
Donau, kommt es zu weiteren Gewittern und Starkregenfällen, die sich zusehends
gen Alpen zurückziehen und dabei immer ungewittriger agieren. Wie schnell der
Prozess vonstattengeht und wie viel Regen fällt, wird numerisch aktuell noch
unterschiedlich behandelt. Bei AROME z.B. ist der Spuk ziemlich schnell vorbei,
bei der deutschen Modellkette und GFS dauert´s länger. Auf alle Fälle sollte man
auf dem Schirm haben, dass die Wahrscheinlichkeit für mehrstündigen und z.T.
ungewittrigen Starkregen gar nicht mal so gering ist.

Im großen Rest der Republik fächert der Gradient auf und es wölbt sich von
Frankreich her sogar ein zartes Zwischenhoch auf. Entsprechend reißt die
Wolkendecke vielfach auf, was der nächtlichen Abkühlungsrate sehr guttut. So
geht die Temperatur mit Ausnahme des Südens und Südostens verbreitet auf 15 bis
10°C, in einigen Mittelgebirgen lokal sogar bis 8°C zurück. Also, Fenster
aufreißen, frische Luft reinlassen und hoffentlich gut schlafen. Nicht ganz so
entspannt wie im Binnenland verläuft die Nacht direkt an der Nordsee sowie in
unmittelbarer Nachbarschaft. Grund ist die Annäherung eines weiteren KW-Trogs,
der die Schauer- und Gewittertätigkeit erneut anfacht.

Donnerstag... verlagert sich der Schwerpunkt der zyklonalen Aktionszentrums
RONSON in Richtung Nordwesten. Damit entfernt sich das System de facto zwar vom
Vorhersageraum, ein gewisses Restquantum an Kontrolle bleibt aber erhalten. Vor
allem im Norden und Nordwesten, wo es erstmal den o.e. KW-Trog durchzuschleusen
gilt, setzt RONSON noch einige Wirkungstreffer. So wird sich die nächtliche
Nordsee-Konvektion mit Hilfe des Tagesgangs auf weite Teile Nord- und
Nordwestdeutschlands ausweiten, wobei die Gewitter ähnlich wie heute von Böen
7-8 Bft und kleinem Hagel, weniger von Starkregen begleitet werden, auch wenn 15
l/m² schnell gefallen sind.

Ansonsten lässt sich konstatieren, dass der Luftdruck weiter steigt, was sich in
einem sich von Frankreich ostwärts ausweitenden Azorenhochkeil namens FEE
widerspiegelt. Die eingeflossene Luftmasse trocknet weiter ab und es
kristallisiert sich ein recht breit aufgestellter, vom Südwesten bis in den
Osten verlaufender Korridor heraus, in dem es ganztägig trocken bleibt. Zwar
liegt die Inversion mit 700 bis 600 hPa ziemlich hoch, so dass durchaus ein paar
schwache Schauer vorstellbar wären. Wahrscheinlich ist aber zu wenig Wasserdampf
vorhanden, so dass es zwar für Quellwolken, nicht aber für Regen reicht.

Ausgenommen von dieser Darstellung bleiben der äußerste Süden und Südosten, wo
sich auch morgen noch relativ feuchte, wenn auch nicht überbordend labile Luft
befindet. Dort bekommt die gute FEE noch keinen richtigen Zugriff, heißt, es
kommt zu weiteren, meist schauerartigen Regenfällen, die von einzelnen Gewittern
(markant durch Starkregen) begleitet sein können.

Thermisch heißt es am Donnerstag durchatmen, sprich, bei 850-hPa-Tempertaturen
zwischen 6°C im Nordwesten und 12°C im Südosten stehen Höchstwerte von 20 bis
25°C im Norden und Westen sowie südlich der Donau und 23 bis 27°C sonst auf der
Karte.

In der Nacht zum Freitag löst sich aus dem westlichen Teil des Höhentiefs ein
neues Drehzentrum, das aus dem Raum Island südwärts zieht. Dabei wird nicht nur
eine Zyklogenese am Boden angeschmissen (genau genommen bekommt ein schon
vorhandenes flaches Tief neues Leben eingehaucht). Es kommt darüber hinaus zu
einer Austrogung über dem nahen Atlantik, deren Folgen vor allem am Wochenende
spürbar werden. Zunächst aber bleibt die Höhenströmung auf West, nimmt aber
zunehmend glatte bis leicht antizyklonale Kontur an. Das bleibt nicht ohne
Folgen für den Bodendruck, der weiter steigt und über den Alpen sowie in
Süddeutschland eine 1020-hPa-Parzelle auf´s Parkett zaubert. Vor diesem
Hintergrund verwundert es nicht, dass sowohl die Konvektion im Norden als auch
die Regenfälle und Gewitter im Süden recht bald ins Land der Träume
verschwinden. Einzig in Küstennähe bleibt eine latente Schauerneigung, für
Gewitter dürfte es aber kaum noch reichen. Bei verbreitet geringer Bewölkung
oder klarem Himmel kühlt die Luft auf 15 bis 8°C ab - herrlich!

Freitag... setzt sich die Austrogung über dem nahen Atlantik fort und knapp
westlich von Irland bringt sich ein Doppeltief in Position (SANDOR), dessen
Kaltfront und am Wochenende schwer beschäftigen dürfte. Zunächst mal bleibt das
zyklonale Geschehen aber noch weit genug entfernt, so dass wir und auf einen aus
warntechnischer Perspektive entspannten Tag freuen können. Stromab des Troges
wölbt sich über Mitteleuropa ein flacher Rücken auf, der das Bodenhoch
geringfügig nach Osten verschiebt. Damit kommt niedertroposphärisch eine
südliche bis südwestliche Strömung in Gang, mit der Warmluft advehiert wird.
T850 steigt bis zum Abend auf rund 9°C im äußersten Norden bis zu 18°C im
Alpenvorland. Zwar ziehen WLA-bedingt einige mehr oder weniger dichte
Wolkenfelder durch (SO-Hälfte weniger als NW-Hälfte), trotzdem ist der solare
Energieinput ausreichend, um Tageshöchstwerte zwischen 25 und 31°C zu
generieren. Nur ganz im Norden, etwa vom Emsland bis hinüber nach Vorpommern,
wird es mit 20 bis 25°C nicht ganz so warm. Dort könnte es hier und da sogar für
ein paar Tröpflis reichen.

In der Nacht zum Samstag verlagern sich Trog und Bodentief etwas nach Osten.
Entsprechend schwächt sich der Hochdruckeinfluss bei uns ab. Mit der
rückdrehenden Höhenströmung setzt kräftige WLA ein, die für reichlich hohes und
mittelhohes Gewölk sorgt, welches nordostwärts über das Land hinwegzieht. Für
Regen reichte es wohl aber (noch) nicht. Mit 20 bis 13°C bleibt es milder als
die Nächte zuvor.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die großräumige Entwicklung bis Samstag ist unstrittig. Die größten
Modellunterschiede betreffen die Gewitter und Regenfälle ganz im Süden ab heute
Nachmittag.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann