DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

01-07-2023 13:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 01.07.2023 um 10.30 UTC



Zunächst unbeständiger und windiger, an der See stürmischer und vor allem im
Süden und Norden vereinzelt zu Gewittern neigender Wettercharakter. Nach
Wetterberuhigung Ende der Woche, ab dem Wochenende wohl wieder unbeständiger.
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Synoptische Entwicklung bis zum Samstag, den 08.07.2023


Der mittelfristige Zeitraum scheint bezüglich der dominierenden Grundstrukturen
zweigeteilt zu sein. Zunächst bestimmt die Wetterlage West zyklonal das
Geschehen. Nur wenige Abweichler sehen am Mittwoch noch Winkel West, Südwest
zyklonal oder schon die Brücke. Ab Donnerstag übernimmt dann die Wetterlage
Brücke Mitteleuropa das Zepter, wobei einige wenige EPS-Läufe auch die
Strukturen Hoch Fennoskandien oder Süd antizyklonal abbilden. Ab Samstag scheint
dann die Situation aus dem Ruder zu laufen, wobei aber die Wetterlage Brücke
Mitteleuropa weiter die Mehrzahl an Member besitzt.

Die beschriebenen Grundstrukturen zeichnen sich auch bei der genauen Betrachtung
der Geopotential- und Bodenstrukturen ab. Am Dienstag, zu Beginn des
mittelfristigen Zeitraums liegt Deutschland auf der Südflanke einer ausgeprägten
Zone tiefen Geopotentials, welche über vier Drehzentren verfügt. Für das Wetter
hierzulande zeichnen sich dabei ein Höhentief über Schottland, ein gering
amplifizierter Trog über Ostdeutschland und Polen sowie ein schwacher Rücken von
Benelux bis nach Dänemark verantwortlich. Bodennah stützt das genannte Höhentief
ein Bodentief etwa an gleicher Stelle. Zudem kann sich ein weiteres Bodentief
bei Cornwall einrichten. Der Trog korreliert mit einem Tief über Schweden,
ausgehend von welchem sich ein Frontenzug über der westlichen Ostsee westwärts
zieht. Der Rücken sorgt dagegen vom Alpenraum bis in die Nordsee für leichte
antizyklonale, bodennahe Strukturen. Diese überlagern schließlich auch die
alternde Kaltfront der Vortage, der sich allmählich an die Alpen legt. Trotz
dämpfender Wirkung durch das Absinken können sich nach IFS am Alpenrand sowie im
angrenzenden Vorland Schauer und einzelne Gewitter entwickeln. Bei PPW zwischen
25 und 35 mm ist erneut mit Starkregen zu rechnen. Der Wind spielt meist eine
untergeordnete Rolle und erreicht stürmische Böen, ganz vereinzelt Sturmböen.
Zudem sorgt im Norden der Kurzwellentrog sowie der Frontenzug im Bodenniveau für
einen wechselhaften Wettercharakter mit Schauern, in Schleswig-Holstein auch
einzelnen Gewittern.
Das Tief über Schweden bei gleichzeitiger Ausdehnung des höheren Luftdrucks
führt im Norden zu einer Gradientverschärfung. In der Höhe liegt zudem auch der
Jet direkt über der südlichen Nordsee, Schleswig-Holstein und der westliche
Ostsee. Entsprechend weht der Wind im Küstenumfeld weiter in Sturmstärke, im
angrenzenden Binnenland bis zur Mittelgebirgsschwelle sowie im höheren Bergland
muss mit Windböen gerechnet werden.
Bei den Temperaturen stellt sich ein Nordwest-Südostgefälle ein. Demnach stehen
in 850 hPa 4 Grad auf Sylt 13 Grad am östlichen Alpenrand gegenüber. Bodennah
wird dabei im Süden und dem südlichen Ostdeutschland ein Sommertag erwartet,
während im Nordseeumfeld die Werte nicht die 20-Grad-Marke erreichen.

Zum Mittwoch verlagert sich das Höhentief von Schottland vor die Südküste
Norwegens und korreliert am Boden weiter mit einem Tief etwa an gleicher
Position. Ausgehend vom Bodentief schwenkt dabei eine Kaltfront von Nordwesten
südostwärts über Deutschland hinweg. Zudem wirkt sich im Nordwesten im Verlauf
ein weiterer schwacher Kurzwellentrog aus. Aus Wettersicht spielt die Musik an
der Kaltfront sowie vorderseitig im Warmsektor. Frontogenetische Hebung sowie
PVA lassen dort starke Gewitter mit Starkregen (PPW zw. 17 und 27 mm) und
Sturmböen zu. Zudem sorgt er nachrückende Kurzwellentrog im Nordwesten ebenfalls
für Hebung, die für Schauer ausreicht.
Der Wind lässt im Vergleich zum Vortag aufgrund eines langsam auffächernden
Gradienten nach. Im Nordwesten stehen aber noch steife, an der Nordsee sowie in
einzelnen Gipfellagen auch einzelne stürmische Böen auf dem Programm.
Die Temperaturen in 850 hPa liegen bei Werten von Nordwest nach Südost von 4 bis
15 Grad weiter auf einem zum Vortag vergleichbaren Niveau.

Am Donnerstag weist die Zone tiefen Geopotentials über Nordwesteuropa bzw. dem
Nordostatlantik eine Dipolstruktur auf. Ein Höhentief südlich von Island steht
einem Drehzentrum an der Westküste Norwegens gegenüber. Deutschland liegt auf
der Südflanke des Zweitgenannten in einer zyklonal geprägten Höhenströmung,
wobei eine Trogachse von Dänemark bis nach Südwestfrankreich reicht. Über dem
Ostatlantik kann sich gleichzeitig ein schwacher Rücken aufbäumen. Bodennah
korreliert die Zone tiefen Geopotentials mit einem Tiefdruckkomplex vom
Nordostatlantik bis nach Skandinavien. Auf der Südflanke kann sich dabei das
Azorenhoch langsam bis nach Westeuropa schieben. Aber auch hierzulande ist bei
schwachen Luftdruckgegensätzen grundsätzlich steigender Luftdruck zu
verzeichnen. Die Wetterküche ist in Deutschland resultierend noch südlich der
Donau sowie im Norden aktiv. Im Norden macht sich die nahe Tiefdruckzone sowie
die stärker zyklonal geprägten Höhenstrukturen bemerkbar, indem dort
schauerartige Niederschläge durchziehen, in die vereinzelt auch kurze Gewitter
eingebettet sein können. Im Süden ist weiter die Kaltfront aktiv, die jedoch
kaum Verlagerungstendenzen aufweist und daher an den Alpen klebt. Entsprechend
sind vor allem an den Alpen, teilweise bis ins Vorland ausgreifend, weiter
Schauer und einzelne Gewitter zu erwarten.
Der Wind spielt keine Rolle mehr und die Temperaturen in 850 hPa ´bleibe weiter
auf einem zu den Vortagen recht konstanten Niveau.

Am Freitag eiern die Höhentiefs in ihrer Zone weiter umher, wobei das westliche
Drehzentrum langsam nach Süden abdriftet und das Östliche ostwärts wandert. Die
breiter werdende Lücke nutzt ein Rücken, dessen Achse sich von Südfrankreich
über die westliche Nordsee hinweg bis ins Seegebiet nördlich von Schottland
erstreckt. Genau dieser Rücken induziert bodennah ein Hochdruckgebiet direkt
über Deutschland. Insgesamt herrschen mit Ausnahme von Nordwesteuropa auf dem
Kontinent schwache Luftdruckgegensätze vor. Für Niederschläge reicht es wohl nur
noch am östlichen Alpenrand durch die schwächelnde Kaltfront sowie in
Schleswig-Holstein durch einen schwachen, okkludierten Frontenzug. Während der
Wind weiter kein Thema ist, könne die Temperaturen in 850 hPa vor allem im
Norden und der Mitte steigen. Insgesamt werden Werte zwischen 5 und 15 Grad
erreicht, die bodennah abgesehen vom Küstenumfeld sowie dem höheren Bergland
einen Sommertag über 25 Grad bringen.

Am Samstag ist hierzulande auf Basis des Rückens weiter schwacher Hochdruckfluss
Trumpf. Allerdings hat uns die Achse des Rückens schon langsam ostwärts
verlassen, sodass Deutschland auf die Vorderseite eines Langwellentroges über
dem Nordostatlantik gelangt. Das steuernde Höhentief liegt dabei nordwestlich
von Irland und korreliert am Boden mit einem Tief an gleicher Stelle.
Interessanter ist aber ein Randtief, welches sich auf der Trogvorderseite bilden
soll und Richtung Britische Inseln wandert. Insgesamt nimmt die Labilität von
Westen und Südwesten zu, sodass vor allem vom Niederrhein bis zum Hochrhein die
Schauer- und Gewitterneigung zunimmt.
Auch bei den Temperaturen macht sich die südwestliche Grundströmung bemerkbar,
indem feuchtwarme Subtropikluft angesaugt und bis nach Deutschland geführt wird.
Entsprechend steigen die Temperaturen in 850 hPa auf 10 bis 19 Grad und sorgen
gebietsweise wieder für einen heißen Tag über 30 Grad.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die großskaligen Strukturen werden recht konsistent abgebildet. Alle
betrachteten Läufe zeigen einen Tiefdruckkomplex über Skandinavien und den
Britischen Inseln, der seinen Schwerpunkt im mittelfristigen Zeitraum westwärts
verlagert. Allerdings ist bei den Randtiefs sowie den Trögen eine
Phasenverschiebung sowie eine abweichende Amplitude zu verzeichnen. Entsprechend
treten im Detail Unterschiede bei der Verlagerung potentieller
Niederschlagfelder sowie deren genauen räumlichen Einordnung auf.
Zu Beginn des mittelfristigen Zeitraums rechnen die vergangenen Läufe die
Verlagerung eins Kurzwellentroges samt Frontenzug im Bodenniveau stetig
langsamer, sodass auch der Niederschlag am Dienstag und Mittwoch später auf
Deutschland übergreift bzw. überquert und die Kaltfront im Verlauf weniger aktiv
simuliert wird.
In der Folge liegt das steuernde Höhentief im Vergleich zu den vergangenen
Läufen weiter westlich, sodass hierzulande ein Rücken an Amplitude gewinnt und
am Boden schwachen Hochdruckeinfluss induziert. Im Vergleich zu den Vorläufen
zeigt demnach der neuste IFS-Lauf insgesamt eine geringere Niederschlagsneigung.

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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Auch andere Globalmodelle (GFS, ICON, GEM, UKMO) zeigen analog zur
Konsistenzbetrachtung des IFS (s.o.) Abweichungen bei der Lage der (Rand-)Tiefs
sowie der Kurzwellentroge. Entsprechend weisen die Modelle auch verschiedene
Phasen und Verlagerungsgeschwindigkeiten der Niederschlagsfelder auf. ICON ist
etwas rascher unterwegs, zeigt aber auch weniger amplifizierte Strukturen. Zudem
neigt das ICON schon früher als das IFS und GFS am Freitag zu einer
Labilisierung von Südwesten mit ansteigendem Schauer- und Gewitterrisiko. Das
UKMO ähnelt teils dem IFS, teils dem ICON und das GEM fügt sich mit eigenen
Besonderheiten der Lage ins System ein.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die Rauchfahnen verschiedener Städte in Deutschland weisen vor allem zu Beginn
des mittelfristigen Zeitraums größere Unsicherheiten auf. Zwar wird der
Hauptlauf durch den überwiegenden Anteil der EPS-Member gestützt, einige
Ausreißer zu kühleren Temperaturen und tieferem Geopotential spreizen den
ENS-Raum auf und sorgen für einen Spread von rund 9 Grad bzw. 15 bis 20 hPa.
Am Donnerstag und Freitag verringert sich der Spread sogar wieder signifikant,
sodass in diesem Zeitraum auf Basis des IFS-EPS eine recht hohe Vorhersagegüte
vorliegt. Ab Samstag nehmen die Unsicherheiten wieder zu, sodass sich der
ENS-Raum stärker spreizt.

Die Aussage der Rauchfahnen wird auch von der Klassifikation der EPS-Member
gestützt. Im ersten Zeitraum von +72 bis +96h werden fünf Cluster benötigt, um
alle Unsicherheiten im ENS-Raum zu erklären. Alle Lösungen werden dabei dem
Schema einer positiven NAO zugeschrieben. Für die verschiedenen Lösungen ist vor
allem ein Kurzwellentrog samt Drehzentrum auf der Südwestflanke der Zone tiefen
Geopotentials verantwortlich. Sowohl die Verlagerung als auch die Amplitude
werden geringfügig unterschiedlich gezeigt. Haupt- und Kontrolllauf befinden
sich im ersten Cluster.
Im Zeitraum von +120 bis +168h reichen zwei Lösungen, um alle Unsicherheiten zu
erklären. Dabei wechselt Cluster 1 im Verlauf vom Schema einer pos. NAO zum
Blocking, Cluster 2 dagegen von der pos. NAO zum Schema einer negativen NAO. Die
Schemata weisen auch gleich auf die signifikanten Unterschiede hin. Demnach
lässt Cluster 1 das Höhentief samt Langwellentrog über dem Atlantik und schiebt
von Osten hohes Geopotential westwärts. Beim zweiten Cluster kann sich das tiefe
Geopotential auch über Skandinavien und Nordwestrussland weiter behaupten.
Allenfalls ein durchschwenkender Rücken würde in diesem Fall in Mitteleuropa
vorübergehende Wetterberuhigung bringen, bevor es auf der nachstoßenden
Trogvorderseite wieder unbeständiger wird. Damit entspricht die zweite Lösung
auch den Strukturen des Hauptlaufes, denen sich auch der Kontrolllauf
anschließt. Mit 29 zu 22 Member hat aber das erste Cluster eine etwas größere
Anzahl an Unterstützern.
In der erweiterten Mittelfrist von +192 bis +240h werden dann sechs Cluster
benötigt, um alle Unsicherheiten zu beschreiben. Bis auf das dritte Cluster
starten alle Lösungen mit einem blockierendem Schema, wechseln aber bis auf
Cluster 4 und 6 früher oder später in zonalere Strukturen. Das dritte Cluster
startet gleich mit dem Schema einer neg. NAO. Beim Haupt- und Kontrolllauf in
Cluster 4 bleibt das Blocking Trumpf. Aber auch die erste Lösung würde
überwiegend ruhiger Zeiten liefern. Cluster 2 und 3 stehen dagegen eher für
einen unbeständigen zu Schauern und Gewittern neigenden Charakter.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Am Dienstag sind im Küstenumfeld sowie in Kammlagen einzelner Mittelgebirge
stürmische Böen oder Sturmböen zu erwarten. Diese werden von der Probabilistik
mit Wahrscheinlichkeiten von 10 bis 70% gestützt.
Zudem sind je nach Modell im Süden sowie in Teilen Mitteldeutschlands starke
Gewitter möglich. Bei PPW von 25 bis 35 mm muss mit Starkregen, gebietsweise
auch mehrstündig, gerechnet werden. Lokal kann auch heftiger starkregen über 40
l/qm nicht ausgeschlossen werden. Von der Pobabilistik gibt es im Nordwesten
sowie beim ICON-EPS auch im westlichen und zentralen Mittelgebirgsraum, geringe
Hinweise bis 10% für Mengen über 25 l/qm in 12 Stunden.

Am Mittwoch weisen 5 bis 15% der EPS-Member an der Nordsee sowie in einzelnen
Gipfellagen weiter stürmische Böen oder Sturmböen aus.
Dazu sind in der Nordwestenhälfte schauerartige Niederschläge, im Nordwesten
auch einzelne Gewitter zu erwarten. Bei PPW von 18 bis 23 mm ist Starkregen
gering wahrscheinlich, aufgrund des Gradienten stürmische Böen aber
wahrscheinlich. An den Alpen ist dagegen bei letzten Gewittern und PPW von 22
bis 28 mm Starkregen möglich. Von der Probabilistih gibt es im 6 bis 12
stündigen Zeitraum sowohl in der Nordwesthälfte als auch an den Alpen erneut
geringe Hinweise bis 10% für das Überschreiten der Okker-Warnschwelle.

Am Donnerstag sind am Alpenrand und dessen Vorland weitere Gewitter möglich, bei
abnehmenden PPW lässt aber das Starkregenrisiko nach. Von der Probabilistik gibt
es nur noch am östlichen Alpenrand Wahrscheinlichkeiten bis 10% für mehr als 25
l/qm/12h. Im Norden sind dagegen noch einzelne Gewitter mit stürmischen Böen
gering wahrscheinlich.

Am Freitag werden allenfalls noch am östlichen Alpenrand einzelne Gewitter
simuliert, wobei Starkregen gering wahrscheinlich ist.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS-EPS, ICON-EPS, für TT auch MosMix
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Lars Kirchhübel