DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

09-07-2023 07:01
SXEU31 DWAV 090800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 09.07.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
S a, Übergang zu SW z

GEWITTER(UNWETTER):
Heute etwa ab Mittag zunächst vom Südwesten bis zur Mitte vor allem über den
Bergen vereinzelte Hitzegewitter mit Starkregen, kleinkörnigem Hagel und
Sturmböen. Dabei kleinräumig Unwetter mit heftigem Starkregen bis 40 l/qm/h
nicht auszuschließen. Deutlich höhere Unwettergefahr am Nachmittag und Abend von
NRW bis nach Niedersachsen durch von Benelux aufziehende, staffelartige
Gewitter. Dabei teils heftiger Starkregen um 25 l/qm binnen kurzer Zeit, Hagel
um 3 cm und schwere Sturmböen bis zu einzelnen Orkanböen (85 bis 125 km/h).
In der Nacht zum Montag weiter ostwärts bis etwa zur Landesmitte ausgreifende
Gewitter, bis in den Frühstunden auch Teile Mecklenburgs, Thüringens und Bayerns
erreichend. Dabei deutlich abnehmende Unwettergefahr.
Am Montag im Osten und Südosten erneut Gewitter, an den Alpen bis über den Abend
hinaus andauernd. Unwetter weniger wahrscheinlich als heute, aber nicht
auszuschließen.
Am Dienstag von Südwesten und Süden am Abend und in der Nacht zum Mittwoch zum
Teil bis auf die Mitte und bis Mittwochfrüh auf den östlichen Mittelgebirgsraum
übergreifend erneut Gewitter bis hin zum Unwetter mit allen möglichen
Begleiterscheinungen. Unwettergefahr in der zweiten Nachthälfte abnehmend.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 24 UTC
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Sonntag... liegt Deutschland unter einem Höhenkeil, der sich vom westlichen
Mittelmeer über die östliche Nordsee hinweg bis ins Seegebiet unmittelbar
östlich von Island erstreckt. Dieser Keil wird von einem Höhentiefkomplex über
dem nahen Ostatlantik flankiert. Die mit dem Keil korrespondierende meridional
gerichtete Hochbrücke erstreckt sich von Skandinavien nach Südosteuropa,
schwächt sich aber infolge weiterer Aufheizung ab. Da sich die Achse des Keils
allmählich über die Mitte hinweg ostwärts verlagert, setzt mitteltroposphärisch
über dem Nordwesten und Westen Deutschlands eine südwestliche und relativ steile
Strömung ein, mit welcher Subtropikluft aus wem westlichen Mittelmeerraum
herangeführt wird. Die Luftmasse hat es in sich. Ein CAPE (MU, KK) zwischen 1000
und bis (ganz im Westen) über 3000 J/kg sieht man selbst im Sommer nicht alle
Tage. Der Gehalt an niederschlagbarem Wasser erreicht 35 bis 45 mm; zudem
beginnt die steile südwestliche Strömung zu flattern. Die Scherung erreicht
niedertroposphärisch wie auch hochreichend signifikante Werte, die für
organisiertere Strukturen hochreichender Konvektion passen. Kurz und Gut, die
Voraussetzungen für eine ausgewachsene Schwergewitterlage sind gegeben. Während
im Westen alle Begleiterscheinungen in Verbindung mit diesen Gewittern
vorstellbar sind (dank Scherung auch größerer Hagel und orkanartige Böen) ist
etwa ab der Mittelgebirgsschwelle südwärts, d.h. im Südwesten, aufgrund der
relativ trockenen Grundschicht der Fokus mehr auf (schwere) Sturmböen und
weniger auf Starkregen zu richten. Der Schwerpunkt der Gewittertätigkeit dürfte
eindeutig im Westen liegen (für diese Gebiete ist eine Unwetter-Vorabinformation
herausgegeben worden), im Südwesten bis etwa zum Allgäu sollten Gewitter nur
vereinzelt und dann vor allem über dem Bergland auftreten, wobei auch in diesen
Gebieten Unwetter (vor allem durch heftigen Starkregen und (schwere) Sturmböen)
zwar gering wahrscheinlich, aber nicht auszuschließen sind. In diesen Gebieten
deutet sich modellseitig eine Unterschätzung der Gewittertätigkeit an. Das
AROME-Modell zeigt im Gegensatz zu den anderen Vorhersagemodellen eine bis weit
in den Süden Deutschlands reichende staffelartige Struktur mit schweren Sturm-
und orkanartigen Böen.
Im weitaus größten Teil Deutschlands bleibt der Einfluss des Höhenkeils
bestehen. Großräumiges Absinken lässt keine nennenswerte Wolkenbildung zu.
Gegenüber gestern erfolgt noch ein leichter Temperaturanstieg, so dass am
Nachmittag bei generell zunehmender Schwüle 32 bis 37 Grad erreicht werden. Nur
in Küstennähe wird es nicht ganz so heiß.

In der Nacht zum Montag überquert der abflachende Keil rasch den Osten
Deutschlands. Ein von dem Höhentiefkomplex über dem nahen Ostatlantik ausgehende
Trog schwenkt in die Nordsee, über dem Atlantik setzt derweil eine erneute
Trogbildung ein. Hierdurch steilt die südwestliche Strömung über Mitteleuropa
nicht weiter auf. Die feuchteste und labilste Luft gelangt in den Norden und in
die nördliche Mitte Deutschlands, wobei sich in diesen Gebieten dann der
Schwerpunkt der Gewittertätigkeit abzeichnet. Aufgrund der raschen Verlagerung
der Konvektionszellen wird die Unwettergefahr durch heftigen Starkregen
zusehends geringer. Zumindest in der ersten Nachthälfte muss aber noch mit
größerem Hagel gerechnet werden. Auch an der Kaltfront, die den Nordesten
Deutschlands rasch überquert, aber im Westen etwas zurückhängt und über dem
Südwesten Deutschlands zu schleifen beginnt, sind noch einzelne Gewitter mit
Starkregen vorstellbar.
Der Osten und Südosten bleiben von hochreichender Konvektion noch verschont.
Allerdings zieht auch dort Bewölkung auf, was eine nennenswerte nächtliche
Auskühlung unterbindet. Deutschlandweit sind daher Tiefsttemperaturen zwischen
22 und 16 Grad zu erwarten.

Montag... erfolgt durch Warmluftadvektion, die über den Britischen Inseln
ansetzt, Geopotentialgewinn, wodurch sich über Mitteleuropa erneut ein breiter,
aber nicht so weit nach Norden reichender Rücken aufwölbt. An dessen Nordflanke
stellt sich eine westliche, aber antizyklonale Strömung ein. Mit dieser wird die
feuchteste und labilste Luft rasch nach Osten abgedrängt und liegt in den
Abendstunden bereits über Polen. Zudem erfolgt durch Entrainmentprozesse eine
Entschärfung der Luftmasse. CAPE erreicht dort (und auch im Südosten sowie ganz
im Süden) nur noch 1000 bis etwas über 1500 und im äußersten Südosten bis etwa
2000 J/kg und der Flüssigwassergehalt 30 bis 35 mm. Auch Scherung ist schwächer
als am Vortag, aber noch nicht vernachlässigbar. Auch wenn die antizyklonale
Strömung leicht flattert, hält sich die Hebung in Grenzen, so dass die
Gewittertätigkeit gegenüber dem Vortag eher gedämpft ist. Von Vorpommern bis in
die Oberlausitz hinein sollte die markante Warnstufe hinreichend sein, wobei zum
Abend hin die Gewittertätigkeit in diesen Gebieten alsbald nachlassen sollte.
Im äußersten Süden und Südosten wird durch die schleifende und sich über dem
Mittelgebirgsraum auflösende Kaltfront der Luftmassenwechsel hinausgezögert.
Daher können sich dort bis weit in den Abend hinein Gewitter entwickeln, wobei
Unwettergefahr vor allem durch heftigen Starkregen und (schwere) Sturmböen
besteht. Auch größere Hagelansammlungen sind vorstellbar. Unwetter sollten aber
auch dort nicht mehr mit einer so hohen Wahrscheinlichkeit auftreten, so dass
auf eine Vorabinformation verzichtet werden kann.
Im Norden und Westen sowie auch in den mittleren Regionen ist Entspannung
angesagt. Unter einer schwachen Hochbrücke erfolgt Absinken; zudem hat sich in
diesen Gebieten stabil geschichtete Luft durchgesetzt. Während im Nordwesten und
Westen bei rasch wechselnder Bewölkung, aber nur geringer Schauerneigung 22 bis
27 Grad zu erwarten sind, steigt sonst die Temperatur auf 28 bis 32 Grad.

In der Nacht zum Dienstag läuft in den vor den Britischen Inseln liegenden
Höhentiefkomplex ein Trog herein, der sich von Grönland nach Süden ausweitet.
Hierdurch setzt sich das gesamte Zirkulationsmuster ostwärts in Bewegung, d.h.
über dem Vorhersagegebiet stellt sich erneut eine südwestliche Strömung ein. Mit
dieser gelangt dann in den Südwesten und Süden Deutschlands wieder feuchtlabile
Luft. Allerdings bleibt noch antizyklonaler Einfluss wirksam, so dass vorerst
noch keine konvektiven Umlagerungen zu erwarten sind. Während der Norden
aufgrund der Nähe zur Frontalzone von teils mehrschichtiger Bewölkung gestreift
wird, klart es in der Mitte und im Süden verbreitet auf. Mit Tiefstwerten
zwischen 19 und 13 Grad erfolgt gegenüber den vorherigen Nächten eine
ausgeprägtere Abkühlung.

Dienstag... greift der von dem nunmehr über Schottland liegenden Höhentief
ausgehende Trog auf die Britischen Inseln über. Der Höhenrücken wölbt sich zwar
noch etwas auf, verabschiedet sich aber nach Osten. Somit dürfte sich über
Mitteleuropa erneut eine südwestliche und noch etwas aufsteilende Strömung
einstellen. Mit dieser stößt feuchtlabile Subtropikluft vom Südwesten und Süden
Deutschlands bis in die mittleren Regionen vor. In dieser Luft entwickelt sich
eine flache Tiefdruckrinne mit konvergenten Strukturen. Die Luftmasse steht der
heutigen in nichts nach. Vielmehr ist die Scherung sowohl niedertroposphärisch
als auch hochreichend in einem signifikanten Bereich und stärker ausgeprägt al
heute, was für organisierte Strukturen hochreichender Konvektion (Superzellen,
Squall lines) spricht. Dabei ist das Kondensationsniveau zunächst mit 2000 bis
3000 m noch relativ hoch, so dass die Konvektion sich zunächst dank
orografischer Unterstützung entwickelt. Unwetter können dabei bereits auftreten.
Ab dem Abend gelangt durch das Rhonetal merklich feuchtere Luft in den
Südwesten, wodurch das Kondensationsniveau unter 850 hPa, möglicherweise sogar
bis unter 1000 m, absinkt. Dann wären sogar rotierende Strukturen hochreichender
Konvektion vorstellbar, die mit allen möglichen Begleiterscheinungen
einhergehen.
Der Norden und der Osten bleiben von dieser Entwicklung vorerst noch verschont.
Bei erneut zunehmender Schwüle sind Höchsttemperaturen zwischen 30 und 35 Grad
zu erwarten. Nur im Norden wird es mit 24 bis 29 Grad und an Küstenabschnitten
mit Seewind um 22 Grad nicht so warm.

In der Nacht zum Mittwoch schwenkt der von dem Höhentief über Schottland
ausgehende Trog nach Ostfrankreich und zu den Benelux-Staaten. Die Kaltfront,
die diesem Trog vorgelagert ist, greift demzufolge schleifend auf den Nordwesten
Deutschlands über. Der durch positive Vorticityadvektion generierte
Hebungsantrieb überkompensiert das aus Kaltluftadvektion resultierende Absinken,
so dass auf diese Gebiete skalige, aber durchaus kräftige Niederschläge
übergreifen. Hierdurch können 10 bis 20 mm innerhalb von 12 Stunden zustande
kommen. Erst mit der Passage dieser Kaltfront kommt ein Luftmassenwechsel
zustande.
Im Süden und Osten kann noch die dort liegende feuchtlabile Luft ihre Wirkung
entfalten, die durch die sich annähernde Kaltfront wahrscheinlich aktiviert
wird. Demzufolge kommt die Konvektion in diesen Gebieten wahrscheinlich nicht so
recht zur Ruhe. Am ehesten ist dies vom bayerischen Wald bis zu den Alpen sowie
entlang vom Hochrhein der Fall. Dort sind zumindest in der ersten Nachthälfte
noch unwetterartige Entwicklungen vorstellbar. Ansonsten deutet sich eine
Wetterberuhigung an. Dabei sind Tiefsttemperaturen zwischen 22 und 16 Grad zu
erwarten.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle stützen weitgehend die oben beschriebene Entwicklung.
Auf bestehende Unterschiede, die vor allem den heutigen Tag betreffen, ist
bereits weiter oben hingewiesen worden.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann