DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

28-06-2023 08:01
SXEU31 DWAV 280800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 28.06.2023 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
NWa
Zunächst ruhiges Sommerwetter. Ab Donnerstagnachmittag von Nordwesten
zunehmendes Schauer- und Gewitterrisiko, dabei ein- oder mehrstündiger
Starkregen, lokal Unwetter nicht ausgeschlossen.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... zeigen die höheren Atmosphärenschichten einen Rücken, der sich
ausgehend von der Iberischen Halbinsel in Richtung Nordsee und Skandinavien mit
positiver Neigung aufgewölbt hat. Flankiert wird er von einem Höhentief mit
Zentrum über dem östlichen Weißrussland und einem Trog über dem Nordostatlantik,
der sich von Grönland mit einem Drehzentrum über Island bis westlich vor die
Tore der Britischen Inseln erstreckt. Zusammengesetzt verleihen diese
Trog-Keil-Strukturen der Höhe ein Omega-ähnliches Aussehen, das sich in der
Folge aber als progressiv erweist und kein stabiles Wetter erwarten lässt.
Bodennah stützt der Rücken den Keil eines Hochs über dem Nordostatlantik, wobei
sich über dem Südosten Deutschlands im Tagesverlauf eine eigene Hochzelle
ausbildet. Diese hat von den Berliner Kollegen den Namen CIGDEM verliehen
bekommen. Keil und Rücken konnten nicht verhindern, dass sich eine Warmfront des
Islandtiefs NIKOLAUS (das dort mit dem Drehzentrum in der Höhe gekoppelt ist) in
den Westen Deutschlands eingeschlichen hat, die dort für einige dichte Wolken
und vom Niederrhein bis zum Saarland auch für leichte Regenfälle gesorgt hat. Im
Tagesverlauf "arbeitet" sich diese Warmfront ein wenig nach Osten weiter und
erreicht abends eine Linie Schleswig-Holstein - Hessen - Schwarzwald. Geringe
den Rücken überlaufende WLA verlagert den leichten Regen bis zum Abend sehr
langsam bis zur Deutschen Bucht, ins Emsland uns bis zum Sauerland weiter. Die
Regenmengen bleiben mit 0 bis 2 l/qm gering.
Im Süden und ganz im Osten sind die Wolken zum Teil ebenfalls dichter, an den
Alpen fällt dabei anfangs letzter Regen (0 bis 3 l/qm). Das sind noch Folgen des
Höhentiefs über Weißrussland, das leichte PVA bzw. WLA induziert, die im Laufe
des Tages aber immer schwächer werden bzw. nach Südosten abziehen. Folglich
lässt der Regen zum Nachmittag meist nach, im südlichen Bayern werden aber von
den konvektionserlaubenden Modellen sehr lokal schwache Schauer (0 bis 4 l/qm)
simuliert.
Abseits dieser Regionen bringen Rücken und Keil einen wechselnd bewölkten Tag,
zwischen westlicher Ostsee und dem nördlichen Bayern sowie Richtung Schwarzwald
sind die meisten Sonnenscheinstunden zu erwarten.
Bei T850 hPa von 7 bis 12 Grad liegen die Höchsttemperaturen in 2 m bei 20 Grad
an der Nordsee bis 27 Grad im Südwesten.
Der anfangs an der Ostsee in Böen noch frische Nordwestwind schwächt sich bei
nachlassendem Gradienten durch das Herannahen des Keils im Tagesverlauf ab.
Ansonsten weht schwacher bis mäßiger Wind um West.

In der Nacht zum Donnerstag "schwimmt" die Warmfront des Islandtiefs NIKOLAUS
unterhalb des Rückens etwas nach Osten weiter und zieht bis zum Morgen bis auf
eine Linie Lübecker Bucht - Thüringen weiter. Im Norden kann es unter den
dichten Wolken im Bereich der Warmfront gelegentlich mit unergiebigen Mengen
tröpfeln, da immer noch etwas WLA zur Verfügung steht. Nach Westen hin lockern
die Wolken postfrontal im Warmsektor nur gelegentlich auf.
Präfrontal ist es in den anderen Gebieten unter dem Keil meist nur locker
bewölkt oder klar und trocken.
Die Tiefsttemperaturen liegen zwischen 17 und 10 Grad unter den Wolken und
zwischen 14 und 7 Grad sonst.
Der Wind weht meist nur schwach aus unterschiedlichen Richtungen.

Donnerstag... schwenkt der Rücken bereits über Deutschland hinweg nach Osten,
die dann nahezu meridionale Achse liegt abends auf einer Linie nördliche Adria -
südliches Schweden. Damit richtet sich der Blick mehr und mehr auf den Trog
westlich von uns, der ebenfalls auf progressiver Linie unterwegs ist, durch
einen von Nordwesten hereinlaufenden Randtrog aber auch seine Amplitude nach
Süden vergrößert. Abends ist der Trog über den Britischen Inseln und dem
westlichen Frankreich zu erwarten, wobei die Verbindung zum Drehzentrum über
Island nicht verloren geht.
Die langsam nach Osten vorankommende Warmfront von NIKOLAUS löst sich im
frontolytischen Umfeld auf, bringt aber einige dichtere Wolken in den Osten
Deutschlands. Ganz im Osten und im Südosten überwiegt noch der
Hochdruckeinfluss, sodass dort die Sonne am längsten scheint.
Ansonsten ist es im Warmsektor des Tiefs wolkig, vor allem nach Nordwesten hin
zum Teil stark bewölkt.
Ab den Mittagsstunden sind leichte Regenfälle mit von der Partie, die sich
Hebungsimpulsen durch flache Randtröge in der sich ergebenden südwestlichen
Strömung zuordnen lassen. Mit 0 bis 4 l/qm fällt zunächst nicht viel Regen, der
auch wenig konvektiv ist, da die Labilität anfangs zu gering ist.
Diese erhöht sich zum späten Nachmittag im Nordwesten jedoch, was vor allem der
Bildung einer Tiefdruckrinne vor der Deutschland noch nicht erreichenden
Kaltfront von NIKOLAUS geschuldet ist. Entsprechende Hebung und zunehmend
feuchte Luft mit PPW's von 30 bis 40 mm generieren ML-CAPE bis 500 J/kg, sodass
von NRW bis zur Nordsee die Niederschläge zunehmend konvektiv werden und damit
auch elektrische Aktivität möglich wird. Die Einzelzellen sind mit etwa 30 km/h
relativ schnell unterwegs, können bei den PPW's aber dennoch lokalen Starkregen
bringen, unwetterartigen Mengen nicht völlig ausgeschlossen. Weitere
Begleiterscheinungen können bei geringer Scherung kleiner Hagel und starke Böen
Bft 7 sein.
Vereinzelt treten auch vom Schwarzwald bis zum Allgäu Schauer und Gewitter auf,
die ein flacher Sekundärtrog auslösen könnte, der aber nicht von allen Modellen
gezeigt wird.
Der Wind weht schwach, nach Norden hin teils mäßig aus Südwest.
Die Höchstwerte liegen zwischen 22 und 26 Grad an der See und im Bergland, sonst
zwischen 24 und 29 Grad.

In der Nacht zum Freitag setzt in der weiter progressiven Höhenströmung ein
Abtropfprozess im Höhentrog über Frankreich ein. Das Trogresiduum nördlich davon
ist etwas schneller unterwegs und drückt die präfrontale Tiefdruckrinne auf eine
Linie Lübecker Bucht - Harz - Pfalz weiter. Die Kaltfront indes wird bis nach
Schleswig-Holstein, dem Emsland und dem Niederrhein geschoben. Dazwischen bildet
sich ein Gebiet mit schauerartigem Regen, der anfangs auch gewittrig sein kann.
Die Regenmengen betragen 5 bis 20 l/qm in 12 Stunden, mit geringen
Wahrscheinlichkeiten für lokal mehr als 25 l/qm in 12 Stunden. Der meiste Regen
fällt dabei in einer oder wenigen Stunden als Starkregen.
Im Rest des Landes werden im Warmsektor durch gebietsweise etwas PVA ebenfalls
Regenfälle ausgelöst, die mit 1 bis 10 l/qm aber schwächer ausfallen. Im Süden
(Südhälften Baden-Württembergs und Bayerns) allerdings sind die Hebungsimpulse
durch den Sekundärtrog weiterhin stärker, was dort Gewitter und lokal ebenfalls
höhere Regenmengen möglich macht. Da spielen allerdings nicht alle Modelle mit,
bei COSMO-LEPS sind die Wahrscheinlichkeiten für mehr als 25 l/qm in 12 Stunden
aber noch erhöht.
Abgesehen von starken Böen bei Gewittern weht der Wind meist nur schwach aus
Südwest, im Nordwesten dreht er auf Nordwest.
Die Tiefstwerte liegen zwischen 18 und 12 Grad.

Freitag... tropft das Höhentief über Frankreich endgültig ab und zieht zum
zentralen Mittelmeer Richtung Korsika. Das Trogresiduum schwenkt derweil rasch
über den Norden Deutschlands hinweg.
Die vorgeschaltete Tiefdruckrinne ist folglich abends bereits über dem Südosten
Bayerns und Tschechien wiederzufinden, die Kaltfront auf einer Linie Odermündung
- Harz - Schwarzwald. In den Bereichen dazwischen ist nach wie vor der
Wassergehalt in der Säule hoch (30 bis 40 mm). Die Labilität ist etwas höher als
am Vortag (KLA in der unteren Atmosphäre), wobei ML-CAPE bis auf 1000 J/kg
ansteigt. Die Scherung bleibt hingegen limitiert, die Zuggeschwindigkeit der
Gebilde ist mit 30 bis 40 km/h dafür recht hoch. Die Regenmengen liegen zwischen
3 und 20 l/qm in 12 Stunden, mit geringen Wahrscheinlichkeiten für mehr als 25
l/qm in 12 Stunden (weiterhin der meiste Regen als Starkregen in einer oder
wenigen Stunden).
Im Süden sorgt dagegen das ins zentrale Mittelmeer wandernde Höhentief für
kräftige Hebung. Die Regenmengen sind vergleichbar mit denen der anderen
Regionen, die Wahrscheinlichkeiten für Regenmengen größer als 25 l/qm in 12
Stunden aber insbesondere vom Schwarzwald bis zu den Alpen mit bis zu 50 %
erhöht, selbst für Regenmengen größer als 40 l/qm in 12 Stunden gibt es schwache
Signale. Durch Stau könnte es dort auch auf Dauerregen hinlaufen.
Weitere Begleiterscheinungen bei den Gewittern sind kleiner Hagel und starke
Böen Bft 7.
Im Nordwesten erfolgt postfrontal eine Stabilisierung, womit es meist trocken
bleibt und die Sonne zeitweise scheint.
Abseits der konvektiven Umlagerungen weht der Wind schwach bis mäßig aus
Nordwest.
Die Temperaturen steigen in der einfließenden kühleren Meeresluft nur noch auf
18 bis 24 Grad, präfrontal im Osten und Südosten noch einmal auf 23 bis 27 Grad.


In der Nacht zum Samstag macht sich das Trogresiduum unter Abflachung nach
Nordosten von dannen, während das Höhentief die Mitte Italiens ansteuert. Die
Tiefdruckrinne zieht entsprechend über dem Südosten ab, die nachfolgende
Kaltfront liegt Samstagmorgen über dem Südosten Bayerns.
Das Niederschlagsgeschehen verlagert sich damit immer mehr in den Südosten. Im
Zuge dessen werden die Regensignale langsam schwächer, da der Tagesgang fehlt
und die Hebung allmählich nachlässt, auch im Süden. Dennoch sind Gewitter und
Starkregen weiterhin möglich, nach Süden hin bleiben die Wahrscheinlichkeiten
für mehr als 25 (40) l/qm in 12 Stunden erhöht.
Ansonsten setzt sich Zwischenhocheinfluss durch, sodass die Wolken auflockern.
Lokal ist dann Nebel nicht ausgeschlossen.
Im Nordwesten werden die Wolken allerdings schon wieder dichter, zum Morgen hin
ist an der Nordsee und im westlichen Emsland erster Regen möglich. Wolken und
Regen stehen im Zusammenhang mit dem Aufzug der Ausläufer eines neuen Tiefs
(vermutlich mit Namen OTTO) über der Nordsee, das von einem neuen Randtrog
dorthin geführt wird.
In diesem Kontext frischt auch der Wind an der Nordsee auf, wobei es noch nicht
für starke Böen Bft 7 reichen dürfte. Ansonsten weht schwacher bis mäßiger Wind
aus West bis Südwest.
Die Temperaturen gehen auf 15 bis 9 Grad zurück.



Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren sehr ähnlich, Unterschiede in den Niederschlagssignalen
sind dem konvektiven Umfeld geschuldet und handelsüblich. Für die Beurteilung
des Starkregens (auch mehrstündig) können noch weitere Modellläufe abgewartet
werden, eine große Unwetterlage zeichnet sich jedoch nicht ab.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Simon Trippler