DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

07-07-2023 08:30
SXEU31 DWAV 070800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 07.07.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Mittelding aus HM (Hoch Mitteleuropa) und Sa (Süd antizyklonal)

Heiß, heißer, am heißesten - am Sonntag bis zu 37°C bei zunehmender
Wärmebelastung und von Westen ansteigender Gewitterwahrscheinlichkeit

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... stehen die Zeichen in Mitteleuropa respektive Deutschland eindeutig
auf Hochdruckeinfluss. EVI heißt das gute Stück, ihres Zeichens Hochdruckgebiet
mit Sitz über Deutschland und Nachbarschaft, Gewicht um oder etwas über 1020
hPa. Gestützt wird EVI von einem leicht nach Westen versetzten Höhenrücken, der
quasi im Minutentakt seine Amplitude ausbaut und am Ende des Tages von
Nordafrika (dort so breit wie einst der Latissimus von Arnold Schwarzenegger)
bis hoch in den Raum Spitzbergen (dort eher als "schmales Hemd") reicht.
Gefüttert wird der Rücken durch permanente WLA vorderseitig eines stark
amplifizierten Höhentrogs über dem nahen Atlantik. Dieser korrespondiert dort
mit einem meridional angeordneten doppelkernigen Tief, von dem am Wochenende nur
das südliche Drehzentrum (QUENTIN) übrigbleiben wird. Im Grunde gräbt sich der
tapfere QUENTIN heute selbst das Wasser ab, indem er immer wieder Warmluft in
den Rücken pumpt, was Potenzialgewinn zur Folge hat und letztlich zu dessen
Stärkung beiträgt. Entsprechend hat QUENTIN heute tagsüber keine Chance, einen
Fuß in die mitteleuropäische Tür zu bekommen, aber das dürfte sich schon in
nicht allzu ferner Zukunft ändern.

Heute jedenfalls bestimmt Absinken unser Geschehen und das bedeutet Sonne satt
von morgens bis abends von einem weitgehend blankgeputzten Himmel. Etwas
Abwechselung am Firmament bieten zum einen das Bergland, zum anderen der Norden
und Nordosten, wo sich einige diabatisch getriggerte Quellwolken entwickeln.
Höher als etwa 800 hPa geht´s aber nicht hinaus, weil dort die labil
geschichtete Grundschicht durch eine absinkbedingte Sperrschicht hermetisch
abgeriegelt wird.

Thermisch geht es gegenüber gestern deutlich nach oben, obwohl die vergangene
Nacht teilweise sehr frisch ausgefallen ist (Tmin insbesondere in einigen
Mittelgebirgen um oder sogar unter 5°C) und die Startwerte entsprechend niedrig
ausfallen. Am Ende stehen vielerorts Tagesgänge von über 20 Grad, teils sogar um
25 Grad auf der Karte, was trotz der aktuell großen Tageslänge bemerkenswert
ist. Neben der diabatischen Erwärmung der eingeflossenen, ursprünglich
subpolaren Luftmasse kommen Absinken und zunehmend auch etwas Advektion ins
Spiel. Während der meist schwache Bodenwind zunehmend auf östliche Richtungen
dreht, setzen sich niedertroposphärisch südliche Winde durch. Dadurch wird
trockene Warmluft aus Südwesteuropa bzw. dem westlichen Mittelmeer advehiert, in
der T850 kontinuierlich ansteigt. Sind es heute Morgen noch rund 6°C im
äußersten Norden und etwa 13°C im Süden, werden zum Datumswechsel bereits 19°C
in Alpennähe sowie an der Grenze zur Schweiz und 10°C im Küstenbereich
registriert. Am Ende bedeutet das Tageshöchstwerte von 27 bis 32°C (höheres
Bergland etwas darunter), ganz im Norden je nach Lage 21 bis 28°C (am
Wangerooger Westturm kühler als auf dem Hamburger Kiez, was unabhängig von der
Wetterlage aber immer so ist).

In der Nacht zum Samstag erdreistet sich ein vorwitziger Strolch, das
antizyklonale Ambiente zu stören. Die Rede ist von einem kleinen, aber
schneidigen Randtrog, der aus dem o.e. Haupttrog herausläuft und von
Frankreich/Benelux auf Deutschland übergreift (aktuell gut an einem kleinen
Gewittercluster über Zentralfrankreich zu erkennen). Von dort bohrt er sich in
den Rücken hinein, was ein bisschen was von der berühmten Mücke und dem
Elefanten hat. Immerhin reicht die Kraft des "Insektes" aus, Druckfall
auszulösen, wodurch der feschen EVI eine zyklonale Delle in ihre Westflanke
gestempelt wird. Außerdem wird etwas Hebung generiert, was sich schon am Abend
in hohen und mittelhohen Wolkenfeldern widerspiegelt, welche sich von Süden und
Südwesten bis in die mittleren Landesteile ausbreiten. Da die Luftmasse
abgehoben von der stabilen und sehr trockenen Grundschicht labil geschichtet
ist, können sich sogar ein paar schwache Schauer bilden. Elektrische Phänomene
dürften aber auf Frankreich und die Schweiz beschränkt bleiben.

Im großen Rest des Landes verläuft die Nacht gering bewölkt oder klar. Dabei
kühlt es sich noch mal recht passabel ab auf 17 bis 8°C. Lediglich in großen
Städten und Ballungszentren West- und Südwestdeutschlands haut es mit der
Abkühlung nicht mehr so hin, auch wenn eine Tropennacht (20°C oder mehr) wohl
noch nicht droht.

Samstag... schwenkt der kleine Randtrog über die Nordhälfte ostwärts, wobei er
sich mit der Achse des Rückens auseinandersetzen muss. Zwar schafft es er noch,
diese zu überlaufen. Allerdings kostet das so viel Substanz, dass am Ende beim
Erreichen unserer polnischen Nachbarn nicht mehr viel übrig ist. Nach
Trogpassage regeneriert sich der Rücken neu, was ihn scheinbar retrograd werden
lässt. Sprich, seine Hauptachse liegt am Ende des Tages weiter westlich (nämlich
etwa an der Grenze zu Frankreich und Benelux) als zu Tagesbeginn.

Ansonsten gilt es zu konstatieren, dass sich der Schwerpunkt von EVI (die
inzwischen den südlichen Teil einer weit nach Norden reichenden Hochdruckzone
markiert) geringfügig nach Osten verschiebt. Das führt dazu, dass die
niedertroposphärisch südliche Strömung (genau genommen handelt es sich dabei ja
um ein Gemeinschaftswerk von EVI und QUENTIN) aufrechterhalten bzw. sogar noch
etwas forciert wird. Damit gelangt noch heißere Luft zu, die ihren Ursprung in
Nordafrika hat und fast schon als tropisch bezeichnet werden kann. T850 steigt
bis zum Abend auf Werte zwischen 12°C in Vorpommern und bis zu 21°C über dem
Dreiländereck F-CH-D. Während die Luftmasse hinsichtlich Labilität keine Wünsche
offenlässt (Lapse-Rates gebietsweise um -0,75 K/100m), hapert es beim
Wasserdampfgehalt zunächst noch gewaltig. Das PPW verbleibt unter 30 mm, vor
allem aber die Grundschicht zeichnet sich durch starke Trockenheit aus (spez.
Feuchte vielfach nur um 6 g/kg). Entsprechend stockt trotz Einstrahlung und
ausreichend Energieinput die CAPE-Produktion. Und die potenzielle Energie, die
generiert wird, ist meist stark gedeckelt, was ihre Umsetzung in mögliche
konvektive Umlagerungen erheblich erschwert.

So steht der morgige Samstag trotz einiger durchziehender Wolken voll im Zeichen
erbarmungslosen Sonnenscheins und großer Hitze mit Spitzen von 35°C
(Mitte/Süden). Lediglich ganz im Nordosten, auf den Inseln sowie in höheren
Lagen wird die 30°C-Marke nicht erreicht. Am Nachmittag und Abend entwickeln
sich über den west- und südwestdeutschen Mittelgebirgen sowie den Alpen einige
hochbasige Kumulanten, die in den meisten Fällen wahrscheinlich nur
Fehlzündungen initiieren (Stichwort "turkey tower"). Lediglich vereinzelt reicht
es für eine brauchbare Überentwicklung in Form eines Hitzegewitters der
Kategorie "markant" (am ehesten Hagel und Sturmböen).

In der Nacht zum Sonntag setzt sich die Regeneration des Höhenrückens fort, der
gleichzeitig nur in infinitesimalen Schritten ostwärts vorankommt. An der Lage
und Ausrichtung der Bodenhochdruckzone ändert sich ebenfalls wenig. Das bedeutet
aber auch, dass die zyklonale Eindellung an der Westflanke bestehen bleibt, was
eine gewisse Einladung für etwaige Störungen - wie immer sie auch aussehen mögen
- impliziert. Auf deutscher Seite sind die Produktionsmöglichkeiten extrem
beschränkt. Im Gegenteil, die wenigen potenziellen Gewitter, die sich vielleicht
am Abend über dem Bergland tummeln, werden recht rasch zu Stillstand gebracht.
Was nicht unterbunden werden kann sind schauerartige Regenfälle und Gewitter bei
unseren westlichen Nachbarn, die sich bis weit in die Nacht halten. Auf ihrem
Weg nach Nordosten könnten sie auch deutsches Hoheitsgebiet traktieren,
insbesondere den Grenzbereich zu Benelux. Ansonsten verläuft die Nacht aber
vielfach gering bewölkt oder klar mit Tiefstwerten zwischen 18 und 11°C.
Molliger oder tropischer, je nach dem wie man will, bleibt es im Westen und
Südwesten, insbesondere in den Innenstädten und Ballungsräumen. Dort werden 20°C
nicht mehr unterschritten, was die Hoffnung auf einen erholsamen Schlaf ohne
Valium erheblich dämpft.

Sonntag... erreicht das hoffentlich nur kurze, aber ohne Zweifel merkliche
Hitzeintermezzo seinen vorläufigen Höhepunkt. Das heißt aber nicht, dass die
heiße Luft am Montag schon gänzlich ausgeräumt ist (mehr dazu später in der
Synoptischen Übersicht Mittelfrist). Auf alle Fälle legt T850 noch eine kleine
Schippe drauf, indem die 20°C-Isotherme die zentralen Mittelgebirge nordwärts
überschreitet und die Temperatur im gesamten Süden auf bis zu 22°C steigt. In
zwei Meter Höhe kommen am Ende verbreitet 30 bis 37°C, vereinzelt vielleicht
auch noch ein paar Zehntel mehr heraus, was den bisher heißesten Tage des Jahres
bedeutet. Wer weniger als 30°C haben möchte, muss entweder ganz hoch hinaus oder
sich an die Küste bzw. auf die zahlreichen vorgelagerten Inseln begeben und dort
auf den Durchbruch des Seewinds hoffen. Die Chancen dafür stehen angesichts des
nur schwachen Grundwindes nicht schlecht.

Ansonsten gilt es zu berichten, dass der Höhenrücken in kleinen Schritten gen
Osten wandert, was die westlichen Landesteile zunehmend auf die diffluente
Vorderseite des hochreichenden Tiefs QUENTIN über dem nahen Atlantik westlich
Irlands bringt. Darüber hinaus setzt sich der leichte Druckfall fort, was nicht
nur zu einer weiteren Deformation des östlich von uns positionierten Hochs
führt, sondern sogar eine definierte Tiefdruckrinne mit Windkonvergenz in die
Westhälfte übergreifen lässt. Das Ganze geht mit einer gesamttroposphärischen
Anfeuchtung der labil geschichteten (Sub)Tropikluft einher (PPW über 35, am
Abend im Westen sogar über 40 mm bei gleichzeitigem Anstieg der
Grundschichtfeuchte auf bis zu 13 oder gar 14 g/kg). Folgerichtig kann
ordentlich CAPE aufgebaut werden, gebietsweise werden von der Numerik über 2000
J/kg angeboten, die zunächst aber noch gedeckelt sind.

Mit anderen Worten, während es in der Osthälfte trocken bleibt und die Sonne nur
von wenigen, meist in Schleierform auftretenden Wolkenfeldern gestört wird,
bilden sich in der Westhälfte im Tagesverlauf vermehrt kompakte und
hochreichende Quellwolken. Da die Grundschicht erst noch recht trocken ist, sind
die Quellungen relativ hochbasig. Trotzdem reicht es zur Auslöse einzelner
kräftiger Gewitter, insbesondere (aber nicht ausschließlich) über dem Bergland.
Am Spätnachmittag und Abend steigt im Westen die Wahrscheinlichkeit für
organisierte Schwergewitter mit allen Schikanen an, was nicht nur an den o.e.
Rahmenbedingungen liegt. Hinzu kommen verbesserte Scherwerte (LLS bis zu 10 m/s,
DLS teils um 20 m/s) sowie die Möglichkeit erster Randtröge von Südwesten her.
Ob die Gewitter dann auf deutscher Seite entstehen oder als westeuropäische
Importware eingeführt werden (wahrscheinlich beides), ist noch genau so offen
wie weitere Details.

Von daher auch nur ein kurzer Ausblick auf die Nacht zum Montag, die bei aller
noch vorhandener Modellunschärfe vornehmlich im Norden und Westen sehr unruhig
werden könnte. Mit weiterer Zyklonalisierung der südwestlichen Höhenströmung
könnten größere Gewittercluster oder sogar ein MCS bei uns drüberziehen, was
derzeit vor allem von IFS und GFS (00 UTC) angeboten wird. ICON agiert
diesbezüglich verhaltener, während UK10 den Schwerpunkt auf niederländischer
Seite bzw. über der Nordsee sieht. Viel Konjunktiv, Abwarten heißt die Devise.
Um die Spökenkiekerei etwas auf die Spitze zu treiben, noch eine abschließende
Bemerkung zum hiesigen Rhein-Main-Gebiet. Hier stellt sich der Verfasser ein
Szenario vor, das etwa so abläuft: tagsüber heiß und zunehmend wolkig, aber
("natürlich") trocken ohne Gewittertreffer. Nachts dann allenfalls ein
Randtreffer, wahrscheinlicher aber trockener Durchgang einer ausgeprägten
Outflow-Boundary mit Windauffrischung und am Montag dann stabile Rückseite.
Niederschlagsbilanz traurig. Schaun mer mal...

Modellvergleich und -einschätzung
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Im Großen und Ganzen simulieren die Modelle die Lage sehr ähnlich. Dass die
Unschärfen nach hinten raus teils deutlich zunehmen (vornehmlich im Hinblick auf
potenzielle Gewitter), wurde bereits angedeutet. Dabei zeigt sich GFS als
besonders progressiv, indem schon Sonntag tagsüber schwere Konvektion im Westen
und Nordwesten angeboten wird.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann