DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

03-07-2023 17:01
SXEU31 DWAV 031800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 03.07.2023 um 18 UTC


SCHLAGZEILE:
Im Norden steife, an den Küsten stürmische Böen. Zudem dort schauerartiger
Regen, vereinzelte Gewitter nicht ausgeschlossen. Am Dienstag im Südwesten
ansteigende Wahrscheinlichkeit für einzelne starke Gewitter.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 06 UTC
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Aktuell ... dominiert eine typische Westlage das Wettergeschehen im
mitteleuropäischen Raum, wobei der zyklonale Einschlag von Süd nach Nord etwas
zunimmt. Der Antrieb dafür stammt von einem umfangreichen Höhentiefkomplex über
Nord- und Nordwesteuropa, der vom Seegebiet westlich von Irland bis nach
Karelien reicht. Die darin eingelagerten Höhentiefs befinden sich zum
Abendtermin zum einen über dem Süden Finnlands und über dem Europäischen
Nordmeer, zum anderen über dem südlichsten Norwegen. Die von letzterem
ausgehende Achse kippt dabei im Laufe des Abends und der Nacht etwas nach Süden
und reicht in den Frühstunden vom Kattegat bis nach Irland. Am interessantesten
dabei ist der darin eingelagerte Kurzwellentrog (500 hPa), der im Laufe der
Nacht die südliche Nordsee passiert und in den Frühstunden Dänemark erreicht.
Dieser lenkt dabei ein im Satelliten- und Radarbild schön zu erkennendes Komma
über die Nordsee hinweg in den äußersten Norden Deutschlands und weiter in
Richtung Südschweden. Dadurch erreichen im Laufe der Nacht schauerartige
Niederschläge den äußersten Nordwesten und Norden Deutschlands, wobei auch ein
einzelnes Gewitter mit stürmischen Böen nicht ausgeschlossen ist. Dies beendet
die tagesgangbedingte Abnahme der Schauer- und Gewittertätigkeit im äußersten
Norden. Abseits davon sollte die Nacht weitgehend trocken verlaufen, wenn man
von vereinzelten Schauersignalen (ICON-D2 auch mit Gewitterinterpretationen) im
Süden (ausgehend von der Feuchteschliere über Frankreich) absieht. Neben dem
Niederschlag spielt im Norden auch noch der Wind eine gewisse Rolle. Im
Bodendruckfeld fächert der Gradient zwischen der Tiefdruckzone über Nordeuropa
und höherem Luftdruck im Südwesten des Kontinents etwas auf, Druckanstieg im
Norden und Nordosten Deutschlands sowie leichter Druckfall im Süden zeugen
davon. Die Böen aus Südwest unterschreiten abseits der Küsten zunehmend die
unterste Warnschwelle und sind während der Nacht nur noch auf dem Brocken mit
stürmischen Böen warnwürdig. An den Küsten bleiben die steifen, teils auch noch
stürmische Böen während der Nacht bestehen, wenngleich es an der Ostsee in der
ersten Nachthälfte zu einer kleinen Pause kommen wird. Darüber hinaus muss an
der Nordsee und im nördlichen Schleswig-Holstein auf mögliche stürmische
Gewitterböen (mit geringerer Wahrscheinlichkeit auch Sturmböen) geachtet werden.
Starkregen sollte aufgrund der Zuggeschwindigkeit keine große Rolle spielen. Nur
bei wiederholten starken Schauern ist die Überschreitung von 15 l/qm in einer
Stunde möglich. Zwangsläufig muss dies im Nowcasting beurteilt werden. Die
Tiefstwerte reichen bei einem wechselnd bewölktem Himmel von 14 Grad auf den
friesischen Inseln bis etwa 6 Grad im etwas höheren Bergland.

Dienstag ... zieht der für die Nacht erwähnte Höhentiefkern weiter in Richtung
mittlere Ostsee und verliert dabei an Kontur. Die südliche Achse des
Höhentiefkomplexes erreicht bis zum Mittagstermin etwa England, wobei die
Höhenströmung über der Nordsee und Dänemark sich vorübergehend glättet, die
Grundströmung steilt aber gleichzeitig leicht auf. Im Laufe des Tages bildet
sich über Großbritannien und Irland ein neuer Kurzwellentrog, der im Laufe der
Nacht zum Mittwoch die Nordsee übergreift (im 12-Uhr-Lauf nun deutlich frühere
Bildung und auch schärfer ausgeprägt als im 00-Uhr-Lauf). Dieser induziert
zunächst nur leichte PVA, die am Nachmittag auf den Nordwesten Deutschlands
übergreift. Im Südwesten ist diese stärker ausgeprägt und resultiert aus einem
nur bei hoher Isohypsenauflösung sichtbarem Kurzwellentrog über Süddeutschland
und dem Alpenraum. Die schauerartigen Regenfälle im Norden klingen mit Abzug des
Kommas im Laufe der Vormittagsstunden ab, bevor der erwähnte Randtrog über der
Nordsee im Nordwesten neue Schauer induziert. Während die Labilität eher
limitiert ist (CAPE-ML bis etwa 100 J/kg), ist das dortige Umfeld allerdings gut
geschert (DLS um 30 m/s und LLS um 10 m/s). Stärkere Entwicklungen sind daher
nicht ausgeschlossen, jedenfalls ist in Gewitternähe auf mögliche Sturmböen zu
achten. Der Vollständigkeit halber sei auch noch erwähnt, dass das HKN an der
Grenze zu den Niederlanden teils deutlich unter 1000 m liegt. In den Süden
Deutschlands wird dagegen von Südwesten her wärmere und auch labilere
Mittelmeerluft herangeführt. Im Süden Baden-Württembergs und Bayerns werden
teils mehr als 1000 J/kg aufgebaut und die spezifische Feuchte steigt auf über
10 g/kg (ppws zwischen 25 und 30 mm). Die verschiedenen Modelle geben Hinweise
darauf, dass sich ausgehend vom südwestdeutschen Bergland einzelne stärkere
Gewitter bilden können, die anschließend ostwärts ziehen. Auch aus den Alpen
heraus sind solche Entwicklungen möglich, wobei aus heutiger Sicht nur der
unmittelbare Alpenrand davon betroffen ist. Der Fokus der Begleiterscheinungen
liegt aufgrund geringer Scherungswerte und höherer Feuchte auf Starkregen und
kleinkörnigem Hagel sowie starken bis stürmischen Böen, vereinzelt auch
Sturmböen. Heftiger Starkregen ist grundsätzlich nicht ganz ausgeschlossen.
ICON-D2-EPS bleibt auf der Schiene, dass das mehrstündige Kriterium von 35 l/qm
in 6 Stunden am unmittelbaren Alpenrand erreicht werden könnte. In der Mitte ist
das Schauerrisiko deutlich geringer. Der Südwestwind greift ausgehend von den
Küsten wieder etwas aus und erreicht im nördlichen Binnenland erneut Bft 7, an
der See sind ungebrochen stürmische Böen, ganz vereinzelt auch noch Sturmböen.
Ebenfalls auf dem Brocken werden noch stürmische Böen aus Südwest dabei sein. Am
Abend lässt der Wind auch im Norden deutlich nach. Sonne gibt es am meisten in
Ostsachsen bei Höchstwerten um 27 Grad, die im Süden bei teils wolkigem Himmel
auch örtlich erreicht werden. An der Nordsee bleiben die Temperaturwerte
unterhalb der Schwelle von 20 Grad.

In der Nacht zum Mittwoch greift nach dem aktuellsten Lauf die Trogachse auf die
nordwestliche Landesgrenze über. Die recht scharfe Ausprägung des Randtroges
generiert ordentlich PVA, die in schauerartigen Regenfällen, im Vorfeld auch
starken Gewittern ihre Auswirkungen findet. Davon betroffen ist bevorzugt die
Westhälfte des Landes, insbesondere in der zweiten Nachthälfte. Im Vorfeld sind
dabei besonders vom Südwesten über Bayern bis zur Mitte bei erhöhten
Scherungswerte und ausreichender Labilität auch stärkere Gewitterentwicklungen
(heftiger Starkregen, Sturmböen) möglich. Die Frage des Timings löst sich
zunehmend dahingehend auf, dass die Passage des Randtroges bzw. der
Luftmassenaustausch in der Nordwesthälfte bereits in der Nacht erfolgt, sodass
sich die Region für stärkere Gewitterentwicklungen am Mittwoch auf den Osten und
Südosten beschränkt. Die Tiefstwerte liegen zwischen 15 und 9 Grad.

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Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 06 UTC

Mittwoch ... gibt es immer noch gewisse Unsicherheiten, allerdings schwenkt ICON
auch auf eine frühere Variante der Randtrog- bzw. Frontpassage ein. Kräftige
Gewitterentwicklungen sind dann noch im Südosten und Osten denkbar, allerdings
sind die Prognosen noch im Fluss. Auch bezüglich der Windentwicklung im Norden
muss auf den nächsten IFS-Lauf gewartet werden.


Modellvergleich und -einschätzung
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Bis Dienstag zeigen die Modelle recht ähnliche Berechnungen, ab der Nacht zum
Mittwoch gibt es immer noch Diskrepanzen. Allerdings kristallisiert sich heraus,
dass die Randtrog- und Frontpassage ausgangs der Nacht zum Mittwoch schon große
Teile der Nordwesthälfte absolviert hat.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Mag.rer.nat. Florian Bilgeri