DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

04-07-2023 07:01
SXEU31 DWAV 040800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 04.07.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
W z
WIND/STURM:
Heute an der See stürmische Böen um 70 km/h (Bft 8) aus Südwest bis West. Am
Abend abflauender Wind, ausgangs der Nacht zum Mittwoch im westlichen Bergland
mit stürmischen Böen erneut auflebend. Am Mittwoch Sturmtief Deutsche Bucht, vom
Nordwesten bis in die Mitte hinein Sturmböen Bft 8/9, im nordseenahen Binnenland
und später auf ganz Schleswig-Holstein übergreifend schwere Sturmböen, an und
über der Nordsee Gefahr von Böen bis Orkanstärke. In der Nacht zum Donnerstag an
der Ostsee noch Sturmböen Bft 8/9, bis Donnerstagfrüh weitgehend abflauend.
Danach keine warnrelevanten Böen mehr.

GEWITTER:
Heute zunächst an den Küsten und im angrenzenden Binnenland, am ehesten in
Ostfriesland und Schleswig-Holstein, vereinzelt kurze Gewitter mit stürmischen
Böen oder Sturmböen (70 bis 85 km/h, Bft 8 bis 9). Im Tagesverlauf im Südwesten
und an den Alpen einzelne Gewitter mit Starkregen um 20 l/qm, stürmischen Böen
um 70 km/h (Bft 8) und kleinkörnigem Hagel. Auch im Nordwesten geringes
Gewitterrisiko, dabei teils stürmische Böen um 70 km/h (Bft 8).
Gewittertätigkeit ab dem späten Abend abklingend.
Mittwochfrüh von Südwesten her und bis zum Abend auch auf den Osten übergreifend
sowie dann aus den Alpen heraus Gewitter, dabei Sturmböen nicht auszuschließen.
Gewittertätigkeit am späten Abend abklingend. Donnerstag allenfalls an der Küste
einzelne kurze Gewitter mit stürmischen Böen. Darüber hinaus im Tagesverlauf
inneralpin einzelne Gewitter mit Starkregen.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... liegt Deutschland an der Südflanke eines nordeuropäischen
Höhentiefkomplexes und somit unter einer zyklonalen west-südwestlichen Strömung.
Das steuernde Höhentief liegt südöstlich von Island, ein weiteres Tief ist über
dem Bottnischen Meerbusen zu finden. An der Südflanke dieses Komplexes laufen
kurzwellige Tröge nach Ost-Nordost ab. Einer dieser Kurzwellentröge überquert
heute den Norden Deutschlands, wodurch vor allem in Küstennähe einzelne kurze
Gewitter ausgelöst werden. Aufgrund der Nähe zur Frontalzone, die über dem
Ostseeraum liegt, ist ein ausgeprägter Gradient vorhanden, wodurch im Norden und
in Teilen der Mitte (vor allem in den Leegebieten der nördlichen Mittelgebirge)
Windböen und an der See stürmische Böen auftreten. Hier wirkt der Tagesgang
verstärkend. Auf exponierten Berggipfeln (Brocken) sind Sturm- und schwere
Sturmböen vorstellbar. Allerdings wird dieser Kurzwellentrog relativ rasch
ostwärts gesteuert, so dass hinsichtlich der Gewittertätigkeit der Tagesgang
nicht so recht greifen kann.
Ganz im Süden ist die Labilität deutlich ausgeprägter. Dank Einstrahlung werden
dort bis über 1000 J/kg (MU- bzw. KK)-CAPE generiert, der Gehalt an
niederschlagbarem Wasser liegt um 25 mm, so dass dort und vor allem aus den
Alpen heraus vermehrt Gewitter zu erwarten sind, die mit Starkregen und
kleinerem Hagel einhergehen können. Für größeren Hagel ist die Scherung nicht
hinreichend und für unwetterartigen Starkregen weisen die Gewitter eine zu hohe
Zuggeschwindigkeit auf.
Dazwischen erfolgt kompensierendes Absinken mit größeren Auflockerungen, nach
Osten hin auch sonnigen Abschnitten. Die Tageshöchsttemperaturen erreichen 22
bis 27, im Nordwesten und in Küstennähe Werte um 20 Grad.

In der Nacht zum Mittwoch schwenkt ein markanter Trog, der den o.g.
Höhentiefkomplex umläuft, unter Verschärfung gegen Mitternacht über die
Britischen Inseln hinweg bis in den äußersten Westen Deutschlands. In
entwicklungsgünstiger Position zu diesem Trog liegt eine zunächst flache Welle,
die unmittelbar vor die Spitze des Troges gelangt. Kräftige Hebung, die in
erster Linie aus positiver Vorticityadvektion resultiert, lässt unmittelbar vor
der holländischen Küste ein Sturmtief entstehen. Diese Entwicklung profitiert
von latenter Wärme, die aus Nordsee, die mehr als 2 K wärmer ist, als es für die
Jahreszeit üblich ist. Bis Mittwochfrüh gelangt dieses Sturmtief in die Region
zwischen der Emsmündung und das Seegebiet unmittelbar vor der Insel Texel (hier
gibt es noch Modellunterschiede). Das betrifft auch den Kerndruck, der zwischen
knapp unter 990 hPa (UK10) und etwas unter 1000 hPa (übrige Modelle) zu erwarten
ist. Eindeutig herausarbeiten lässt sich eine Gradientzunahme an der
Südostflanke dieses Tiefs, d.h. über dem Nordwesten und Westen Deutschlands. In
diesen Gebieten frischt der Wind mit Böen Bft 7, im westlichen Bergland mit
stürmischen Böen, auf. Das ist jedoch nicht alles. Neben dem Gradientwind wäre
der Kaltfront des sich entwickelnden Sturmtiefs zu betrachten. Diese erreicht
etwa ab 03 UTC den Westen Deutschlands und hat diesen bereits ausgangs der Nacht
überquert. Präfrontal ist feuchtlabile Luft nach Deutschland gelangt; CAPE
erreicht zwar nur wenige hundert J/kg, aber der Gehalt an niederschlagbarem
Wasser 25 bis 30 mm. Zudem ist die Scherung (sowohl niedertroposphärisch als
auch hochreichend) signifikant, so dass mit Passage der Kaltfront durchaus
organisiertere Strukturen bis hin zu staffelartig auftretenden Gewittern
vorstellbar sind. Mit Passage dieser Gewitter sind Sturm- und einzelne schwere
Sturmböen vorstellbar. Ein Oberwind bis 45 kt im 850 hPa-Niveau ist durchaus
hinreichend hierfür. Fraglich ist jedoch, ob dieser Oberwind heruntergemischt
wird. Mit dieser Kaltfront erfassen dann auch Niederschläge (die jedoch nicht
warnrelevant sind) auch die mittleren Landesteile.

Mittwoch... verlagert sich, zunächst noch in entwicklungsgünstiger Lage zu dem
unmittelbar nachfolgenden, scharfen Trog, das o.g. Tief unter weiterer leichter
Intensivierung in die Deutsche Bucht. Eine Shapiro-Kaiser-Struktur mit Sting Jet
kann nicht ausgeschlossen werden. Hierdurch wird der gesamte Nordwesten vom
Sturmfeld dieses Tiefs erfasst. Bis weit ins nordwestliche Binnenland hinein
sind Sturmböen Bft 8/9 und bis in die Mitte hinein stürmische Böen zu erwarten.
An der Nordseeküste und über der Nordsee sind Böen bis Orkanstärke vorstellbar.
Mit der Verlagerung des Sturmtiefs zu den dänischen Inseln können auch im
nördlichen Schleswig-Holstein abseits der Küste Orkanböen nicht ausgeschlossen
werden. Bis zum Abend gelangt dieses Tief ins südliche Kattegat, wodurch dann
auch an der Ostseeküste Sturmböen Bft 8/9 zustande kommen. Bis dahin ergibt sich
auch in der mittleren Troposphäre eine abgeschlossene Zirkulation, die mit dem
Sturmtief eine achsensenkrechte Lage ergibt. Demzufolge dürfte sich das
Bodentief dann auch allmählich aufzufüllen beginnen. Hinsichtlich dieser
außergewöhnlichen Sturmtiefentwicklung wäre bis heute Abend die Ausgabe einer
Unwetter-Vorabinformation angebracht.
Die Kaltfront dieses Sturmtiefs hat zur tagesgangsbedingt aktivsten Zeit bereits
den Osten Deutschlands überquert, wird aber über dem Südosten Deutschlands
aufgrund der geringeren frontsenkrechten Windkomponente etwas zurückgehalten und
schleift leicht. Daher können sich vor allem südlich der Donau bis
einschließlich Niederbayern erneut Gewitter entwickeln, die durchaus mit
Starkregen und kleinerem Hagel einhergehen können. Gegenüber heute ist die
Luftmasse dort nahezu unverändert.
Südlich der Mittelgebirgsschwelle bis etwa in die Donauregion hinein sind
größere Auflockerungen vorstellbar. Die Temperatur steigt auf 20 bis 24, in der
Lausitz und in Niederbayern bis 26 Grad. Im Nordwesten und Westen sind nur 17
bis 20 Grad zu erwarten.

In der Nacht zum Donnerstag verlagert sich das Sturmtief unter weiterer leichter
Auffüllung nach Südschweden. In der ersten Nachthälfte sind daher an der Nordsee
noch Wind- und (an der Nordfriesischen Küste) stürmische Böen und an der Ostsee
noch Sturmböen Bft 9, exponiert auch schwere Sturmböen, zu erwarten. Danach
flaut zunächst an der Nordsee und später auch an der Ostsee der Wind ab, so dass
ausgangs der Nacht allenfalls noch Windböen Bft 7 auftreten.
An der Südflanke des über dem Norden Deutschlands liegenden Troges wird an der
Küste die Konvektion aufrecht gehalten, so dass vor allem an der Nordsee weitere
Schauer und auch einzelne kurze Gewitter möglich sind. Ansonsten, d.h. im
Südosten Deutschlands, bricht die Konvektion alsbald in sich zusammen, so dass
eine relativ ruhige Nacht bevorsteht.


Donnerstag... verlagert sich der o.g. Trog nach Osten. Ein nachfolgender Trog
entwickelt sich derweil über dem mittleren Nordatlantik. Zwischen beiden Trogen
ergibt sich ein flacher Rücken, durch welchen ein ausgedehntes Zwischenhoch über
Mitteleuropa gestützt wird. Letzte warnrelevante Böen können bis in den
Vormittag hinein noch an der Ostseeküste auftreten. Ansonsten und auch danach
ist der Wind vorerst nicht mehr warnrelevant. Einzelne Schauer oder kurze
Gewitter sind aufgrund der zunächst noch zyklonalen Strömung und leicht labilen
Schichtung an der Küste vorstellbar; auch inneralpin sind einzelne Gewitter
nicht auszuschließen. Im weitaus größten Teil Deutschlands lässt großräumiges
Absinken keine nennenswerte Wolkenbildung zu, so dass sich längere sonnige
Abschnitte einstellen. Die Tageshöchsttemperaturen erreichen 21 bis 26, im
Küstenbereich Werte um 20 Grad.

In der Nacht zum Freitag weitet sich der über dem Atlantik liegende Trog nach
Süden aus. Der stromaufwärts liegende Rücken wölbt sich über der Nordsee auf,
wodurch das über Mitteleuropa liegend Bodenhoch weiterhin gestützt wird. Dabei
sind die Luftdruckgegensätze gering. Aufgrund der bisherigen Trockenheit ist die
Nebelneigung jedoch gering. Bei meist klarem Himmel erfolgt eine Abkühlung auf
14 bis 8 Grad.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle stützen die oben beschriebene Entwicklung. Das betrifft
auch das morgige Sturmtief, bei welchem die Prognoseunterschiede inzwischen im
Bereich der Vorhersagegenauigkeit liegen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann